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Das Haus Zamis 9 - Die Fluchtafel
Das Haus Zamis 9 - Die Fluchtafel
Das Haus Zamis 9 - Die Fluchtafel
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Das Haus Zamis 9 - Die Fluchtafel

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About this ebook

Sheridan Alcasta ist tot - und Coco Zamis ist in ihren eigenen Körper zurückgekehrt. Doch damit sind längst nicht alle Probleme gelöst. Urplötzlich wird Coco von seltsamen Anfällen heimgesucht - als sei ihr Körper von einem fremden Geist oder Dämon besessen. Zugleich entdeckt Coco ein Mal auf ihrer Haut, das bisher noch nicht da war. Eine magische Tätowierung ...? Bei ihren Nachforschungen stößt sie auf einen Tattoo-Dämon, der selbst nur Sklave fremder Mächte zu sein scheint - und auf eine Hexe, die seit Jahrhunderten im Süden Deutschlands ihr Unwesen treibt. Ihr Name ist - Natascha Zamis ...

Der 9. Band von "Das Haus Zamis".

"Okkultismus, Historie und B-Movie-Charme - ›Dorian Hunter‹ und sein Spin-Off ›Das Haus Zamis‹ vermischen all das so schamlos ambitioniert wie kein anderer Vertreter deutschsprachiger pulp fiction." Kai Meyer

enthält die Romane:
26: "Tatau"
27: "Die Hexe in Schwarz"
28: "Die Fluchtafel"
LanguageDeutsch
Release dateJan 1, 2013
ISBN9783955722098
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    Das Haus Zamis 9 - Die Fluchtafel - Ernst Vlcek

    Die Fluchtafel

    Band 9

    Die Fluchtafel

    von Ernst Vlcek, Christian Montillon und Dario Vandis

    © Zaubermond Verlag 2012

    © Das Haus Zamis – Dämonenkiller

    by Pabel-Moewig Verlag GmbH, Rastatt

    Titelbild: Mark Freier

    eBook-Erstellung: story2go

    http://www.zaubermond.de

    Alle Rechte vorbehalten

    Was bisher geschah:

    Die junge Hexe Coco Zamis ist das weiße Schaf ihrer Familie. Die grausamen Rituale der Dämonen verabscheuend, versucht sie den Menschen, die in die Fänge der Schwarzen Familie geraten, zu helfen.

    Ihr Vater sieht mit Entsetzen, wie sie den Ruf der Zamis-Sippe zu ruinieren droht. Auf einem Sabbat soll Coco deswegen zur echten Hexe geweiht werden. Asmodi, das Oberhaupt der Schwarzen Familie der Dämonen, hält um Cocos Hand an. Doch sie lehnt ab. Asmodi kocht vor Wut, und das Verhältnis zwischen ihm und der Zamis-Sippe ist fortan von Hass geprägt.

    Coco allerdings interessieren die Intrigen ihrer Familie wenig. Sie würde sich aus den Angelegenheiten der Schwarzen Familie am liebsten vollständig heraushalten. Und der Lauf der Ereignisse gibt ihr Recht. Als ihr Vater Michael Zamis den Aufstand gegen Asmodi probt, gerät die Zamis-Sippe prompt in große Schwierigkeiten, aus denen nur Coco sie wieder befreien kann. Die junge Hexe rettet ihrem Bruder Georg das Leben, als er auf der Teufelsinsel Asmodis dem sicheren Tod ins Auge schaut.

    Von da an sieht zumindest Georg seine jüngste Schwester mit anderen Augen. Ohnehin ist Georg der einzige in ihrer Sippe, dem Coco ansatzweise vertrauen kann. Gleichzeitig weiß sie jedoch, dass auch Georg der Schwarzen Familie fest verbunden ist und ihre Andersartigkeit höchstens toleriert, sie nicht aber versteht. Mit ihrem Vater Michael Zamis dagegen steht es noch schlimmer. Er bringt, um Asmodi nach dem gescheiterten Putsch zu besänftigen, Coco als Bauernopfer dar. Sie wird nach Südamerika unter die Obhut ihres Großonkels Enrique Cortez verbannt. Doch damit ist Coco nur für kurze Zeit »aus dem Weg geschafft«. Nach ihrer Rückkehr nach Wien deckt sie eine Verschwörung auf: Skarabäus Toth, der scheinbar so ehrenwerte Advokat und Schiedsrichter der Schwarzen Familie, hat eine Armee von Toten hinter sich versammelt, um Asmodi den Thron streitig zu machen. Doch ehe Coco anderen von ihrer Entdeckung berichten kann, versetzt Toth ihren Geist in eine der lebenden Leichen. Coco gelingt es nur durch eine aufwendige Prozedur, sich im letzten Augenblick in ihren eigenen Körper zu retten. Doch als sie zu ihrer Familie zurückkehrt und von ihren Abenteuern berichtet, zuckt ihr Vater nur die Schultern. Coco bleibt weiterhin das weiße Schaf der Familie – daran wird auch das Abenteuer mit Tatau wenig ändern ...

    Erstes Buch: Tatau

    Tatau

    von Ernst Vlcek

    1. Kapitel

    Über der armseligen Hütte schwebte der Tod. Alle ahnten es und fürchteten sich, aber keiner wollte es wirklich wahrhaben. Sie hofften alle, dass der Zauber von Papa Legba stark genug wäre, das tödliche Unheil abzuwenden.

    Das Vertrauen der Leute in seine Magie ehrte Papa Legba, er wollte auch alles geben. Aber je länger es dauerte, desto mehr schwand seine Hoffnung auf einen guten Ausgang der Sache.

    Als man in der Abenddämmerung zu ihm gekommen war, um ihn zu Hilfe zu holen, war er noch voller Zuversicht gewesen.

    Ariste Puirré, der Jüngste einer siebenköpfigen Familie, war vor seiner Klause aufgetaucht und hatte verzweifelt nach ihm gerufen.

    »Was soll der Krawall?«, hatte sich Papa Legba aufgeregt und war vor die Hütte getreten. Er war verärgert über die Belästigung und wollte dem Störenfried seine Meinung sagen. Aber dann sah er, dass der Junge sich im Zustand höchstgradiger Hysterie befand und ersparte sich weitere Zurechtweisungen.

    »Was gibt es, dass du dich aufführst wie ein gerupfter Hahn?«, erkundigte er sich bei Ariste Puirré.

    »Eleonore, meine ältere Schwester, ist besessen«, sprudelte es aus dem Jungen hervor. »Wir haben alles Mögliche versucht, um sie zu beruhigen. Aber es wird immer schlimmer mit ihr. Wir wissen uns nicht mehr zu helfen. Du musst kommen, Papa Legba, und den bösen Geist aus ihr austreiben. Sie sieht schrecklich aus … Ihr Körper ist schon fast ganz eingehüllt in dieses Zeug … Es wird sie noch verschlingen. Du musst kommen Papa Legba, sofort … bitte!«

    »Was meinst du mit dem ›Zeug‹, das sie angeblich verschlingen wird?«, wollte Papa Legba wissen.

    Ariste Puirrés Augen standen schreckensweit offen, sein Adamsapfel hüpfte ausgeregt, und er zerrte verzweifelt an Papa Legbas Hand, als er aufgeregt berichtete:

    »Ihr Körper ist von etwas eingewoben, das wie eine Tätowierung aussieht. Aber das hat sie sich nicht machen lassen. Es ist über sie gekommen. Und das, was wie eine Tätowierung aussieht, scheint zu glühen … und es wird ihren Körper verbrennen, wenn du sie nicht rettest. Komm. Bitte, sofort.«

    »Ich komme ja schon«, sagte Papa Legba und befreite sich aus Aristes Griff. »Ich muss mich aber noch ausrüsten.«

    Papa Legba verschwand kurz in seiner Hütte und raffte einige Utensilien zusammen, die er zu benötigen glaubte. Er würde es, nach Aristes Aussage, mit einer magischen Tatauierung zu tun haben. Es hatte in letzter Zeit mehrere solcher Fälle gegeben. Und sie hatten alle tragisch geendet. Papa Legba legte sich ein paar verschieden starke Nadeln zurecht, ein paar Farbtiegel und den Beutel mit Dämonenbannern. Dann verließ er die Hütte und folgte Ariste Puirré.

    »Wirst du Eleonore helfen können?«, plapperte Ariste drauflos und versuchte, seinen Schritt zu beschleunigen, aber Papa Legba behielt seine gemäßigte Gangart bei. Es war gewiss Eile geboten, aber er wollte nichts überhasten. Er brauchte eine entsprechende Vorbereitungsphase, um sich geistig auf die zu erwartende Situation vorzubereiten. »Eleonore ist das Liebste, das wir haben. Sie ist unser Sonnenschein, so voller Lebenslust und Temperament. Ihr darf nichts passieren …«

    Papa Legba hörte nicht länger hin. Er überlegte sich, welche Chancen er hatte, die Besessene zu heilen. Magische Tätowierungen deuteten darauf hin, dass es sich um das Werk von Tatau handelte, einem Dämon, der in letzter Zeit wieder verstärkt wirkte. Es würde schwer sein, gegen ihn anzukommen und ihm sein Opfer, die liebliche Eleonore, zu entreißen.

    Schon von weitem waren die entsetzlichen Schreie zu hören. Es war klar, dass sie von einem Menschenkind in höchster Not stammten. So schrie nur jemand, der unsägliche Qualen ertragen musste.

    »Hörst du das, Papa Legba?«, brach es aus Ariste hervor. Er begann hemmungslos zu schluchzen. »Das ist Eleonore. Sie leidet Höllenqualen.«

    Sie erreichten die armselige Hütte, in der sich sieben Menschen auf engstem Raum drängten. Papa Legba sammelte sich ein letztes Mal, dann trat er ein.

    Es brannte nur eine Kerze in dem Raum mit einem Bett. Darauf lag rücklings ein nacktes Mädchen, das ihren Körper immer wieder aufbäumte und dabei markerschütternd schrie. Sie war an Armen und Beinen an die Bettpfosten gefesselt, und ihr Körper war blutbesudelt. Papa Legba sah, woher das Blut stammte. Der geköpfte und ausgeblutete Hahn lag noch neben dem Bett. Die Eltern des geschundenen Mädchens sahen ihm aus verweinten, geröteten Augen entgegen. Ihre Münder bewegten sich unter den gemurmelten Beschwörungsformeln.

    »Wascht eure Tochter«, befahl Papa Legba ihnen. »Das Hahnenblut brennt ihren Körper nur noch rascher aus. Ich muss die Tätowierungen sehen können.«

    Die Eltern kamen seinem Wunsch augenblicklich nach und versuchten, den Körper ihrer tobenden Tochter zu bändigen, um ihn vom Hahnenblut reinigen zu können. Als Eleonores Haut endlich von allen Blutspuren gesäubert war, konnte Papa Legba das ganze Ausmaß des Unheils erkennen.

    Es war kaum mehr ein Flecken von Eleonores Haut frei. Sie war über und über tätowiert. Die in dunklen, düsteren Farben gehaltenen Tätowierungen schienen von innen her in einem eigenartigen Feuer zu glühen. Und sie bewegten sich. Sie krochen wie Schlangen über den Körper des Mädchens auf unergründlichen Pfaden, vereinten sich zu immer neuen Knäueln und bildeten auf diese Weise immer neue Muster. Man konnte fast alles in diese ornamentartigen Formen hinein interpretieren. Aber wie man sie auch auslegte, es wurden ausschließlich Bilder des Schreckens.

    Eleonores wurde von den Tätowierungen ihres ausgemergelten Körpers gepeitscht. Obwohl sie nahe der Erschöpfung schien, bäumte sie sich immer wieder aus, wollte um sich treten und schlagen. Wären die Fessel nicht gewesen, wäre sie gewiss durch den Raum gerast und hätte alles attackiert, was sich bewegte. Sie erkannte ihre Eltern und Geschwister längst nicht mehr. Sie war durch und durch besessen. Der Dämon Tatau hatte sie fest in seiner Gewalt und würde sie erst loslassen, bis sie ihr Leben ausgehaucht hätte … Wenn ihr nicht geholfen werden konnte.

    »Was wirst du tun, um unsere geliebte Tochter von dieser Tortur zu erlösen?«, fragte die Mutter mit tränenerstickter Stimme, zwischen den einzelnen Worten immer wieder aufschluchzend.

    »Feuer mit Feuer bekämpfen«, sagte Papa Legba entschlossen und holte die Tätowierungsnadeln und die Farben hervor.

    Das Mädchen hatte nur eine einzige Chance. Papa Legba musste die bösartigen Tätowierungen mit entgegengesetzt wirkenden, heilbringenden Tätowierungen bekämpfen. Das hieß, dass sie zusätzliche Schmerzen über sich ergehen lassen musste. Aber eine andere Möglichkeit gab es nicht.

    Papa Legba betastete den Bauch des Mädchens mit sensiblen Fingern. Dieser hob und senkte sich ruckartig. Papa Legba spürte, wie es im Bauch des Mädchens rumorte, so als sei sie schwanger. Doch das war keine reine Lebensfrucht, was da in ihr tobte. Es war ein dämonisches Geschwür, das entfernt werden musste.

    Eleonore schrie unter seiner Berührung röchelnd auf. Sie hatte kaum mehr die Kraft zu spüren. Papa Legba nahm in jede Hand eine Nadel, tauchte eine in die Farbe rot und die andere ins Grün. Rot und Grün! Das waren starke positive Kontraste zu der Düsternis, in der ihr Körper gebadet wurde.

    Eleonore bäumte sich plötzlich wieder auf, als ahne das Dämonische, das sie in sich trug, was nun passieren sollte.

    »Drückt sie ins Bett«, trug Papa Legba den Eltern auf. »Haltet sie fest, damit ich ihr nicht unnötige Schmerzen zufüge.«

    Der Vater kam der Aufforderung sofort nach. Aber die Mutter war außerstande, irgendwelche sinnvollen Handlungen auszuführen. Für sie sprang Ariste ein, und gemeinsam mit dem Vater gelang es ihm, Eleonore still zu halten.

    Papa Legba arbeitete schnell. Schneller als das Auge folgen konnte, piekte er mit beiden Nadeln auf den Bauch des Mädchens ein. Rot und Grün! Langsam begann sich ein Muster abzuzeichnen, das Papa Legbas Nadeln hinterließen. Es war das Symbol für Heiliges Herz. Als es vollendet war, begann er mit flinken Fingern das Zeichen für Gnädiger Schöpfer zu formen.

    Eleonore kam zur Ruhe. Noch war es nicht überstanden, aber es schien, dass Papa Legbas Gegenzauber, die dämonischen Kräfte, die das Mädchen beherrschten, zum Erlahmen brachten.

    »Ihr könnt sie loslassen«, sagte Papa Legba zu Vater und Sohn. »Eleonore wird sich jetzt beruhigen und einschlafen.«

    Das Mädchen hatte die Augen geschlossen. Es atmete ruhig, gab keine gequälten Laute mehr von sich.

    Papa Legba arbeitete rasch weiter. Seine Nadeln hatten Eleonores Bauch bereits von den dämonischen Tätowierungen befreit. Es schien alles gut zu laufen.

    Da passierte es. Kaum hatten Vater und Sohn das Mädchen losgelassen, da bäumte es sich ruckartig auf. Dabei entwickelte sie übermenschliche Kräfte, denn es schien ihr keine Mühe zu bereiten, ihre Fesseln zu sprengen.

    Papa Legba zuckte erschrocken zurück. Aber dann war er wie gelähmt. Denn er sah, wie sich die Tätowierungen von der Haut des Mädchens zu lösen begannen. Die Schlangen und Ungeheuer wurden frei. Aus Eleonores aufgerissenem Mund kamen Schwaden von Rauch. Diese trieben auf die in der Luft schwebenden Tätowierungen zu und vereinten sich mit ihnen zu neuen Schreckensgestalten.

    Papa Legba fand die Sprache wieder. »Lauft, lauft, lauft!«, schrie er die Familienmitglieder an. »Flieht, so schnell ihr könnt. Es geht um euer Leben.«

    Aber seine Warnung kam zu spät. Bevor noch irgendeiner im Haus die Schreckensstarre ablegen konnte, fielen die zu schaurigem Leben erwachten Tätowierungen über sie alle her. Sie saugten dem Vater und der Mutter das Leben aus und ließen erst von ihren Überresten ab, als sie ausgetrocknet und wie mumifiziert waren. Und die dämonischen Tätowierungen der Besessenen stürzten sich auf Eleonores vier Geschwister und rissen sie förmlich in Stücke. Als Nächstes fiel ihnen Papa Legba zum Opfer. Er erlebte seinen Tod in dem vollen Bewusstsein darüber, was mit ihm passierte. Sein Körper welkte in dem Wissen dahin, dass sich der Dämon Tatau an seiner Lebenskraft delektierte, bis nichts mehr davon vorhanden war.

    Zuletzt kehrten die Tätowierungen in Eleonore zurück und erloschen erst, als auch ihr letzter Funke Leben erloschen war.

    In der armseligen Hütte sah es danach aus wie nach einem furchtbaren Gemetzel.

    2. Kapitel

    Das Schlimmste war für mich überstanden. Ich hatte gerade noch, sozusagen in letzter Sekunde, meinen Körper wiederbekommen. Aber kaum war ich heimgekehrt, da hatte Vater nichts anderes zu tun gehabt, als mir eine Standpauke zu halten. Ich fasste es nicht! Von wegen, dass ich mit meinen Kapriolen die Familie nie wieder – nie mehr wieder – in Schwierigkeiten bringen dürfe, sonst … Und davon hatte ich geträumt. Aber auf einmal bekam mein Vater das Gesicht eines Wilden. Und der sagte zu mir:

    »Du gehörst mir. Du wirst tun, was ich von dir verlange … oder ich fresse dich auf!«

    Damit endete der Traum, und ich wachte schweißgebadet auf. Meine Brust schmerzte. Von ihr ging ein Feuer aus, das durch den ganzen Körper raste. Ich wand mich unter furchtbaren Krämpfen, schlug mich selbst, um das Feuer zu ersticken. Es half nichts. Ich brannte so lange, bis irgendjemand dort draußen mich nicht mehr brennen ließ.

    Ich lag danach noch eine Weile da, um mich zu sammeln, das Brennen meines Körpers abklingen zu lassen. Was passierte da schon wieder mit mir? Wer war ich denn? Etwa eine normale Sterbliche, mit der dunkle Mächte beliebig ihre Spielchen treiben konnten? Verdammt noch mal, ich war eine Hexe. Und eine recht talentierte noch dazu, wie man mir zugestand. Wie kam es dann, dass ich von einem Desaster ins andere schlittern konnte? Gottverdammt! Ich war eine Zamis. Eine Tochter eines der mächtigen Clans innerhalb der Schwarzen Familie. Mit mir konnte man nicht herumspringen wie mit irgendeiner Göre.

    Aber es passierte. Mit mir geschahen Dinge, schreckliche Dinge, die andere in mehreren Leben nicht über sich ergehen lassen mussten.

    Hatte mich irgendjemand ins Visier genommen, um mir das Leben zur Hölle zu machen? Jemand, der sich furchtbar an mir rächen wollte? Skarabäus Toth konnte es wohl nicht mehr sein, denn er hatte sich meiner Familie gegenüber verpflichtet, mich fortan in Ruhe zu lassen. Aber vielleicht Asmodi, der Fürst der Finsternis, der es nicht überwunden hatte, dass ich mich ihm einst verweigert hatte?

    Vielleicht war es auch einfach so, dass es gar keinen geheimen Fädelzieher gab, der mein Schicksal knüpfte. Vielleicht war alles nur Zufall, eine Verkettung unglücklicher Umstände.

    Ich musste dennoch dahinterkommen, wer da glaubte, sich meiner als Sklavin bedienen zu dürfen. Das musste ich schleunigst abstellen. Fragte sich nur, wie.

    Nachdem ich mich einigermaßen erholt hatte, stand ich auf und betrachtete mich im Spiegel. Ich sah zum Kotzen aus. So durfte mich keiner aus meiner Familie sehen. Ich begann mich ein wenig zu schminken und musste ziemlich dick auftragen, um mich einigermaßen hinzukriegen. Aber wenigstens sah ich danach nicht mehr wie eine Untote aus und konnte meiner Familie unter die Augen zu treten.

    Ich wollte mich schon ankleiden, als mir einfiel, dass der rasende Schmerz, dieses brennende Feuer, das meinen Körper befallen hatte, von der linken Brust ausgegangen war. Ich betrachtete sie im Spiegel und untersuchte sie, wie es Frauen tun, die Knötchen suchten, die auf Brustkrebs hinwiesen. Aber es waren keinerlei Verdickungen oder Ähnliches festzustellen. Es war eine schön geformte Brust, nur vielleicht für manchen Geschmack etwas zu groß.

    Da entdeckte ich das Muttermal an einer Stelle, an der ich noch nie ein Muttermal besessen hatte. Es war ein dunkler Fleck am unteren Brustansatz. Nicht viel größer als ein Fliegendreck. Ich rieb die Stelle, und dabei wurde das, was wie ein Schmutzfleck aussah, glühend heiß. Mir war sofort klar, dass ich damit die Schmerzquelle lokalisiert hatte.

    Ich schärfte meinen Blick so gut ich konnte und entdeckte, dass der Fleck ein symmetrisches Muster hatte. Wie eine mikroskopische Zeichnung, die etwas darstellte, das wie ein feuerspeiender Drache aussah.

    Die Zeichnung, eher eine Gravur – eine Tätowierung vielleicht –, hätte auch eine geflügelte Schlange darstellen können.

    Aber solche Kleinigkeiten waren marginal. Wichtiger war die Frage, wer meinem Körper während meiner Abwesenheit eine solche Tätowierung verpasst hatte.

    Wieder fiel mir da nur Skarabäus Toth ein, der Advokat der Schwarzen Familie, in dessen Gewahrsam sich mein Körper befunden hatte. Aber magische Tätowierungen waren nicht sein Stil. Vermutlich ging er mir nur nicht aus dem Sinn, weil er für meine letzte Misere verantwortlich war … Ich hätte mich zu gerne dafür revanchiert.

    Aber ich musste das abhaken: Es war gegessen.

    Mit einem letzten, prüfenden Blick in den Spiegel – ich konnte mir noch immer nicht gefallen –, verließ ich mein Zimmer und ging nach unten.

    In der Küche war nur Mutter, die am Herd stand und irgendetwas zusammenbraute. Ich wünschte ihr einen Guten Morgen, und sie erwiderte:

    »Es ist bereits nach Mittag.« Sie seufzte und drehte sich mit einem vorwurfsvollen Blick nach mir um. »Was tust du deiner Familie nur an, Coco. Du bereitest mir große Sorgen.«

    »Das weiß ich bereits von Pa«, sagte ich, während ich mir Cornflakes in eine Schüssel schüttete und Milch darüber goss. Mutter beobachtete mich dabei, und ihr vorwurfsvoller Blick entging mir nicht.

    »Warum nimmst du nichts Ordentliches zu dir?«, meinte sie. »Warum nicht …?«

    »Sprich's bitte nicht aus, Ma«, bat ich. »Ich will es erst gar nicht hören. Mir ist übel genug.«

    »Ich sehe es. Du siehst aus wie eine Straßendirne.«

    Ich sagte darauf nichts, löffelte nur schweigsam meine Cornflakes.

    Ich wollte über meine Situation nachdenken. Aber ich hatte keine Chance, denn da kam meine Schwester Lydia herein.

    »He, Schwesterherz«, rief sie zur Begrüßung. »Du siehst aus, als wolltest du heute am Gürtel anschaffen gehen. Da komme ich mit. Hurenschaukeln, das wäre mal wieder was zur Abwechslung.«

    Ich wusste, dass sich Lydia manchmal ihren Spaß mit Prostituierten machte. Aber ich wollte gar nicht wissen, was »Hurenschaukeln« war und was sie dabei mit ihnen anstellte.

    »Ich verbiete mir, dass ihr in meiner Gegenwart so redet«, sagte Mutter zurechtweisend.

    »Dann solltest du auch nicht dulden, dass sich Coco so aufdringlich schminkt wie eine …« Lydia ließ das letzte Wort unausgesprochen.

    »Lasst mich in Frieden«, sagte ich mampfend.

    »Ich bin schon weg«, sagte Lydia.

    »Wohin willst du?«, rief Mutter ihr nach.

    »Hurenschaukeln«, antwortete Lydia kichernd, und dann war sie verschwunden.

    Ich war mit dem späten Frühstück fertig und wollte mich ebenfalls auf den Weg machen. Da kam Georg herein, mein ältester Bruder. Er wirkte müde und abgekämpft. Und ich konnte mir gut vorstellen, dass er sich die Nacht in Dämonenkreisen um die Ohren geschlagen hatte. Aber obwohl er selbst nicht so toll beieinander war, konnte er es sich nicht verkneifen, zu mir zu sagen:

    »Du wirkst mehr tot als lebendig, Coco. Leidest du noch sehr unter Nachwirkungen?«

    Bevor ich antworten konnte, mischte sich Mutter ein.

    »Lass Coco in Frieden, Georg«, sagte sie scheinheilig. »Wahrscheinlich hat sie bloß ihre Tage.«

    Ich hätte Mutter dafür würgen können, dass sie dieses Thema aufs Tapet brachte. Aber sie kompromittierte mich mit voller Absicht, weil sie der Meinung war, ich müsste dafür büßen, dass ich der Familie Probleme bereitet hatte. Georg reagierte genau so, wie ich es erwartet hatte – und Mutter wohl auch.

    »Was soll das?«, rief er zornig. »Und was bist du für eine Hexe, Coco, die ihre Regel nicht kontrollieren kann?«

    »Ich habe keineswegs meine Tage«, erwiderte ich verärgert. »Und ich habe meinen Körper gut im Griff. Im Übrigen ist es meine Sache, was ich damit mache.«

    Ich wollte an Georg vorbei, aber er hielt mich an der Hand zurück.

    »Da irrst du aber gewaltig, Schwesterchen. Du bist eine Zamis und musst dich an die Familientradition halten. Ich kenne deine geheimen Sehnsüchte. Du kannst nicht so tun, als seist du eine Sterbliche. Vergiss nie, dass schwarzes Blut durch deine Adern fließt.«

    Ich wich seinem stechenden Blick aus und wollte mich aus seinem Griff lösen. Er aber hielt mich weiterhin eisern fest.

    »Wohin willst du?«

    »Mich frisch machen und dann in die Stadt.«

    »Und was genau hast du vor?«

    Ich hasste es, wenn Georg mich bevormundete, und das wusste er genau. Dennoch war er der Einzige in meiner Familie, dem ich halbwegs vertraute. Darum gab ich nach.

    »Ich will Nero besuchen.«

    Georg ließ mich los, in der Meinung, meinen Widerstand gebrochen zu haben. Während ich mich auf den Weg zu meinem Zimmer machte, hörte ich Thekla, meine Mutter, unken.

    »Nero hat einen schlechten Einfluss auf das Kind.«

    »Ach, was«, hörte ich Georg noch erwidern. »Das ist ein harmloser Freak, der seine Sünden abbüßt.«

    Ich war froh, einer weiteren Diskussion entkommen zu sein. Auf meinem Zimmer wusch ich die Schminke ab und fand selbst, dass ich ohne Make-up gesünder aussah. Weil es ein lauer Maitag war, warf ich mir einen Sweater um die Schulter und machte mich auf den Weg.

    3. Kapitel

    Nero, der eigentlich Norbert Ammerling hieß, war in der Tat ein Freak. Nero wurde er von allen genannt, weil er eine schwarzgefleckte Haut hatte, die ihm durch einen magischen Brand verursacht worden war. Er war zwar wegen irgendwelcher Verfehlungen aus der Schwarzen Familie ausgeschlossen worden, aber von den Zamis wurde er deswegen nicht geächtet. Vater war nämlich der Meinung, dass er von Asmodi zu Unrecht bestraft worden war. Und er war mein spezieller Freund, an den ich mich hin und wieder wenden konnte, wenn mich der Schuh drückte.

    Ich hoffte, von ihm etwas über magische Tätowierungen zu erfahren, ohne dass er groß Fragen stellte. Denn eines war sicher, meine Familie durfte ich mit meinen Problemen nicht belasten. Und mein Bruder Georg durfte erst recht nichts von der Tätowierung erfahren, die mich quälte.

    Vielleicht stellte sich ja ohnehin alles als halb so schlimm heraus. Aber so recht konnte ich das nicht glauben. Jedenfalls hoffte ich, nach einem Gespräch mit Nero klüger zu sein.

    Norbert Ammerling wohnte auch in Hietzing, nur am westlichen Ende des Bezirks, in einer abbruchreifen Villa, deren Besitzer unbekannt waren. Es war kein Geheimnis, dass es ein beliebter Treffpunkt für Freaks war. Sie scharten sich um Nero, als sähen sie in ihm ein Idol, den Retter und Anführer der Ausgestoßenen. Die Schwarze Familie mischte sich in diese Belange selten ein, solange die Freaks keinen Aufstand probten. Es war Nero, der sie zur Mäßigung aufrief und für sie um ein halbwegs menschliches Dasein eintrat.

    Obwohl es zu Fuß eine gute Dreiviertelstunde zu Nero war, beschloss ich, den Marsch auf mich zu nehmen. Ich brauchte etwas Bewegung, um mich körperlich

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