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Das Haus Zamis 4 - Cocos unheimliche Verwandlung
Das Haus Zamis 4 - Cocos unheimliche Verwandlung
Das Haus Zamis 4 - Cocos unheimliche Verwandlung
Ebook485 pages6 hours

Das Haus Zamis 4 - Cocos unheimliche Verwandlung

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About this ebook

Coco hat den Auftrag erhalten, den Magier Merlin aus dem Mittelpunkt der Erde zu befreien, wo er von den Zentrumsdämonen in einer magischen Flamme gefangengehalten wird. Drei der sieben Siegel, die zur Rettung Merlins erforderlich sind, hat sie bereits erhalten. Doch das dritte wurde von den Dämonen manipuliert. In dem Moment, in dem sie es an sich nimmt, beginnt unbemerkt ihre unheimliche Verwandlung ...

Der 4. Band von "Das Haus Zamis".

"Okkultismus, Historie und B-Movie-Charme - ›Dorian Hunter‹ und sein Spin-Off ›Das Haus Zamis‹ vermischen all das so schamlos ambitioniert wie kein anderer Vertreter deutschsprachiger pulp fiction." Kai Meyer

enthält die Romane:
11: "Cocos unheimliche Verwandlung"
12: "Der Gummitod"
13: "Der Tempel des Chuenptah"
LanguageDeutsch
Release dateJan 1, 2013
ISBN9783955722043
Das Haus Zamis 4 - Cocos unheimliche Verwandlung

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    Das Haus Zamis 4 - Cocos unheimliche Verwandlung - Ernst Vlcek

    Cocos unheimliche Verwandlung

    Band 4

    Cocos unheimliche Verwandlung

    von Ernst Vlcek, Neal Davenport und Dario Vandis

    © Zaubermond Verlag 2012

    © Das Haus Zamis – Dämonenkiller

    by Pabel-Moewig Verlag GmbH, Rastatt

    Titelbild: Mark Freier

    eBook-Erstellung: story2go

    http://www.zaubermond.de

    Alle Rechte vorbehalten

    Was bisher geschah:

    Die junge Hexe Coco Zamis ist das weiße Schaf ihrer Familie. Die grausamen Rituale der Dämonen verabscheuend, versucht sie den Menschen, die in die Fänge der Schwarzen Familie geraten, zu helfen.

    Ihr Vater sieht mit Entsetzen, wie sie den Ruf der Zamis-Sippe zu ruinieren droht. Er veranstaltet einen Sabbat, auf dem Coco zur echten Hexe geweiht werden soll. Auf dem Höhepunkt erscheint Asmodi, der Fürst der Finsternis, und hält um Cocos Hand an. Doch sie lehnt ab – und provoziert damit einen Eklat. Asmodi kocht vor Wut, und das Verhältnis zwischen ihm und der Zamis-Sippe, die selbst Ambitionen hegt, über die Schwarze Familie zu herrschen, ist fortan von Hass geprägt.

    Coco interessieren die Intrigen ihrer Familie wenig. Auf einer Reise nach England lernt sie den Weißmagier Merlin kennen, der sie aus der Hand eines bösartigen Dämons befreit. Aber Merlin benötigt selbst Hilfe – seit Jahrhunderten befindet er sich im centro terrae, dem Mittelpunkt der Erde, wo er von den Zentrumsdämonen in einer magischen Flamme gefangen gehalten wird.

    Coco macht sich auf den Weg, den Magier zu befreien. Merlins Gehilfe Oirbsen erklärt ihr den Sinn der Siebel Siegel, die sie benötigt, um den Gefahren im Innern des centro terrae zu trotzen: den Signatstern, den Armreif und den goldenen Ring hat sie bereits in ihren Besitz gebracht, aber mit jedem neuen Siegel wird die Aufgabe schwerer. Zu allem Überfluss hat auch Asmodi inzwischen von ihrer Mission erfahren und arbeitet an einem Plan, Cocos Schwäche für seine Zwecke auszunutzen. Plötzlich scheint es, als würde mit dem dritten Siegel etwas nicht stimmen. Ein unheilvoller Einfluss geht davon aus ...

    Erstes Buch: Cocos unheimliche Verwandlung

    Cocos unheimliche Verwandlung

    von Neal Davenport

    1. Kapitel

    Völlig verwirrt blickte sich Ralf Winter um. Der Verkehrslärm auf der breiten Straße war betäubend. Ein paar Fußgänger kamen ihm entgegen.

    Wo bin ich? fragte er sich.

    Seine Verwunderung steigerte sich, als er die Kennzeichen der Autos betrachtete, die an ihm vorbeifuhren. Alle hatten italienische Nummern. Und die Leute, die an ihm vorbeiströmten, sprachen ausnahmslos italienisch.

    Kopfschüttelnd ging er ein paar Schritte weiter, blieb stehen und starrte ein zweistöckiges Haus an. Via Garibaldi stand auf einem Schild. Zweifelsohne befand er sich in einer italienischen Stadt – aber in welcher? Und wie war er hierher gekommen? Angst stieg in ihm hoch. So sehr er sich auch bemühte, er konnte sich einfach an nichts erinnern.

    Ein junges Pärchen kam laut lachend auf Ralf zu.

    »Entschuldigen Sie«, sagte er in seinem miserablen Italienisch.

    »Was wollen Sie?«, fragte der junge Mann freundlich.

    »Könnten Sie mir sagen, in welcher Stadt wir sind?«

    Der Junge lachte laut auf, und seine Begleiterin begann zu kichern.

    »Bitte!«, sagte Ralf flehend.

    »In L'Aquila«, antwortete das Mädchen. Dann schlenderten die beiden kichernd weiter.

    »L'Aquila«, flüsterte Ralf. Er war noch nie zuvor in dieser Stadt gewesen, kannte keine Menschenseele hier und konnte sich einfach nicht erklären, wie er hergekommen war und was er hier wollte.

    Was soll ich tun? fragte er sich und gab sich gleich darauf selbst die Antwort: Vor allem Ruhe bewahren. Ich bin Ralf Winter, zweiundzwanzig Jahre alt, wurde in Lindau geboren und studiere in München. Ich habe eine kleine Wohnung in der Landwehrstraße, fahre einen klapprigen VW-Käfer ...

    Das half ihm alles nicht weiter. Vor einer Auslage blieb er stehen und starrte sein Spiegelbild an. Er war hochgewachsen, breitschultrig und wirkte überaus kräftig. Sein schmales Gesicht war tief braun, die grauen Augen standen leicht schräg. Das dunkelbraune Haar war kurz geschnitten und lag wie eine Kappe an seinem Kopf. Bekleidet war er mit einer naturfarbenen Lederjacke, einem blauen Hemd und blauen Hosen.

    Er griff in die Jackentaschen, die aber alle leer waren. Dann durchsuchte er die Hosentaschen, fand jedoch nur ein paar zerknüllte Papiertaschentücher.

    Ich brauche Hilfe, sprach er weiter zu sich selbst, während er langsam weiterging. Aber wohin sollte er sich in dieser fremden Stadt wenden, in der er keinen Menschen kannte? Vermutlich gab es hier auch keine deutsche Botschaft oder ein Konsulat. Ihm würde wohl keine andere Wahl bleiben, als sich an die Polizei zu wenden.

    Als er an einem schmiedeeisernen Gitter vorbeikam, hob er den Kopf und blickte nach links. Ein palastartiges Gebäude war zu sehen, das inmitten eines gepflegten Gartens stand. Kurz bevor er das hohe Tor erreichte, hörte er ein knirschendes Geräusch, und das Tor schwang, wie von Geisterhänden bewegt, auf. Überrascht blieb er stehen und blickte wieder zum Haus. Seine Augen wurden groß, als er einen giftgrünen VW-Käfer vor dem Haus stehen sah, der ein Münchener Kennzeichen trug – das Kennzeichen seines Wagens! Augenblicklich betrat er den Garten und lief auf seinen Wagen zu. Seine Verwirrung war noch größer geworden. Er war also mit seinem Auto nach L'Aquila gefahren – und er konnte sich überhaupt nicht daran erinnern.

    Keuchend blieb er neben dem Fahrzeug stehen und versuchte die Fahrertür zu öffnen. Sie war versperrt. Er umrundete den Wagen und probierte die Beifahrertür. Auch hier hatte er kein Glück. Mechanisch begann er nach den Autoschlüsseln zu suchen, als ihm einfiel, dass er seine Taschen bereits untersucht und sie leer gefunden hatte.

    Er hörte Schritte und drehte sich rasch um. Ein schwarz gekleideter Mann trat aus dem hohen Hauptportal und blickte zu ihm herüber. Der gewaltige schwarze Vollbart verlieh dem Unbekannten ein unheimliches Aussehen.

    »Herzlich willkommen im Palazzo Trinci, Herr Winter«, sagte der Vollbärtige mit tiefer Stimme.

    »Sie kennen mich?«, fragte Ralf verwundert.

    Der Unheimliche nickte kurz.

    »Ich kenne Sie aber nicht. Wer sind Sie?«

    »Adalmar Zamis. Wir haben uns vor ein paar Wochen in München kennengelernt.«

    Ralf kniff die Augen zusammen. »Das kann ich nicht glauben, Herr Zamis, zumindest kann ich mich an Sie nicht erinnern. Und ich bin sicher, dass ich Sie nicht vergessen hätte.«

    »Mein Lieber, Sie können sich doch an vieles nicht erinnern!«

    »Woher wissen Sie das?«

    »Kommen Sie zu mir, Herr Winter. Ich werde Ihnen später alles erklären.«

    Ralf zögerte einen Moment. Er ging an seinem Wagen vorbei und auf den Bärtigen zu, als er aus dem Augenwinkel eine Bewegung sah. Blitzschnell drehte er den Kopf zur Seite und keuchte auf. Sein Auto hatte sich in Nichts aufgelöst!

    »Wo – wo ist mein Wagen?«, stotterte er.

    »Er steht in München«, antwortete Zamis.

    »Aber ich ... Er – er war doch gerade noch hier. Ich habe ihn doch gesehen und ...«

    »Sie haben sich getäuscht, Herr Winter.«

    »Ich begreife das alles nicht. Wer sind Sie?«

    Adalmar Zamis blickte ihn durchdringend an. Ralf fürchtete, ohnmächtig zu werden. Er spürte einen starken Druck an Stirn und Schläfen, und ein fremdartiges Ziehen war in seinem Nacken. Dann flimmerte alles vor seinen Augen. Willenlos ging er auf Zamis zu, an ihm vorbei und betrat das Haus. Nach ein paar Schritten blieb er stehen. Eine junge Frau kam auf ihn zu. Sie war recht hübsch, aber ihr Gesicht war seltsam starr, fast puppenhaft, und der Blick ihrer Augen war glanzlos und stupid.

    »Das ist Celia«, hörte er Adalmars Stimme. »Sie wird Ihnen Ihr Zimmer zeigen, Herr Winter. Ich erwarte Sie in einer Stunde zum Abendbrot.«

    Ralf wollte protestieren, wollte sich gegen den unheimlichen Bann auflehnen, der ihn gepackt hatte, doch willenlos folgte er dem Mädchen, das ihn durch geschmackvoll eingerichtete Räume, durch Gänge und dann Stufen hinaufführte.

    Celia öffnete eine holzgeschnitzte Tür. Das Zimmer war klein, fensterlos und spartanisch eingerichtet. »Ich hole Sie in einer Stunde ab, Herr Winter.«

    »Warten Sie, Celia«, sagte er rasch. »Ich habe eine Menge Fragen, die ich ...«

    »Ich darf Ihnen keine Frage beantworten, Herr Winter.«

    Das Mädchen schloss hinter sich die Tür, und Ralf schüttelte den Kopf.

    »Was hat das alles zu bedeuten?«, fragte er leise und sah sich im Zimmer um.

    Der Schrank neben der Tür war leer, das Bett nicht überzogen. Er setzte sich auf einen Stuhl und schloss die Augen halb. Angestrengt begann er nachzudenken. Schon seit seiner frühesten Jugend hatte ihn die Welt des Übersinnlichen fasziniert. Er hatte Bücher über okkulte Themen verschlungen und auch immer gern Science Fiction gelesen. Eines stand für ihn mit Sicherheit fest: Hier waren Kräfte am Werk, die er sich nicht erklären konnte. Der unheimliche Adalmar Zamis hatte ihn auf eine ihm nicht erkennbare Art nach L'Aquila gelockt. Vermutlich war er hypnotisiert worden, ohne etwas davon zu merken. Für diese Annahme sprach einiges. Adalmar hatte ihm seinen Willen aufgezwungen, ohne dass er etwas dagegen unternehmen konnte.

    »Aber weshalb hat er mich hierher gelockt?«, fragte Ralf laut.

    »Gut überlegt, mein Lieber«, klang Adalmars Stimme aus dem Nichts. »Kombinieren Sie nur ruhig weiter.«

    »Wo stecken Sie?«, fragte Ralf und stand auf, doch er erhielt keine Antwort. Ein paarmal ging er im Zimmer auf und ab und blieb dann schließlich vor der Tür stehen. Er versuchte sie zu öffnen, doch sie war verschlossen. Missmutig setzte er sich wieder auf den Stuhl.

    Eigentlich sollte ich nun Angst haben, dachte er, doch ganz im Gegenteil: Seine Neugierde und sein Interesse waren geweckt. Mit Spannung erwartete er das Abendessen.

    Vier Minuten vor sieben Uhr holte ihn Celia ab. Schweigend schritt sie voraus, und er folgte ihr und ließ sie dabei nicht aus den Augen. Es schien ihm, als wäre sie kein Mensch, sondern ein Roboter. Ihre Bewegungen waren ruckartig, und sie ging so steif, als hätte sie einen Stock verschluckt.

    Der Raum, in den sie ihn brachte, war ungewöhnlich hoch und groß. Der Parkettboden war mit wunderschönen Teppichen bedeckt, und an den dunklen Wänden hingen farbenfrohe Gobelins. Auf einem schwarzen, achteckigen Eichentisch stand ein Kerzenleuchter, in dem ein halbes Dutzend Kerzen brannten. Auf dem Tisch befanden sich Becher, schwere Porzellanteller und kunstvoll verziertes Silberbesteck. Eine junge Frau saß am Tisch und blickte Ralf furchtsam entgegen.

    »Guten Abend«, sagte Ralf und kam langsam näher. »Ralf Winter.«

    »Doris Emke«, stellte sich die farblos wirkende Frau vor. Ihr hochaufgestecktes Haar war aschblond, das nichtssagende Gesicht mit den tiefliegenden braunen Augen war teigfarben. Sie war dünn und klapprig wie ein Skelett, und ihre großen Hände hielten nicht einmal eine Sekunde still.

    Ralf blieb vor dem Tisch stehen. »Wurden Sie auch nach L'Aquila gelockt, Frau Emke?«

    »Fräulein Emke«, sagte sie mit schriller Stimme. »Ja, so kann man es sagen. Ich fand mich plötzlich vor diesem Palast. Ich kann mich einfach nicht erinnern, wie ich hierhergekommen bin.«

    »Da geht es Ihnen so wie mir«, meinte Ralf.

    Schritte waren zu hören, und Ralf drehte sich langsam um. Ein aufgeweckt aussehender junger Mann kam auf sie zu. Trotz seiner Jugend war sein dunkelblondes Haar schon etwas gelichtet, und der Backenbart sah aus, als hätten Mäuse darin genistet. Ein farbenfrohes Hemd unterstrich seinen Bierbauch, und die uralte Jeans war an den Knien ausgebeult.

    »Ich bin Hugbert Stossl«, stellte sich der Neuankömmling vor.

    »Das ist Fräulein Doris Emke, und ich bin Ralf Winter.«

    »Sehr angenehm«, sagte Stossl. »Eine Frage: Kennen Sie diesen finsteren Adalmar Zamis schon länger?«

    »Nein«, antwortete Doris Emke rasch. »Ich habe ihn erst vor einer halben Stunde kennengelernt, doch er hat behauptet, dass er mich vor ein paar Monaten in Stuttgart getroffen hat. Daran kann ich mich aber nicht erinnern, außerdem stehe ich vor einem Rätsel, wie ich nach Italien gekommen bin.«

    »Mein Fall ist genauso«, meinte Stossl und zog sich einen Stuhl heran. »Der finstere Bursche hat mir auch weismachen wollen, dass ich ihn von Linz her kennen müsste. Das ist ein völliger Unsinn, denn ich hätte ihn niemals vergessen. Auch ich habe keinerlei Ahnung, wie ich nach L'Aquila gelangt bin.«

    »Dann haben wir alle das gleiche Problem«, stellte Ralf sachlich fest.

    »Ich frage mich nun, was das alles zu bedeuten hat.«

    »Eine gute Frage, mein lieber Stossl«, war Adalmar Zamis zu hören, der den Raum betrat. »Bitte, nehmen Sie Platz, Herr Winter.«

    Ralf setzte sich und starrte Adalmar an, der gemächlich näherkam und sich auf einen Stuhl fallen ließ.

    »Wollen Sie uns nicht endlich erklären, was Sie mit uns vorhaben?«, zischte Doris Emke.

    »Das würde mich auch interessieren«, brummte Stossl.

    Ralf schwieg.

    »Alles zu seiner Zeit, meine Herrschaften«, sagte Adalmar freundlich. »Vorerst wollen wir einmal essen.«

    »Ich habe keinen Appetit!«, schrie die junge Frau. In ihrer Wut sah sie hübscher aus. Ihre Wangen hatten Farbe bekommen. »Wenn Sie mir nicht sofort antworten, dann verständige ich die Polizei!«

    Adalmar warf ihr nur einen Blick zu, und sie verstummte und sank im Stuhl zusammen.

    Zwei Mädchen brachten Silberplatten herein, die sie auf den Tisch stellten. Es gab unzählige Sorten Käse, Wurst, Pasteten und kalte Fleischgerichte, dazu ein Dutzend Salate und andere kleine Leckerbissen.

    Doris aß nur wenige Bissen. Sie nippte kurz an ihrem Weinglas und brütete still vor sich hin. Hugbert schien die Umgebung vergessen zu haben; er konzentrierte sich ganz auf das Essen und stopfte unglaubliche Mengen in sich hinein. Ralf wählte mit Bedacht einige Köstlichkeiten aus, die er langsam verspeiste. Der Gastgeber war so wie Stossl ein starker Esser. Während des Essens wurde kein Wort gesprochen.

    Ralf legte das Besteck auf den Teller und lehnte sich zurück. Immer wieder wanderte sein Blick zu Adalmar Zamis hin, der sich davon jedoch nicht stören ließ. Schließlich wurde der Tisch abgeräumt und Kaffee serviert.

    »Beantworten Sie uns jetzt endlich unsere Fragen, Zamis?«, fragte Emke gereizt.

    Hugbert rülpste geräuschvoll. Ihn schien das alles nicht sonderlich zu interessieren. Ziemlich gelangweilt blickte er die Frau an.

    »Ich habe über drei Jahre gesucht, bis ich Sie gefunden hatte«, sagte Adalmar.

    »Und weshalb haben Sie uns gesucht?«, fragte Ralf neugierig.

    »Ich brauche Sie zu einem Experiment.«

    »Sie wollen uns als Versuchskaninchen verwenden?«, fragte Ralf verblüfft.

    »Ich traue Ihnen nicht, Zamis«, knurrte Doris wütend. »Zunächst einmal will ich wissen, was Sie mit mir getan haben, denn ich kann mich nicht erinnern, wie ich hierher gekommen bin.«

    »Diese Frage werde ich nicht beantworten, meine Liebe. Ich habe Sie alle drei seit einiger Zeit beobachtet. Sie eignen sich vorzüglich für mein Experiment.«

    »So kommen wir nicht weiter«, sagte Doris entschieden und stand auf. »Ich verständige nun die Polizei und dann ...«

    »Setzen Sie sich«, sagte Adalmar sanft und blickte sie an. Ihr Gesicht verzerrte sich, und es war, als würden sie unsichtbare Hände zurückdrängen, gegen die sie vergeblich ankämpfte. »Es ist sinnlos, wenn Sie sich gegen mich aufzulehnen versuchen, meine Herrschaften. Sie sind meine Gefangenen. Es würde alles viel leichter machen, wenn Sie ohne Widerstand an meinem Experiment teilnehmen würden.«

    »Wer sind Sie eigentlich, Adalmar Zamis?«, fragte Stossl und beugte sich vor.

    »Sie würden mich als Dämon bezeichnen.«

    Doris fauchte verächtlich, und Stossl hielt hörbar den Atem an, während sich Ralf nichts von seiner Überraschung anmerken ließ.

    »Dämon«, sagte Doris höhnisch. »Ich glaube eher, dass Sie ein Verrückter sind. Sie gehören in eine geschlossene Anstalt. Ich denke nicht daran, an irgendwelchen Experimenten teilzunehmen. Ich will nach Hause.«

    »Halten Sie den Mund, Doris«, sagte Adalmar scharf. »Ich habe Sie alle drei hypnotisiert. Sie müssen meinen Befehlen gehorchen. Jede Gegenwehr ist sinnlos und würde alles für Sie nur schlimmer machen. Ihr Schicksal ist mir höchst gleichgültig, das will ich zuerst einmal betonen. Im Unterschied zu meinen Artgenossen habe ich aber keinen Spaß am sinnlosen Quälen von Menschen. Für mich stellen Sie nichts anderes als Versuchstiere dar, die aber sprechen und denken können, was mein Experiment erleichtert.«

    Ralf spürte, wie sich seine Nackenhaare aufstellten. Adalmar Zamis, der sich selbst als Dämon bezeichnete, hatte so eiskalt und gefühllos gesprochen, dass in Ralf erstmals echte Angst aufstieg. Er blickte zu Hugbert hin, der sich nervös mit der Zunge über die Lippen strich, dann zu Doris, die sich mit beiden Händen an der Tischplatte festkrallte und die Lippen zusammengepresst hatte.

    »Ich kann mir gut vorstellen, dass Sie einige Fragen bewegen, auf die ich Ihnen aber keine Antwort geben werde. Ich werde Sie nun in einen magischen Schlaf versetzen und in ein Castello in den Abruzzen bringen lassen, wo das Experiment stattfinden wird. Wenn alles gutgeht, dann sind Sie schon in wenigen Tagen wieder zu Hause, und Sie werden sich an nichts erinnern können, was vorgefallen ist.«

    »Was ist das für ein Experiment?«, fragte Ralf.

    »Jeder von Ihnen verfügt über eine Fähigkeit, von der sie selbst nichts ahnen. Ich will nun diese verborgenen Kräfte aktivieren und vereinen und mit magischen Kräften testen. Ich hoffe, dass es klappen wird.«

    »Und welche geheimnisvollen Kräfte in uns verborgen sind, das werden Sie uns sicherlich nicht verraten, was?«, brummte Stossl.

    »Richtig.«

    »Aber weshalb gerade wir?«, fragte Doris leise.

    »Sie sind die einzigen Menschen, die ich gefunden habe, die über diese Fähigkeiten verfügen. Um es ganz primitiv zu sagen: Ich will Ihnen diese in Ihnen schlummernden Kräfte rauben.«

    »Und was geschieht dann mit uns? Werden wir verrückt? Werden wir sterben?«

    »Ich weiß es nicht«, sagte Adalmar Zamis einfach. »Genug der sinnlosen Rederei.«

    Er hob die rechte Hand, in der sich eine erbsengroße, strahlende Kugel befand.

    Ralf wollte aufstehen, doch da schoss ein grellweißer Blitz aus der Kugel, hüllte seine Gestalt ein paar Sekunden ein und erlosch dann. Augenblicklich war er in einen magischen Tiefschlaf gefallen.

    Er merkte nichts davon, dass er zu einem Kastenwagen gebracht und auf die Ladefläche gelegt wurde.

    Ich erwachte, als die Tür geöffnet wurde. Mein Bruder Adalmar und Onkel Ingvar kamen auf mich zu. Müde blickte ich ihnen entgegen.

    Adalmar setzte sich mir gegenüber und blickte mich finster an. Ingvar blieb neben dem Fenster stehen, blickte kurz hinaus und sah mich dann nachdenklich an. Er ist der Bruder meines Vaters und mir so wie Adalmar nicht gut gesonnen. Aber meine Gefühle ihnen gegenüber sind nicht viel anders.

    »Mit dir haben wir nur Ärger, Coco«, sagte Adalmar wütend.

    »Diesmal kann sie nichts dafür, Adalmar«, versuchte Ingvar meinen Bruder zu besänftigen.

    »Wo hast du dummes Geschöpf die vergangene Woche gesteckt?«, fragte mich Adalmar ergrimmt.

    Ich räusperte mich, griff nach den Zigaretten und steckte mir eine an.

    »Antworte schon!«, schrie er mich an.

    Vor einem Jahr hätte er mich beeindrucken und einschüchtern können, doch jetzt war er mir völlig gleichgültig. Früher habe ich vor einigen Mitgliedern unserer dämonischen Familie eine Heidenangst gehabt, doch das hat sich gelegt.

    »Dein Ton missfällt mir, Bruder«, sagte ich ruhig. »Vor mir brauchst du nicht den Starken zu spielen, das beeindruckt mich nicht mehr.«

    Seine Brauen wölbten sich, und seine Augen schienen größer zu werden.

    »Ruhig, Adalmar, ruhig«, sagte Ingvar sanft.

    Er legte seine rechte Hand auf Adalmars Schulter und sah mich bittend an. Auf seine Art sieht Ingvar wirklich gut aus. Sein schulterlanges Haar ist schneeweiß, das braungebrannte Gesicht mit den tiefen Falten ist überaus männlich und anziehend.

    Meine Müdigkeit war hinweggewischt. Mein Körper war angespannt, und ich war zu der bevorstehenden Auseinandersetzung mit Adalmar bereit. Früher habe ich mich nie aufgelehnt, doch das ist wohl für immer vorbei.

    Zuviel hatte ich in den vergangenen Wochen erlebt. Zuviel hatte sich verändert. Ich war mir nun meiner Fähigkeiten durchaus bewusst. Nach außen hin musste ich meine Kräfte verbergen, doch innerhalb der Familie wollte ich das nun nicht mehr tun.

    »Du hast vor einer Woche eine Kampferklärung von Pietro Salvatori übermittelt bekommen«, stellte Adalmar sachlich fest. »Du hättest dich augenblicklich mit Vater in Verbindung setzen müssen, doch du hast es nicht getan. Du bist spurlos verschwunden. Ich brauche dir wohl nicht zu sagen, wie Vater getobt hat.«

    »Du bist mit den Gesetzen der Schwarzen Familie vertraut, ungeliebter Bruder«, sagte ich fest. »Pietro Salvatori hat die Kampfansage mir übermittelt. Das geschah vor einer Woche in einem Hotel in Venedig. Zeuge der Kampfübermittlung war der Schiedsrichter Skarabäus Toth, und der Herr der Schwarzen Familie hatte dem Kampf zugestimmt. Die Ansage lautete auf Leben und Tod, ohne Sippenhaftung, aber mit allen erlaubten Mitteln. Und bei so einer Kampfansage brauche ich keine Mitteilung an das Oberhaupt unserer Sippe zu machen. Ich darf die Hilfe unseres Clans in Anspruch nehmen, aber ich bin dazu nicht verpflichtet.«

    »Das ist mir alles bekannt, hohlköpfige Schwester. Würde es nur nach mir gehen, dann würde ich dich höchstpersönlich Pietro Salvatori übergeben und voller Freude zusehen, wie er dich umbringt. Dann wären wir dich endlich los. Aber es geht um die Ehre unseres Clans. Du darfst nicht sterben. Wir müssen die Überlegenheit unserer Sippe beweisen, daher muss Pietro Salvatori sterben!«

    »Ich weiß«, sagte ich leise. »Es ist für euch alle nur eine Prestigeangelegenheit.«

    »Richtig. Und deshalb hättest du dich unbedingt mit Vater in Verbindung setzen sollen.«

    »Dazu hatte ich leider keine Gelegenheit. Außerdem erwartete ich, dass es mir leicht fallen würde, diesen Vampir selbst zu töten.«

    »Aber du hast dich getäuscht. Du brauchst unsere Hilfe, denn sonst bist du rettungslos verloren.«

    »Da bin ich nicht so sicher, Brüderchen«, sagte ich spöttisch.

    »Du arme Närrin. Du hast keinerlei Ahnung, was Pietro für eine Waffe gegen dich in der Hand hat. Er verfügt über einen Zauber, mit dem er dich langsam töten kann. Allein hast du keine Chance gegen ihn.«

    »Nimm endlich Vernunft an, Coco«, schaltete sich nun Onkel Ingvar ein. »Erzähle uns alles.«

    Ich dachte ein paar Sekunden nach, dann nickte ich langsam. »Also gut.«

    Sie blickten mich aufmerksam an, während ich überlegte, was ich ihnen alles verraten durfte. Den Großteil der Erlebnisse der vergangenen Wochen würde ich ihnen wohl verschweigen müssen.

    »Wie ihr wisst, ist es mir gelungen, Merlin zu beschwören und mit seiner Hilfe einen starken Dämon zu vernichten, der Asmodi den Kampf erklärt hatte. Vor ein paar Wochen wollte ich Merlin wieder anrufen, doch ich erfuhr, dass er mir nicht helfen kann, da er sich selbst in großer Gefahr befindet. Ich beschloss daraufhin, ihm zu helfen. Deshalb fuhr ich vor einer Woche nach Venedig. Ich quartierte mich in einem Hotel ein, und da kam plötzlich Pietro Salvatori während des Abendessens zu mir. Vor ein paar Jahren, als ich meine Ausbildung als Hexe bei Cyrano von Behemoth erhielt, waren wir schon einmal aneinander geraten. Pietro schwor mir damals, dass er sich an mir rächen würde. In Venedig übermittelte er mir nun die Kampfansage, die ich nicht besonders tragisch nahm, denn ich wusste ja ganz genau, dass Pietro nicht einmal die Grundbegriffe der Magie gelernt hatte. Er ist ein schwacher Vampir, den ich mit einer Handbewegung erledigen kann. Ich verschwand ganz einfach und erledigte einen Auftrag für Merlin. Doch dann wurde ich stutzig. Pietro Salvatori war mir zu siegessicher vorgekommen, deshalb vermutete ich, dass er von irgendeiner Seite Hilfe bekommen hat. Daher setzte ich mich mit Onkel Ingvar in Verbindung, der mir sagte, dass ich nach Arezzo kommen solle. Dort habt ihr mich dann abgeholt. Und ich bin durch das Dimensionstor nach Castello della Malizia gelangt.«

    »Alles gut und schön«, brummte Adalmar, »aber du hast uns nicht die ganze Wahrheit erzählt, Schwester. Ich habe mit Georg gesprochen. Du bist seit einiger Zeit ziemlich verändert. Angeblich sollst du sehr selbstsicher geworden sein. Das habe ich ja nun selbst festgestellt. Von dir geht eine unglaublich starke magische Ausstrahlung aus. Außerdem trägst du einige Gegenstände an dir, die höchst ungewöhnlich sind. Zeig mir mal die Kette.«

    Ich zögerte einen Augenblick, dann holte ich die Kette hervor, die ich von Oirbsen, Merlins Boten, erhalten hatte, und an der sich der Signatstern befand.

    »Hm, das scheint einer der geheimnisvollen Sterne der Weisen zu sein«, stellte mein Bruder sachkundig fest. »Ein Signatstern, der deine Fähigkeiten steigert. Und was ist mit dem Goldreifen an deinem linken Handgelenk?«

    »Ein einfaches Schmuckstück«, meinte ich lächelnd.

    »Ja, ja, das kannst du einem Narren erzählen. Wozu ist der Goldreifen nützlich?«

    Ich zog es vor, diese Frage nicht zu beantworten. Mein Bruder musste wirklich nicht wissen, dass ich in Verbindung mit dem Signatstern und dem Goldreifen die geheimnisvollen Zeitschächte betreten und mit ihrer Hilfe in die Vergangenheit gelangen konnte.

    »Hm, und dieser Ring an deinem rechten Ringfinger ist wohl auch nur zur Verschönerung deiner Hand da?«

    »Ein hübscher Ring«, sagte ich grinsend. »Der blaue Stein scheint Lapislazuli zu sein.«

    »Jetzt reicht es mir aber«, sagte Adalmar wütend und stand auf. »Du bleibst im Schloss, Coco. Hier bist du sicher. Wir werden dann später beraten, wie wir vorgehen sollen.«

    Ich blickte den beiden nach.

    Adalmar schlug die Tür hinter sich zu, und ich kicherte leise.

    Das Zimmer, das mir Tante Bianca zugewiesen hatte, war überraschend groß und hübsch eingerichtet. Das große Fenster ging auf den achteckigen Hof hinaus.

    Mit Castello della Malizia verbanden mich alles andere als angenehme Erinnerungen. Hier war ich als eine Gefangene gehalten worden und hatte die grauenvolle Auseinandersetzung mit der Winkler-Forcas-Sippe erlebt, bei der ich eine entscheidende Rolle gespielt hatte.

    Das Castello gehörte Onkel Ingvar, der es vor etwa fünfzig Jahren erworben hatte. Es lag in der Nähe der kleinen Ortschaft Pietracamela in den Abruzzen. Eine schmale Straße führte vom Ort zur grünen Hochfläche der Prati di Tivo, von wo man zum Corno Grande und Corno Piccolo aufsteigen konnte. Im Winter war es ein Skigebiet, doch im Frühling verirrte sich kaum ein Tourist hierher. Außerdem war das Schloss von unzähligen magischen Fallen umgeben, die jeden unerwünschten Besucher abhielten.

    Ich hoffte, dass mein Aufenthalt hier nur kurz sein würde, denn ich wollte nach London zurückkehren, wo ich hoffte, dass sich Oirbsen mit mir in Verbindung setzen würde.

    Den Ring hatte ich nach einigen Schwierigkeiten im Venedig der Renaissance an mich gebracht. Dabei war es zu einer fürchterlichen Auseinandersetzung mit einem schrecklichen, schlangenartigen Monster gekommen, das in menschlicher Gestalt aufgetreten war. Das Monster hatte sich Xenia genannt, und nach ihrem Tod hatte ich ein Bild von ihr gefunden, das sie in ihrer richtigen Gestalt zeigte. Dieses Bild und ein rundes Plättchen hatte ich mit ins 20. Jahrhundert genommen und es eigentlich Adalmar zur Untersuchung geben wollen.

    Ich öffnete meine Handtasche und holte das Bild hervor. Ein unheimliches Geschöpf war zu sehen. Der Kopf war schlangenartig, in der Stirn war ein einziges Auge zu sehen, ein typisches Schlangenauge. Der Körper war menschenähnlich, doch die Beine und Arme waren tentakelartig. Dieses Alptraumgeschöpf war mit einem merkwürdigen Anzug bekleidet, und weit im Hintergrund war ein bizarr geformtes Gebäude zu erblicken, das aus einem SF-Film zu stammen schien. Das Material, aus dem das Bild gefertigt war, fühlte sich wie Alufolie an und ließ sich ganz klein zusammenfalten.

    Das Bild legte ich auf den Tisch, dann suchte ich nach dem runden Plättchen, fand es und legte es auf das Bild. Irgendwie erinnerte es mich an einen Jeton. Es war karminrot, halb durchsichtig, und völlig unverständliche Zeichen waren auf beiden Seiten zu sehen.

    Ich stand auf und stieß einen Schrei aus. Die Schmerzen in meiner rechten Hand begannen wieder! Es war, als würde mir eine glühend heiße Nadel durch die Hand gestoßen.

    Diese Schmerzen hatte ich das erste Mal in Arezzo gespürt, als ich auf Adalmar und Ingvar gewartet hatte. Ich hatte mich vergeblich bemüht, den Schmerz zu vertreiben. Er war erst verschwunden, als ich in den gegen alle magischen Angriffe gesicherten Mercedes gestiegen war. Ich hatte gehofft, dass ich hier im Schloss sicher vor Pietros Angriffen sein würde, doch da schien ich mich gründlich getäuscht zu haben.

    Meine Hand schien in Feuer getaucht zu sein. Die Schmerzen breiteten sich nun über den ganzen Unterarm aus und reichten bis zum Ellbogen. Ich hob den Arm hoch und sah meine Hand an. Sie verfärbte sich. Innerhalb weniger Sekunden war die Haut pechschwarz geworden und schien Blasen zu bilden. Alle Finger waren angeschwollen. Ich versuchte, den Ring abzustreifen, doch es gelang mir nicht. Er schien mit dem Finger verwachsen zu sein.

    Die Schmerzen waren nun so unerträglich, dass ich stöhnend im Zimmer hin und her lief und zu keinem vernünftigen Gedanken fähig war. Immer wieder starrte ich die Hand an, die nun bis zum Handgelenk schwarz verfärbt war. Einige der Blasen brachen auf, Blut sickerte hervor.

    Verzweifelt versuchte ich den Signatstern zu aktivieren, doch meine Kräfte waren von der Zeitreise noch zu geschwächt. Das gewohnte Pulsieren des geheimnisvollen Steins wollte sich nicht einstellen.

    Entsetzt sah ich meine Finger an, die binnen einer halben Minute so dick wie Weißwürste wurden. Der Schmerz raste durch meinen Oberarm und erreichte die Schulter. Nun konnte ich den Arm nicht mehr bewegen, er war gelähmt.

    Ich taumelte auf die Tür zu, griff nach der Klinke, als sich alles vor meinen Augen zu drehen begann. Ich wankte hin und her, schlug mit der Stirn gegen die Tür und brach bewusstlos zusammen.

    2. Kapitel

    »Asmodi hätte Coco in einen Freak verwandeln sollen, als sie sich ihm damals bei ihrer Hexenweihe verweigerte«, sagte Adalmar, als er die Tür zu seinem Labor öffnete.

    »Vergiss nicht, lieber Neffe, dass sie uns auch schon recht nützlich war«, meinte Ingvar.

    Adalmar schnaubte verächtlich.

    »Wir wären auch ohne ihre Hilfe mit den Winkler-Forcas fertig geworden. Und ich bin noch immer der Meinung, dass es besser für unsere Sippe gewesen wäre, wenn wir damals Kilian Eklin mit Asmodi hätten kämpfen lassen. So wären wir Asmodi los geworden und hätten uns mit Eklin schon irgendwie geeinigt. Aber nein, meine Schwester musste die Formeln finden, mit der sie Merlin zu Hilfe rief. Etwas Dümmeres hätte sie gar nicht tun können.«

    »Damals hast du aber anders darüber gedacht, Adalmar.«

    »Ich habe damals auch nicht anders empfunden, doch mir blieb keine andere Wahl. Ich musste Vaters Befehl gehorchen.«

    Wütend bewegte Adalmar seine rechte Hand, und eine hohe Tür öffnete sich geräuschlos.

    Ingvar blickte seinen Neffen kurz an. Üblicherweise war Adalmar äußerst wortkarg, nur wenn er sehr verärgert war, dann redete er mehr und steigerte sich in einen alles vernichtenden Zorn hinein.

    Immer wieder war Ingvar von Adalmars Labor fasziniert. Es war eine Mischung zwischen einem modernen Laboratorium, in dem sich die neuesten Geräte befanden, und einer Alchimistenküche. Das alles wirkte unglaublich bizarr und verwirrend.

    Der Raum wurde von einem etwa vier Meter langen Backsteinofen beherrscht, auf dem einige Destillierkessel und Abzugshauben standen. Die Kessel waren durch verschieden starke Rohre miteinander verbunden. Auf einem Regal lagen unzählige uralte Bücher. An den Wänden standen Schränke, in denen sich Tiegel, Flaschen, Tuben und Gläser befanden, die mit allen möglichen Farben, Säuren und Tinkturen gefüllt waren. In einem Schrank befanden sich nur Kräuter und Wurzeln.

    Auf einem großen Tisch standen ein halbes Dutzend Bunsenbrenner und Glasbehälter. In einem hohen Glasbehälter kochte eine durchsichtige, geleeartige Flüssigkeit. Ein fremdartig süßer Geruch ging vom Glasbehälter aus.

    Adalmar blieb vor dem Tisch stehen und blickte die kochende Flüssigkeit an. Er brummte zufrieden und griff nach einem Glas, in dem sich ein blutrotes Pulver befand. Er warf etwas von dem Pulver in die kochende Flüssigkeit, die sich unruhig zu bewegen begann und Blasen warf.

    »Sehr schön«, freute sich Adalmar.

    Die Flüssigkeit war nun blutrot gefärbt, und der süßliche Geruch im Labor wurde immer intensiver.

    »Was ist das für ein Experiment?«, erkundigte sich Ingvar.

    »Magisches Blut«, antwortete Adalmar. »Hergestellt nach einer uralten Formel.«

    »Und wozu ist dieses magische Blut verwendbar?«

    »Angeblich soll es die magischen Kräfte verstärken«, sagte Adalmar grinsend. »Willst du es kosten, Onkel?«

    »Nein, danke. Ich diene nicht gern als Versuchsobjekt.«

    Adalmar kicherte leise. Er schöpfte etwas von der kochenden Flüssigkeit in eine Porzellanschale.

    »So, jetzt werde ich das magische Blut abkühlen lassen«, meinte er, »dann werde ich es Doris Emke trinken lassen.«

    »Was hast du mit den drei Gefangenen vor, Adalmar?«

    »Ich habe dir schon gesagt, dass die drei über PSI-Kräfte verfügen, von denen sie selbst nichts ahnen. Ich will diese verborgenen Fähigkeiten aktivieren.«

    »Und was versprichst du dir davon?«

    »Einiges. Ich hoffe, dass ich dadurch neue magische Fallen entwickeln kann, aus denen es für normale Dämonen kein Entkommen gibt. Außerdem habe ich mit den dreien einige Zeitexperimente vor.«

    Adalmar durchquerte den Raum, und eine Tür schwang unter seinem Blick auf.

    Der Raum dahinter war klein und in mattes Licht getaucht. Doris Emke, Hugbert Stossl und Ralf Winter lagen nebeneinander auf einer breiten Holzpritsche. An ihren Stirnen, Hand- und Fußgelenken und unter den Herzen waren Elektroden befestigt, von denen verschiedenfarbige Drähte zu einigen Apparaten führten, die an der rechtsliegenden Wand standen.

    Adalmar kontrollierte die Geräte, nickte zufrieden und betrat wieder das Labor.

    Er wartete, bis sich das magische Blut etwas abgekühlt hatte, trat dann auf die Pritsche zu und weckte Doris Emke auf, die ihn mit glasigen Augen verständnislos anstarrte.

    »Trinken Sie das, Fräulein Emke«, sagte Adalmar und reichte ihr die Porzellanschale.

    Doris setzte die Schale an die Lippen und trank die dicke Flüssigkeit auf einen Zug hinunter.

    Adalmar blickte sie gespannt an.

    Doris hielt noch immer die Schale in der rechten Hand. Ihr Gesicht war bleich. Adalmar kontrollierte die Geräte, vor allem ihre Herztätigkeit interessierte ihn. Es dauerte kaum zwei Minuten, dann begann ihr Herz schneller zu schlagen, auch die Linien auf dem Papierstreifen, den der Enzephalograph ausspuckte, wurden kräftiger.

    »Gut, sehr gut«, flüsterte Adalmar.

    Doris Emke begann zu stöhnen.

    »Wie fühlen Sie sich, Doris?«, erkundigte sich Adalmar.

    »Mir ist heiß«, flüsterte die junge Frau. Schweißtropfen perlten über ihre Stirn. »Mein Blut scheint zu kochen.«

    »Haben Sie Schmerzen?«

    »Nein, aber ich fühle mich seltsam. Ich glaube zu schweben. Alles dreht sich vor meinen Augen. Das Blut rauscht in meinen Schläfen. Ich fühle mich müde.«

    »Gut, gut«, freute sich Adalmar.

    Doris Emkes Atem ging rascher. Ihre Augen waren nun blutunterlaufen.

    Adalmar holte aus einer Lade einen roten Vollgummiball. Er hielt

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