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Dorian Hunter 79 – Unter dem Eis
Dorian Hunter 79 – Unter dem Eis
Dorian Hunter 79 – Unter dem Eis
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Dorian Hunter 79 – Unter dem Eis

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About this ebook

Band 79 der legendären Serie um den "Dämonenkiller" Dorian Hunter!

Der ehemalige KGB-Agent Kiwibin war lange verschollen. Endlich gelingt es Fred Archer, ihn aufzuspüren. Doch Kiwibin ist nicht mehr erst selbst. Gleichzeitig erinnert sich Dorian an eine weitere Episode aus Hugo Bassaracks Leben. Doch so ganz scheint sie nicht zu dem zu passen, was er bisher über seine frühere Inkarnation erfahren hat. Und warum beginnen sich auch Dorians Begleiter an frühere Leben zu erinnern?

"Okkultismus, Historie und B-Movie-Charme - ›Dorian Hunter‹ und sein Spin-Off ›Das Haus Zamis‹ vermischen all das so schamlos ambitioniert wie kein anderer Vertreter deutschsprachiger pulp fiction." Kai Meyer

enthält die Romane:
279: "Chatanga"
280: "Unter dem Eis"
LanguageDeutsch
Release dateMar 6, 2015
ISBN9783955720797
Dorian Hunter 79 – Unter dem Eis

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    Dorian Hunter 79 – Unter dem Eis - Uwe Voehl

    Unter dem Eis

    Band 79

    Unter dem Eis

    von Logan Dee und Catherine Parker

    © Zaubermond Verlag 2015

    © Dorian Hunter – Dämonenkiller

    by Pabel-Moewig Verlag GmbH, Rastatt

    Titelbild: Mark Freier

    eBook-Erstellung: story2go | Die eBook-Manufaktur

    http://www.zaubermond.de

    Alle Rechte vorbehalten

    Was bisher geschah:

    Der ehemalige Reporter Dorian Hunter hat sein Leben dem Kampf gegen die Schwarze Familie der Dämonen verschrieben, seit seine Frau Lilian durch eine Begegnung mit ihnen den Verstand verlor. Seine Gegner leben als ehrbare Bürger über den gesamten Erdball verteilt. Nur vereinzelt gelingt es Dorian, ihnen die Maske herunterzureißen.

    Bald kommt Hunter seiner eigentlichen Bestimmung auf die Spur: In einem früheren Leben schloss er als französischer Baron Nicolas de Conde einen Pakt mit dem Bösen, der ihm die Unsterblichkeit sicherte. Der Pakt galt, und als de Conde selbst der Ketzerei angeklagt und verbrannt wurde, wanderte seine Seele in den nächsten Körper. Im Jahr 1713 wurde er als Ferdinand Dunkel in Wien Zeuge, wie Asmodi, das Oberhaupt der Schwarzen Familie, von einem Nachfolger verdrängt wurde, der sich fortan Asmodi II. nannte. Ihn kann Dorian schließlich töten.

    Nach vielen Irrungen nimmt Lucinda Kranich, die Schiedsrichterin der Schwarzen Familie, die Rolle des Asmodi an. Niemand weiß, dass sie in Wirklichkeit hinter dem wiedererstandenen Fürsten steckt. Und letztendlich wird ihre Maskerade Wirklichkeit. Dass Lucinda sich einen Teil Asmodis einverleibt hat, um seine Macht zu erlangen, wird ihr zum Verhängnis. Der in ihr schlummernde Asmodi übernimmt die Kontrolle über ihren Körper und ersteht so tatsächlich wieder auf.

    Und die Umstände wollen es, dass ausgerechnet Coco Zamis die neue Schiedsrichterin wird. Das Dämonenkiller-Team droht zu zerfallen, Dorian stirbt. Die Dämonen scheinen gesiegt zu haben.

    Aber mit vereinten Kräften gelingt es Dorians Freunden, ihn ins Leben zurückzuholen. Das Team formiert sich neu. Nur eines der alten Mitglieder fehlt noch: Kiwibin.

    Erstes Buch: Chatanga

    Chatanga

    von Logan Dee

    nach einem Exposé von Susanne Wilhelm

    1. Kapitel

    Ich erwachte mit einem pelzigen Geschmack im Mund. Meine Kehle war so ausgetrocknet, dass ich im ersten Moment fürchtete, keine Luft zu bekommen. Mir pochte der Schädel, als würde ein winziger sadistischer Dämon darin sitzen und mit einem Hammer von innen dagegenschlagen.

    Durch die Vorhänge des Schlafzimmers fiel graues Licht. Nicht unbedingt das, was mich aus dem Bett trieb. Das Pochen der Regentropfen gegen die Scheibe erzeugte einen trostlosen Sound.

    Mein Blick war verschwommen, so als wären die Regenschleier auch ins Zimmer eingedrungen. Ich tastete mit der Hand zur Nachtkonsole und stieß mit den Fingern gegen eine Flasche, die daraufhin zu Boden rollte. Zum Glück landete sie auf dem weichen Teppich und ging nicht zu Bruch.

    Als Nächstes bekam ich die Schachtel Players zu fassen. Wie ein Erstickender griff ich mit zittrigen Fingern hinein und zog eine Zigarette heraus.

    Fehlte nur noch Feuer.

    Fluchend setzte ich mich auf. Das Feuerzeug war nirgends zu sehen. Die Zigarette hing nutzlos zwischen meinen Lippen.

    Ein Tag, der so anfing, konnte eigentlich nur besser werden. Würde zumindest ein Optimist sich einreden.

    Ich bin kein Optimist. Also erwartete ich das Schlechteste.

    Herzlich willkommen, Dorian, flüsterte der Dämon, der noch immer unverdrossen meinen Schädel malträtierte. Willkommen zu einem weiteren Tag in deiner ganz persönlichen Hölle, die du Leben nennst.

    Ich schlurfte aus meinem Zimmer auf der Suche nach Feuer. Der verführerische Duft von gebratenem Speck stieg mir in die Nase. Ich folgte ihm und landete in der Küche. Als ich die Tür aufstieß, stand ein bereits ziemlich geschniegelter George Morales vor dem Herd und rührte in einer Pfanne herum.

    Er trug eine Schürze, um sich vor Fettspritzern zu schützen. An besseren Tagen hätte ich ihn damit aufgezogen.

    Heute war einer der schlechteren Tage.

    Wie zur Bestätigung sagte Morales: »Mann, Hunter, sehen Sie vielleicht scheiße aus!«

    »Feuer!«, murmelte ich und sah mich verzweifelt um.

    »Wollen Sie die Villa abfackeln, oder warum?«

    Ich deutete auf die Zigarette.

    Es war Don, der mir aus der Klemme half. »Setz dich, Dorian.« Ich setzte mich zu ihm an den Küchentisch. »Ich vermute, das hier ist dein Feuerzeug, oder?«

    Er warf es mir zu, und endlich konnte ich die Zigarette ihrer wahren Bestimmung zuführen.

    »Das hab ich auf der Toilette gefunden«, sagte Don. »Du solltest da gleich mal sauber machen.« Er sah mich an, als wäre ich ein ekliges Insekt. Während ich rauchte, hielt er mir eine Morgenpredigt: »Ich mache mir allmählich Sorgen. Du solltest wirklich weniger trinken. Die ganze Toilette ist vollgekotzt.«

    »Ich bemühe mich ja, aber Lady Bourbon ist zu verführerisch.«

    Don schüttelte fassungslos den Kopf. »Ich begreife nicht, wie man sich so gehen lassen kann. Okay, ich gebe zu, dass unser Junggesellenhaushalt nicht das ist, was man unter einem gemütlichen Zuhause versteht. Und ich gebe auch zu, dass wir im Moment ein wenig herumhängen. Das ist aber noch lange kein Grund, sich Abend für Abend derart volllaufen zu lassen.«

    »Kaffee?«, krächzte ich.

    Don schob mir die Kanne hin. Meine Tasse stand noch vom letzten Morgen auf dem Tisch. Nachdem ich einige Schlucke die Kehle heruntergeschüttet hatte, nickte ich. »Du hast ja recht, Don. Ich ...«

    »Sie sitzen auf meinem Platz«, sagte Morales. Er stand mit der Pfanne vor mir und sah verächtlich auf mich herab. »Aber so fertig, wie Sie aussehen, mache ich heute mal eine Ausnahme.«

    Er nahm an anderer Stelle Platz und füllte sich und Don den Teller: Rühreier, Speck, Bohnen und Würstchen. Mein Magen knurrte vernehmlich.

    »Und ich?«

    Morales gönnte mir ein mitleidiges Lächeln. »Können Sie heute Morgen überhaupt etwas bei sich behalten? Würde mich wundern. Außerdem habe ich die letzten Eier gerade verbraucht. Und raten Sie mal, Hunter, wer mit dem Einkauf an der Reihe ist?«

    Während die beiden sich über das Frühstück hermachten, ging es mir allmählich besser. Vor allem, nachdem ich eine weitere Players geraucht und eine zweite Tasse Kaffee getrunken hatte.

    »Kaffee brauchen wir auch neuen«, knurrte Morales. Er war schon ein Sonnenschein. Ich wusste gar nicht, womit ich einen solchen Charmebolzen an meiner Seite verdient hatte. Und noch dazu in meinem eigenen Haus.

    George Morales gehörte nun schon seit Längerem zum Team. Trotzdem benahm er sich nicht so, als bemühte er sich darum, Freunde zu gewinnen. Der ehemalige Secret-Service-Mitarbeiter war ein hoch aufragender, durchtrainierter Mann mit streichholzkurz geschnittenem schwarzbraunem Haar und markanten, entschlossen wirkenden Gesichtszügen. Genau wie Don legte er Wert auf ein gepflegtes Aussehen. Ich war so etwas wie ein Paria zwischen den beiden.

    Ich schaute zu Don Chapman. Auch er hatte sich wie immer herausgepellt, als hätte er gleich ein Rendezvous. Er war genauso durchtrainiert wie Morales, und auch ihm sah man den ehemaligen Secret-Service-Agenten an. Irgendwie waren sie alle gleich: Den Stallgeruch konnten sie auch nach Jahren nicht abschütteln. Dons Haare waren schneeweiß, dennoch wirkte er jünger, als er eigentlich war.

    Nachdem die beiden sich weiterhin schweigend ihrem Frühstück widmeten, stand ich auf. »Ich geh dann mal. Wünsche noch einen guten Appetit.«

    »Vergessen Sie nicht, die Toilette sauber zu schrubben«, erinnerte mich Morales. »Und, ganz unter uns, mein Freund, so wie Ihr Schlafanzug aussieht, vergraulen Sie jedes weibliche Wesen.«

    »Ich sehe keins«, knurrte ich. »Ich sehe nur einen Stinkstiefel mit einer ziemlich albernen Kochschürze.«

    »Sind Sie etwa auf Krawall aus?«

    In diesem Augenblick spielte Dons Handy die englische Nationalhymne. Ich wollte mich schon verdrücken, als mit einer hastigen Handbewegung andeutete, dass es wohl ein wichtiger Anruf war.

    Und dann hörte ich ihn einen Namen sagen, der mich augenblicklich die Ohren spitzen ließ: Kiwibin!

    Der Russe war seit einer ganzen Weile schon verschollen. Wir alle hatten nach ihm gesucht, doch er war wie vom Erdboden verschwunden. Insgeheim hatte ich mich schon mit dem Gedanken vertraut gemacht, dass ihm etwas zugestoßen war. Wie sonst war sein Schweigen zu deuten?

    Doch dann hatte vor ein paar Tagen Fred Archer angerufen. Er und Hermann Falk befanden sich in Russland und suchten dort die sprichwörtliche Nadel im Heuhaufen. Kiwibin war zwar nach wie vor nicht aufgetaucht, doch Fred hatte angedeutet, so etwas wie den Hauch einer Spur gefunden zu haben – eine Möglichkeit, keine Garantie. Das waren seine genauen Worte gewesen.

    Nicht nur deshalb hatte ich das Gefühl, endlich etwas tun zu müssen. Ich fühlte mich zur Untätigkeit verdammt, während die anderen aus dem Team meine Aufgaben übernahmen. Gut, ich war eine Zeit lang außer Gefecht gewesen, und vielleicht war es deshalb ganz natürlich, dass sie die Verantwortung nicht sofort wieder abgaben. Sie ersetzten mich so gut, dass ich quasi ohne Job dastand.

    »Kiwibin? Ist er am Apparat?«, wollte ich wissen. Aber Don schüttelte den Kopf und hielt mich auf Distanz. Nach zwei Minuten war das Gespräch bereits wieder zu Ende.

    »Das war Fred«, klärte uns Don auf.

    »Hat er eine Spur?«, fragte ich ohne große Hoffnung.

    »Kiwibin war in seinem ersten Leben nicht umsonst Spion beim russischen Geheimdienst«, sagte Don. Er meinte es natürlich im übertragenen Sinne. Mit dem ersten Leben war die Zeit gemeint, als Kiwibin noch nicht zum Team gehört hatte. »Er versteht es nicht nur, Spuren zu verwischen, sondern sie so geschickt zu hinterlassen, dass nur die sie finden, die sie auch finden sollen.«

    »Du meinst, er hat gewusst, dass wir ihn suchen werden?«

    »Nicht ›wir‹, aber Fred und insbesondere Hermann.«

    Fred Archer war der beste Spürhund unseres Teams. Wenn er einmal eine Fährte aufgenommen hatte, verfolgte er sie so verbissen wie ein Bluthund. Bis zum Ende – auch wenn das nicht immer so aussah, wie es zu Anfang den Anschein gehabt hatte.

    Hermann Falk war Mitglied der Frankfurter Loge der Magischen Bruderschaft und als solches Spezialist in Weißer Magie.

    Wenn also jemand überhaupt Chancen hatte, Kiwibin zu finden, dann die beiden. Moment mal, jetzt dachte ich schon so wie alle anderen. Und was war mit mir? Bisher hatte mir in der Hinsicht keiner was vormachen können.

    »Du guckst, als wäre dir eine Laus über die Leber gelaufen«, unterbrach Don seine Ausführungen. Er betrachtete mich, als ahnte er meine Gedanken. Als ich nicht antwortete, fuhr er fort: »Unser Freund Kiwibin war so clever, Spuren zu hinterlassen. Spuren, die nur jemand wie Hermann lesen kann. Sie haben einen persönlichen Gegenstand von Kiwibin gefunden, und Hermann hat einen Aufspürungszauber gewirkt, mit dem sie Kiwibins Position ungefähr lokalisieren konnten.«

    Während Don eine hoffnungsvolle Miene aufsetzte, gab Morales den Spielverderber: »›Ungefähr‹ klingt wie die kleine Tochter von ›keine Ahnung‹.«

    Ich warf Morales einen grimmigen Blick zu. »Jedenfalls tun die beiden etwas, während wir hier nur herumsitzen und den Hintern nicht hochbekommen.« Ich wandte mich an Don: »Und wo, meinen die beiden, steckt nun Kiwibin?«

    »Wie gesagt, Hermann konnte den Ort nur ungefähr festmachen. Aber laut der Karte, die er zur Verfügung hatte, befindet sich Kiwibin nördlich des Polarkreises irgendwo in Sibirien.«

    »Was auch immer er da zu suchen hätte«, murmelte Morales. »Wer sagt uns, dass er überhaupt noch lebt?«

    »Ich glaube, das hätte Hermann gespürt«, sagte Don. »Seine Magie hätte dann gar nicht erst angeschlagen. Schließlich ist er kein Nekromant.«

    Ich schlug ungeduldig die Faust in die offene Hand und sagte: »Wie auch immer, es gibt nur eine Möglichkeit, herauszufinden, was mit Kiwibin los ist: Wir müssen ihn endlich aufstöbern! Vielleicht steckt er ja in ernsthaften Schwierigkeiten.«

    Don schüttelte den Kopf und sah mich mit zusammengekniffenen Augen skeptisch an. »Ich weiß genau, was jetzt in deinem Hirn vorgeht, Dorian.«

    »So? Dann weißt du mehr als ich.«

    »Du willst dich selbst auf die Suche machen.«

    »Und was spräche dagegen?«

    »Fred und Hermann sind ihm weiterhin auf den Fersen. Wie ich die beiden kenne, werden sie alles tun, um ihn zu finden.«

    Ich wischte seinen Einwand beiseite. »Das höre ich mir alles schon zu lange an. Wir müssen endlich handeln. Sofort.«

    »Und wenn es eine Falle ist?«, wandte Morales ein. »Ist doch irgendwie komisch, dass Kiwibin plötzlich so aus dem Nichts wieder auftaucht.«

    Don hob belehrend den Zeigefinger: »Noch ist er nicht aufgetaucht, sondern wir haben nur die Bestätigung, dass er noch lebt. Aber ansonsten hat Morales recht: Vielleicht will ja jemand, dass wir uns alle gemeinsam auf die Suche machen.«

    Bevor die Diskussion noch in ein Kaffeepläuschchen ausartete, setzte ich dem Ganzen ein Ende. »Schluss mit dem Gerede. Kiwibin braucht unsere Hilfe, das spüre ich. Ich setze mich noch heute in den Flieger und helfe Fred und Hermann bei der Suche nach Kiwibin. Basta!!«

    Als ich aus der Maschine stieg, schlug mir ein eisiger Wind ins Gesicht. Die wenigen Passagiere, die mit mir die uralte Propellermaschine verließen, waren allesamt auf die Temperaturen besser vorbereitet als ich. Sie trugen dicke Daunenjacken und Pelzmützen.

    Wie ich wahrscheinlich auch, sahen sie hundemüde aus. Allerdings schätze ich, dass ich den weitesten Flug hinter mir hatte. Von London aus hatte ich zwar einen Nonstop-Flug direkt nach Moskau-Scheremetjewo erwischt, aber dort saß ich erst mal auf dem Trockenen. Denn regulär wurde der Flughafen von Chatanga, dem ersten Ziel meiner Reise, von Moskau nicht angesteuert. Also musste ich die 3300 Kilometer irgendwie anders schaffen. Mit der Bahn wäre ich tagelang unterwegs gewesen. In einer der Flughafenbars hatte ich Glück. Einer der Kellner erkundigte sich, ob ich für die Nacht schon eine Begleitung hätte. Als ich ihm zu verstehen gab, dass ich auf der Suche nach einer Weiterreisemöglichkeit war, ging der nächste Bourbon auf seine Rechnung. Anscheinend witterte er ein gutes Geschäft.

    »Das trifft sich gut, ich kenne da jemanden, der noch heute direkt nach Chatanga fliegt. Ist nicht ganz billig ...«

    »Geld spielt keine Rolle«, sagte ich. Er nannte mir den Betrag, und ich schob ihm unauffällig ein Geldbündel hin.

    Er zog sein Handy und telefonierte kurz. Danach schüttelte er den Kopf. »Leider schon ausgebucht. Aber in zwei Tagen ...«

    »So lange kann ich nicht warten.« Ich nahm das Geld wieder an mich.

    »Warten Sie, vielleicht gibt es eine Möglichkeit. Kostet aber extra.«

    »Das ist mir klar«, knurrte ich. Schließlich waren wir in Moskau.

    Nachdem er abermals telefoniert hatte, lag ein breites Grinsen auf seinem Gesicht. »Sie haben Glück, gerade eben hat jemand seine Reise storniert.«

    Ich wollte mir lieber nicht vorstellen, auf welche Weise man den Passagier überzeugt hatte, die Reise nicht anzutreten.

    Nachdem ich einen unverschämt hohen Preis bezahlt hatte, war höchste Eile geboten. Das Flugzeug startete von einer der Nebenbahnen. Als ich die Maschine erblickte, wäre ich am liebsten umgekehrt. Das Himmelfahrtskommando teilten sich mit mir noch fünf andere Passagiere. Allesamt Russen, mit denen ich nicht weiter ins Gespräch kam.

    Nun also war ich am Ziel meiner Reise. Ich drückte dem Piloten ein üppiges Trinkgeld in die Hand und erkundigte mich nach einem Hotel. Ich schlief fast im Stehen ein. Während des unruhigen Fluges hatte ich wegen der Wetterverhältnisse kein Auge zumachen können. Er nannte mir zwei Adressen. Ich bedankte mich, fasste meine Reisetasche und kämpfte gegen den Wind an, während ich über das Flugfeld stapfte. Meine Reisegefährten waren bereits irgendwo in der Dunkelheit verschwunden. Aufgrund der nördlichen Lage herrschte hier zu dieser Jahreszeit eine mehrmonatige Polarnacht.

    Am Rande des Flugplatzes stand eine Wellblechhalle. In der mich umgebenden Dunkelheit wirkte sie wie ein Fanal. Wahrscheinlich würde ich von dort aus ein Taxi rufen können. Vielleicht erwarteten mich sogar Hermann und Fred dort.

    Vor der überstürzten Abreise aus London hatte Don sie nicht mehr erreichen können. Aber er hatte versprochen, sich darum zu kümmern, dass sie von meiner Reise hierher erfuhren und sich nicht allein auf die Suche machten.

    Noch während ich unverdrossen mein Ziel anvisierte, blitzte in meinem linken Sichtfeld etwas auf. Ich schaute genauer hin. In Kopfhöhe schwebte eine geisterhafte blaue Flamme. Wie aus dem Nichts war sie dort aufgetaucht. Sie flackerte leicht im Wind, schien sich aber zu behaupten.

    Es war kein natürliches Licht. Unwillkürlich tastete ich nach der gnostischen Gemme. Aber da verwandelte sich die Flamme bereits. Die Gesichtszüge von Hermann Falk schälten sich heraus.

    »Hermann!«, entfuhr es mir verblüfft.

    Sein Gesicht strahlte die gleiche Energie und Entschlossenheit wie immer aus, aber trotzdem wirkte es eigenartig starr. Irgendetwas stimmte damit nicht. Als er nicht antwortete, ahnte ich,

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