Rote Sau
By Tom Landon
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Rote Sau - Tom Landon
Rote Sau
Tom Landon
In Gedenken an Oberst
Franz Kröll, welcher
im Zuge der Kampusch-Ermittlungen
zu Tode gebracht wurde.
Inhaltsverzeichnis
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Kapitel 18
Kapitel 19
Kapitel 20
Kapitel 1
Im Jahre 1992 hatte ich den Entschluss gefasst, meinen Wohnsitz in das niederösterreichische St. Pölten zu verlegen. Zu diesem Zwecke konnte ich per Finanzierung durch eine lokale Genossenschaftsbank eine Eigentumswohnung im Bezirk Unterwagram erhalten. Nach erfolgtem Einzug in das Appartement und erledigter Generalreinigung mochte ich mich auf den Weg zur Erkundung des neuen Wohnumfelds machen. Bereits Tage nach dem Umzug kontaktierte ich den dortigen Bürgermeister Willi Gruber († 07.09.2012) und dessen untergebenen Kulturstadtrat, welcher mir in persönlicher Struktur und politischem Einfluss bis dato gänzlich unbekannt erschien. Zweck des Besuchs waren Erlangung von Publizität und gemeinschaftliche Förderung meiner künstlerischen Tätigkeit.
Bereits Minuten nach dem Eintreffen im Vorzimmer des Kulturstadtrats drangen die von wüsten Beschimpfungen begleiteten Ergüsse dessen an mein Ohr, sodass ich mir nicht sicher war, ob ich in jenen Räumlichkeiten tatsächlich einen Kulturschaffenden antreffen würde. In den brutal verbalisierten Ansätzen einer bloßen Befehligung der vollständig eingeschüchterten Mitarbeiter des Kulturstadtrats fanden sich Erniedrigungen und befremdliche Botschaften, wie „... Du bist ein Arsch mit Ohren! (den Grafiker meinend), „... noch nie habe ich einen so dummen Menschen getroffen, wie Sie!
(die Sekretärin betreffend) und „... bestellen Sie ihm meine Grüße: Er ist eine Drecksau!" (an den zuständigen Stadtrat der Volkspartei gerichtet).
Als ich nach etwa 90minütiger Wartezeit zum beschriebenen Kulturstadtrat vor gebeten wurde, erreichte ich den Habitus einer dicklichen Person mit grauem Rauschebart und von geringem Wuchs. Im Krampf dargestellter Freundlichkeit erhielt ich ein breites Lächeln und den erstmals abscheulichen Händedruck einer männlichen Kreatur, welche den Spalt meiner Hand zwischen Daumen und Zeigefinger mit dem eigenen Daumen massierte. Die erste Irritation einer fortan über Jahre wachsenden, bis an die Grenze zur widersinnigen Freundschaft reichenden Antipathie war geschaffen. Über knapp 10 Minuten durfte ich nun mein künstlerisches Vorhaben dokumentieren, einen Lyrikband zur Ansicht zurück lassen und wurde unter witzig anmutenden Verbeugungen und der Zusicherung breiter Unterstützung verabschiedet.
Beim Verlassen des baulich knapp angelegten Gewölbes kamen mir drei weitere, von deren Angst vor der bevor stehenden Begegnung mit dem Kulturstadtrat bleich gezeichnete Personen entgegen, welche sich auf den letzten Metern vor der sicheren Vernichtung durch den Besuchten offenbar und präventiv einer Autosuggestion unterzogen, indem sie leise vor sich hin murmelnd Erklärungen und Entschuldigungen für gewiss attestiertes Versagen hören ließen.
Da zu jener Zeit die keineswegs fremdenfreundliche Bundesregierung um Kanzler Franz Vranizky, bestehend (nebst anderen) aus den SPÖ-Ministern Josef Hesoun (Arbeit und Soziales), Ferdinand Lacina (Finanzen), Johanna Dohnal (Frauenangelegenheiten), Harald Ettl (Gesundheit, Sport, Konsumentenschutz), Rudolf Streicher (öffentliche Wirtschaft und Verkehr) sowie Franz Löschnak (Inneres) ihr Unwesen trieb, begab ich mich gesellschaftlich vermehrt in die Nähe von Zuwanderern und politischen Flüchtlingen aus dem Kosovo.
Da der damalige SPÖ-Innenminister Franz Löschnak bereits im Jahre 1990 durch eine Brandrede am Wiener Praterstern zulasten polnischer Zuwanderer („Diese Leute verunreinigen den zweiten Bezirk!") auffällig geworden war, komplettierte dieser die internationale Schädigung des Ansehens österreichischer Staatspolitik im Frühjahr 1992 um den NAZI-Ausruf „Das Boot ist voll!". Tage später war die Exekutive dazu angehalten, die von Löschnak eigenmächtig durch getretenen Verordnungen auszuführen und praktizierte dies durch ungerechtfertigte, wie tägliche Abschiebungen und unter Anwendung des bitteren Slogans: „In die Busse, hin zum Südbahnhof und ab in die Heimat!"
Am 20. April 1992 wurde ich vom kosovarischen Mitarbeiter eines langjährigen Freundes angesprochen, welcher trotz des bereits über zweieinhalb Jahre bestehenden Dienstverhältnisses jenen Schrieb des österreichischen Innenministeriums erhalten hatte, der ihm die unabwendbare Abschiebung in das zweifelsfrei todbringende Ursprungsgebiet ankündigte. Vor Bestürzung und Angst um dessen Frau und das gemeinsame Neugeborene sowie den zweijährigen Sohn weinend, bat mich der zu dieser Zeit 28-Jährige flehentlich um Hilfe. Wohl auch deshalb, da ich in diesen Tagen bereits über (wenn auch instabile) Kontakte zu den Vertretern der regierenden Parteien verfügte. Am Abend des gleichen Tages wurde ich auf Wunsch des von der Deportation bedrohten Familienvaters dessen Ehefrau vorgestellt, welche mir zur Begrüßung an der Wohnungstür traditioneller Weise, da nach muslimischem Brauch, nicht die Hand reichte, jedoch das kürzlich geborene Baby in den Arm legte. Da die liebevolle Verbundenheit dieser Minuten mein Herz zutiefst rührte, beschloss ich noch am Türschlag die sofortige Involvierung aller demokratisch wählbaren Parteien meiner österreichischen Heimat.
Am 21. April 1992 mochte mein Arbeitstag bereits um 07.30 Uhr beginnen, da der knapp 100fache Versand einer Pressemeldung an sämtliche politischen Kräfte des Landes, die Vertreter der lokalen Bürgerämter und das Innen-/Sozial-/Frauenministerium noch vor Verstreichen der Kernarbeitszeit realisiert sein sollte. Ehe die Faxe 60 bis 75 vom kürzlich erworbenen Gerät abgegangen waren, erhielt ich die ersten Anrufe von Parlamentariern, Pressesprechern, Journalisten und Menschenrechtlern, welche mich vor dem unberechenbaren Zorn des Innenministers warnten. Gleichzeitig stellte man mir nicht näher definierte Hilfe für den Fall der behördlichen Verfolgung in Aussicht, obgleich ich mich keiner strafrechtlich relevanten Tat schuldig gemacht hatte. Es schien mir, als würde ich ob anzunehmender Aussichtslosigkeit eine Art Mitleidsprävention erhalten.
Etwa eine Stunde nach Start meiner überfallartigen und nicht unkritischen Petitionskanonade erhielt ich den längst fälligen Anruf des Stadtrates: „Mut hast Du. Meine Hochachtung. Doch lass Dir gesagt sein,