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Miras neue Sicht der Dinge: Organismus Seele, Gott und Welt
Miras neue Sicht der Dinge: Organismus Seele, Gott und Welt
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Miras neue Sicht der Dinge: Organismus Seele, Gott und Welt

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About this ebook

Miras neue Sicht der Dinge ist eine Lehrerzählung. Wie kommt es zu der 'himmlischen' Erfahrung, mit sich selbst, mit Gott und der Welt im Einklang zu sein? Was bewirken Angst- und Schattenmächte in der Seele? Wie wirken sie in der Umwelt? Wie entstehen Gottesbilder in der Seele? Wie können Ängste integriert werden? Die mystisch begabte Studentin Mira, ihr geheimnisvoller Begleiter Andi und Miras Tante, eine erfahrene Psychologin, sind die Erzählfiguren, die grundlegende Lebensfragen stellen und oft überraschende Antworten finden. Gemeinsam entwickeln sie ein Seelenmodell und erläutern es anschaulich. Die Seele wird dabei als komplexer und dennoch in seinen Grundstrukturen einfacher Organismus dargestellt, der ein neues Verständnis von Mensch, Gott und Welt impliziert. Statt einer technokratisch-dualistischen Sicht der Dinge kommt es zu einer verblüffenden Zusammenschau aller Gegensätze, die durch eine gemeinsame innerste Mitte ins Gleichgewicht gebracht und geeint werden. Das Buch ist eine Liebeserklärung an das Geheimnis des Lebens.
LanguageDeutsch
Release dateJun 6, 2014
ISBN9783955779153
Miras neue Sicht der Dinge: Organismus Seele, Gott und Welt

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    Miras neue Sicht der Dinge - Christl Holz

    Miras neue Sicht der Dinge

    Organismus Seele, Gott und Welt

    Lehrerzählung

    Impressum

    Text- und Bildgrundlage dieser eBook-Ausgabe:

    © Christl Holz, Miras neue Sicht der Dinge (echtholz-verlag Deuerling 2014)

    ISBN 978-3-00-045843-9

    Umschlaggestaltung und (Druck-)Satz: Franziska Kühbandner

    Titelillustration: Tatiana Mashkova

    Pflanzenaquarelle: Eva Gerner

    Vertrieb der Druck-Ausgabe: Christl Holz, Talblick 8, 93180 Deuerling

    christlholz@gmx.de

    http://www.geheimnisvolle-seelenwelt.de/

    http:/www.miras-suche.de/

    INHALT

    1. SEELENMODELL

    Zusammenfassung neuer Sichtweisen

    2. SEELENBEWOHNER/INNEN

    Zusammenfassung neuer Sichtweisen

    3. VIER PSYCHISCHE GRUNDFUNKTIONEN

    Zusammenfassung neuer Sichtweisen

    4. PSYCHOLOGISCH-THEOLOGISCHE DEUTUNGEN DER SIEBEN REISEN

    4.1 Heimat finden (Wo bin ich daheim, wo komm ich her?)

    Rabenelternmacht (Angst- und Schattengestalt)

    Foltermacht , Sadist (Angst- und Schattengestalt)

    Starke Schutzmacht, tapferer Krieger (Sehnsuchts- und Lichtgestalt)

    Zusammenfassung neuer Sichtweisen

    4.2. Identität finden (wer bin ich, was hat Bedeutung?)

    Lügenmacht (Angst- und Schattengestalt)

    Wahrhaftige Lehrmeisterin, glaubwürdiger Bote (Sehnsuchts- und Lichtgestalt)

    Treuloser Machthaber, trügerischer Helfer (Angst- und Schattengestalt)

    Zusammenfassung neuer Sichtweisen

    4.3. Versöhnung mit sich und anderen finden (Was soll ich tun?)

    Unerbittlicher Heuchler (Angst- und Schattengestalt )

    Arzt, barmherzige Heilerin (Sehnsuchts- und Lichtgestalt)

    Sklavenhalter der Vergeblichkeit (Angst- und Schattengestalt)

    Gerechte Richterin, Retter (Sehnsuchts- und Lichtgestalt)

    Zusammenfassung neuer Sichtweisen

    4.4. Herzensnähe und Erfüllung finden (Was macht glücklich?)

    Suchtmacht (Angst- und Schattengestalt)

    Großzügige Festwirtin, Lebemeister (Sehnsuchts- und Lichtgestalt)

    Herzensbrechermacht (Angst- und Schattengestalt)

    Leidenschaftliche Liebhaberin, zärtlicher Liebhaber (Sehnsuchts- und Lichtgestalt)

    Zusammenfassung neuer Sichtweisen

    4.5. Trost finden (Was macht froh und verleiht Würde?)

    Narzisstischer Spötter (Angst- und Schattengestalt)

    Meisterlicher Künstler, respektvolle Königin (Sehnsuchts- und Lichtgestalt)

    Bedrücker- und Sorgenmacht (Angst- und Schattengestalt)

    Befreier, humorvolle Trösterin (Sehnsuchts- und Lichtgestalt)

    Zusammenfassung neuer Sichtweisen

    4.6. Ankommen und Ruhe finden (Wohin gehen wir?)

    Superhirn, Verwirrermacht (Angst- und Schattengestalt)

    Weise Alte, Priesterin und Erlöser (Sehnsuchts- und Lichtgestalt)

    Mobbingmacht (Angst- und Schattengestalt)

    Geduldiger Ruhespender, Ernährerin (Sehnsuchts- und Lichtgestalt)

    Zusammenfassung neuer Sichtweisen

    4.7. Im Gleichgewicht bleiben (Freiheit der Liebe finden)

    Zusammenfassung neuer Sichtweisen

    5. HIMMLISCH-IRDISCHE FRIEDENSSTADT AM HERZEN DER WELT

    Wohngegend und Abwehranlagen im Januar- und Juli-Stadtteil.

    Wirtschafts- und Regierungsbereich im März- und September-Stadtteil

    Pflegeeinrichtungen und Gerichtsbarkeit im Mai- und November-Stadtteil

    Festbezirk und Liebesgemach im August- und Februarstadtteil

    Stadtfassade und Rückseite im April- und Oktoberstadtteil

    Leitungszentrale und Räume der Verwandlung im Dezember- und Junistadtteil

    Autorin

    Liebe Leserinnen und Leser!

    Wurden Sie schon einmal - überraschend - von einer Musik in der Tiefe berührt, vielleicht sogar ins Herz getroffen? Ein himmlischer Genuss?

    Es brauchte ein offenes Herz dazu und eine ganz bestimmte Musik, die genau für Sie und für diesen Moment gemacht zu sein schien.

    Wie gelingt es, einen musikalischen Boden für neue Erfahrungen dieser Art zu schaffen? Welche Instrumente lassen sich unterscheiden, welche Nuancen sind zu entdecken? Wie verändert sich die Weltsicht aus diesem neuen, musikalischen Blickwinkel? Wie gelingt es, musikalisch zu bleiben und schließlich in der Musik zu wohnen?

    Meine Erzählfiguren Mira, Andi und Christina lauschen nicht nur ihrer Lebensmusik, sondern versuchen deren Harmonielehre zu verstehen. In ihren Erfahrungen und Reflexionen lasse ich verschiedene Facetten meiner eigenen Innenwelt zu Wort kommen. Über drei Jahrzehnte eines intensiven geistlichen Weges als gläubige Christin, eine langjährige Erfahrung als geistliche Begleiterin und ein starker Wunsch, die psychologischen Grundlagen meiner eigenen mystischen Erfahrungen zu erforschen, stehen hinter dieser Lehrerzählung.

    Viel Freude an Miras „Musikunterricht" wünscht Ihnen (aus Deuerling, am 1.Mai 2014)

    Christl Holz

    www.geheimnisvolle-seelenwelt.de

    1.     SEELENMODELL

    Liebe Christina,

    Lange trage ich mich schon mit dem Gedanken, dich als Psychologin um deinen Rat zu bitten. Ein wenig plagt mich die Angst, du könntest mich für verrückt halten.

    Dass ich schon als Kind sehr naturverbunden war und viel Zeit allein in meinem Versteck zubrachte, hast du ja längst mitbekommen. Was ich im Alter zwischen zwölf und 15 Jahren dort erlebte, habe ich noch niemandem erzählt. Ich bekam Kontakt zu einer ganz anderen Wirklichkeit und begegnete einem etwa gleichaltrigen Jungen, der mich zu sieben abenteuerlichen Reisen ans „Herz der Welt" einlud. Du wirst denken, Mira hatte immer schon eine lebhafte Phantasie und versank eben in ihrer eigenen Traumwelt.

    Doch bis heute frage ich mich: Habe ich die Begegnung mit Andi wirklich nur phantasiert? Die Widersprüche in meinem Innern sind einfach nicht auszuhalten! Mal könnte ich schreien: Alles Täuschung, Illusion, Hirngespinste! Mal staune ich, wie wundervoll meine Erlebnisse doch waren, wie gut und tröstlich! Kann es sein, dass Andi, nach dem ich mich immer noch heftig sehne, nur eine Ausgeburt meiner Phantasie war?

    Schon als Zwölfjährige erkannte ich, dass meine Erlebnisse nicht in der Außenwelt stattfanden. Doch das störte mich nicht, ich fand es trotzdem ganz natürlich. Aber heute bin ich 10 Jahre älter und mache bald mein Diplom. In den Psychologie- und Philosophievorlesungen, die ich an der Uni besucht habe, fand ich auch keine Antwort.

    Sobald ich nur an Andi denke, fühle ich mich richtig kindisch und naiv. Ich glaube dennoch, dass es mehr als Tagträumerei war. Was ich mit Andi erlebte, hätte ich mir niemals ausdenken oder ausmalen können. Was da mit mir geschah, war einfach zu überraschend und unbeschreiblich wohltuend. Es bleibt mir unvergesslich. War es doch eine Art Engelbegegnung? Dabei weiß ich gar nicht, ob ich an Engel glaube! Außerdem, was ist das für ein Engelname: „Andi"!

    Auf jeder dieser Reisen musste ich Gefahren bestehen und Ängste durchleben. Dabei sollte ich nicht alles unbesehen hinunterschlucken oder die Angsterfahrung in Bausch und Bogen wegwerfen. „Man muss das Ungenießbare ausspucken, das Bekömmliche jedoch gründlich verdauen, um die Angst integrieren zu können, behauptete Andi. Immer wenn uns ein Angstmonster begegnete, gefror mir das Blut in den Adern. Es war schrecklich! Aber Andi unterstützte mich und zeigte mir, wie ich mit ihnen umgehen musste, um unser Ziel zu erreichen. Das Ziel jeder Reise war „das Herz der Welt. War dieses ein Ort, ein Zustand oder beides? Schwer zu sagen! Sobald wir das Ziel erreicht hatten, war ich jedenfalls ganz bei mir selbst angekommen und mit Gott und der Welt eins. Sogar meine tödlich verunglückte Schulfreundin Tina, die ich immer noch vermisse, war so spürbar nahe. Unbeschreiblich eigentlich! In diesen Augenblicken war ich rundum glücklich und so dankbar. Kann man sich darin täuschen? Die Erlebnisse hallten jeweils lange nach, ich fühlte mich danach wie neu geboren und voller Elan, aber auch ziemlich verletzlich.

    Nun bin ich kurz davor, mich wieder auf solche Erfahrungen einzulassen. Bei unserer letzten Begegnung vor zehn Jahren fragte ich Andi, ob es mit uns weitergehe. Er antwortete: „Wenn du es aus ganzem Herzen willst."

    Meinst du, es ist gefährlich? Mit Herzklopfen warte ich auf deine Antwort. Sei bitte ganz ehrlich und schone mich nicht!

    Liebe Grüße

    Deine Mira

    Wiedersehen

    Das Wochenende verbrachte ich bei meinen Eltern zu Hause. Wieder besuchte ich mein geliebtes Versteck am Waldrand. Eigentlich hatte ich mir vorgenommen, in die andere Richtung spazieren zu gehen, aber die Beine schlugen fast automatisch den Weg zu meinem Lieblingsplatz ein. Wie es nach gestocktem Holz und frischem Moos, nach Harz und Kindheit duftete! Die Lärchen hatten schon ausgetrieben. Ich streichelte die weichen Nadeln. Junge rote Zapfen reckten dicht neben den alten braunen des Vorjahres ihre Köpfchen in die Höhe!

    „Wenn du es aus ganzem Herzen willst!" Andis letzte Worte waren wieder so gegenwärtig. Von wegen aus ganzem Herzen! Ja, ich hatte Sehnsucht nach Andi. Aber ich war viel zu verunsichert und verwirrt, als dass ich mir eine Begegnung ernsthaft gewünscht hätte.

    Nein, bei aller Sehnsucht, ich wollte mich nicht mehr auf seine Nähe einlassen Sogar dieses Gedankenkarusell, das sich ständig um Andi und meine Seelenreisen drehte, nervte mich. Im Grunde wünschte ich mir nur, besser zu verstehen, was damals in meiner Seele geschehen war, wie ich den Himmel in mir gefunden hatte und wie Gott, wenn es ihn gibt, in der Seele und auch in der Außenwelt wirkt. Wie sollte ich mir die Seele vorstellen? Gibt es das ‚Ding‘ überhaupt? War Andi ein Phantom? Und Gott? Eine Wunschvorstellung? Wie kommt Gotteserfahrung psychologisch zustande? War es nicht ungehörig, all dies so genau wissen zu wollen? Gott lässt sich doch nicht in die Karten schauen! Das will ich auch gar nicht. Ich will doch nur verstehen!

    Die langen, biegsamen Lärchenzweige hingen wie Schnüre bis zum Boden hinab. Ich saß auf einem Moospolster in der Höhle, lauschte dem seltsam abgehackten Gesang einer Drossel und schaute durch den hellgrünen Schnurvorhang ins Tal hinab, ganz lange. Ich hörte auf, an etwas Konkretes zu denken. Hellwach zugegen und zugleich in mich selbst versunken, tat ich wieder einmal das, was ich so gerne tue und doch fast ein wenig verlernt hatte: einfach gar nichts.

    Ein wenig erschrocken verspürte ich Andis Nähe. Von den Haarwurzeln bis zu den Zehenspitzen durchströmte mich Wärme und Licht. Ich verharrte ganz still, erschauerte, drehte mich aber nicht zu ihm um.

    „Willst du mit mir zum Herzen der Welt?"

    Da war sie, die heiß ersehnte und doch gefürchtete Frage. Ich aber seufzte nur.

    „Was hindert dich?", fragte Andi.

    „Ich will mich nicht noch weiter von meiner ganz normalen Welt entfernen. Wenn ich meinen Kommilitoninnen davon erzählte, nähmen sie mich nicht mehr ernst. Außerdem habe ich Angst, mir mein Herz am Feuer der Liebe zu verbrennen. Lieben ist gefährlich, macht verletzlich. Ich fühle mich doch jetzt schon oft als gebranntes Kind."

    „Ach du Arme, wärst du doch nie mit mir mitgegangen!", spottete Andi.

    Ich musste lachen. „Nein, es war das Beste, was mir passieren konnte! Trotzdem: Ich will den Himmel nur finden, wenn ich dabei nicht die Erde unter den Füßen verliere."

    „Genau das gefällt mir so an dir. Ich nehme dich sehr ernst, das kannst du mir glauben! Hättest du Lust, mehr zu verstehen?"

    „Über die Seelenwelt?"

    „Und darüber, wie Himmel und Erde gemeinsam wirken?"

    „Ja freilich! Du sprichst mir aus der Seele!"

    „Was hältst du davon: Du stellst deine Fragen, ich könnte dich bei Gelegenheit inspirieren und dir Anregungen geben? Nach Antworten und Lösungen musst du aber selbst forschen. Ich werde dir, wenn nötig, behilflich sein."

    „Was meinst du mit forschen?"

    „Du musst mit Verstand und Herz die Fragen stellen, die dir wichtig sind. Deine Willenskräfte entwickeln bei der Suche nach Antwort eine große Portion Phantasie und spielen mit vielen Möglichkeiten. Die Gefühlskräfte bringen Ordnung in deine Vorstellungen und geben Halt. Deine Verstandeskräfte beobachten präzise und ziehen Schlüsse. Deine instinktiven Gemütskräfte erahnen und gewahren so manches, was dem Verstand verborgen bleibt.

    Wahre Erkenntnis findest du nur, wenn du mit gebündelten Seelenkräften, ja aus ganzem Herzen suchst."

    „Du sprichst in diesem Zusammenhang von Inspiration. Handelt es sich dabei etwa um eine religiöse Privatoffenbarung? Ich will keine Sekte gründen oder mich mit mysteriösen Botschaften wichtig machen. Nein, das wäre mir suspekt!"

    „Jede wirkliche Künstlerin oder jeder große Dichter wird von der Quelle des Lebens inspiriert. Zugleich offenbart sie oder er etwas von sich selbst. Ihre Werke können berühren, verstören, aufrütteln, erheben, je nachdem. Niemand spricht dabei von Privatoffenbarung, sondern von Inspiration."

    „Keine Taube auf der Schulter, die mir die richtigen Worte einflüstert?"

    „O doch! Du aber duck dich nicht weg! Du sollst dich dieser Quelle öffnen und zugleich ganz du selber sein!"

    „Soll ich so etwas wie ein Kanal werden, damit ich der göttlichen Quelle nicht im Wege stehe?"

    „Vergiss es! Du musst dich voll und ganz einbringen mit allen Seelenkräften. Nur gemeinsam können Himmel und Erde fruchtbar werden. So wirst du, so werden wir miteinander, eigenschöpferisch, ein Seelenmodell entwickeln."

    „Das waren fast schon zu viele Informationen für mich.

    „Das nächste Mal bringe ich dir eine Überraschung mit", kündigte Andi an und war schon verschwunden.

    Er war wirklich sehr zurückhaltend und fast ein wenig lehrerhaft, ja respekteinflößend gewesen. Ich hatte ihn nicht einmal gesehen, nur seine Stimme gehört, dabei seine Gegenwart mehr geahnt als leibhaftig gefühlt. Seine Stimme hatte sehr erwachsen geklungen, warm und tief. Offenbar war auch er älter geworden. Warum hatte ich mich nicht einmal zu ihm umgedreht? Ich hatte mich doch so nach ihm gesehnt! Ich fürchtete mich wohl vor mir selbst? Sein unwiderstehlicher Blick hätte genügt und ich wäre, im Grunde gegen meinen Willen, mit ihm auf Reisen gegangen. Ja, das war´s! Er aber respektierte meine Distanzwünsche und Zweifel. Nach dieser Begegnung ging ich sehr glücklich und ein wenig aufgeputscht nach Hause.

    Meine Seele war voller Staunen. Ich war so neugierig auf das, was kommt.

    Unterweisung

    Bin ich froh, dass Andi mich so ernst genommen und meinen Widerstand nicht zu brechen versucht hat. Da hatte ich anderes befürchtet. Ich spüre, unsere Beziehung ist anders als früher; ich bin gespannt, wie sie sich weiter entwickelt.

    Heute ging ich ins Versteck ohne Hoffnung auf eine Begegnung, wusste ich doch, wie lange Andi meist auf sich warten ließ. Außerdem plagten mich wieder Zweifel, ob ich mir nicht alles nur einbildete. Andi aber erwartete mich bereits. Er hatte eine Art Landkarte vor sich ausgebreitet.

    „Was ist denn das?", fragte ich erstaunt.

    „Mein angekündigtes Mitbringsel: eine Seelenlandkarte, genauer ein Längsschnitt durch den Seelenorganismus."

    Geistseele  (Pneuma-Psyche): gepunktet

    Leibseele (Soma-Psyche): schraffiert

    Es gibt eine breite Überschneidung in der mittleren Etage

    +  Gemeinsame Selbstmitte von Geistseele und Leibseele

    (Hier wohnen die Kernkräfte der Seele: „Ich und „Selbst)

    Scheitel = Geistspitze

    Sohle = Leibbasis

    Seelenorganismus

    „Du wirst mir die Karte erklären müssen."

    „Gerne! Doch zuvor sollten wir darüber reden, was du dir unter ‚Seele‘ vorstellst."

    Schon war ich wieder in meinem Element und dachte nicht mehr an meine Zweifel. Begeistert stieg ich in das Gespräch mit Andi ein:

    „Darüber haben wir früher schon im Religionsunterricht gesprochen. In der Bibel ist damit meistens der ‚Odem des Lebens‘ gemeint, also das, was den lebendigen Menschen ausmacht. Man könnte Seele sogar einfach mit ‚Ich‘ übersetzen. Wenn Jesus am Ölberg sagte: ‚Meine Seele ist betrübt bis in den Tod‘, dann bedeutet das nichts anderes als: Ich bin betrübt."

    „Und was verstehst du als moderner Mensch unter Seele?"

    „Auch nicht so viel anderes. Ich meine mich als ganzen Menschen mit meinem ganzen Innenleben. Seit Sigmund Freud wissen wir allerdings von unserem unterbewussten Seelenleben."

    „Meinst du mit Seele auch das Geheimnis, das du im Innersten bist?"

    „Ja, mich in meiner tiefsten Persönlichkeit mit allen hellen und dunklen Seiten, mit allen Höhen und Tiefen."

    „Wo glaubst du ist der Sitz der Seele?"

    Ich klopfte an meine Brust: „Vielleicht hier?"

    „Ist deine große Zehe auch beseelt?"

    „Ja freilich."

    „Und dein Gehirn?"

    „Ja, natürlich. Manche halten ja sogar das Gehirn für den Sitz der Seele."

    „Und du?"

    „Der ganze Leib des Menschen ist doch beseelt, vom Scheitel bis zur Sohle, solange er atmet. Aber vielleicht gibt es so etwas wie einen Hauptwohnsitz der Seele?"

    „Du hast vorhin auf deine Brust geklopft. Da liegst du nicht daneben. Schon kleine Kinder deuten auf ihre Brust, wenn sie sich selbst meinen. In der Herzgegend liegt die Selbstmitte. Da liegt der Seelenkern, welcher der Kommunikationsknotenpunkt aller Seelenkräfte ist."

    „Nicht in der Leibmitte, unterhalb des Nabels auf Kreuzbeinhöhe?"

    „Die Kernkräfte der Seele finden im Sonnengeflecht eine große Kraftquelle und ruhen sich weiter unten im Bauchraum gerne mal aus, aber sie wohnen in der Herzgegend, wo sich Horizontale und Vertikale kreuzen."

    „Auf dieser ‚Landkarte‘ ist die Seele rund dargestellt. Der Mensch ist aber eher kreuzförmig gebaut, zumindest wenn er die Arme seitlich ausstreckt. Was hat das zu bedeuten?"

    „Die Seele ist viel geistiger als der Leib und geht mit ihrer Aura über den Leib hinaus. Wenn du deine Arme ausbreitest, sie nach oben hebst und nach unten senkst, wenn du sie nach vorne und nach hinten schwingst, beschreibst du einen in etwa kugelförmigen Raum. Der entspricht ungefähr dem Seelenorganismus. Da liegen seine Grenzen hin zur Außenwelt, mit der er ständig kommuniziert. Sein Spielraum ist jedoch viel größer als seine eigene, durchaus begrenzte Gestalt."

    „Du sprichst so betont vom ‚Seelenorganismus‘. Der Begriff scheint dir wichtig zu sein. Mir fällt dazu ein, dass der menschliche Organismus aus vielen Organen besteht, aber mehr als nur die Summe seiner Organe ist. Meinst du, dass die Seele eine Art Parallelorganismus zum Leib ist?"

    „Parallel? Ja insofern, als sie ähnlich strukturiert ist. Ich könnte auch System sagen, aber der Begriff klingt mir zu technisch."

    „Organismus gefällt mir auch besser. Der Mensch ist schließlich keine Maschine! Andererseits ist er zum Beispiel durch Daten, die er im Netz hinterlässt, unheimlich berechenbar geworden."

    „Der Seelenorganismus erinnert übrigens von seiner Struktur und Organisation her an das Gehirn, das ja auch fast kugelförmig ist. Das Gehirn gilt als Organ, könnte aber ebenfalls als Organismus für sich betrachtet werden. Gehirn und Seelenorganismus haben gemeinsam, dass sie dem Aufbau nach einem Sozialwesen ähneln. Auch ein Sozialwesen kann man als Organismus verstehen und die ganze Welt."

    „Schon wieder so eine Behauptung von dir!"

    „Ja! Nenn sie meinetwegen Inspiration. Merke dir: Küsst dich auch die Muse, so musst du doch selbst das Kunstwerk schaffen."

    „Du sprichst schon wieder in Rätseln!"

    „Mach was draus! Nur Mut, ich trau es dir zu!"

    „Wenn du meinst?!"

    „Leib und Seele sind nicht einfach ein Organismus, sind aber auch nicht voneinander getrennt. Ein Organismus kommuniziert immer mit anderen und ist nie für sich genommen vollständig, sondern Teil eines größeren Ganzen, ein Organismus im Organismus. Aber auch die Elemente innerhalb eines Organismus stehen in ökologischer und ökonomischer Wechselwirkung zueinander und sind miteinander vernetzt. Vor allem gibt es immer eine Rückkoppelung zwischen Geist und Leib."

    „Die Seele ist im Vergleich zum Leib aber doch viel geistiger? Haben Seele und Leib auch eine gemeinsame Selbstmitte?"

    „Ja freilich! Der Leib hat eine eigene Leibmitte, aber dennoch zusammen mit dem Geist, der über ihn weit hinaus weist, eine gemeinsame Selbstmitte. Du hast ja nicht nur den Organismus Leib, du bist selbst auch dein Leib, aber du bist mehr als dein Leib. Du hast nicht nur ein organismisches Innenleben bzw. Seelenleben. Du bist selbst dein Innenleben. Aber du bist selbst mehr als dein Innenleben. Du hast nicht nur ein Gehirn, du bist selbst dein Gehirn und deine große Zeh und deine Hände, aber du bist mehr als das. Du hast nicht nur eine Familie, du bist selbst Teil dieser Familie. Manches, das zu dir selbst gehört, ist ersetzbar, kann verändert und erneuert werden. Wenn dir ein Zahn gezogen wird, stirbt etwas Leibliches von dir. Das lässt auch deine Seele nicht kalt. Wenn du aber ein Implantat bekommst und es annimmst, gehört es vermutlich bald zu dir selbst und auch deine Seele beruhigt sich."

    „Obwohl ein Implantat etwas Lebloses ist! Ist ja krass!"

    „Wenn du eine Freundin verlierst, stirbt ein Teil deiner Seele. Das wiederum lässt auch deinen Leib nicht unberührt. An Leib und Seele ist immer etwas im Werden und anderes im Sterben. Jeder Organismus verändert und stabilisiert sich, verwandelt und erneuert sich, baut ab und baut auf. All das bleibt nicht ohne Wirkung auf unter- und übergeordnete Organismen."

    „Die Organismen müssen wohl irgendwie ineinander verschachtelt sein?"

    „Alle Organismen kommunizieren miteinander und werden aus der Kraft einer gemeinsamen Selbstmitte zu einer Gesamtharmonie vereint."

    „Aus der Kraft einer gemeinsamen Selbstmitte?! Das klingt aber sehr bedeutsam und schwierig!"

    „Es ist komplex und einfach zugleich. Die mystische Erfahrung schenkt eine Zusammenschau aller Gegensätze und Widersprüche! Alle Mystiker verlieren trotz aller Differenziertheit der Wirklichkeit nie die Einheit und die wechselseitige Verbundenheit allen Lebens aus dem Blick. Leider ist dieser Blickwinkel auf Gott und die Welt für die westliche Welt immer noch ungewohnt. Die mechanistisch-technische Perspektive bringt aber nur einseitigen und deshalb zweifelhaften Fortschritt für die Menschen. Diese erleben sich oft nicht mehr als eine leib-seelische Einheit in vielen wechselseitigen Bezügen, sondern haben einen Leib, der schön und gesund zu sein hat und haben eine Seele, die wie ein Uhrwerk funktionieren soll und haben keinen Bezug zum großen Ganzen. Mystiker aber fragen, was Einheit in der Vielfalt stiftet."

    „Ich bin aber keine Mystikerin!"

    „Bist du sicher?"

    Das Thema wurde mir zu heiß. Schnell begab ich mich wieder auf eine unverfängliche Ebene. „Die Seele ist geistiger Natur. Kann sie denn auch ohne Leib in der Außenwelt umherschweifen?", wollte ich wissen.

    „Halt! Da muss ich dich korrigieren. Die Seele ist keineswegs nur geistiger Natur. Sie ist nicht nur mit dem Leib eng verbunden, sondern hat auch selbst leibliche bzw. somatische Komponenten, die sie bis ans Lebensende im Leib verankern. Natürlich ist sie viel geistiger als der Leib. Aber oft wird die Seele fälschlicherweise mit dem Geist gleichgesetzt. Merke dir! Der Seelenorganismus ist für sich genommen sowohl geistiger, als auch leiblicher Natur. Das ist vermutlich für viele eine recht neue Sicht der Dinge."

    „Wenn Organismus Leib und Organismus Seele so eng miteinander verbunden und miteinander verwoben sind, was passiert dann, wenn der Mensch stirbt?"

    „Stirbt ein Mensch, trennt sich der eher geistige Organismus Seele vom Organismus Leib. Die Leibeshülle hat ihr „Selbst verloren und kehrt zu ihrem Ursprung Erde zurück. Es gibt in der ganzen Welt-Schöpfung keine Auflösung ins Nichts. Alles wird verwandelt und erneuert. Auch der Organismus Seele kehrt sowohl mit seinen geistigen als auch mit seinen leiblichen Seelenkräften zu seinem Ursprung zurück. Der ganze Organismus kehrt von dort an Geist und Leib erneuert und verwandelt wieder, antwortete Andi knapp.

    ‚Der ganze Organismus kehrt erneuert und verwandelt wieder.‘ Das war wieder so ein Rätselsatz, der mich noch lange beschäftigen wird. Ich glaube nicht, dass Andi damit Reinkarnation meint. Verbirgt sich dahinter eine neue Deutung der ‚Auferstehung von den Toten‘? Mit Geist und Leib? Auf unseren gemeinsamen Reisen habe ich immer wieder über Andis Worte gestaunt, aber mich auch geärgert, weil meine Neugierde und mein Wissensdurst oft lange nicht befriedigt wurden. Völlig unerwartet aber war irgendwann plötzlich die Nuss geknackt.

    Geistige und leibliche Seelenanteile

    „Schau dir die Seelenkarte näher an. Was fällt dir auf?"

    „Die obere Hälfte ist überwiegend blau schraffiert, die untere dagegen gelb. Die Farben überschneiden sich im mittleren Bereich."

    „Siehst du, scheitelwärts ist die Seele am geistigsten. In der mittleren Ebene, wo sie sowohl blau als auch gelb schraffiert ist, sind die geistigen und leiblichen Seelenregungen ausgewogen vertreten. Sohlenwärts ist sie am leiblichsten.

    Man könnte die eher geistigen Seelenanteile auch psychopneumatisch und die eher leiblichen psychosomatisch nennen."

    „Was meinst du mit eher geistig und eher leiblich?"

    „Jede geistige Seelenregung ist grundsätzlich mit einer leiblichen gepaart. Der Geist muss sich immer wenigstens an eine Spur Leib binden und umgekehrt. Ein Wort oder ein Gedanke sind sehr geistige Regungen, aber sie brauchen zu ihrer Entstehung den Leib. Die eher geistigen Seelenkräfte (psychopneumatische Kräfte) erheben den Menschen in den weiten Raum des Geistes. Der Mensch kann sich und seine Welt reflektieren, sein Wissen in Büchern

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