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Dorian Hunter 53 – Die dunkle Eminenz
Dorian Hunter 53 – Die dunkle Eminenz
Dorian Hunter 53 – Die dunkle Eminenz
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Dorian Hunter 53 – Die dunkle Eminenz

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Dorian Hunter, der Dämonenkiller, kann sich noch immer nicht vollständig an sein neuntes Leben als Ferdinand Dunkel erinnern. Er weiß, dass Dunkel in Wien lebte und dort mit dem Aszaghon-Kult in Kontakt kam, der sich die Erweckung des gleichnamigen Dämons auf die Fahnen geschrieben hatte. Ferdinand Dunkel wurde zum Mitverschwörer, der im letzten Augenblick auf sein Gewissen hörte und die Wiedererweckung vereitelte ... Doch konnte er sich wirklich bis zum Ende seines Lebens den Versuchungen der Schwarzen Familie entziehen?

Der 53. Band der legendären Serie um den "Dämonenkiller" Dorian Hunter. - "Okkultismus, Historie und B-Movie-Charme - ›Dorian Hunter‹ und sein Spin-Off ›Das Haus Zamis‹ vermischen all das so schamlos ambitioniert wie kein anderer Vertreter deutschsprachiger pulp fiction." Kai Meyer

enthält die Romane:
220: "Die fremde Haut"
221: "Gonax"
222: "Die dunkle Eminenz"
LanguageDeutsch
Release dateAug 1, 2014
ISBN9783955720537
Dorian Hunter 53 – Die dunkle Eminenz

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    Dorian Hunter 53 – Die dunkle Eminenz - Ernst Vlcek

    Die dunkle Eminenz

    Band 53

    Die dunkle Eminenz

    von Ernst Vlcek und Uwe Voehl

    nach einem Handlungsexposé von Ernst Vlcek

    © Zaubermond Verlag 2014

    © Dorian Hunter – Dämonenkiller

    by Pabel-Moewig Verlag GmbH, Rastatt

    Titelbild: Mark Freier

    eBook-Erstellung: story2go | Die eBook-Manufaktur

    http://www.zaubermond.de

    Alle Rechte vorbehalten

    Was bisher geschah:

    Der ehemalige Reporter Dorian Hunter hat sein Leben dem Kampf gegen die Schwarze Familie der Dämonen verschrieben, seit seine Frau Lilian durch eine Begegnung mit ihnen den Verstand verlor.

    Seine Gegner leben als ehrbare Bürger über den gesamten Erdball verteilt. Nur vereinzelt gelingt es Dorian, ihnen die Maske herunterzureißen.

    Bald kommt Hunter seiner eigentlichen Bestimmung auf die Spur: In einem früheren Leben schloss er als französischer Baron Nicolas de Conde einen Pakt mit Asmodi, dem Oberhaupt der Schwarzen Familie, der ihm die Unsterblichkeit sicherte.

    Um seine Sünden zu büßen, verfasste de Conde den »Hexenhammer« – jenes Buch, das im 16. Jahrhundert zur Grundlage für die Hexenverfolgung wurde. Doch der Inquisition fielen meist Unschuldige zum Opfer; die Dämonen, auf die de Conde es abgesehen hatte, blieben ungeschoren. Vielmehr wurde bald er selbst als Ketzer angeklagt und hingerichtet. Der Pakt galt, und de Condes Seele wanderte in den nächsten Körper. In vielen Inkarnationen verfolgte er seitdem rachsüchtig die Mitglieder der Schwarzen Familie, bis es ihm in der Gegenwart als Dorian Hunter endlich gelang, Asmodi zu vernichten und auch dessen Nachfolgern wenig Glück beschieden war.

    Hunter, der sich selbst als Dämonenkiller bezeichnet, besitzt als Hauptstützpunkt seiner Aktivitäten die Jugendstilvilla in der Londoner Baring Road. Dort lebt er zusammen mit der Hexe Coco Zamis, die aus Liebe zu ihm die Seiten wechselte, und weiteren Mitstreitern des Dämonenkiller-Teams, wie dem Hermaphroditen Phillip sowie Trevor Sullivan, dem alternden Leiter der Mystery Press. Auch Martin Zamis, Dorians und Cocos Sohn, gehörte zu den Bewohnern der Jugendstilvilla. Aber Martin hat die Seiten gewechselt – und ist nach einem Sturz durch die Zeit als Isbrant zum neuen Fürsten der Finsternis geworden. Seine Regentschaft jedoch währte nicht lange. Zu groß waren die Widerstände in den Reihen der Schwarzen Familie.

    Nach Isbrants Tod entbrennt innerhalb der Schwarzen Familie ein mörderischer Machtkampf um das Amt des Fürsten der Finsternis. Fast jeder Clan strebt danach, die Führung der Schwarzen Familie zu übernehmen. Dabei bleiben viele Dämonen auf der Strecke, was dem Dämonenkiller und seinem Team sehr entgegenkommt. Es mehren sich jedoch die Gerüchte und Anzeichen, dass ein mächtiger Dämon wiederauferstehen soll, der ein würdiger Fürst der Finsternis sein könnte.

    Eine Gruppe von unbedeutenden Dämonen, die innerhalb der Schwarzen Familie nichts zu bestellen haben, will den mächtigen Dämon Aszaghon wiedererwecken, ihn zum Fürsten der Finsternis küren, um so an dessen Macht zu partizipieren. Dieser mächtige Dämon Aszaghon, der kommen soll, um die Welt zu beherrschen, wird die Dunkle Eminenz genannt.

    Auf der ganzen Welt werden Reliquienknochen von Heiligen entwendet. Olivaro, der Januskopf, kennt keine Details, keine Zusammenhänge, weiß aber definitiv, dass die Jünger Aszaghons dahinter stecken. Olivaro beschwört den Dämonenkiller, dass er dies verhindern muss. Welches Süppchen kocht der Januskopf diesmal? Will er etwa aus Eigennutzen dieses Komplott zerschlagen, weil er selbst Ambitionen zum Herrschen hat? Aber wie auch immer, der Dämonenkiller muss aktiv werden und verhindern, dass Aszaghon ans Ruder kommt.

    Es stellt sich heraus, dass Dorian Hunter in seinem neunten Leben als Ferdinand Dunkel schon einmal erlebt hat, dass Aszaghon zum Leben erweckt werden sollte. Aber der Dämonenkiller hat das offenbar als Ferdinand Dunkel verhindert. Ferdinand Dunkel gehörte dem magischen Zirkel der Dämonen an und lernte sogar mächtige Aszaghon-Jünger kennen, die heute noch die Fäden ziehen. Ferdinand Dunkel verstrickte sich immer mehr in Schuld, bis er selbst fast völlig dem Bösen verfallen war. Im letzten Moment besann er sich jedoch seiner Tugenden und versuchte, Aszaghons Erweckung zu verhindern, indem er plante, wichtige Reliquien zu beseitigen. Ob Ferdinand Dunkel das gelungen ist und was er tatsächlich erreicht hat, bleibt vorerst ein Rätsel.

    Die Spur führt den Dämonenkiller und sein Team unter anderem nach Quebec. Dort lebt eine Dämonensippe unter ihrem Patriarchen Herge Lacroix ziemlich abgeschieden auf einem Landsitz. Wenn sie mit anderen Dämonen paktieren, dann im Geheimen. Die einzige nachweisbare Verbindung besteht zu einer Sippe in Frankreich namens de Ville. Eine Bernadette de Ville hat einen Sohn mit Namen Mink Lacroix zum Mann genommen und wohnt bei dessen Familie auf dem kanadischen Gut.

    Der Dämonenkiller findet heraus, dass Herge Lacroix eine geheimnisvolle Knochen-Menagerie verbirgt. Herge besitzt Knochen von vielen Großen der Weltgeschichte, eine Elle von Alexander dem Großen, Mittelfußknochen von Rasputin, verschiedene Knochen von Massenmördern, die Weltberühmtheit erlangt haben ...

    Und da sind auch die inzwischen fünfzehn Heiligenreliquien, die eine ganz besondere Ausstrahlung haben. Es werden bald mehr werden ... und in nicht ferner Zukunft wird diese Sammlung komplett sein oder zumindest ausreichend groß genug, um das Werk – Aszaghons Wiedererweckung – zu vollenden. Als der Dämonenkiller die Sippe zum Kampf stellt, müssen er und sein Team herbe Verluste einstecken.

    Damals wie heute hat der Dämon Xandander mitgemischt und will offenbar von Dorian eine wichtige Information bekommen, die mit Aszaghons neuerlicher Wiedererweckung zu tun hat. Jedenfalls sind die Dämonen des Aszaghon so sehr an Dorians Erinnerung über sein neuntes Leben interessiert, dass sie ihn entführen und in einer Klinik in Wien mit allen magischen Tricks versuchen, an sein Wissen heranzukommen. Dorian Hunter ist diesen Dämonen hilflos ausgeliefert. Coco Zamis findet jedoch seine Spur und kann ihn im letzten Moment den Klauen der Aszaghon-Jünger entreißen.

    Als Dorian wieder zu sich kommt, sind Coco und Olivaro bei ihm. Der Dämonenkiller kann sich an alles erinnern, was er wie in Trance erlebt hat, auch an die bekannten Episoden aus seinem Leben als Ferdinand Dunkel. Aber den weiteren Verlauf seines neunten Lebens kann er sich nicht ins Gedächtnis rufen. Er hat eine regelrechte Blockade und weiß nicht, wie er sie überwinden könnte. Dabei spürt er, dass das Wissen wichtig wäre, um Aszaghons Wiedergeburt zu verhindern. Und da ist noch etwas, das Dorian recht mitnimmt: Er hat, wie als eine Art Vorschau, Impressionen seines Todes als Ferdinand Dunkel zu sehen bekommen. Es war schrecklich. Eine Serie nicht enden wollender Qualen ...

    Inzwischen führt eine neue Spur nach Paris ...

    Erwachen des Gegners zu verhindern ...

    Erstes Buch: Die fremde Haut

    Die fremde Haut

    1. Kapitel

    Die Toten stellen keine Fragen.

    In ihren Augen sind alle Menschen gleich – egal ob du einen feinen Zwirn trägst oder Lumpen. Ob du Bankier bist oder Clochard.

    Sie sind schweigsam und höflich. Eigentlich reden sie nie. Nur manchmal vernehme ich ihr Wispern. Nicht direkt – ihre flüsternden Stimmen vermählen sich mit dem Rascheln der Blätter, dem Heulen des Windes. Du musst schon genau lauschen, um sie zu verstehen.

    Im Moment schweigen sie, und das ist gut so.

    Zakaria war erstaunt über sich selbst. Seit wann war denn ein Philosoph an ihm verloren gegangen? Wahrscheinlich war es der alte Friedhof selbst, der diese eigentümlichen Gedankengänge in ihm erweckte. Der Cimetière St. Vincent war ein eher kleiner Totenacker – und dennoch geradezu eine Oase inmitten des geschäftigen Montmartre-Viertels. Seine efeubewachsenen Mauern schirmten ihn von der Außenwelt ab. Einst hatten alteingesessene Familien, die keine der Grabstätten auf dem Hauptfriedhof an der Avenue Rachel besaßen, diesen Ort als letzte Ruhestätte für ihre Toten gewählt. Der Maler Utrillo lag hier begraben. Ab und zu verirrte sich seinetwegen ein Tourist hierher. Oder eine Touristin. Die jungen Kunststudentinnen waren Zakaria am liebsten.

    Er lächelte in sich hinein und entkorkte die Weinflasche. Er nahm einen tiefen Schluck des süffigen Roten und schloss genießerisch die Augen, als er spürte, dass der Alkohol fast augenblicklich seine Wirkung entfaltete.

    Vor allen Dingen verscheuchte er die Gedanken an die Toten.

    Er spürte, wie sich sein Körper entkrampfte. Das Holz der Bank, auf der er es sich zur Nachtruhe bequem gemacht hatte, war noch nicht erkaltet. Es trug noch die Wärme der letzten Sonnenstrahlen des Nachmittags in sich, obwohl längst die Dunkelheit ihre Flügel über den kleinen Friedhof ausgebreitet hatte. Zakarias Rücken schmiegte sich gegen die Lehne, und er stellte sich vor, es wäre die Hand einer Frau, die ihn streichelte.

    Vielleicht würde er heute Nacht besser träumen als die letzten Nächte. Es war ein guter Platz.

    Falls die Toten schwiegen.

    Und sie schwiegen nicht immer.

    Da hörte er ein Geräusch.

    Augenblicklich war seine gute Stimmung verflogen. Er war auf der Hut. Lauschte. Zum Glück lag die Bank ein wenig abseits des Weges, gut verborgen unter einer Eiche, die ihre schützenden Äste darüber ausgebreitet hatte.

    Der Mond stand voll am Himmel. Eine weiße Scheibe, deren gleißendes Licht fast blendete.

    Im nächsten Moment sah er den Mann. Er lief über den grauen Kies und schaute sich immer wieder um.

    Ein feiner Herr!, dachte Zakaria und pfiff unhörbar durch die Zähne. Vielleicht hat er sich verlaufen, und ich kann mir ein paar Kröten verdienen, wenn ich ihn wieder in sein Hotel bringe.

    Denn dass der Mann kein Einheimischer war, sah man auf den ersten Blick. Sein blondes, streng gescheiteltes Haar und die blauen Augen, überhaupt sein ganzer, leicht gedrungener Körperbau ließen eher auf einen Deutschen schließen. Er trug einen piekfeinen Anzug, als hätte er es darauf angelegt, sämtliche Taschendiebe auf dem Montmartre auf sich aufmerksam zu machen.

    Nein, der hat sich nicht nur verlaufen, stellte Zakaria fest. Der Mann war auf der Flucht. Vielleicht hatte ihn ja jemand ausrauben wollen, und er war davongestürmt.

    In jedem Fall versprach sich Zakaria etwas davon, wenn er dem Fremden half. Er hievte sich hoch, kam jedoch ins Torkeln. Der Wein machte sich jetzt bemerkbar. Und es war nicht die erste Flasche gewesen am heutigen Tag …

    »Hallo, hierher!«, wollte Zakaria rufen, aber nur ein Krächzen kam aus seinem fast zahnlosen Mund.

    Und das war sein Glück, wie er im nächsten Moment erkannte.

    Tatsächlich schaute der Mann für ein paar Sekunden irritiert in Zakarias Richtung – nur um im nächsten Augenblick erneut hinter sich zu blicken. Was er dort sah, ließ ihn aufschreien: »Nein, nein …«

    Der Flüchtende rief diese Worte tatsächlich auf Deutsch. Zakaria hatte sich nicht geirrt.

    Aus dem Schatten schälte sich eine groteske Kreatur, wie sie der Clochard noch niemals erblickt hatte. Sie überragte den Deutschen um eine ganze Kopflänge. Der gesamte menschenähnliche Körper wirkte wie gehäutet. Die Muskeln und Sehnen waren bloßgelegt wie bei einem anatomischen Modell. Zakaria hatte so etwas schon einmal gesehen, in einer Ausstellung, die konservierte menschliche Leichen in verschiedenen Posen gezeigt hatte. Genauso wie eine dieser Leichen sah dieses Monster aus!

    Auf jeden Fall war es echt. Keine Maskerade. Kein Make-up!

    Der gesamte offene Körper war von einem blutigen Film bedeckt.

    Der Flüchtende verschwand hinter einem Ginsterbusch. Sofort setzte das Monstrum ihm nach.

    Diese Kreatur, die es eigentlich gar nicht geben durfte, hatte bislang nicht einen Laut von sich gegeben. Sie erinnerte Zakaria an einen blutrünstigen Hai, der genau wusste, dass sein flüchtendes Opfer nicht den Hauch einer Chance hatte.

    Aus dem Gebüsch drangen die grässlichsten Laute, die Zakaria in seinem bisherigen Leben vernommen hatte. Ein Fauchen und Reißen, ein Schnaufen und Heulen. Dazu das Geräusch, das brechende Zweige verursachten. Oder Knochen.

    Zakaria wusste nicht, wie es sich anhörte, wenn Knochen zersplittert und zermalmt wurden – aber so musste es sich anhören. Untermalt waren diese fürchterlichen Geräusche von den Schreien eines Menschen, die von einer derartigen Pein und Furcht zeugten, dass sie eher an das Quieken eines Schweins erinnerten.

    Zakaria drückte sich noch tiefer in den Schatten der Bank. Er zitterte am ganzen Leibe. In seiner Verzweiflung hielt er sich die Ohren zu, um die unmenschlichen Geräusche auszuschließen. Doch es war sinnlos. Selbst als er sich zusammenkauerte und den Kopf wie ein kleines Kind zwischen die Knie gepresst hielt, war es nicht vorüber. Nach wie vor waren die Laute vorhanden und frästen sich in seine Gehörgänge.

    Schließlich – nach einer für Zakaria schier endlosen Ewigkeit – setzte Stille ein.

    Totenstille.

    Zögernd wagte sich der Clochard hervor. Er konnte es zunächst nicht glauben, dass der Albtraum vorbei sein sollte. Vielleicht war es ja eine Falle, und dieses Scheusal wartete nur darauf, sich auf sein nächstes Opfer zu stürzen.

    Dennoch war da etwas in ihm, das größer war als seine Angst. Das ihn zwang, einen Schritt vor den anderen zu setzen, um sich mit eigenen Augen zu überzeugen, dass er nicht fantasiert hatte.

    Dass er nicht übergeschnappt war.

    Langsam und so lautlos er es vermochte, näherte er sich dem Ginsterbusch. Nichts! Nichts war zu erkennen. Zakaria betrat das Unterholz.

    Und dann geschah es.

    Er stolperte plötzlich und fiel der Länge nach hin. Er kreischte auf, als er unter seinen tastenden Händen eine weiche, wabbelige Masse zu fassen bekam.

    In diesem Moment gaben die Wolken den vollen Mond frei, und sein Licht enthüllte Zakaria den formlosen Klumpen aus blutigem Fleisch und Knochen, auf dem er lag. Die Überreste eines Menschen.

    Jenes fein gekleideten Herrn, der vor dem Unheimlichen geflüchtet war!

    Zakaria hielt es nicht mehr auf dem Boden. Er rappelte sich auf, der Panik nah. Sein einziger Gedanke war, so schnell wie möglich fortzukommen.

    Er konnte dieses Wissen nicht für sich allein behalten. Er würde daran ersticken.

    Während er lief, wusste er auch schon, was sein Ziel war. Die Polizei! Sie würden ihm glauben müssen, wenn sie erst mit eigenen Augen sahen, was sich hier Grauenvolles abgespielt hatte.

    Er hatte schon fast das schmiedeeiserne Eingangstor des Friedhofs erreicht. Ein Flügel stand sperrangelweit offen.

    Da sah er die Gestalt davor.

    Zakaria stoppte mitten im Lauf. Die Umrisse kamen ihm vertraut vor. Im nächsten Augenblick kroch der Mond zwischen den Wolken hervor und tauchte die Gestalt in ein fahles Licht.

    Ein Mann in feinem Zwirn, mit blonden Haaren und einem markanten Gesicht. Gerade entnahm er der Brusttasche ein silbernes Etui und zückte eine Zigarette. Nachdem er sie in Brand gesteckt hatte, ging er, ein fröhliches Lied pfeifend, seines Weges.

    Zakaria verstand die Welt nicht mehr.

    Es war der feine Herr, der vor dem Monster geflüchtet war.

    Dorian Hunter lächelte, als er erwachte.

    Er hatte soeben einen wunderschönen Traum gehabt. Er war eine Art Teufel gewesen, jedenfalls jemand mit großer Macht. Und großer Begierde. Man hatte eine ganze Schar gefallener Engel zu ihm gebracht. Es waren wunderschöne Frauen – und sie alle sahen aus wie Coco.

    Die Auswahl war ihm schwergefallen, zumal sie angefangen hatten, sich zu streiten, wer ihn als Erste beglücken durfte. Also hatte er die Würfel zu Hilfe genommen …

    Es war einer jener Träume, die er lieber für sich behalten wollte. Und doch waren sie im Grunde ein Ausdruck seiner Liebe. Die sich zwar im Traum, aber nicht in der Wirklichkeit auf das Körperliche beschränkte.

    Es hatte Zeiten gegeben, da hätte er auf diese Liebe keinen Pfifferling mehr gesetzt. Doch diese gehörten der Vergangenheit an. Ihre Beziehung zueinander war gefestigter denn je. Es war ein gutes Gefühl, geliebt zu werden.

    Das einzig gute Gefühl zurzeit, wie er zugleich eingestehen musste. Alles andere in seinem Leben bereitete ihm Kopfzerbrechen. Eigentlich wollte er daran nicht denken. Nicht nach diesem herrlichen Traum.

    Dennoch konnte er vergessen, noch einmal einzuschlafen. Er sah auf den Radiowecker neben seinem Bett. Es war bereits zehn Uhr. Kein Wunder, dass das Bett neben dem seinen verwaist war. Coco saß bestimmt längst unten beim Frühstücksbüfett und ließ es sich schmecken.

    Der Gedanke an krossen Speck, gebratene Würstchen, schaumig geschlagenes Rührei und andere göttliche Speisen ließ ihm einerseits das Wasser im Munde zusammenlaufen, andererseits krampfte sich sein Magen zusammen, sodass er fast einen Brechreiz verspürte.

    So ging das nicht. Er hatte während seines erzwungenen Krankenhausaufenthaltes zu lange auf feste Kost verzichtet. Er würde sich langsam herantasten müssen. Dies betraf auch seinen Whisky- und Zigarettenkonsum.

    Die Aussicht auf ein erstes Glas Bourbon nach einer schier endlosen Zeit der Dürre war fast noch verlockender als das Frühstück. Und rauchen! Er musste irgendwo Zigaretten herbekommen!

    Das waren schon drei elementare Ziele, die ihm das Aufstehen erleichterten.

    Dorian erhob sich aus seinem Bett. Auf einem Stuhl hingen eine Jeans und ein Polohemd, dazu frische Unterwäsche und Strümpfe. Coco hatte es für ihn herausgelegt.

    Aber zunächst musste er ins Bad. Als er sich im Spiegel betrachtete, fragte er sich, ob er vielleicht doch träumte und gar nicht unter den Wachen weilte.

    Er sah aus wie ein Zombie. Mit grauer Haut, blutunterlaufenen, tief umschatteten Augen, deren Blick noch stechender wirkte denn je, eingefallenen Wangen und aufgesprungenen Lippen. Das Haar stand in Büscheln von seinem Kopf. Der gewaltige Schnauzer hing traurig hinab.

    Vielleicht war auch Coco nur ein Traum.

    Im Ernst, welche Frau konnte solch ein Monster, das sich ihm im Spiegel präsentierte, wirklich lieben?

    Außerdem stank er. Nach Desinfektionsmitteln und Schweiß.

    Nein, so konnte er sich unmöglich unter die Leute wagen. Er musste erst mal unter die Dusche. Andererseits wurde die Gier in ihm immer mächtiger.

    Vielleicht reichte ja auch eine Katzenwäsche, und ein paarmal mit den Händen durch die Haare zu fahren.

    Er entschied sich für Letzteres. Was scherten ihn die Leute!

    Eventuell gab es ja sogar einen Zigarettenautomaten auf der Etage.

    Dorian zog sich den hoteleigenen Bademantel über, steckte ein paar Münzen und Scheine ein und betrat den Hotelkorridor. Eine trübe Deckenbeleuchtung empfing ihn. Der Teppich kratzte unter seinen Fußsohlen. Vielleicht hätte er sich wenigstens Schuhe anziehen sollen. Rechts und links erstreckten sich scheinbar endlos die Türen zu weiteren Zimmern. Nirgendwo eine Spur von einem Zigarettenautomaten.

    Was machte er überhaupt hier draußen? Warum rief er nicht einfach den Zimmerservice an? Eine grandiose Idee! Nur leider zu spät. Als er sich umdrehte, um seine Tür wieder zu öffnen, war diese ins Schloss gefallen. Er hatte keinen Schlüssel dabei.

    Seine gute Laune, die er nach dem Traum gehabt hatte, war verflogen. Jetzt musste er auch noch jemanden suchen, der ihm die verdammte Tür wieder aufschloss. So, wie er aussah, konnte er sich nicht im Frühstücksraum sehen lassen. Die Gäste würden schreiend davonlaufen.

    Also setzte er verdrossen seine Suche fort. Als er um die Ecke bog, entdeckte er vor einem Zimmer einen Reinigungswagen. Fehlte nur noch die passende Servicekraft dazu, die ihm sein Zimmer wieder aufschließen und seine sonstigen Wünsche erfüllen würde …

    Er ging darauf zu, als sich rechts plötzlich eine Zimmertür öffnete. Eine ältere Dame mit aufgetakelter Frisur sah ihn entsetzt an, musterte ihn ausgiebig von Kopf bis Fuß, wobei ihr Gesichtsausdruck zwischen Ekel und Entsetzen schwankte, um dann schleunigst wieder umzukehren.

    Dorian hörte sie – offensichtlich ihren Gatten – ankeifen: »In dieser Absteige bleibe ich keine Minute länger! Wenn du wüsstest, was sich dort draußen für Gesindel herumtreibt …«

    Der Dämonenkiller hatte jetzt nur noch den Reinigungswagen im Auge. Er wollte vermeiden, dass sein Auftritt hier irgendwelchen Ärger heraufbeschwor und seine Gegner auf ihn aufmerksam machte.

    Coco hatte ihn nicht aus den Klauen des Dämons Xandander befreit, nur damit er sich gleich wieder Ärger einhandelte. Xandanders Asche war zwar in alle Winde verstreut, aber hinter ihm steckten noch weitere Dämonen. Sie alle strebten die Wiedererweckung und Inthronisierung Aszaghons als Herrn der Finsternis an.

    Den Schlüssel dazu besaß Dorian selbst. Es hatte mit seinem Leben als Ferdinand Dunkel in der Vergangenheit zu tun. Dieses Geheimnis, das noch nicht einmal Dorian kannte, hatten die Dämonen ihm entreißen wollen.

    Wenn er sich nur selbst erinnern könnte …

    Aber vielleicht war dies ja sogar der beste Schutz für alle Beteiligten. Was er selbst nicht wusste, konnte ihm auch keiner entlocken. Noch nicht mal unter der Folter.

    Er hatte den Wagen erreicht und schaute in das Zimmer hinein, deren Tür offen stand.

    Was er sah, ließ ihn abermals daran zweifeln, in der Wirklichkeit angekommen zu sein.

    Auf dem französischen Bett rekelte sich eine attraktive Blondine. Sie trug nur ein Negligé, unter dem ihre üppigen Brüste verlockend bei jeder Bewegung wippten.

    Dorian hatte mit vielem gerechnet, aber nicht, dass seine Gegner es derart plump angehen würden.

    »Ich habe dich bereits erwartet«, flüsterte die Blondine mit rauchiger Stimme. »Komm doch näher, damit wir uns einander vorstellen können.« Ihre Nippel zeichneten sich hart gegen den transparenten Stoff ab. Sie spreizte leicht ihre Beine, sodass der Dämonenkiller erkennen konnte, dass dieser Hauch von Nichts tatsächlich ihr einziges Kleidungsstück war.

    »Wenn du was zu rauchen hast, lässt sich darüber reden«, sagte Dorian. Zur Flucht war es eh zu spät. Und er war unbewaffnet. Noch nicht einmal einen Dämonenbanner hatte er eingesteckt.

    Rauchen kann tödlich sein, dachte er. Zumindest seinen Sarkasmus hatte er bewahrt.

    Jetzt hatte er den Beweis, wie gefährlich seine Gier wirklich sein konnte.

    Die Frau deutete auf das Nachttischchen. Wie aus dem Nichts gezaubert, lagen dort plötzlich zwei Schachteln Players.

    »Das ist doch die Sorte, die du bevorzugst, oder?«

    Dorian nickte. »Du scheinst mich gut zu kennen, Babe.«

    Sie verzog die Lippen zu einem Schmollmund. »Nenn mich doch einfach – Coco.«

    Was hatte das wieder zu bedeuten?

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