Die Germania
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Die Germania - C. Cornelius Tacitus
Die Germania
von
C. Cornelius Tacitus.
Uebersetzt
von
A. Bacmeister
1868.
Inhaltsverzeichnis
I. Germanisches Land und Volk im Ganzen.
Grenzen. Hauptflüsse.
Caput I
Die Urzeit.
Caput II.
Volkssagen.
Caput III.
Körperbeschaffenheit.
Caput IV.
Charakter und Produkte des Landes.
Caput V.
Waffen. Pferde. Kriegswesen.
Caput VI.
König und Feldherr.
Caput VII.
Das Weib.
Caput VIII.
Religion.
Caput IX.
Weissagung.
Caput X.
Volksversammlung.
Caput XI.
Strafen und Gericht.
Caput XII.
Wehrhaftmachung. Gefolgschaft.
Caput XIII.
Im Krieg.
Caput XIV.
Im Frieden.
Caput XV.
Wohnung.
Caput XVI.
Kleidung.
Caput XVII.
Die Ehe.
Caput XVIII.
Caput XIX.
Die Familie.
Caput XX.
Fehden. Gastfreundschaft.
Caput XXI.
Lebensweise. Gelage. Nahrung.
Caput XXII.
Nahrung.
Caput XXIII.
Spiel und Spielwuth.
Caput XXIV.
Sklaven und Freigelassene.
Caput XXV.
Ackerbau.
Caput XXVI.
Begräbniß.
Caput XXVII.
Einwanderungen.
Caput XXVIII.
Bataver. Mattiaken. Decumaten.
Caput XXIX.
Chatten.
Caput XXX.
Chatten II
Caput XXXI.
Usipier. Tenkterer.
Caput XXXII.
Brukterer. Chamaver. Angrivarier.
Caput XXXIII.
Friesen u. a.
Caput XXXIV.
Chauken.
Caput XXXV.
Cherusker.
Caput XXXVI.
Cimbern.
Caput XXXVII.
Die Sueven.
Caput XXXVIII.
Semnonen.
Caput XXXIX.
Longobarden u. a.
Caput XL.
Hermunduren.
Caput XLI.
Narister. Markomanen. Quaden.
Caput XLII.
Der Nordosten.
Caput XLIII.
Suionen.
Caput XLIV.
Aestier. Sitonen.
Caput XLV.
Peuciner. Veneter. Fennen. Schluß.
Caput XLVI.
I. Germanisches Land und Volk im Ganzen.
Grenzen. Hauptflüsse.
Germanien, als Ganzes genommen, ist von Gallien, Rätien und Pannonien durch Rhein und Donau, von Sarmaten und Daken theils durch das gegenseitige Bewußtsein gefährlicher Nachbarschaft, theils durch die natürliche Grenze der Gebirge geschieden. Im übrigen ist es vom Ozean bespült, welcher weit gedehnte Halbinseln und gewaltige Inselgebiete umfaßt, wie man ja erst in neuerer Zeit dort ganze Völkerschaften und Könige kennen lernte, zu welchen der Krieg uns die Bahn erschlossen.
Der Rhein, auf unzugänglichem schroffem Kamme der rätischen Alpen entspringend, macht eine leichte Wendung nach Westen und mündet im nördlichen Ozean. Die Donau, von den gemach und sanft ansteigenden Höhen der Abnoba sich ergießend, strömt an einer Reihe von Völkern vorüber, um endlich in sechs Mündungen sich in das Pontische Meer zu stürzen; ein siebenter Arm verliert sich in Sumpfland.
Caput I
Germania omnis a Gallis Raetisque et Pannoniis Rheno et Danubio fluminibus, a Sarmatis Dacisque mutuo metu aut montibus separatur; cetera Oceanus ambit latos sinus et insularum immensa spatia complectens, nuper cognitis quibusdam gentibus ac regibus, quos bellum aperuit. Rhenus Raeticarum Alpium inaccesso ac praecipiti vertice ortus modico flexu in occidentem versus septentrionali Oceano miscetur; Danubius molli et clementer edito montis Abnobae iugo effusus plures populos adit, donec in Ponticum mare sex meatibus erumpat; septimum os paludibus hauritur.
Die Urzeit.
Die Germanen möchte ich für die ureingeborenen Bewohner dieses Landes halten, für ein Volk das sich wohl kaum mit später zugezogenen fremden Rassen versippt hat. Völker der Urzeit, welche ihre Wohnsitze zu wechseln den Drang fühlten, pflegten nicht den Landweg, sondern den Seeweg zu wählen, und der Ozean, welcher dort oben in endloser, wahrhaft feindseliger Unwirthlichkeit sich ausdehnt, wird doch nur selten von einem Schiffe aus unserer Zone besucht.
Aber auch abgesehen von den Gefahren eines wilden unbekannten Meeres, wen konnte es gelüsten, einem Asien, Afrika, Italien den Rücken zu wenden, um gen Germanien zu wandern, in diese wüsten Landschaften, unter rauhem Himmel, culturlos, düster, unheimlich einem jeden, dem sie nicht eben das Vaterland sind!
In alten Liedern – unter diesem Volke das einzige Hülfsmittel geschichtlicher Erinnerung – singen sie von einem erdgeborenen Gotte Tuisto und seinem Sohne Mannus, den Urahnen und Gründern ihres Geschlechts. Mannus hatte drei Söhne, nach welchen die nördlich, zunächst dem Ozean wohnenden Germanen sich Ingävonen, die mittleren Herminonen, die übrigen Istävonen nennen sollen. Andere dagegen – die Urzeit gibt ja weiten Spielraum – behaupten, es seien mehr Göttersöhne gewesen und mehr Stämme nach ihnen benannt, die Marsen, Gambrivier, Sueven, Vandalier, und das allein seien die echten alten Namen; das Gesammtwort Germanien selbst sei jünger und erst in neuerer Zeit aufgekommen, indem der Stamm, welcher zuerst den Rhein überschritten und die Gallier zurückgedrängt habe, die heutigen Tungern, damals Germanen genannt worden seien; zuerst hätten die siegreichen Eindringlinge ihr ganzes Volk mit dem Schreckensworte Germanen bezeichnet, dann sei das Volk selbst auf die Erfindung eingegangen und so habe sich mit der Zeit statt eines eigentlichen Volksnamens der Name eines einzelnen Stammes Geltung verschafft.
Caput II.
Ipsos Germanos indigenas crediderim, minimeque aliarum gentium adventibus et hospitiis mixtos, quia nec terra olim sed classibus advehebantur qui mutare sedes quaerebant, et