Jenseits Stimmen
By Iboneby Joy
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Sie belauscht auch noch ein Gespräch ihrer Tante mit einem Unbekannten, der sie töten will.
Karmina flieht mit dem Zug in die nächste Stadt. Die Geschehnisse werden immer mysteriöser.
Als sie auf dem Bahnhof aussteigt, steht die Zeit still. Die Gebäude wirken alt und baufällig. Keine Menschenseele weit und breit. Nicht einmal das Zwitschern eines Vogels ist zu hören.
Was ist geschehen? Ist sie in einer Geisterstadt gelandet? Oder am Ende gar schon gestorben?
Roman, ca. 100 Taschenbuchseiten, entspricht der Länge eines Heft-Romans, bebildert
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Jenseits Stimmen - Iboneby Joy
gestorben?
1. Kapitel
Ein greller Blitz erhellte für wenige Sekunden die nächtliche Landschaft und tauchte sie in ein gespenstisch wirkendes Licht. Laut und drohend ertönte ein tiefer Donnerschlag und gleich darauf begannen sich die Bäume im Sturm zu wiegen. Schwere Regentropfen klopften gegen die Fensterscheibe und versperrten der siebzehnjährigen jungen Frau die Sicht auf das nächtliche Treiben.
Karmina rieb fröstelnd ihre zarten Hände aneinander. Sie machte es sich am Kaminsofa bequem und beobachtete, wie die Flammen am Holz empor züngelten.
Leise hörte sie, wie die Regentropfen gegen das Glas trommelten. Das Knistern im Kamin hatte eine beruhigende Wirkung. Karmina starrte gerne in das Feuer. Wenn die Flammen hoch loderten und Funken sprühten, war dies immer wieder ein wunderbares Schauspiel. Doch daran war sie seit ihrer Kindheit an gewöhnt. Seit ihrem dritten Lebensjahr lebte die junge Frau im Hause ihrer Tante Aurelia ein sehr bescheidenes zurückgezogenes Leben, weit entfernt vom Jubel und Trubel ihrer Altersgenossen. Ein trauriger Blick fiel auf eine Fotografie, die auf dem Beistelltisch, neben dem Sofa stand. Karmina nahm sie zur Hand und strich sanft über die matte Oberfläche. Auf dem Foto lachten ihr ihre Eltern entgegen, die vor vierzehn Jahren bei einem Zugunglück gestorben waren.
Die Ähnlichkeit zu ihrer Mutter war frappierend. Sie hatten beide dunkelbraunes, glänzendes, lang gewelltes Haar, welches ein zartes und ebenmäßiges, schmales Gesicht umschmeichelte. Ihre großen hellblauen Augen waren von sehr langen dunklen Wimpern umrahmt. Die zierliche Nase und blassweiße Haut verliehen ihrem Gesicht einen Hauch von Unberührbarkeit.
Karmina berührte mit den Fingerspitzen das Gesicht ihres Vaters. Er war ein rassiger Mann, mit dunklem Teint, braunen Augen und buschigen Augenbrauen, gewesen. »Kein Wunder, dass sich Mutter in ihn verliebt hat«, dachte die junge Frau und betrachtete ihn bewundernd. Sie sah ihm überhaupt nicht ähnlich. Einzig die rassige Mundform hatte sie von ihm geerbt.
Leise seufzte sie auf. Sie sehnte sich sehr nach ihren Eltern, auch wenn die Erinnerungen allmählich verblassten.
Tante Aurelia gab sich größte Mühe, die Eltern zu ersetzen. Doch sie besaß eine kühle und autoritäre Haltung. Karmina, die besonders sensibel und mitfühlend war, konnte daher nie einen rechten Herzenszugang zu ihr finden.
Karmina bewohnte seit ihrem elften Lebensjahr den oberen Trakt des alten Herrenhauses. Sie erhielt den gesamten Trakt, da ihre Tante etwas vor ihr verheimlichte. Wenn es draußen dämmrig wurde, schlichen vor dem Herrenhaus stets merkwürdige Gestalten herum, die dann und wann bei ihrer Tante anklopften. Karmina hätte zwar immer gerne gewusst, was ihre Tante zur Abendzeit tat, es war ihr aber strikt verboten worden, zu stören oder ihr nachzustellen.
»Du gehst in dein Zimmer«, hatte es dann stets geheißen. Karmina kannte zwar die Konsequenzen nicht, wenn sie die Anordnung ihrer Tante nicht befolgt hätte, doch darüber dachte die junge Frau nicht nach. Sie folgte. Und sie war dankbar, so viel Platz für sich alleine zu haben.
Der hohe Gang war mit einer alten Strukturtapete bespannt. Schwere, dunkelrote Teppiche lagen auf einem kalten, grauen Steinboden. Zwei Luster schenkten dem Trakt ein glanzvolles, jedoch nicht ausreichendes Licht. So lag der lange Gang zum größten Teil im Dunkeln.
Es gab alle paar Meter Nischen, in denen sich Karmina als Kind sehr gerne versteckt hatte. Die spärlichen Möbel waren aus dunklem Mahagoni und brachten noch zusätzliche Schwere in den Raum. Es gab nur ein einziges Fenster neben der großen Stiege, die in die unteren Räume führte.
Oben gab es drei leere, helle große Zimmer, wo Karmina in ihrer Kindheit gerne Rollschuh gelaufen war.
Seit drei Jahren war ihre Liebe zur Natur und Pflanzenwelt erwacht. Sie benutze einen der Räume als Zwischenlager, um Pflanzen zu ziehen.
Ihr Einsiedlerdasein hatte sie zu einer selbständigen und ernsthaften Frau heranreifen lassen. Trotz ihrer jugendlichen siebzehn Jahre wirkte sie bereits reif und erwachsen.
Leise Klopfgeräusche brachten die junge Frau in die Gegenwart zurück.
»Herein«, sagte sie mit matter Stimme und stellte das Foto ihrer Eltern auf den Beistelltisch zurück.
»Ich wollte dir eben nur noch diese Blumen vorbei bringen«, sagte der stattlich gebaute Mann, der Karmina bereits seit ihrer Kindheit betreute.
»Ach, der Herr Doktor persönlich«. Die junge Frau nahm den schönen Strauß mit weißen Rosen entgegen. »Danke Gregor.« Für einen kurzen Moment verdunkelte sich Karminas Blick.
»Alles in Ordnung?« Er sah Karmina tief in die Augen.
»Du mit deinem Arztblick«. Lächelnd stellte sie die Blumen in eine Keramikvase, die sie gleich mit Wasser füllte.
»Du weißt doch, dass ich Blumen viel lieber im Garten bewundere«. Karmina betrachtete still die Rosen.
»Du hast Recht. Nächstes Mal bringe ich dir einen Blumenstock mit. Der wird dir dann bestimmt länger Freude bereiten. Außerdem wirst du dann auch weit öfters an mich erinnert.« Sie sah ihn schweigend an.
»Ich weiß, ich weiß, davon willst du nichts hören. Schon gut. Ich liebe dich trotzdem«. Mit schwenkender Hand verabschiedete er sich.
»Ciao mein Liebling, bis zum nächsten Mal«.
Karmina blieb noch eine ganze Weile in der offenen Türe stehen und ließ die Worte des Arztes immer wieder in sich nachhallen.
»Ich liebe dich trotzdem«, hatte er gesagt. Karmina konnte nicht leugnen, dass sie sehr innige Gefühle zu ihm hegte. Doch war sie sich selbst noch zu jung, um seine Frau zu werden, was er ihr vor Kurzem als seinen innigsten Wunsch erklärt hatte. Sie wollte vorher noch andere Männer kennenlernen, um sich ihrer Gefühle für ihn sicher zu sein.
»Einmal etwas erleben«, war ihr innerlichster Wunsch. Dabei hatte sie jedoch noch keine Ahnung, welch Abenteuer schon bald auf sie zukommen würde.
Auf einmal drangen vom Flur leise Stimmen zu ihr herauf. Neugierig geworden schlich sie über den dunklen Gang, bis sie bei der großen Treppe anlangte.
»Das kannst du nicht machen. Nein, da spiele ich nicht mit«, hörte sie die aufgeregte Stimme ihrer Tante.
»WAS?«, rief sie schrill.
»Sei leise. Du willst doch nicht, dass sie uns hört?«
Die Stimmen wurden leiser.
»Du hast doch nicht wirklich vor sie zu töten?«Karmina vernahm eine drohend männliche Stimme.
»Nächste Woche ist es so weit. Sie wird volljährig und erbt ein Vermögen.« Das weitere Gespräch verstand die junge Frau nicht mehr. Doch Karmina hatte genug gehört, um zu verstehen, dass sie in Lebensgefahr schwebte. Panik stieg in ihr auf. Was sollte sie nur tun? Wo sollte sie sich verstecken?
Die männliche Stimme war ihr bekannt vorgekommen. Oder etwa doch nicht? »Gregor?«, überlegte sie. War seine Stimme nicht einwenig tiefer? Hatte er ihr seine Liebe nur vorgespielt? »Nein«, dachte sie empört. Gregor liebte sie. Und er hatte bestimmt als Arzt ein gutes Gehalt und somit keinen Anlass, sie aus finanziellen Gründen zu heiraten.
Aber von wem erbe ich?« Seit ihrer Kindheit war Karmina Vollwaise und hatte weder Verwandte noch Bekannte. Und soweit sie Bescheid wusste, waren ihre Eltern bettelarm gewesen.
Zutiefst verunsichert lehnte sie sich gegen die Brüstung. Sie hatte genug gehört. Genug um zu wissen, dass sie in großer Gefahr schwebte. Dieser Unbekannte wollte sie aus dem Weg räumen, sie sogar des Geldes wegen umbringen. Und ihrer Tante konnte sie nicht mehr über den Weg trauen. Tante Aurelia hatte ihr nie von einer Erbschaftsangelegenheit erzählt. Weshalb nicht? Wollte sie diese vereiteln?
Ihre Augen füllten sich mit Tränen. Auf einmal wurde ihr bewusst, wie einsam sie sich fühlte.
Mit schweren, bleiernen Gliedern schlich sie leise in Richtung ihres Zimmers zurück, wo ein schwacher Lichtschein aus dem Türspalt leuchtete. Plötzlich tauchte ein Hindernis vor ihr auf. Danach ging alles sehr schnell!
Mit Gepolter stürzte Karmina auf den Boden. Etwas Schweres plumpste auf ihren Kopf. Dann wurde es schwarz um sie herum.
Das helle Licht der Morgensonne schmerzte in ihren Augen. Sie blinzelte mehrmals. Allmählich gewöhnte sie sich an das Tageslicht.
»Aaah«, stöhnte sie, als sie ihren Kopf zur Seite neigte.
»Bist du schon auf?«, hörte sie die Stimme