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Zünden Häuser und Bäume an
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Ebook101 pages1 hour

Zünden Häuser und Bäume an

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About this ebook

Die 1920er Jahre in Österreich sind durch schwierige soziale Bedingungen einerseits sowie durch den scharfen politischen Gegensatz zwischen Arbeiterbewegung und aufkommendem Faschismus andrerseits geprägt. Vor diesem Hintergrund kämpfen die verschiedenen Hauptpersonen - Arbeiter, Angestellte und selbständige Werktätige, die sich alle am unteren Ende der Gesellschaft befinden -, um ein menschenwürdiges Dasein. Doch die Grenzen eines nicht oder falsch organisierten Kampfes von unten setzt schließlich das System von oben, wie jeder für sich und doch alle gemeinsam erfahren müssen...

Es handelt sich um eine aktualisierte Auflage! (14. Februar 2016)
LanguageDeutsch
Release dateApr 22, 2015
ISBN9783990416099

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    Zünden Häuser und Bäume an - Helmut Zenker

    Helmut Zenker

    Zünden Häuser und Bäume an

    (Roman)

    Herausgeber:

    Tibor Zenker

    Copyright © 2015 Der Drehbuchverlag, Wien und Jan Zenker

    2. Auflage, 14. Februar 2016

    Alle Rechte vorbehalten

    eBook: Zünden Häuser und Bäume an (Roman)

    ISBN: 978-3-99041-609-9

    Inhaltsverzeichnis

    1. Anfang

    2. Ende

    3. Neuer Anfang

    4. Vorbei

    5. Ein anderer Anfang

    6. Umstände

    7. Der dritte Tag

    8. Meinungsfreiheit

    9. Sonntag

    10. Vorträge

    11. Wahrheit/Wirklichkeit/Echtheit

    12. bzw.

    13. Dreizehn

    14. Sperrstunde

    15. Wien

    16. Schottentor >> Schmerlingplatz

    17. Exitus

    18. Leben

    1. Anfang

    Zwanzig Minuten vor sieben. Ernst Prantner geht zum ersten Mal durch das Werkstor, nickt das erste Mal dem armamputierten Pförtner Wartbichler zu, der breitbeinig vor seinem Bretterverschlag steht und den schweren Schlüssel hält, mit dem er jeden Tag um 6 Uhr 30 das Fabrikstor öffnet. Der Pförtner hat eine gestrickte Haube so auf, dass die Nahtstelle vorne über seiner Stirn ist. Ernst Prantner hat mit Wartbichler schon letzte Woche ein paar Worte gewechselt, dann hat ihm der Pförtner mit behaarten Fingern den Weg zum Angestelltenhaus mit dem Personalbüro gewiesen, das sich nicht auf dem Fabriksgelände befindet. Es liegt dem Eingang gegenüber, hat eine vor kurzem gekalkte Fassade.

       Ein kalter, ausnahmsweise nicht nebeliger Märztag. Ernst Prantner ist mit seinem Bruder Johann gekommen, der zwei Jahre jünger und schon vier Jahre im Glöckl-Werk, einer Maschinenfabrik, beschäftigt ist. Sein Bruder war es auch, der ihm geraten hat sich im Glöckl-Werk zu bewerben, nachdem die Fabrik in Neunkirchen, in der Ernst Prantner als Dreher gearbeitet hatte, ohne Ankündigung zugesperrt worden war. Letzten Mittwoch ist Ernst Prantner eingestellt worden, heute ist sein erster Arbeitstag. Sein Blick registriert noch, was den anderen Arbeitern kaum mehr auffällt.

       So zeitig?, meint Wartbichler spöttisch und fixiert Johann Prantner. Bravo!

       Der Pförtner widmet Johann sein fast zahnloses Lächeln. Johann taucht fast immer erst unmittelbar vor sieben auf.

       Zu früh kommen kannst du dir von Haus aus abgewöhnen, erklärt Johann dem Bruder. Die beiden sind einfach weitergegangen, der Pförtner erwartet ohnehin keine Reaktion auf seine üblichen Bemerkungen.

       Der Fabrik schenk ich keine Minute, behauptet Johann. Ich habe es mir schon hundertmal ausgerechnet. Jeden Tag ein paar Minuten zu früh, das macht in ein paar Monaten schon einen Tag aus, am Ende Monate und Jahre.

       Johann Prantner ist fast einen Kopf größer als Ernst, sein Gesicht ist weiß, bekommt auch im Sommer nie Farbe. Gerade deshalb heißt er beim Meister und den Kollegen nur der Neger.

       Nach dem Tor geht es an den verrosteten Fahrradständern vorbei auf der kleinen schwankenden Holzbrücke über den Werkskanal, dann nach rechts zu den beiden Umkleidebaracken. Die Fabrik befindet sich praktisch auf einer Insel zwischen dem Fluss und dem Kanal. Geredet wird in den Baracken nicht viel, während sich die Arbeiter in die verdreckten Kittel beeilen. Sogar die Lehrlinge haben verschlafene Gesichter und einander nichts zu erzählen. Ernst Prantners Uniform ist und riecht frisch.

       Da ist unsere sauberste Abteilung, sagt Johann auf dem Werkshof und zeigt auf die erste, niederste Halle: die Tischlerei. Keine Kunst, denkt Ernst.

       Fall mir nicht auf, sagt Johann noch. Er gibt Ernst die Hand, dann fällt ihnen auf, wie blöd das wahrscheinlich ausschaut. Johann verschwindet in die Tischlerei, Ernst steckt die Hand rasch in die Tasche der Arbeitsjacke zu den Tabakresten.

       Fünf vor sieben heult die Sirene auf, fast gleichzeitig die Sirene der nahen Gummibude, in der fast nur Frauen beschäftigt sind, dann auch noch die Sirene der Papierfabrik auf der anderen Seite des Flusses.

       Ernst Prantner betritt die Montagehalle, geht unter den Deckenkränen durch, an den Schmiedefeuern vorbei, wo die Schweißer versammelt sind. Ein jüngerer Arbeiter turnt schon einen halb fertigen Baukran hoch. Im Glöckel-Werk werden Maschinen aller Art produziert, Kräne, Pressen, auch landwirtschaftliche Maschinen. Punkt sieben beginnt der Maschinenlärm zu brodeln. Ein paar hallende Schreie sind noch zu hören, dann nur noch Kreischen, Zischen, Rattern, Dröhnen. Die Sinfonie der Arbeit ist immer noch ein Marsch.

       Die Maschinenhalle, wo die Dreher ihre Bänke haben, kann derzeit nur durch die Montagehalle erreicht werden, weil beim Tor zur Maschinenhalle ein Gerüst aufgestellt wird. In der Dreherei wird Ernst Prantner schon erwartet.

       Sind Sie der Wiener?, fragt ihn der Meister, der vor seinem etwas erhöhten Aquariumbüro steht.

       Ja, sagt Prantner.

       Der Meister, ziemlich dünn, etwa 50 Jahre alt, sagt: Kommen Sie. Den Namen des Meisters erfährt Prantner erst später, als er eine der Unterschriften auf den Schreibtischblättern entziffern kann: Josef Streibl. Ernst Prantner ist von Anfang an der Wiener, obwohl er die letzten Jahre in Neunkirchen gearbeitet und gelebt hat. Der Meister geht vor dem neuen Dreher ins Aquarium. Von hier aus, das merkt Prantner sofort, kann man mühelos alle Drehbänke und die Bohr- und Hobelmaschinen kontrollieren.

       Die Bänke stehen unten in drei Reihen hintereinander. An fast allen stehen Männer, die keine Zeit haben von ihrer Arbeit aufzuschauen. Streibl will, dass Prantner den Empfang der Werkzeuge mit seiner Unterschrift quittiert.

       Ich hab ja noch keine, will Prantner einwenden.

       Die kriegen Sie gleich.

       Der Meister bekommt seine Unterschrift. Dann zeigt er dem Neuen vom Aquarium aus die Drehbank, die ab jetzt seine ist. Immerhin, denkt Prantner, eine normale, kleine, keine der Ringelspiel- oder Riesenbänke.

       Arbeit kriegen Sie gleich, sagt Streibl. Er zeigt ein freundliches Gesicht: Sagen Sie mir am Abend, ob Sie das Tempo an unseren Bänken gewohnt sind. Am Anfang rege ich mich nie auf.

       Danke.

       In ein paar Tagen müssen Sie es gewohnt sein.

       In der Werkzeugmacherei holt sich Ernst Prantner, was er braucht. Schließlich übernimmt er die Bank: auch aus der Nähe kein Monster, ein Modell mittleren Alters, mit dem er, glaubt er wenigstens, bestimmt zurechtkommen wird. Prantner stellt die Werkzeuge und die Ölkanne ab. Noch ein Blick zu den Nebenbänken, sie scheinen alle in einem Höllentempo zu laufen. Heute muss Prantner nur Schrauben fertigen, mehr hat man ihm anscheinend nicht zugetraut. Das Geräusch seiner Bank stimmt in das Pfeifen der anderen Bänke ein. Morgen wird Prantner schon Watte in den Ohren haben.

       Schnell ist es so, wie es für ihn immer an den Bänken ist. Keine Gedanken, nur Konzentration, höchstens Bilder fallen ihm ein, keine Sätze, nicht einmal Worte.

       Um drei viertel neun heult wieder die Sirene: Frühstück. Ernst Prantner lernt ein paar Kollegen kennen, die sich jetzt nicht lange mit

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