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Das Haus Zamis 16 - Buena Vista Todes-Club
Das Haus Zamis 16 - Buena Vista Todes-Club
Das Haus Zamis 16 - Buena Vista Todes-Club
Ebook325 pages4 hours

Das Haus Zamis 16 - Buena Vista Todes-Club

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About this ebook

Coco Zamis hat ihre Familie aus dem Bann Gorgons befreit. Sofort versuchen die Zamis die Schwäche Asmodis auszunutzen und sich mit dem Geheimbund der Umstürzler zu verbünden, dem auch Traudel Medusa angehört. Coco will von all diesen Intrigen nichts wissen und nimmt deshalb dankbar das Angebot an, ihren Onkel Enrico zurück nach Südamerika zu begleiten. Doch die Reise wird abenteuerlicher als zunächst geplant. Kurz vor dem Ziel ist Enrico plötzlich verschwunden.
Coco stellt Nachforschungen an, doch die Spur Enricos verliert sich in Havanna im sogenannten Buena Vista Todes-Club ...

Der 16. Band von "Das Haus Zamis".

"Okkultismus, Historie und B-Movie-Charme - ›Dorian Hunter‹ und sein Spin-Off ›Das Haus Zamis‹ vermischen all das so schamlos ambitioniert wie kein anderer Vertreter deutschsprachiger pulp fiction." Kai Meyer

enthält die Romane:
47: "Buena Vista Todes-Club"
48: "Quutgghpatl"
49: "Dämonen-Hallig"
LanguageDeutsch
Release dateJan 1, 2013
ISBN9783955722166
Das Haus Zamis 16 - Buena Vista Todes-Club

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    Das Haus Zamis 16 - Buena Vista Todes-Club - Uwe Voehl

    Buena Vista Todes-Club

    Band 16

    Buena Vista Todes-Club

    von Uwe Voehl

    © Zaubermond Verlag 2012

    © Das Haus Zamis – Dämonenkiller

    by Pabel-Moewig Verlag GmbH, Rastatt

    Lektorat: Dario Vandis

    Titelbild: Mark Freier

    eBook-Erstellung: story2go

    http://www.zaubermond.de

    Alle Rechte vorbehalten

    Erstes Buch: Buena Vista Todes-Club

    Buena Vista Todes-Club

    1. Kapitel

    »Roswitha«, flehte Maria Diaz mit alkoholschwerer Zunge, »ich flehe dich an, geh nicht dorthin! Im Namen der Heiligen Jungfrau Maria bitte ich dich! Bleib heute Abend hier! Denk an deinen Bruder Marco, für den du sorgen musst! Denk an mich, deine Mutter, die du hier hilflos zurücklässt …«

    Maria Diaz war höchstens Mitte vierzig, sah jedoch aus wie siebzig. Der Überlebenskampf in dem heruntergekommenen Armenviertel war nicht ohne Spuren geblieben. Spuren, die sich zusammen mit dem Alkohol in Form tiefer Furchen und Gräben in Maria Diaz' Gesicht gegraben hatten. Mit gerade einmal vierzehn Jahren war sie das erste Mal schwanger gewesen, zwei ihrer Kinder hatte sie bei der Geburt verloren, zwei weitere waren an Infektionen gestorben, ehe sie sprechen gelernt hatten. Insgesamt hatte Maria neun Kinder geboren – von sechs verschiedenen Vätern, die sich allesamt aus dem Staub gemacht hatten. An Roswitha hing sie jedoch ganz besonders. Sie war die jüngste ihrer Töchter. Die schönste. Und die letzte, die ihr noch verblieben war.

    »Madre mia, Mamá!«, stöhnte Roswitha und verdrehte die Augen. Wie sie den Alkoholdunst hasste, der von ihrer Mutter ausging! »Ich gehe doch nur in einen Tanzclub und nicht in ein Bordell!«

    »Das ›Inferno‹ ist nichts anderes! Und noch schlimmer!«, gab Maria Diaz zurück und griff abermals nach der Flasche Rum, die auf dem Beistelltisch stand. Sie leerte sie in einem Zug und sprach anschließend mit gesenkter Stimme weiter. »Ich habe mich in der Nachbarschaft umgehört. Man erzählt sich, dass die meisten Mädchen dort gezwungen werden, ihren Körper an reiche Ausländer zu verkaufen – und so manche ist spurlos verschwunden!«

    Roswitha seufzte. »Wahrscheinlich, weil sie genug von diesem Dreckloch hatten und sich jemand erbarmt hat, ihnen ein besseres Leben zu bieten. Schade, dass es nur Ammenmärchen sind, die man dir erzählt hat, Mamá. Aber wenigstens werde ich ein paar Dollars dazuverdienen, damit es uns ein wenig besser geht.«

    »So so, du hältst mich für eine alte Märchenerzählerin«, ließ Maria Diaz nicht locker. »Weißt du, wie man das ›Inferno‹ noch nennt? Den Todes-Club! Verstehst du denn nicht? Keine reichen Amerikaner sind für die verschwundenen Mädchen verantwortlich, sondern, sondern …«

    »Sondern?« Roswitha zog spöttisch die rechte Augenbraue hoch, der sie soeben noch mit Mascara den Feinschliff verpasst hatte. Sie ahnte, was nun kam.

    »Dämonen!«, antwortete Maria. Sie flüsterte es fast, als hätte sie Angst, sie könnte sie durch ihre allzu laute Stimme herbeirufen.

    Roswitha lachte. »Ja, ja, deine Dämonen! Sie sind dafür verantwortlich, dass dir sämtliche Männer weggerannt sind. Sie sind dafür verantwortlich, dass meine Geschwister bis auf Marco gestorben sind. Und sie sind dafür verantwortlich, dass wir in diesem Slum hausen«, sagte sie verbittert. »Ich bin siebzehn, Mamá, und mir wären Dämonen allemal lieber als das Elend, das wir hier jeden Tag ertragen müssen. Wenn mir ein Dämon im ›Inferno‹ über den Weg läuft, wird mir schon etwas einfallen, damit er mich erhört!«

    Maria Diaz schüttelte den Kopf. Ihrer Tochter war nicht zu helfen. Resigniert öffnete sie eine weitere Flasche Rum und schüttete sich ein Glas voll. Die braune Magie würde ihr helfen, ihre Ängste zu vergessen …

    Das »Inferno« lag am Ende einer heruntergekommenen Gasse des Vergnügungsviertels. Bis vor zwei Jahren hatten sich hier nur noch Obdachlose und Ratten ein Stelldichein gegeben. Erst mit der Eröffnung des »Buena Vista Clubs« war wieder Leben in die Gasse eingekehrt. Sündiges Leben. Inzwischen hatte es einen Besitzerwechsel gegeben, und der Laden nannte sich jetzt »Inferno«.

    Auch an diesem Abend war die Gasse gefüllt mit Menschen. Reichen wie Armen, Alten wie Jungen. Unterhalb des »Inferno« hatten sich in den letzten Monaten weitere Bars und Etablissements angesiedelt – von der übelsten Spelunke bis zum mondänen Night-Club. Für jeden war etwas dabei, doch das von allen begehrte Objekt lag direkt am oberen Ende der Gasse. Nur wer es sich leisten konnte, durfte überhaupt davon träumen, es betreten zu dürfen. Auch so schon reihte sich Abend für Abend bereits eine Stunde vor der Eröffnung eine Schar von Neugierigen und Möchtegern-Gästen vor dem Eingang. Nur die Hälfte wurde für würdig befunden, eingelassen zu werden. Die andere Hälfte zog enttäuscht ab, trank sich den Frust in einem der anderen Lokale von der Seele und schwor sich, es am nächsten Abend noch einmal zu versuchen.

    »Hey, Chica, Lust auf eine Spritztour?«

    Roswitha schrak aus ihren Gedanken. Neben ihr hatte ein rotes altes Chevi-Cabrio gehalten. Auf der Rückbank lugten zwei Gitarren und ein riesiger Kontrabass hervor. Die drei Latinos auf der Vorderbank darin schauten sie anzüglich an.

    Oder vielmehr aus, dachte Roswitha. Aber es gefiel ihr. Für sie war es ein Zeichen, dass sie fantastisch aussah. Für ihr Vorstellungsgespräch hatte sie ihr engstes und verführerischstes Kleid angezogen. Das Rot des Stoffes korrespondierte auf männerbetörende Art und Weise mit dem Braun ihrer samtenen Haut. Sie warf die schwarzen Locken zurück und lachte.

    »So viel Geld habt ihr nicht, dass ihr mich bezahlen könnt«, spottete sie. »Selbst wenn ihr alle drei zusammenwerft!«

    Der Mann am Steuer grinste zurück. Er hatte schwarze, nach hinten gekämmte Haare, ein trotz seiner jungen Jahre markantes Gesicht und ein blendendes Lächeln. Er gefiel ihr. Unter anderen Umständen wäre sie vielleicht auf sein Angebot eingegangen. »Nun zeig uns mal nicht die kalte Schulter«, gab er zurück. »So abgebrüht, wie du tust, bist du doch gar nicht.

    Ich wette, du tanzt hier irgendwo. Verrat uns den Schuppen, damit wir dich bewundern können. Vielleicht spielen wir sogar den Rumba dazu!«

    »Ihr könnt es ja versuchen. Ich tanze im ›Inferno‹«, entgegnete Roswitha vorlaut. Ein bisschen zu vorlaut, wie sie sogleich dachte. Schließlich stand ihr das Vorstellungsgespräch noch bevor. »Hasta la vista, boys!«, sagte sie rasch und sah zu, dass sie in der Menge verschwand.

    Ihr entging, dass der Fahrer des Chevy noch einmal anerkennend durch die Zähne pfiff. »Eine verdammt scharfe Braut, Leute!«

    »Vergiss sie, Diego. Die wird nicht mehr lange so hochnäsig herumlaufen. Du hast gehört, dass sie im ›Inferno‹ tanzt!«

    »Schade um sie«, sagte der junge Mann am Steuer kichernd. »Ich hätte sie gern näher kennengelernt.«

    Roswitha war mittlerweile so weit in die Gasse eingedrungen, dass sie das »Inferno« bereits sehen konnte. Es war noch zu früh, als dass sich eine Schlange davor gebildet hatte. Wie ein Palast nahm es die gesamte Breite der Gasse ein. Der pittoreske Bau überragte alle angrenzenden Gebäude um mehrere Stockwerke. Noch waren die vielen Fenster verdunkelt, doch mit Einbruch der Dunkelheit würden sie funkeln wie Diamanten, mit irisierenden Lichtern, schattenhaften Gestalten und Obszönitäten, die sich im Hause abspielten. Viele Menschen kämpften sich nur deshalb bis ans obere Ende dieser Gasse, um das allabendliche Schaupiel zu bestaunen, das sich ihnen hinter den Fenstern als Illusion einer Welt offenbarte, die ihnen niemals zugänglich sein würde.

    Schließlich stand sie direkt vor dem Eingang. Es war nicht das erste Mal. Natürlich hatte auch sie wie so viele andere schon mal versucht, ins »Inferno« eingelassen zu werden. Er war ihr nicht gelungen. Das hatte aber nur ihren Ehrgeiz beflügelt, es wieder und wieder zu versuchen.

    Vergeblich. Sie kannte dieses Tor. Es glich einem Eingang zur Hölle.

    Die stählernen Türflügel waren mit dämonischen Fratzen und Symbolen verziert. Ihr Anblick lösten bei ihr auch jetzt wieder diese Mischung aus Schauder und Erwartung aus. Sie spürte die Gänsehaut, die sich an ihren Armen bildete, während sich in ihrem Unterleib eine angenehme Wärme breitmachte.

    Welche Hölle auch immer sich hinter der Pforte verbarg, sie würde nicht nur Schrecken, sondern auch eine Menge Spaß bereithalten.

    Sie, Roswitha, würde es herausfinden.

    Während sie noch unschlüssig davorstand, öffnete sich eines der Fenster über der Pforte. Ein runzeliger, verwachsener Männerkopf schaute heraus.

    »Was willst du? Scher dich weg!«

    »Señor Cardoso hat mich herbestellt«, entgegnete Roswitha und stellte sich in Position. Sie hatte nicht vor, sich von diesem Widerling einschüchtern zu lassen.

    Er blickte sie mit spöttischem Interesse an. »Warte, ich mach dir auf! Oder besser: Nimm den Seiteneingang.«

    Das Fenster wurde wieder zugeworfen. Einen Moment lang stand Roswitha unschlüssig herum. Sie schaute über die Schulter zurück. Gott sei Dank, niemand hatte mitbekommen, wie abfällig der Kerl sie betrachtet hatte.

    Trotzig wandte sie sich um und ging an der Front des Hauses vorbei. Seitlich befand sich ein kleiner Pfad, gerade mal breit genug, dass zwei Leute nebeneinander gehen konnten. Er war weder gepflastert noch sonstwie befestigt. Die hohen Absätze ihrer Stiletto-Pumps versanken in Matsch. Kurzerhand zog sie sie aus und lief barfuß weiter.

    Es sah immer weniger danach aus, dass man sie wie eine Königin empfangen würde.

    Eher wie Aschenputtel.

    Sie rutschte aus und fiel der Länge nach hin. Als sie sich wieder aufraffte, war ihr rotes Kleid braun gesprenkelt.

    Sie war den Tränen nahe.

    Da hörte sie das Lachen.

    Ihre Augen klärten sich, und sie erkannte vor sich das Männlein vom Fenster. Von Nahem war es noch hässlicher. Seine linke Gesichtshälfte schien völlig schief zu sitzen – wie ein Mond, den man von der Seite betrachtete. Der Zwerg reichte ihr nur bis zu den Hüften.

    »Nun komm schon rein!«, rief er ihr zu. »Oder willst du dort draußen in Schönheit sterben.« Er kicherte wie über einen besonders guten Witz.

    »So kann ich nicht vorsprechen«, heulte Roswitha. »Geschweige denn tanzen.«

    »Stell dich nicht so an!«, fuhr ihr der Zwergenwüchsige über den Mund. »Und nun komm endlich!«

    Mehr unter Zwang als unter freiem Willen setzte Roswitha einen Fuß vor den anderen. Ihr angeborenes Selbstbewusstsein und ihre Zuversicht waren bereits jetzt auf den Nullpunkt gesunken – und dabei hatte sie noch nicht einmal die Schwelle übertreten.

    Der Zwerg bedachte sie mit einem Blick, der ihr gar nicht gefiel. Sie war es gewohnt, dass die Männer ihren Körper bewunderten, doch so, wie der Zwerg sie anschaute, lief es ihr eiskalt über den Rücken.

    Dennoch konnte sie nicht mehr zurück. Kaum hatte sie das Haus betreten, knallte der Gnom die Tür zu und verriegelte sie. Dann schubste er sie vorwärts. In dem Gang war es stockdunkel. Roswitha stieß mit der Hüfte gegen irgendeine Möbelkante. Das würde einen hübschen blauen Fleck geben! Aber spielte das noch eine Rolle? Wollte sie überhaupt noch jemals hier tanzen?

    Mehrmals wechselte der Korridor die Richtung. Er kam ihr vor wie ein Irrgarten. Selbst wenn der Zwerg sie nicht ständig vor sich hergetrieben hätte, hätte nicht mehr gewusst, wo sie sich befand. Sie hatte vollkommen die Orientierung verloren.

    »Ich heiße übrigens Antonio«, hörte sie die raue Stimme in ihrem Rücken. »Den Namen solltest du dir merken, wenn du hier keine Schwierigkeiten haben willst. Antonio kann dir alles geben – und alles nehmen!«

    Es klang wie eine Drohung – und das war es wohl auch. Mieser, kleiner Erpresser, dachte Roswitha. Fass mich an mit deinen schmierigen Händen, und ich töte dich!

    Sie schrak zusammen. Der Gedanke, der sie soeben durchströmt hatte, war ihr fremd. Niemals zuvor hatte sie den Wunsch verspürt, jemanden zu töten. Es war, als würde die Atmosphäre im »Inferno« ihr Wesen verändern.

    Plötzlich sah sie den Lichtschein am Ende des Ganges.

    »Señor Cardoso erwartet dich bereits«, zischte Antonio. »Ich gebe dir einen guten Rat: Streng dich an, damit er zufrieden mit dir ist!«

    Der schwache Lichtschein drang aus einer geöffneten Tür. Wie hypnotisiert näherte sich Roswitha dem Licht und betrat das Zimmer.

    Es war ein schmuckloses Büro. Hinter einem riesigen Schreibtisch saß eine massige, unförmige Gestalt. Deren Gesicht konnte sie nicht erkennen. Entweder war es die schwache Beleuchtung oder ... wirklich nur Schwärze, die dort statt eines Gesichts vorhanden war. Etwas glühte kurz darin auf, so als lauerten in der diffusen Fläche mehrere rötlich schimmernde Augenpaare.

    Roswitha bemühte sich, nicht allzu genau hinzuschauen.

    »Lass uns allein, Antonio«, sagte eine Stimme, die aus der mundlosen Finsternis stammte. Sie war erstaunlich hoch, fast quäkend. Roswitha vernahm, wie hinter ihr die Tür geschlossen wurde. Eine Weile sagte Señor Cardoso gar nichts. Roswitha fühlte, wie sein Blick über ihren Körper glitt. Sie spürte ein Brennen auf ihrer Haut. Es war nicht unangenehm, an der Schwelle zum Schmerz.

    »Zieh dich aus!«, befahl Cardoso.

    »Aber ich …« Sie wollte protestieren, wollte ihm begreiflich machen, dass sie auf der Suche nach einer seriösen Anstellung als Tänzerin war. Doch abermals glühte es in der Finsternis auf, und diesmal brannten sich seine Blicke tief in ihre Haut. Roswitha schrie auf vor Schmerz. Es war, als hätte man sie mit brennenden Zigaretten malträtiert. Von einem Moment zum anderen bildeten sich große Brandblasen.

    »Zieh dich aus!«, wiederholte Cardoso, und diesmal wagte Roswitha nicht mehr zu widersprechen.

    Wie unter einem geheimen Zwang knöpfte sie die Bluse auf, öffnete den Reißverschluss ihres Rockes und ließ diesen zu Boden gleiten. Einen Moment zögerte sie. Ein harsches »Weiter!« ließ sie zusammenfahren und fortführen, was sie begonnen hatte.

    Sie schluchzte auf, als sie die Ösen ihres BHs öffnete und dieser ebenfalls zu Boden fiel. Ihre großen vollen Brüste hatten noch jeden Mann betört. Doch diesmal wünschte sie sich, sie wären klein und unansehnlich. Die unsichtbaren Blicke Cardosos schienen sich förmlich an ihnen festzusaugen. Sie merkte, wie die Brustwarzen erhärteten und anschwollen. Es war ein schreckliches Gefühl – so als würde sich jemand darin festbeißen.

    Roswitha keuchte vor Schmerz.

    »Du bist wunderschön, Kleines«, sagte Cardoso. »Schön wie die Hölle! Es wird dir hier gefallen! Und nun lass die letzte Hülle fallen!«

    Sie schlüpfte aus ihrem Tanga.

    Cardoso gab ein Geräusch von sich, als schnalze er mit der Zunge. »Du wirst mein Paradepferdchen, Kleines. Und wenn du brav bist und meinen guten Ratschlägen folgst, wird es dir im ›Inferno‹ gefallen. Aber zunächst musst du mir beweisen, dass du tanzen kannst. Die meisten Gringos sind ganz verrückt danach, euresgleichen tanzen zu sehen!«

    Eine merkwürdige Melodie war plötzlich in ihrem Kopf. Roswitha war sicher, dass nur sie sie hörte. Die Melodie war schmeichelnd und bizarr zugleich. Roswitha konnte nicht verhindern, dass ihr nackter Körper sich in dem Takt zu bewegen begann. Gleichzeitig spürte sie, wie sich ihr Schoß erwärmte.

    Roswitha lächelte, obwohl sie hätte weinen mögen.

    rasch beschleunigte sich der Rhythmus zu wuchtigen Beats. Roswithas Körper wurde hin- und hergeschleudert. Wie aus dem nichts wuchs vor ihr plötzlich eine Metallstange aus dem Boden. Roswitha fühlte, wie ihr Schoß sich danach sehnte, die Stange zu berühren. Mit einem Stöhnen schlang sie ihre Beine darum und begann ihren aufreizenden Tanz.

    Vergessen waren die Schande und die Schmerzen. Auch Cardoso war aus ihrem Bewusstsein verschwunden. Nur noch die hämmernden Beats waren vorhanden – und das unbändige Verlangen, sich Befriedigung zu verschaffen …

    Die Umgebung versank in Finsternis, und Roswitha tauchte in diese Finsternis ein wie in einen tiefen, endlosen Schlund. Dies war nur der Beginn einer Nacht, wie Roswitha noch keine erlebt hatte.

    »Roswitha, nun sprich endlich! Was ist passiert? Was hat dieses Schwein Cardoso nur mit dir gemacht?«

    Ihre Mutter Maria war verzweifelt. Zwei Tage und Nächte hatte sie vergeblich darauf gewartet, dass ihre Tochter zurückkehren würde.

    Und als sie endlich aufgetaucht war, hatte ihre Mutter sie zunächst nicht wiedererkannt. Sie war nackt gewesen, aber ihr Körper war von oben bis unten mit winzigen Brandwunden und in allen Farben schillernden Flecken bedeckt gewesen. Ohne zu erzählen, was vorgefallen war, war Roswitha in ihrem Bett eingeschlafen. Vierundzwanzig Stunden hatte sie wie eine Tote dagelegen – nun endlich hatte sie die Augen geöffnet.

    »Ich – ich weiß nicht, Mutter«, stammelte Roswitha. Sie versuchte sich zu erinnern, doch ihr Gedächtnis reichte nur bis zu dem Moment, wo sie den Lichtschein gesehen hatte und der Zwerg Antonio sie darauf zugetrieben hatte.

    Sie drehte sich herum und schrie auf. Ihr ganzer Körper war ein einziger Schmerz.

    »Beweg dich nicht«, flüsterte Maria. »Ich habe versucht, deine Schmerzen mit Salben zu lindern. Zum Glück sind es nur oberflächliche Verletzungen, wenngleich ich mir nicht vorstellen kann, wer so pervers sein kann!« Sie ließ einige ordinäre Schimpfworte folgen. »Nie wieder wirst du das ›Inferno‹ betreten. Nie wieder, hörst du! Versprich es mir, Roswitha!«

    »Ich – verspreche – es, Mutter«, flüsterte das Mädchen.

    Dann versank Roswitha wieder in tiefen Schlaf.

    Roswitha!

    Sie glaubte, ihren Namen zu hören. Doch als sie die Augen aufschlug, befand sich niemand im Zimmer. Sie meinte, die Stimme zu kennen. Antonio! Plötzlich fiel er ihr ein. Aber er war nirgendwo zu sehen. Sie befand sich in ihrem Bett. Die Vorhänge waren zugezogen, aber sie erkannte, dass es dahinter bereits dämmerte.

    Roswitha! Da war er wieder, dieser Ruf! Sie erhob sich aus dem Bett. Diesmal spürte sie keinen Schmerz. Sie trug ein weißes Nachthemd, aber soweit sie erkennen konnte, waren die Wunden verheilt. Wie von selbst bewegten sich ihre Füße Richtung Fenster. Ihre nackten Fußsohlen spürten das kühle Holz des Bodens. Für einen kurzen Moment tauchte eine schreckliche Gestalt in ihrer Erinnerung auf: Die Gestalt war dick und massig, und dort, wo das Gesicht sein sollte, befand sich nur eine schwarze Fläche mit Dutzenden glühenden Augen darin.

    Ein Albtraum!, beruhigte sie sich selbst. Es musste ein Alptraum gewesen sein. Und doch ahnte sie insgeheim, dass mehr dahintersteckte. Sie schüttelte das Traumbild ab, oder was immer es auch war, und zog die Vorhänge auf. Das Fenster schaute auf einen tristen Hinterhof hinaus. Roswitha sah hinab und erkannte ein zwergenhaftes Wesen.

    Antonio!

    Mit breitem Grinsen schaute er zu ihr hoch. Obwohl er seine Lippen nicht bewegte, hörte sie seine Stimme in ihrem Kopf: Beil dich, Roswitha. Du weißt doch, dass du heute tanzen wirst! Hast du es etwa vergessen?

    Sie erinnerte sich an nichts, an gar nichts. Dennoch konnte sie sich dem Befehl nicht widersetzen. Die Stimme Antonios in ihrem Kopf hatte etwas Hypnotisches an sich. Es war, als würden eisige Krallen ihr Gehirn umfassen und ihr Bewusstsein ausschalten.

    Sie gab ihm ein Zeichen, das sie sofort kommen würde, zog ihr Nachthemd aus und schlüpfte rasch in Shirt und Jeans. Statt hochhackiger Schuhe wählte sie diesmal einfache Sandalen. Sie öffnete die Tür und vernahm das Schnarchen ihrer Mutter. Wahrscheinlich hatte sie wieder getrunken und schlief ihren Rausch aus. Gut so! Roswitha würde ihr wohl kaum erklären können, warum es sie so plötzlich wieder aus dem Haus trieb.

    »Wo willst du hin, Roswitha?«

    Sie erstarrte, entspannte sich aber, als sie Marco, ihren kleinen Bruder erkannte. Er war zehn, und die folgenden Monate würden darüber entscheiden, ob er noch länger ein Kind bleiben durfte oder schneller erwachsen werden würde, als ihm lieb sein konnte. Roswitha versuchte ihn und ihre Mutter zu überzeugen, dass es gut für ihn wäre, weiter die Schule zu besuchen. Er selbst wollte so schnell wie möglich Geld verdienen. Auch für Marco hatte sie im »Inferno« tanzen wollen. Damit er eine bessere Ausbildung bekam als sie. Sie würde die kleine Familie schon ernähren können, wenn sie erst einmal Fuß fassen würde in diesem Gewerbe.

    Vielleicht würde ja doch noch alles gut werden …

    »Pst«, zischte sie und hielt warnend den Finger vor die Lippen. »Weck Mama nicht. Ich bin bald wieder da!«

    Bevor Marco antworten konnte, war sie bereits an ihm vorbei und durch die Tür verschwunden.

    Draußen auf dem Hof empfing sie der Zwerg.

    »Es geht los!«, begrüßte er sie. »Señor Cardoso war recht angetan von dir. Aber bilde dir nichts darauf ein! Du musst erst noch zeigen, dass etwas Besonderes in dir steckt. Und jetzt komm!«

    Er zog sie mit sich und trieb sie zur Eile an. Dabei hatte sie so viele Fragen. Doch Antonio war nicht gewillt, sie ihr zu beantworten. Er mied die belebten Straßen und bevorzugte die Abgeschiedenheit dunkler Gassen und Gehwege. Schließlich standen sie vor dem »Inferno«. Roswitha wunderte sich, dass es so plötzlich vor ihnen auftauchte. Sie kam sich vor wie in einem Traum.

    Es war wie bei ihrem ersten Besuch. Nur dass sich diesmal eine lange Schlange von Wartenden vor dem höllenartigen Schlund gebildet hatte. Antonio drängte sich durch die Menge. Roswitha zog er mit sich.

    »He, du Zwerg, nicht vordrängeln!«

    Ein Zwei-Meter-Koloss hatte sich vor Antonio gestellt und starrte ihn grimmig an. Antonio starrte zurück – und der Riese gab den Weg frei. Irgendetwas in Antonius Blick sagte ihm offenbar, dass es besser war, klein beizugeben, auch wenn er dafür den Spott seiner Kameraden über sich ergehen lassen musste.

    Schließlich hatten sie das Portal erreicht. Als hätte sie jemand die ganze Zeit beobachtet, öffnete es sich, sodass sie rasch hineinschlüpfen konnten. Roswitha vernahm, wie es sich hinter ihnen mit einem dumpfen Ton, der an einen Glockenschlag erinnerte, wieder schloss. Es hatte etwas Endgültiges.

    »Schnell jetzt, das ›Inferno‹ öffnet in einer Viertelstunde. Bis dahin musst du geschminkt und angezogen sein.«

    Ehe sie sich versah, hatte er eine weitere Tür geöffnet und gab ihr einen Stoß. Roswitha purzelte vorwärts. In dem Raum befanden sich ein Dutzend weitere Mädchen.

    »Willkommen, Roswitha!«, sagte eine der jungen Frauen. Sie war blond und hatte ein hautenges, minikurzes Kleid an. Man sah sehr deutlich, dass sie darunter nur noch ihre nackte Haut trug. »Ich heiße Juanita. Am besten ziehst du dir gleich das da an!«

    Sie warf ihr ein nichts von einem Kleid zu. Widerstrebend zog sich Roswitha aus und schlüpfte in das Kleid. Dabei spürte sie die ganze Zeit Juanitas Blicke auf ihrem Körper. »Du siehst fantastisch aus«, sagte Juanita. »Pass nur auf, dass du denen da draußen nicht zu gut gefällst – dann haben wir uns das letzte Mal gesehen.«

    Roswitha kam sich noch immer wie in einem Albtraum vor. Ihre Bewegungen vollzog sie automatisch, ohne nachzudenken. Und auch die Bedeutung der Worte begriff sie kaum. Also tat sie einfach, was von ihr verlangt wurde.

    »Wenn du zu gut tanzt, kommst du eine Stufe höher«, erklärte Juanita. »Oder soll ich sagen, tiefer?« Sie lachte. Offensichtlich war sie leicht berauscht. Von Alkohol oder Drogen. Tatsächlich entzündete sie sich einen Joint. »Willst du auch einen? Dann ist es leichter zu ertragen.«

    Roswitha schüttelte den Kopf.

    Sie konnte ohnehin nicht mehr klar denken.

    »Ich habe es zuerst auch nicht begriffen«, erzählte Juanita weiter, »aber dann kam ich dahinter. Nach jedem Abend fehlen zwei von uns. Jeweils die, die am schlechtesten, und die, die am besten war. Siehst du darin ein System?«

    Abermals konnte Roswitha nur den Kopf schütteln. »Ich hab's zum Glück begriffen, Kleine. Und du wirst es auch schnell begreifen, da bin ich sicher.« Sie inhalierte einen tiefen Zug und ließ Roswitha allein zurück.

    Roswitha betrachte die anderen Mädchen. Keines schien sich für sie zu interessieren.

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