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Die Unfertigen
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Ebook145 pages1 hour

Die Unfertigen

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About this ebook

Trixie, Kevin & Gordon teilen sich eine Wohnung in München. Trixie ist eine Hobby-Hure, Kevin ein junger Stricher. Gordon ist ein gealterter Lebenskünstler, der zwar alles auf der Welt gesehen hatte, doch erfolglos geblieben ist. Trixie hat eine Idee. Sie lässt sich von einem Arzt ihr Hymen wiederherstellen, um ihre Jungfräulichkeit für viel Geld an einen reichen Araber zu verkaufen. Doch dafür braucht sie die Hilfe ihrer beiden Mitbewohner. Erwartungsgemäß läuft nicht alles nach Plan. Diese Geschichte handelt von Sex. Sie handelt von Freundschaft. Und sie handelt von München.
LanguageDeutsch
Release dateFeb 4, 2016
ISBN9783958495722
Die Unfertigen

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    Book preview

    Die Unfertigen - Ales Pickar

    Aufzeichnung

    GORDON | Erste Aufzeichnung

    Darüber, wer als Erster die Idee hatte, ein Buch zu schreiben. Außerdem erfahren wir, dass Kevin Angst vor Gabersee hat.

    Es war Trixie, die als Erste den Satz »Wir könnten ja ein Buch schreiben« ausgesprochen hatte. Ich erwarte von ihr schließlich auch die – Achtung Ironie – besten Ideen, da sie unentwegt so stoned wie die Cheops–Pyramide ist.

    Trixie hat kürzlich ein Buch gelesen, das da draußen total gehypt wurde. Oft sah man stundenlang ihr Gesicht nicht, da es hinter dem zerknickten Buchrücken steckte, während ihre nackten Füße auf dem Glastisch im Wohnzimmer lagen und unbewusst wackelten. Es war eines dieser Bücher, die ich nur anfassen würde, um an die Fernbedienung ranzukommen. Oder, wenn mir somalische Piraten eine Kalaschnikow an die Schläfe drücken würden.

    Aber Trixie liest so was. Wenn es alle lesen, liest sie es auch. Insgeheim finde ich es löblich. Sie macht die Drecksarbeit. Ich – arrogantes Arschloch, wie es im Buche steht – lese nur Sachen, die kein anderer lesen will, und bin dadurch von all der angesagten Porno–Pop–Literatur immer etwas isoliert. All die feuchten Literatur–Muschis, die mit irgendwelchen alten Knackern in Anzügen in TV–Talkshows sitzen und sich mit der Rhetorik einer Bravo–Leserin zu erklären versuchen.

    Kevin, der liest gar nichts. Seine Bildung scheint komplett von der Playstation zu stammen.

    Das könnte man nun als Kritik deuten. Doch mal ehrlich, wann hat zuletzt ein Gamer ein Land zerstört oder einen Krieg angezettelt? Ist es denn zu abwegig, sich vorzustellen, dass Idi Amin oder Lawrenti Beria etwas relaxter gewesen wären, wenn sie eine kleine aber feine Ego–Shooter–Sucht gepflegt hätten? Wenn sie täglich eine oder zwei Stunden gequaked oder gedoomt hätten, um anschließend ihrem blutrünstigen Tagwerk nachzugehen, wären vermutlich eine Menge Hinrichtungen und Foltersitzungen ausgefallen. »Ich kann jetzt nicht, ich muss noch das nächste Level erreichen«, kann von den richtigen Lippen zu einer Formulierung des Lebens werden.

    Ich werde diese Quatschtheorie morgen Kevin erzählen. Das wird ihn sicher amüsieren.

    Doch zurück zu Trixie ... Nun Trixie, die liest halt alles. Die macht einfach, was man ihr sagt. Sie liest die Werbeslogans, sie liest die Produktbeschreibungen in den Katalogen der »Modernen Hausfrau«, die übrigens gehobene Literatur sind. Geradezu diabolisch. Du musst da mal einen Blick reinwerfen.

    Durch Trixie erfahre ich doch noch, was sich so tut, ohne dass ich selbst ins Klo fassen muss. Auf jeden Fall hat sie eines Tages getönt: »Ich sollte ein Buch schreiben! Allein, was ich alles mit irgendwelchen Typen erlebt habe. Und ihr solltet auch ein Buch schreiben!«

    Sie hatte gerade die Bong abgesetzt und so erwartete ich keine Offenbarung.

    »Wir sollten zusammentragen, was uns alles so passiert ist und was wir alles angestellt haben«, meinte sie weiter. »Es gibt sicher jemanden, den das interessiert.«

    Kevin kam gerade herein, wieder mal in seinem orangefarbenen Jogging–Anzug. Er ließ sich aufs Sofa fallen, schob mit seinen Klettverschluss–Turnschuhen einige der leeren Dosen beiseite und legte ebenfalls die Füße auf den Tisch.

    »Klingt nach Arbeit«, äußerte er sich. Außerdem sei er sich nicht so sicher, ob er seine Erfahrungen jemanden erzählen möchte. Und schon gar nicht aufschreiben.

    Trixie, die ewige Optimistin, zuckte nur mit den Achseln.

    »Ach was. Du machst das wie diese Perle aus Berlin.« Vermutlich sprach sie von der öden Helene. »Du erinnerst dich an paar Sachen, zeichnest alles auf, klaust paar Ideen von irgendwelchen fertigen Leuten, die Blogs haben. Den Rest schreibt dann so ein Lektor.«

    »Zu was macht uns das, wenn wir von ›fertigen Leuten‹ klauen?«, fragte ich so ganz unverblümt, mehr um sie aufzuziehen.

    »Zu den Unfertigen«, meinte Kevin lakonisch, während er sich einen Dübel drehte.

    »Ich bin Germanist«, stellte ich schnippisch in den Raum. »Ich schreibe erst ein Buch, wenn ich etwas zu sagen habe.«

    »Also nie«, denke ich mir meine Pointe, gewahr dessen, dass meine beiden Freunde (und die Menschen auf diesem Planeten) wenig Sinn für Germanistenwitze haben.

    »Du musst mal mit der Zeit gehen, Gordie«, meinte Trixie. Sie saß im Schneidersitz auf dem Sofa. Ihre Zehennägel waren mit irgendeiner grässlichen Kobaltfarbe lackiert und die langen Haare hingen ihr ungewaschen ins Gesicht. »Heute geht’s nicht darum, ein großes Meisterwerk abzuliefern. Ich bin doch nicht so bescheuert, fünf Jahre an irgendeinem Schinken zu arbeiten.«

    Ein leichtes Räuspern verließ meine Kehle, vermutlich in Erinnerung an meine unvollendete Dissertation.

    »Man muss jetzt auch nicht so lange Texte schreiben, ne. Du tippst paar Seiten zusammen, machst ein Titelbild und lädst es ins Internet hoch. Für fünf Euro oder so.«

    »E–Books«, sagte ich verächtlich. »Ich masturbiere analog und altmodisch. Gleiches gilt für Bücher.«

    »Du machst es dir über Büchern?«, fragte Kevin und suchte etwas abwesend nach dem Feuerzeug.

    »Nein«, wandte ich ein. »Es war eine Metapher. Schaut, ich finde schon, dass das eine edle Idee ist, sich mal etwas belletristisch zu betätigen. Aber ein Buch zu schreiben, ist kein Spaß. Das dauert Monate, manchmal Jahre. Die Überarbeitungen kosten Nerven und Energie und auch dann gibt es nicht den Hauch einer Garantie, dass sich ein Verlag für das Geschriebene interessieren wird.«

    »Ich rede nicht von solchen Büchern«, protestierte Trixie. »Ich meine all die anderen Bücher, die schlecht geschrieben sind und die trotzdem jeder kauft.«

    »Wer kauft denn schlecht geschriebene Bücher?«, fragte Kevin ganz naiv.

    Trixie brach in Gelächter aus.

    Obwohl ich nicht unbedingt der Meinung war, sie sei dazu geeignet, die Qualität eines Romans zu bewerten, verstand ich ihren Standpunkt.

    »Du musst doch beschissen schreiben, sonst kannst damit nicht fett Cash machen!«, rief sie aus.

    »Wisst ihr was?«, ging ich dazwischen, »das könnte eine gute Erfahrung für uns sein. An den eigenen Gedanken zu feilen. Klarheit über sich selbst zu erlangen.«

    »Na, ich weiß nicht«, winkte Kevin ab. »Ist mir irgendwie zu schräg.«

    »Ja«, dachte ich, »Kevin wird ein Problem bei diesem Projekt sein.«

    Er hat diese Angewohnheit, sich immer etwas zurückzunehmen. Doch manchmal muss man einfach die Gelegenheit beim Schopf packen. Auch wenn es sich wie ein Klischee anhört.

    Versteht mich nicht falsch. Ich mag Kev. Aber ich finde, er muss mal anfangen, etwas authentischer zu werden. Was soll zum Beispiel der ganze Kiez–Scheiß? Kevin ist in Straßlach–Dingharting aufgewachsen. Der war mal mit sechzehn für drei Monate in Hamburg und seitdem tut er so, als wäre er Dieter Bockhorn. Also nicht, dass er wüsste, wer das ist. Aber diese ganze Art zu sprechen. Dieses Hamburg–Harburg–Ding, das er in den Süden eingeschleppt hat, ist schon ziemlich seltsam.

    [Imitiert Kevin.]

    »Hey, Aldder. Was ist Phase?«

    Wo sind wir stehengeblieben? Ach ja. Kevin war halt nicht gleich an Bord mit unserer Idee. Typischerweise.

    »Sorry, Digger«, sperrte er sich. »Aber das checke ich nicht ganz. Wenn sich ein beschissen geschriebenes Buch gut verkaufen würde, müsste sich das doch sofort rumsprechen. Das würden doch gleich alle nachmachen und jeder hätte sein eigenes mieses Buch auf dem Markt.«

    »Willkommen in der deutschen Literaturlandschaft!«, rief ich ihm heiter zu.

    »Wenn‘s abgefuckt genug ist«, meinte Trixie, »wird da auch ein Verlag was für zahlen.«

    Das war natürlich ein recht alberner Optimismus. Ich weiß nicht genau warum, aber immer wenn Trixie irgendwas erzählt, muss ich an diesen Witz denken: Ein achtjähriger Junge sagt auf dem Weg zur Schule zu seinem besten Freund: »In der Kommode meiner Mutter liegt ein ganz riesiger Dildo.« Sagt der Freund: »Was ist eine Kommode?«

    Aber an diesem Punkt der Geschichte sah ich mich nicht dazu berufen, Trixies Illusionen zu zerschlagen. Ist doch gut, wenn die Kids sich mit was Kreativem beschäftigen. Warum soll ich immer derjenige sein, der bei einer Hobbyraum–Party als Erster den Satz ausspricht: »Sind denn keine Frauen gekommen?«

    »Mann, Mann, Mann«, brummte damals Kevin. »Wenn meine Alten aus‘m Buch rauskriegen würden, was ich so mache, würden die mich inne Klapse stecken. Ich will kein Kopfpillen–Junkie in Gabersee sein.«

    »Man schickt niemanden nach Gabersee, nur weil er seinen Arsch verkauft«, argumentierte ich gelassen. »So viel Platz haben die da nicht.«

    »Das sagst du so, weil du meine Alten nicht kennst.«

    »Denk an die Kohle, die du da machen kannst ...«, wandte Trixie ein.

    „In Gabersee?"

    „Nein, mit dem Buuuuuuch!", schrie Trixie.

    »Ist doch schon alles gesagt und geschrieben«, mäkelte Kevin, der Spaßverderber, herum.

    »Rauch noch was«, sagte ich nur. »Dann siehst du das etwas positiver. Außerdem können wir unsere Namen ändern. Hm–hm–hm nennen wir ohnehin schon seit Jahren Trixie. Hm–hm–hm–hm wird zu ... sagen wir mal ... Kevin. Und ich werde Gordon heißen. Und schon ist das Problem aus der Welt geschafft, dass eure Psycho–Eltern irgendwann vor der Tür stehen und einen Sektenexperten dabei haben, der euch aus meiner Macht deprogrammieren soll.«

    Sie starrten mich schweigend an, als hätten sie eine Erleuchtung erfahren.

    Trixie pustete den Rauch aus. Für paar Sekunden sah das aus, als ob mitten im Zimmer der Kondensationsstreifen eines Kampfjets hinge.

    »Du willst echt Gordon heißen?«, gluckste sie.

    »Es ist nur für das Buch«, verteidigte ich. »So wie Gordon Gekko. Soll ich mich etwa Guntram nennen?«

    »Ich will nicht Kevin heißen«, meinte Kevin verkniffen.

    »Wie willst du dann heißen?«

    »Ähm ... Ich will Rocco heißen. Oder Hector.«

    »Du Schwuchtel, du!«, rufe ich ihm zu, während Trixie wieder in Gelächter ausbricht.

    KEVIN | Zweite Aufzeichnung

    Hier erfahren wir, warum Trixie auf eBay eine Burka gekauft hat und warum sie bis nach Linz zu einem Gynäkologen fährt.

    Ist das Ding an? Läuft das schon? Das rote Licht hat vorhin ... [Unverständliches Gemurmel im Hintergrund.] Na es hat geblinkt, aber jetzt leuchtet es ständig. Okay.

    [Knistern von Zigarettenpapier und Drehtabak.]

    Also Trixie, aber das weißt du ja ... Du, ich sag einfach Sachen, als ob du gar nichts weißt, oder? Ich mein, das ist ja dann später der Leser, oder? Ist nicht so, als ob ich jetzt mit dir rede, also dir als Gordon, sondern ...

    [Unverständliches Gemurmel im Hintergrund.]

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