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Anna Karenina
Anna Karenina
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Ebook575 pages8 hours

Anna Karenina

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About this ebook

St. Petersburg, Anna Karenina ist mit einem hoch angesehenen, jedoch strengen und pflichtbewussten Regierungsbeamten verheiratet. Doch sie verliebt sich auf den ersten Blick in Graf Wronskij und kann sich nicht lange der Leidenschaft des Bonvivants entziehen. Die verbotene Liebe bleibt nicht lange unentdeckt.

Zum unbestrittenen Kanon der Weltliteratur gehört dieses Meisterwerk eines Ausnahmekünstlers mit anhaltendem und vielfältigem Einfluss auf den lesenden Menschen und die Literaturgeschichte – bis heute. Spannend und unterhaltend, vielschichtig und tiefgründig, informativ und faszinierend sind die E-Books großer Schriftsteller, Philosophen und Autoren der einzigartigen Reihe "Weltliteratur erleben!".
LanguageDeutsch
Publisheraristoteles
Release dateSep 12, 2013
ISBN9783733901486
Author

Leo Tolstoy

Leo Tolstoy (1828-1910) is the author of War and Peace, Anna Karenina, The Death of Ivan Ilyich, Family Happiness, and other classics of Russian literature.

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    Book preview

    Anna Karenina - Leo Tolstoy

    Lew Tolstoi

    Anna Karenina

    Abschnitt 1

    Alle glücklichen Familien sind einander ähnlich, jede unglückliche Familie aber ist auf ihre Art unglücklich.

    Im Hause Oblonsky war alles in Verwirrung. Die Frau des Hauses hatte erfahren, daß ihr Mann mit der früher angestellten französischen Gouvernante eine Liebschaft unterhielt, und sie hatte daher ihrem Mann erklärt, sie wolle nicht mehr mit ihm unter einem Dach wohnen. Es war schon der dritte Tag, daß dieser gespannte Zustand fortdauerte und sowohl den Ehegatten als allen Gliedern der Familie und der Dienerschaft peinlich fühlbar wurde. Alle fühlten, daß Herr und Frau einander jetzt ferner standen als Leute, die zufällig in einem Gasthause zusammentrafen. Die Frau verließ ihre Gemächer nicht, der Herr war seit drei Tagen nicht mehr nach Hause gekommen; die Kinder liefen wie verloren im Hause umher, die englische Gouvernante zankte sich mit der Wirtschafterin und schrieb einer Freundin, sie möge ihr eine andere Stelle besorgen. Der Koch war schon gestern abend fortgegangen, und die Waschfrau und der Kutscher baten um ihre Entlassung.

    Am dritten Tage nach dem Streit erwachte der Fürst Stepan Arkadjewitsch Oblonsky – oder Stiwa, wie er unter Bekannten hieß – um acht Uhr morgens, aber nicht im gemeinsamen Schlafzimmer, sondern in seinem Arbeitszimmer, auf einem Ledersofa. Er reckte seinen wohlgenährten Körper, als wünsche er noch weiterzuschlafen, umarmte das Kopfkissen und drückte seine Wange darauf. Plötzlich aber sprang er auf, setzte sich auf dem Sofa aufrecht und öffnete die Augen.

    ›Ja, wie war das doch gleich?‹ dachte er, sich an seinen Traum erinnernd. ›Ja, Alabin gab ein Diner in Darmstadt! Nein, nicht in Darmstadt, es war etwas Amerikanisches! Nun ja, Darmstadt lag in Amerika! Ja, Alabin gab ein Diner auf gläsernen Tischen, und die Tische sangen: ›Il mio tesoro‹, oder nein, nicht ›Il mio tesoro‹, sondern etwas Besseres! Und da waren auch kleine Fläschchen die wie Frauenzimmer aussahen.‹

    Die Augen Oblonskys leuchteten fröhlich auf, und lächelnd sammelte er seine Erinnerungen. ›Ja, es war hübsch, sehr hübsch!‹ Als er das Tageslicht durch die Vorhänge hereinschimmern sah, schnellte er die Füße vom Sofa herab und tastete damit nach seinen gestickten Pantoffeln, ein Geschenk seiner Frau zu seinem letzten Geburtstage, und nach alter neunjähriger Gewohnheit streckte er, ohne aufzustehen, den Arm nach der Stelle aus, wo in seinem Schlafzimmer sein Schlafrock hätte hängen müssen. Nun erst erinnerte er sich plötzlich, warum er nicht im Schlafzimmer, sondern in seinem Arbeitszimmer war. Das Lächeln erstarb, und er runzelte die Stirn.

    »Ach! Ach! Ach!« seufzte er und erinnerte sich wieder aller Einzelheiten seines Zanks mit seiner Frau, seiner hilflosen Lage und, was noch peinlicher war als alles dies, seiner eigenen Schuld, die ihn am meisten quälte.

    ›Ja, sie wird und kann mir nicht vergeben, und das schrecklichste ist, daß ich selbst schuld bin. Ich bin schuld, und kann doch nichts dafür. Darin liegt eben der Knoten des Dramas‹, dachte er. »Ach! Ach! Ach!« wiederholte er trübselig.

    Am unangenehmsten war der Augenblick gewesen, als er vergnügt und zufrieden aus dem Theater zurückkehrte, mit einer prächtigen französischen Birne für seine Frau in der Hand, sie aber nicht im Wohnzimmer traf und zu seiner Verwunderung auch nicht im Kabinett, sondern endlich im Schlafzimmer mit dem unglücklichen Brief in den Händen, der ihr alles entdeckt hatte. Sie, diese ewig unruhige, sorgenvolle und, wie er geglaubt hatte, beschränkte Dolly saß, unbeweglich da mit dem Brief in der Hand und sah ihn mit dem Ausdruck des Erstaunens, des Zornes und des Entsetzens an.

    »Was ist das? Das da?« fragte sie, auf den Brief deutend, und am peinlichsten war Oblonsky in der Erinnerung weniger die ganze Szene selbst als die Art, wie er auf diese Worte seiner Frau geantwortet hatte.

    Anstatt sich beleidigt zu stellen, zu leugnen, sich zu rechtfertigen, um Verzeihung zu bitten, oder auch ganz gleichgültig zu bleiben – alles das wäre besser gewesen als das, was er wirklich tat –, war auf seinem Gesicht ganz unwillkürlich plötzlich das gewohnte gutmütige und darum alberne Lächeln erschienen. (›Hirnreflexe!‹ dachte Oblonsky, der für Physiologie schwärmte.) Dieses blöde Lächeln konnte er sich nicht verzeihen. Als Dolly es bemerkt hatte, war sie aufgefahren, wie bei einem körperlichen Schmerz, und mit der ihr eigenen Heftigkeit hatte sie ihn mit einem Strom bitterböser Worte überschüttet und dann das Zimmer verlassen. ›An allem ist dieses alberne Lächeln schuld!‹ dachte Oblonsky. »Aber was tun? Was tun?« wiederholte er kläglich und fand keine Antwort.

    Stepan Arkadjewitsch war immer aufrichtig gegen sich selbst. Er vermochte nicht, sich selbst vorzuheucheln, daß er sein Vergehen bereue. Er machte sich auch keine Vorwürfe darüber, daß er, ein vierunddreißigjähriger, verliebter Mensch, nicht in seine Frau verliebt war, die Mutter seiner fünf lebenden und der zwei gestorbenen Kinder, welche nur ein Jahr jünger war als er, sondern nur darüber, daß er es seiner Frau nicht besser zu verbergen verstanden hatte. Aber er empfand die ganze Schwere seiner Lage und bedauerte seine Frau, seine Kinder und sich selbst. Vielleicht hätte er es doch möglich gemacht, seinen Fehltritt vor seiner Frau geheimzuhalten, wenn er geahnt hätte, daß diese Entdeckung eine so starke Wirkung auf sie hervorbringen werde. Er hatte diese Frage noch nie klar überlegt, aber in der unklaren Vorstellung gelebt, daß seine Frau schon lange erraten habe, daß er ihr nicht treu sei. Es hatte ihm sogar geschienen, daß sie, die etwas gealterte, nicht mehr schöne Frau, nur eine gutmütige, einfache Familienmutter war, die deshalb schon aus Gerechtigkeitsgefühl nachsichtig sein wollte. Aber nun war es so ganz anders gekommen.

    »Ach, schrecklich! Ach, ach, ach, wie entsetzlich!« wiederholte Oblonsky und konnte an nichts anderes mehr denken. »Und wie gut ist alles bisher gegangen! Wie gut haben wir gelebt! Sie war zufrieden und glücklich mit den Kindern, und ich ließ sie in ihrer Wirtschaft machen, was sie wollte. Es ist wahr, es ist nicht hübsch, daß jene Person eigentlich Gouvernante im Hause war! Das ist nicht hübsch! Es liegt etwas Niedriges in einer Liebschaft mit der eigenen Gouvernante! (Er erinnerte sich wieder lebhaft an die schwarzen Schelmenaugen von Mademoiselle Roland und ihr gefühlvolles Lächeln.) Aber solange sie bei uns im Hause war, habe ich mir nichts erlaubt! Und am schlimmsten ist, daß sie schon... Daß dies alles auch so kommen mußte! Ach, ach, ach! Was tun? Was fang ich nun an?«

    Oblonsky stand auf, warf seinen grauen Schlafrock um die Schultern, knüpfte die Quastenschnur um und zog in langen Zügen die Luft in seinen breiten Brustkasten ein. Dann ging er ans Fenster, zog das Rouleau auf und klingelte. Sogleich erschien sein alter Freund und Kammerdiener Matwej, der die Kleider, Stiefel und ein Telegramm brachte, gefolgt von dem Barbier.

    »Sind Papiere vom Amt gekommen?« fragte Oblonsky, während er das Telegramm ergriff und sich wieder setzte.

    »Auf dem Tisch«, erwiderte Matwej mit einem fragenden Blick auf seinen Herrn. Nach einer Weile fügte er verschmitzt lächelnd hinzu: »Es war auch jemand vom Spediteur da.«

    Oblonsky gab keine Antwort und blickte nur durch den Spiegel auf Matwej. An dem Blick, den sie im Spiegel wechselten, war zu erkennen, wie sie sich miteinander standen. Oblonskys Blick fragte: »Warum sagst du das ? Weißt du nicht...?«

    Matwej legte die Hand auf die Brusttasche und blickte seinen Herrn mit einem gutmütigen, kaum merklichen Lächeln an. »Ich sagte ihm, er solle am nächsten Sonntag wiederkommen und Sie bis dahin nicht weiter belästigen.«

    Oblonsky öffnete das Telegramm, und sein Gesicht strahlte.

    »Matwej, meine Schwester Anna Arkadjewna wird morgen ankommen«, sagte er, indem er einen Augenblick die glänzende, fette Hand des Barbiers festhielt.

    »Gott sei Dank!« sagte Matwej, und bewies damit, daß er, ebenso wie sein Herr, begriffen hatte, daß Anna Arkadjewna, die Lieblingsschwester seines Herrn, eine Versöhnung der Ehegatten zustande bringen könne.

    »Allein oder mit ihrem Gemahl?« fragte Matwej.

    Oblonsky konnte nicht antworten, da der Barbier seine Oberlippe bearbeitete, und hob einen Finger auf. Matwej nickte mit dem Kopf durch den Spiegel.

    »Allein. Soll man das Zimmer oben bereitmachen?«

    »Sage es meiner Frau, und tue, was sie befiehlt!«

    »Der gnädigen Frau?« wiederholte Matwej zweifelnd.

    »Ja. Nimm das Telegramm mit, und melde mir, was sie gesagt hat.«

    ›Er will einen Versuch machen‹, dachte Matwej, sagte aber nur: »Zu Befehl, gnädiger Herr!«

    Oblonsky war schon gewaschen und frisiert und begann sich anzukleiden, als Matwej langsam mit seinen knarrenden Stiefeln und dem Telegramm in der Hand zurückkam.

    »Die gnädige Frau läßt Ihnen sagen, sie werde verreisen. Ihr möchtet tun, wie es euch beliebt, hat sie gesagt«, meldete er, nur mit den Augen lachend. Oblonsky schwieg. Darauf erschien wieder ein gutmütiges und trauriges Lächeln auf seinem hübschen Gesicht.

    »Höre, Matwej, was nun?« fragte er, den Kopf wiegend.

    »Es wird sich schon machen!« erwiderte Matwej.

    »Meinst du! Wer ist da?« fragte Stepan Arkadjewitsch, als er vor der Tür das Rauschen eines Kleides hörte.

    »Ich bin's!« sagte eine feste und angenehme weibliche Stimme, und in der Tür erschien das strenge, pockennarbige Gesicht von Matrena Filimonowna, der Kinderwärterin.

    »Was gibt's, Matrena?« fragte Stepan Arkadjewitsch.

    Obgleich Oblonsky seiner Frau gegenüber im Unrecht war und das auch selbst fühlte, waren doch fast alle im Hause auf seiner Seite.

    »Nun? Was?« fragte er weinerlich.

    »Gehen Sie hin, Herr, und bitten Sie um Verzeihung! Gott wird helfen! Die gnädige Frau quält sich sehr, es ist ein Jammer, anzusehen, und alles im Hause geht drunter und drüber! Man muß mit den Kindern Mitleid haben, Herr!«

    »Aber sie wird mich nicht einlassen!«

    »Dann haben Sie das Ihrige getan! Gott ist gnädig!«

    »Nun gut, geh nur!« sagte Oblonsky plötzlich errötend. »Hilf mir ankleiden«, wandte er sich zu Matwej und warf entschlossen den Schlafrock weg.

    Als Stepan Arkadjewitsch sich fertig angekleidet hatte, parfümierte er sich, steckte die Zigarettenbüchse, Brieftasche und Uhr ein. Er fühlte sich frisch und gesund und ging trotz seines Unglücks in vergnügter Stimmung in das Speisezimmer, wo der Kaffee bereit stand; daneben lagen die Briefe von der Behörde.

    Er las zuerst die Briefe. Der eine war sehr unangenehm, von einem Kaufmann, der den Wald auf dem Gut seiner Frau kaufen wollte. Der Wald mußte verkauft werden. Jetzt aber, vor einer Aussöhnung mit seiner Frau, konnte davon nicht die Rede sein, und der Gedanke, daß eine Geldfrage in seine Beziehungen zu seiner Frau auftauchte, war ihm peinlich.

    Als er mit den Briefen fertig war, griff Oblonsky nach den Papieren, durchblätterte rasch zwei Aktenstücke, machte mit einem Bleistift einige Notizen, schob sie beiseite und trank seinen Kaffee. Darauf entfaltete er ein Morgenblatt und begann zu lesen. Oblonsky hielt eine liberale Zeitung. Er war eher liberal als konservativ, wie viele seiner Bekannten, nicht, weil er die Liberalen vernünftiger fand, sondern weil ihre Meinung besser zu seiner Lebensweise paßte. Die liberale Partei behauptete, in Rußland sei alles schlecht, und das paßte sehr gut auf Oblonskys Umstände, denn er hatte viel Schulden und wenig Geld. Die liberale Partei sagte, die Ehe sei eine abgelebte Institution, die notwendig reformiert werden müsse, und Oblonsky war ebenfalls für Toleranz in der Ehe. Als er mit der Zeitung und seiner zweiten Tasse Kaffee fertig war, stand er auf, dehnte seine breite Brust aus und lächelte. Bald aber wurde er wieder gedankenvoll.

    Die Kinderstimmen von Grischa, seinem jüngeren Sohn, und von Tanja, seiner älteren Tochter, wurden draußen hörbar.

    ›Alles ist in Unordnung!‹ dachte Oblonsky. ›Die Kinder laufen ohne Aufsicht umher!‹ Er ging zur Tür und rief sie an. Sie warfen eine Schachtel weg, die einen Eisenbahnzug vorstellte, und gingen zu ihrem Vater. Das Mädchen, des Vaters Liebling, kam zuversichtlich herbeigelaufen, umarmte ihn und hängte sich lachend um seinen Hals. Nachdem sie ihn geküßt hatte, wollte sie davonlaufen, aber ihr Vater hielt sie zurück.

    »Was macht Mama?« fragte er, indem er mit der Hand über den glatten, zarten Hals des Töchterchens fuhr. »Bon jour!« sagte er kurz, dem derben Knaben zulächelnd. Er war sich bewußt, daß er den Jungen weniger liebte, und bemühte sich immer, gegen beide gleich zu sein. Aber der Knabe bemerkte es wohl und erwiderte sein Lächeln nicht.

    »Mama? Sie ist aufgestanden«, erwiderte das Mädchen.

    Stepan Arkadjewitsch seufzte. ›Das heißt, sie hat wieder die ganze Nacht nicht geschlafen‹, dachte er.

    »Ist sie heute gut gestimmt?«

    Das Mädchen wußte, daß zwischen Papa und Mama etwas vorgefallen war, und daß die Mutter nicht heiter sein konnte, daß aber der Vater das wissen mußte. Sie errötete über ihren Vater. Er begriff sie sogleich und errötete gleichfalls.

    »Ich weiß nicht«, sagte sie. »Mama ließ uns heute keine Lektion geben und sagte, wir sollen zur Großmutter gehen.«

    »Gut, gut, geht nur dahin. Tanja, warte!« sagte er, indem er sie immer noch zurückhielt und ihr zartes Patschchen strich. Er holte eine Büchse mit Konfekt und wählte zwei Stücke aus.

    »Für Grischa?« fragte das Mädchen, indem es das eine emporhielt.

    »Ja, ja.« Er küßte sie auf den Hals und entließ sie.

    »Der Wagen ist bereit!« sagte Matwej.

    Oblonsky ergriff seinen Hut und sah sich um, ob er nichts vergessen hatte. Er ließ den Kopf sinken, und auf seinem hübschen Gesicht erschien wieder ein kummervoller Ausdruck. »Soll ich? Soll ich nicht?« sagte er, und eine innere Stimme riet ihm, es sei besser, nicht zu seiner Frau zu gehen, weil außer Falschheit nichts dabei herauskommen könne, weil eine Verbesserung ihrer Beziehungen nicht möglich sei.

    ›Aber irgendeinmal muß doch etwas geschehen, so kann es nicht bleiben‹, dachte er und bemühte sich, seinen Mut zu sammeln. Er richtete sich auf, zündete eine Zigarette an, machte zwei Züge, warf sie dann wieder auf den Aschenbecher und begab sich mit raschen Schritten durch den Salon, worauf er die andere Tür zu dem Schlafzimmer seiner Frau öffnete.

    Darja Alexandrowna trug ein Morgenkleid, die Flechten ihres schon spärlich gewordenen, einst so dichten und schönen Haares im Nacken aufgesteckt; ihr hageres Gesicht zeigte einen erschreckten Ausdruck. Sie stand mitten im Zimmer zwischen umhergeworfenen Sachen vor einer offenen Kommode. Als sie die Schritte ihres Mannes vernahm, blickte sie nach der Tür und bemühte sich, ihrem Gesicht einen Ausdruck der Strenge und Verachtung zu geben. Sie fühlte, daß sie ihn und das bevorstehende Zusammentreffen fürchtete. Zum zehntenmal während dieser drei Tage war sie damit beschäftigt, ihre Sachen und die der Kinder zusammenzupacken, um sie zu ihrer Mutter mitzunehmen – und immer wieder konnte sie sich nicht dazu entschließen. Jetzt eben wiederholte sie sich, das könne nicht so bleiben, sie müsse etwas tun, ihn strafen, ihn demütigen, und sich wenigstens für einen kleinen Teil des Schmerzes rächen, den er ihr zugefügt hatte.

    Dabei sagte sie immer, sie werde ihn verlassen, obgleich sie fühlte, daß es unmöglich sei, weil sie nicht aufhören konnte, ihn als ihren Mann zu betrachten und zu lieben. Außerdem wußte sie, wenn ihr schon hier in ihrem Hause die Aufsicht über ihre Kinder schwergefallen war, es dort, wo sie mit ihnen hin wollte, noch schwieriger sein würde. Während dieser drei Tage war der Jüngste krank geworden, weil man ihm verdorbene Bouillon gegeben hatte, und die anderen hatten gestern beinahe nichts zum Mittagessen bekommen. Als sie ihren Mann erblickte, versenkte sie ihre Hände in die Kommode, als ob sie etwas suchte, und blickte sich erst dann nach ihm um, als er neben ihr stand. Aber ihr Gesicht, dem sie einen strengen und entschiedenen Ausdruck geben wollte, zeigte nur Hilflosigkeit und Kummer.

    »Dolly!« sagte er mit leiser, schüchterner Stimme und zog den Kopf zwischen die Schultern, um sich ein bekümmertes, demütiges Aussehen zu geben, dabei strahlte er aber in Frische und Gesundheit.

    ›Er ist glücklich und zufrieden‹, dachte sie, ›und ich...‹ »Was wünschen Sie?« fragte sie mit hastiger, fremd klingender Stimme.

    »Dolly«, wiederholte er mit zitternder Stimme, »Anna kommt heute an.«

    »Was kümmert das mich? Ich kann sie nicht empfangen!«

    »Aber es ist nötig, Dolly!«

    »Gehen Sie! Gehen Sie!« rief sie, ohne ihn anzusehen.

    Oblonsky hatte ruhig die Zeitung lesen und Kaffee trinken können, aber als er das betrübte Gesicht seiner Frau sah und diesen hoffnungslosen Ton in ihrer Stimme hörte, stockte ihm der Atem, und in seinen Augen glänzten Tränen.

    »Mein Gott, was habe ich getan? Dolly! Um Gottes willen!... Aber...« Er konnte nicht weitersprechen, Tränen erstickten seine Stimme.

    Sie schlug die Kommode zu und blickte ihn an.

    »Dolly! Was soll ich sagen? Ich kann nur eins sagen: Vergib! Denk an die Vergangenheit. Sollen etwa neun Lebensjahre wegen einiger Minuten... Minuten...«

    Sie schlug die Augen nieder und horchte, was er sagen werde, gleichsam als ob sie ihn anflehen wollte, ihre Überzeugung zu erschüttern.

    »Minuten der Unbedachtsamkeit...«, sagte er, und wollte fortfahren, aber bei diesen Worten schlossen sich wieder ihre Lippen, und ihre Halsmuskeln zuckten.

    »Gehen Sie! Gehen Sie!« rief sie in noch schärferem Tone. »Und kein Wort mehr von Ihren Nichtswürdigkeiten!«

    Sie wollte gehen, aber schwankend griff sie nach einem Stuhl. Ihre Lippen zuckten, und ihre Augen füllten sich mit Tränen.

    »Dolly!« sagte er weinerlich. »Um Gottes willen, denke an die unschuldigen Kinder! Ich bin zu allem bereit. Ich bin schuldig, es ist kein Wort dagegen zu sagen, aber, Dolly, vergib!« Sie setzte sich. Er hörte ihr lautes Schluchzen und fühlte ein unaussprechliches Bedauern. Mehrmals versuchte sie, zu sprechen, aber vergebens. Er wartete.

    »Du denkst an die Kinder, nur um mit ihnen zu spielen. Ich aber denke an sie, weil ich weiß, was sie jetzt verloren haben«, sagte sie. Offenbar war das eine Redewendung, die sie während dieser drei Tage sich oft wiederholt hatte.

    Sie hatte »du« gesagt! Er blickte sie dafür dankbar an und wollte ihre Hand ergreifen, aber sie wandte sich mit Abscheu von ihm weg.

    »Ich denke an die Kinder und würde alles in der Welt für sie tun, um sie zu retten«, sagte sie, »aber ich weiß selbst nicht, wie ich sie retten soll. Soll ich sie von ihrem Vater fortnehmen, oder soll ich sie bei ihrem liederlichen Vater lassen? Ja, bei ihrem liederlichen Vater! Und nach dem, was geschehen ist... ist es etwa noch möglich, daß wir beisammen leben? Sagen Sie doch, ist das etwa möglich?«

    »Aber was tun? Was tun?« sagte er mit kummervoller Stimme. Er wußte selbst nicht, was er sagte und ließ den Kopf immer tiefer hängen.

    »Sie sind mir zum Ekel geworden!« rief sie, immer hitziger werdend, »Sie und Ihre Krokodilstränen! Sie haben mich nie geliebt! Sie haben weder Herz noch Dankbarkeit! Von jetzt an sind Sie mir fremd, ganz fremd!«

    Er sah sie an, erstaunt und erschrocken über die Bosheit, die aus ihrem Gesicht sprach, und begriff nicht, daß sein Bedauern sie noch mehr reizte. Sie sah, daß er nur Mitleid, aber keine Liebe mehr für sie hatte.

    ›Nein, sie haßt mich! Sie wird mir nicht vergeben!‹ dachte er. ›Es ist schrecklich! Schrecklich!‹

    In diesem Augenblick begann im Nebenzimmer das kleine Kind zu schreien, wahrscheinlich, weil es gefallen war. Darja Alexandrowna hörte es, und sogleich milderte sich ihr Gesichtsausdruck. Rasch erhob sie sich und ging zur Tür.

    ›Sie liebt ja noch mein Kind!‹ dachte er, ›mein Kind! Wie kann sie mich verabscheuen?‹

    »Dolly, auf ein Wort!« sagte er, auf sie zutretend.

    »Wenn Sie mir näher kommen, so rufe ich die Leute und die Kinder! Mögen es alle wissen, daß Sie ein – Schuft sind! Ich verlasse das Haus, dann können Sie hier mit Ihrer Geliebten wohnen!« Dann ging sie und schlug die Tür hinter sich zu. Stepan Arkadjewitsch seufzte und ging leise aus dem Zimmer.

    »Matwej sagte doch, das werde sich alles machen! Aber wie? Ich sehe keine Möglichkeit! Ach, ach! Welch ein Jammer! Und wie gemein hat sie geschrien!« sagte er zu sich selbst, als er sich an die Worte »Schuft« und »Geliebte« erinnerte. »Vielleicht haben es auch noch die Mädchen gehört. Schrecklich trivial! Schrecklich!«

    »Matwej!« rief er. »Also mache du mit Marie das Zimmer bereit für Anna Arkadjewna!« befahl er dem erscheinenden Matwej.

    »Sehr wohl, gnädiger Herr!«

    Oblonsky zog sich den Pelz an und trat aus der Haustür.

    Stepan Arkadjewitsch hatte dank seiner Fähigkeiten die Schule leicht absolviert; aber er war faul und mutwillig, und deshalb wurde er schließlich einer der letzten. Aber ungeachtet seines immer geräuschvollen Lebens, seines kleinen Ranges und der jugendlichen Jahre nahm er doch schon einen angesehenen Posten bei einer der Behörden in Moskau ein. Diesen Posten hatte er durch den Mann seiner Schwester Anna, Alexej Alexandrowitsch Karenin, erhalten, der eine der wichtigsten Stellen in dem gleichen Ministerium bekleidete. Hätte indessen Karenin seinem Schwager nicht zu dieser Stelle verholfen, so würde dieser durch hundert andere Verwandte irgendein ähnliches Amt mit sechstausend Rubel Gehalt erhalten haben. Dieses Einkommen war ihm sehr nötig, da seine Verhältnisse ungeachtet des beträchtlichen Vermögens seiner Frau ganz zerrüttet waren.

    Halb Moskau und Petersburg waren mit ihm verwandt. Er war inmitten jener Leute aufgewachsen, die zu den Gewaltigen dieser Erde gehören. Ein Drittel waren alte Beamte, Freunde seines Vaters, gewesen und kannten ihn von Kindheit an, ein anderes Drittel stand mit ihm auf »du«, und das dritte Drittel waren gute Bekannte. Folglich waren alle diejenigen, die irdische Güter zu vergeben haben, seine Freunde. Und Oblonsky brauchte nur die Annahme eines guten Postens nicht zu verweigern, niemand zu beneiden, keinen zu beleidigen, was er in seiner Herzensgüte auch niemals tat.

    Oblonsky war nicht nur beliebt, sowohl seiner Gutherzigkeit wie seiner unzweifelhaften Ehrenhaftigkeit wegen, sondern sein schönes, heiteres Äußere, seine schwarzen Augenbrauen und Haare, sein zartes und rotes Gesicht zugleich wirkten vorteilhaft und heiter auf alle ein, die ihm begegneten. Schon seit drei Jahren bekleidete er die Stelle eines Präsidenten einer der Behörden in Moskau, und wer mit ihm zu tun hatte, liebte und achtete ihn.

    Nachdem Oblonsky in der Kanzlei angekommen war, ging er, von dem ehrerbietigen Pförtner mit der Mappe begleitet, in sein kleines Büro, zog die Uniform an und begab sich in das allgemeine Amtszimmer. Alle Schreiber und Beamten erhoben sich und verbeugten sich ehrerbietig. Stepan Arkadjewitsch ging eilfertig, wie immer, nach seinem Platz, drückte seinen Kollegen die Hände und setzte sich. Er scherzte und unterhielt sich mit ihnen gerade so lange, als es der Anstand erforderte, und widmete sich dann seiner Beschäftigung. Der Sekretär kam heiter und ehrerbietig, wie alle in Gegenwart von Oblonsky sich benahmen, mit Papieren und sprach in jenem familiärliberalen Ton, den Oblonsky eingeführt hatte.

    »Wir haben also die Nachricht von der Gouvernementsregierung in Pensa erhalten. Ist es Ihnen gefällig...«

    »Endlich!« sagte Oblonsky. »Nun also, meine Herren...« Und die Sitzung begann.

    ›Wenn sie wüßten‹, dachte er, mit würdiger Miene den Kopf beugend, während der Bericht vorgelesen wurde, ›was für ein schuldbewußter Knabe ihr Präsident vor einer halben Stunde war!‹ Und seine Augen lachten während der Vorlesung des Berichtes. Bis zur Frühstückspause um zwei Uhr sollte die Arbeit ohne Unterbrechung fortgesetzt werden.

    Kurz vor zwei Uhr wurde die große Glastür des Saales aufgerissen, und jemand trat ein. Alle blickten nach der Tür hin. Der Gerichtsdiener aber, der dort stand, brachte den Eingetretenen sogleich wieder hinaus und schloß hinter ihm die Glastür.

    Als das Aktenstück verlesen war, stand Oblonsky auf, reckte sich, zog eine Zigarette hervor und verließ das Amtszimmer. Seine beiden Räte, alte Beamte, Nikitin und Kammerjunker Grinewitsch, folgten ihm.

    »Wer ist vorhin eingetreten?« fragte er den Diener.

    »Ein Fremder ist ohne zu fragen eingetreten, Exzellenz, als ich mich kaum umgewendet hatte. Er hat nach Ihnen gefragt. Ich sagte ihm, wenn die Mitglieder gehen, dann...«

    »Wo ist er?« »Er ging eine Zeitlang im Vorzimmer auf und ab. Dort ist er!« sagte der Diener, indem er auf einen starkgebauten, breitschulterigen Mann mit krausem Bart wies, der, ohne seine Lammfellmütze abzunehmen, rasch und leicht die ausgetretenen Stufen der Steintreppe heraufstieg.

    Oblonsky stand an der Treppe. Sein gutmütiges Gesicht strahlte aus dem Kragen der Uniform noch mehr hervor, als er den Ankommenden erkannte.

    »Bist du's wirklich? Lewin«, sagte er mit freundlichem, etwas spöttischem Lächeln, »du hast es also nicht verschmäht, mich in dieser Hölle aufzusuchen. Bist du schon lange da?«

    »Ich kam eben an und wünschte sehr, dich zu sehen«, erwiderte Lewin, indem er sich mißtrauisch und unruhig umsah.

    »Nun komm in mein Kabinett«, sagte Oblonsky, der die empfindliche und etwas mißtrauische Eigenliebe seines Freundes kannte. Er zog ihn fort, als ob er ihn durch Gefahren führe. Oblonsky stand fast mit allen seinen Bekannten auf »du«, mit sechzigjährigen Greisen, mit zwanzigjährigen jungen Leuten, mit Schauspielern, Ministern, Kaufleuten und Generaladjutanten. Er war mit allen auf »du«, mit welchen er Champagner trank, und er trank mit allen Champagner. Wenn er nun in Gegenwart seiner Untergebenen mit einem seiner »verschämten Du« zusammentraf, wie er scherzend viele seiner Freunde nannte, so verstand er es, mit feinem Takt den unangenehmen Eindruck auszugleichen. Lewin gehörte nicht zu diesen Leuten, aber Oblonsky glaubte in seinem Taktgefühl, Lewin könne denken, daß er vor seinen Untergebenen möglicherweise seine Vertraulichkeit mit ihm nicht merken lassen wolle, und deshalb beeilte er sich, ihn in sein Kabinett zu führen. Lewin war fast von gleichem Alter wie Oblonsky und sein Freund und Gefährte aus frühester Jugend. Sie liebten einander, ungeachtet des Unterschiedes ihrer Charaktere und Geschmacksrichtung, wie sich nur Freunde lieben, die in der ersten Jugend sich gefunden haben. Lewin erschien in Moskau stets aufgeregt, geschäftig, etwas eingeschüchtert und ärgerlich über diese Schüchternheit und brachte meist ganz unerwartete Ansichten mit. Oblonsky spottete über ihn und liebte ihn, und Lewin verachtete ganz ebenso das Stadtleben und den Dienst Oblonskys und spottete auch seinerseits darüber.

    »Wir haben dich schon seit langem erwartet«, sagte Oblonsky, als sie ins Kabinett traten, und ließ Lewins Arm los, gleichsam, als ob er dadurch andeuten wollte, die Gefahr sei hier vorüber. »Ich freue mich sehr, sehr, dich zu sehen! Aber wie geht's mit dir? Wann bist du gekommen?«

    Lewin betrachtete schweigend die ihm unbekannten beiden Kollegen Oblonskys und besonders die Hände des eleganten Grinewitsch mit den weißen, langen Fingern. Oblonsky bemerkte es und lächelte.

    »Ach ja, erlauben Sie mir, Sie vorzustellen: Meine Kollegen Philipp Iwanitsch Nikitin, Michail Stanislawitsch Grinewitsch«, und zu Lewin gewandt: »ein Gutsbesitzer, ein Athlet, welcher fünf Pud mit einer Hand aufhebt, ein Viehzüchter und Jäger, und mein Freund Konstantin Dmitrijewitsch Lewin, der Bruder von Sergej Iwanowitsch Kosnyschew!«

    »Sehr angenehm!« sagte der Alte.

    »Ich habe die Ehre, mit Ihrem Bruder Sergej Iwanowitsch bekannt zu sein«, sagte Grinewitsch und reichte Lewin seine dünne Hand mit den langen Nägeln.

    Lewins Gesicht verfinsterte sich. Er drückte kalt die gebotene Hand und wandte sich sogleich wieder Oblonsky zu. Obgleich er seinen Bruder, einen Schriftsteller, verehrte, konnte er es doch nicht ausstehen, wenn man ihn nicht als Konstantin Lewin, sondern als Bruder des berühmten Kosnyschew anredete.

    »Nein, ich wirke nicht mehr für das öffentliche Wohl, ich habe mich mit allen gezankt und gehe nicht mehr in die Versammlung«, sagte er, zu Oblonsky gewendet.

    »Schon?« sagte Oblonsky lächelnd. »Aber wie kam das?«

    »Das ist eine lange Geschichte! Ich werde sie dir einmal erzählen«, sagte Lewin, begann aber sogleich zu berichten. »Nun, kurz gesagt, ich überzeugte mich, daß für das öffentliche Wohl dort nichts zu machen ist. Das ist nur Spielerei! Früher gab es Vormundschaften und Gerichte, jetzt aber ist der Provinziallandtag da, nicht gerade, um sich bestechen zu lassen, sondern um unverdiente Gagen einzustecken!« Das alles sprach er so hitzig, als ob einer der Anwesenden seine Meinung bestreiten wollte.

    »Aha, wie ich sehe, bist du wieder in einer neuen Phase, du bist konservativ geworden. Doch davon später!«

    »Ja, später! Aber ich mußte dich sehen«, sagte Lewin mit einem Blick des Abscheus auf die Hände von Grinewitsch.

    »Aber du hast ja gesagt, du werdest, nie wieder europäische Kleider tragen?« bemerkte Oblonsky, indem er Lewins neue 17 Kleidung, die augenscheinlich von einem französischen Schneider gefertigt war, betrachtete. »Ich sehe, du bist wirklich in eine neue Phase getreten.«

    Lewin errötete wie ein Knabe, der fühlt, daß er sich lächerlich macht, und eben darüber noch mehr errötet. Es war ein so seltsamer Anblick, dieses kluge, männliche Gesicht mit solchem kindlichen Ausdruck, daß Oblonsky zur Seite blickte.

    »Nun, wo werden wir uns sehen? Ich habe sehr, sehr nötig, mit dir zu sprechen«, sagte Lewin.

    Oblonsky dachte nach. »Am besten, wir frühstücken bei Gurin, dort können wir uns bequem besprechen. Bis drei Uhr bin ich frei.«

    »Nein«, erwiderte Lewin, nachdem er etwas nachgedacht hatte, »ich muß noch eine Besorgung machen.«

    »Nun gut, dann speisen wir miteinander.«

    »Speisen? Nun, ich habe ja nichts Besonderes zu sagen, nur zwei Worte. Über anderes sprechen wir dann später.«

    »Nun, dann sprich doch gleich deine zwei Worte!«

    »Die zwei Worte sind folgende«, sagte Lewin. »Übrigens, es ist nichts Besonderes...« Sein Gesicht nahm plötzlich einen zornigen Ausdruck an, infolge seiner Bemühung, eine gewisse Verlegenheit zu überwinden. »Was machen Schtscherbatzkys? Ist alles noch wie früher?« fragte er.

    Oblonsky wußte schon lange, daß Lewin in seine Schwägerin Kitty verliebt war, und seine Augen glänzten vergnügt.

    »Du hast zwei Worte gesagt, aber ich kann nicht in zwei Worten antworten, weil... Entschuldige mich eine Minute!«

    In diesem Augenblick trat ein Sekretär mit Papieren ein und näherte sich Oblonsky. Mit der vertraulichen Ehrerbietigkeit und einem gewissen bescheidenen Selbstbewußtsein seiner geschäftskundigen Überlegenheit begann er, eine kleine Schwierigkeit zu besprechen. Aber Oblonsky hörte ihn nicht bis zu Ende an und legte seine Hand auf den Ärmel des Sekretärs.

    »Nein, machen Sie das nur so, wie ich gesagt habe«, erwiderte er, indem er die Bemerkung durch ein Lächeln milderte. Dann erklärte er kurz, wie er die Sache ansehe, schob die Papiere zurück und sagte: »Machen Sie es gefälligst so, Sachar Nikitisch.«

    Etwas verdutzt entfernte sich der Sekretär. Lewin hatte sich von seiner Verwirrung erholt und alles mit spöttischer Aufmerksamkeit beobachtet. »Das verstehe ich nicht, was ihr da macht«, sagte Lewin. »Wie kannst du dabei so ernsthaft bleiben?«

    »Wieso?«

    »Nun, weil das alles Unsinn ist!«

    »Das glaubst du, aber wir sind mit Geschäften überhäuft.«

    »Papierverschwendung! Und du hast eine besondere Gabe dafür«, fügte Lewin hinzu.

    »Das heißt, meinst du, mir fehle es an Fähigkeiten?«

    »Vielleicht«, sagte Lewin, »aber dennoch gefällt mir dein majestätisches Wesen, und ich bin stolz darauf, einen so bedeutenden Mann zum Freund zu haben. Aber du hast mir nicht auf meine Frage geantwortet«, fügte er hinzu, indem er Oblonsky gespannt anblickte.

    »Nun gut, gut! Warte ein wenig! Das kommt noch! Sei du froh, daß du dreitausend Deßjatinen im Kreise Karasin hast, und dabei solche Muskeln und eine solche Frische wie ein zwölfjähriges Mädchen! Und was das betrifft, wonach du fragst – es ist keine Veränderung eingetreten, aber es ist schade, daß du so lange ausgeblieben bist.«

    »Wieso?« fragte Lewin erschrocken.

    »Nun – nichts!« erwiderte Oblonsky. »Wir sprechen noch darüber. Aber warum bist du eigentlich gekommen?«

    »Ach, davon sprechen wir auch später«, sagte Lewin, wieder bis über die Ohren errötend.

    »Schön, ich verstehe«, sagte Oblonsky. »Siehst du, ich hätte dich zu mir eingeladen, aber meine Frau ist nicht ganz wohl. Wenn du sie sehen willst (er betonte das sie), sie ist jetzt wahrscheinlich im Zoologischen Garten von vier bis fünf Uhr. Kitty liebt das Schlittschuhlaufen. Fahre dahin, ich komme später nach, und dann werden wir miteinander irgendwo speisen.«

    »Vortrefflich! Also auf Wiedersehen!«

    »Aber höre! Ich kenne dich! Du vergißt dich manchmal und fährst plötzlich wieder aufs Land«, rief ihm Oblonsky lachend nach.

    »Nein, wirklich nicht.«

    Dann verließ Lewin das Kabinett, und erst hinter der Tür fiel ihm ein, daß er vergessen hatte, sich von den Kollegen Oblonskys zu verabschieden.

    Als Oblonsky an Lewin die Frage richtete, warum er eigentlich nach Moskau gekommen sei, errötete Lewin und ärgerte sich sogleich selbst darüber. Aber er konnte doch nicht antworten: »Ich kam, um deiner Schwägerin einen Heiratsantrag zu machen«, obgleich dies sein einziger Zweck war. Die Familien Lewin und Schtscherbatzky waren von altem moskauischen Adel und hatten immer in freundschaftlichem Verkehr gestanden, der während der Studienzeit Lewins noch lebhafter wurde. Er trat zugleich mit dem jungen Fürsten Schtscherbatzky, dem Bruder von Dolly und Kitty, in die Universität ein. Zu dieser Zeit war Lewin oft im Hause Schtscherbatzky, in das er sich ganz und gar verliebte. Er war wirklich in das Haus, in die Familie und besonders in die weibliche Hälfte derselben verliebt. Lewin konnte sich seiner Mutter nicht mehr erinnern, und seine einzige Schwester war älter als er, so daß er im Hause Schtscherbatzky zum erstenmal das Leben einer altadligen, gebildeten und vornehmen Familie kennenlernte. Alle Glieder dieser Familie, besonders die weiblichen, erschienen ihm wie von einem geheimnisvollen, poetischen Schleier verhüllt, und er bemerkte nicht nur an ihnen keinerlei Mängel, sondern hielt sie auch der erhabensten Gefühle für fähig.

    Warum diese drei Damen an einem Tage französisch, an einem anderen englisch sprachen – warum sie zu gewissen Stunden abwechselnd Klavier spielten, was er bei ihrem Bruder oben hörte, wo die beiden Studenten hausten – warum Lehrer der Literatur, des Französischen, der Musik, der Zeichenkunst und des Tanzes fortwährend ein- und ausgingen – warum zu gewissen Stunden alle drei Fräulein mit Mademoiselle Linon in der Kalesche über den Twerschen Boulevard fuhren, warum sie nötig hatten, in Begleitung eines Lakaien mit einer goldenen Kokarde am Hute auf dem Twerschen Boulevard spazierenzugehen – alles dies und noch vieles andere, was in dieser geheimnisvollen Welt geschah, begriff er nicht.

    Während seiner Studentenzeit hatte er sich beinahe in die älteste, Dolly, verliebt. Aber diese wurde bald an Oblonsky verheiratet. Dann ging seine Liebe auf die zweite über, weil er fühlte, daß er sich notwendig in eine der Schwestern verlieben müsse. Aber kaum war Natalie in die große Welt eingetreten, als sie den Diplomaten Lwow heiratete. Kitty war noch ein Kind, als Lewin die Universität verließ. Der junge Schtscherbatzky trat in die Flotte ein und ertrank in der Ostsee, und so wurden Lewins Besuche bei der Familie Schtscherbatzky etwas seltener. Aber als er am Anfang des letzten Winters nach langem Landaufenthalt wieder nach Moskau kam und die Familie Schtscherbatzky wiedersah, begriff er sofort, in welche von den dreien er sich nach dem Willen des Schicksals wirklich verlieben sollte.

    Nichts erschien einfacher für einen jungen Mann von zweiunddreißig Jahren, aus guter Familie und von ansehnlichem Vermögen, als der Fürstin Schtscherbatzky einen Heiratsantrag zu machen. Aller Wahrscheinlichkeit nach wäre er sofort als gute Partie anerkannt worden. Aber Lewin war verliebt, und darum erschien ihm Kitty mit so zahlreichen Vorzügen ausgerüstet und so erhaben über alles Irdische und er sich selbst als ein so irdisches, niedriges Wesen, daß er es nicht für möglich hielt, ihrer für würdig gehalten zu werden. Nachdem er zwei Monate in Moskau wie im Traum verlebt und fast jeden Tag Kitty in der vornehmen Welt gesehen hatte, kam er plötzlich zu dem Schluß, es könne nicht sein, und fuhr wieder auf sein Gut. Während von seinen Bekannten der eine Oberst und Flügeladjutant, ein anderer Professor, Bankdirektor oder Vorsitzender einer Behörde war, wie zum Beispiel Oblonsky, war er nur ein Gutsbesitzer, der sich mit der Viehzucht, der Jagd und der Landwirtschaft beschäftigte, ein talentloser junger Mensch, der nach den Begriffen der Gesellschaft nur das betrieb, was Leute tun, die zu nichts anderem taugen. Wie könnte die geheimnisvolle, entzückende Kitty einen jungen Menschen lieben, der ein so wenig einnehmendes Äußere hatte wie er?

    Aber nachdem er zwei Monate einsam auf dem Gute verlebt hatte, erkannte er, daß seine Liebe ihm keine Ruhe mehr lassen werde, und daß er nicht leben könne, ohne die Frage zu lösen, ob sie seine Frau werde oder nicht. Er fuhr nach Moskau mit dem festen Entschluß, einen Antrag zu machen und zu heiraten, wenn er angenommen werde. Was anderenfalls aus ihm werden solle, konnte er sich nicht vorstellen.

    Lewin kam mit dem Frühzug in Moskau an und stieg bei seinen Halbbruder Kosnyschew ab. Nachdem er sich umgekleidet hatte, trat er in das Kabinett seines Bruders.

    »Es freut mich, dich zu sehen! Wirst du lange hierbleiben?« fragte Kosnyschew. »Wie geht es mit der Wirtschaft?«

    Lewin war mit der Absicht gekommen, seinem Bruder seine Pläne betreffs seiner Verheiratung mitzuteilen und ihn um Rat zu fragen. Aber als er den herablassenden Ton vernahm, mit dem sein Bruder nach seinen Wirtschaftsangelegenheiten fragte, war es ihm nicht mehr möglich, von seinem Heiratsplan zu sprechen.

    »Und wie geht's mit der Semstwo bei euch?« fragte Sergej Iwanowitsch weiter, der sich sehr für die neue Landschaftsverfassung interessierte.

    »Ich weiß wirklich nicht.«

    »Wie? Bist du nicht ein Mitglied der Verwaltung?«

    »Nein, ich bin ausgetreten«, erwiderte Lewin, »ich gehe auch nicht mehr in die Versammlungen.« Um sich zu rechtfertigen, erzählte er, was in den Versammlungen in seinem Kreise vorging.

    »So ist es immer«, unterbrach ihn Sergej Iwanowitsch. »So sind wir Russen immer! Ich sage dir nur, wenn man einem anderen europäischen Volk – dem deutschen oder englischen – solche Rechte verleihen würde wie unsere Landschaftsverfassung, so würde es sich die Freiheit daraus erarbeiten. Wir aber verstehen nur zu spotten.«

    »Was ist zu machen?« fragte Lewin mit schuldbewußter Miene. »Es war ein letzter Versuch. Ich habe mir alle Mühe gegeben, aber ich kann nichts machen, ich bin unfähig.«

    »Nein, nicht unfähig«, sagte Sergej Iwanowitsch. »Du siehst die Sache nicht richtig an.«

    »Vielleicht«, erwiderte Lewin nachgiebig.

    »Weißt du, daß unser Bruder Nikolai wieder hier ist?«.

    Nikolai war ein älterer Bruder von Konstantin Lewin und ein Halbbruder von Sergej Iwanowitsch. Er war ein verlorener Mensch, der den größten Teil seines Vermögens verschwendet und sich mit seinen Brüdern überworfen hatte und in schlechter Gesellschaft verkehrte.

    »Was sagst du?« rief Lewin mit Schrecken. »Woher weißt du das?«

    »Prokofy hat ihn auf der Straße gesehen.«

    »Hier in Moskau? Wo ist er? Weißt du es?«

    »Es tut mir leid, daß ich dir das sagte«, bemerkte Sergej, als er die Aufregung seines jüngeren Bruders bemerkte. »Ich ließ nachforschen, wo er wohnt, und sandte ihm den Wechsel Trubins zu, den ich bezahlt hatte. Hier ist seine Antwort.«

    Dabei reichte Sergej seinem Bruder einen Brief.

    Lewin las die seltsame, ihm bekannte Handschrift:

    »Ich bitte ergebenst, mich in Ruhe zu lassen! Das ist das einzige, was ich von meinen liebenswürdigen Brüdern verlange.

    Nikolai Lewin.«

    In Lewin kämpfte der Wunsch, den unglücklichen Bruder für jetzt zu vergessen, mit dem Bewußtsein, daß das nicht recht sei.

    »Augenscheinlich will er mich beleidigen«, fuhr Sergej Iwanowitsch fort. »Ich wünschte von Herzen, ihm helfen zu können, aber ich weiß nicht, wie ich das anfangen soll.«

    »Ja, ja«, bemerkte Lewin, »ich werde zu ihm fahren.«

    »Ich rate dir, das nicht zu tun«, sagte Sergej Iwanowitsch. »Ich fürchte nicht, daß er dich mit mir entzweien könnte, aber du kannst nichts helfen. Übrigens mach, was du willst.«

    »Vielleicht kann ich nichts helfen, aber ich fühle, besonders in diesem Augenblick, daß ich nicht ruhig sein kann.«

    »Nun, das verstehe ich nicht«, sagte Sergej Iwanowitsch. »Aber eins weiß ich – das ist eine Lektion der Demut für uns. Ich sehe jetzt nachsichtiger an, was man Nichtswürdigkeit nennt, nachdem aus unserem Bruder Nikolai ein solcher Mensch geworden ist!... Du weißt, was er getan hat!«

    »Ach, es ist schrecklich! Schrecklich!« seufzte Lewin.

    Nachdem er die Adresse seines Bruders erhalten hatte, machte er sich sogleich auf den Weg zu ihm, aber nach kurzem Überlegen beschloß er, diesen Besuch bis zum Abend aufzuschieben. Um wieder zu innerlicher Ruhe zu gelangen, mußte er vor allem seine eigene Angelegenheit zur Entscheidung bringen. Von seinem Bruder fuhr er daher in die Kanzlei zu Oblonsky und von dort nach der Stelle, wo er, wie ihm gesagt worden war, Kitty treffen konnte.

    Um vier Uhr stieg Lewin beim Zoologischen Garten mit klopfendem Herzen aus der Droschke. Er ging gleich nach den Rutschbergen und der Eisbahn, wo er sicher war, die Damen Schtscherbatzky anzutreffen, da er ihren Wagen an der Pforte gesehen hatte.

    Es war ein klarer Frosttag. Eine lange Reihe von Wagen und Schlitten, von Dienern und Gendarmen stand an der Eingangspforte. Die Volksmenge drängte sich beim Eingang und auch auf den gefegten Wegen zwischen Bauernhäusern im nationalrussischen Stil mit Holzschnitzereien. Die alten Birken des Gartens waren mit Schnee bedeckt.

    In seltsamer Aufregung ging Lewin der Schlittschuhbahn zu. ›Nur kaltes Blut jetzt! Was hast du denn? Schweig Dummkopf‹ sagte er zu seinem eigenen Herzen, und je mehr er sich zu beruhigen suchte, desto schwerer atmete er. Bald hörte er lautes Lachen von den Schneebergen her, und nach wenigen Schritten erblickte er vor sich die Schlittschuhbahn, wo er in der Menge sofort Kitty erkannte. Sie stand am entgegengesetzten Ende der Schlittschuhbahn und sprach mit einigen Damen. An ihrer Kleidung und ihrer Stellung war nichts Auffallendes, aber alles war hell um ihn, sie war das Lächeln, das alles bezauberte.

    ›Wie soll ich es wagen, mich ihr zu nähern?‹ dachte er. Die Stelle, auf der sie stand, erschien ihm wie ein unerreichbares Heiligtum, er bezwang sich aber und ging hinab, wobei er es vermied, sie anzusehen.

    An diesem Wochentag und zu dieser Tageszeit versammelten sich auf der Eisbahn Leute eines Kreises, die sich alle kannten. Dort waren Meister des Schlittschuhlaufens, die mit ihrer Kunst glänzten, und andere, die an Stühlen ihre ersten Versuche machten. Alle erschienen Lewin als glückliche Auserwählte, weil sie in Kittys Nähe waren.

    Nikolai Schtscherbatzky, ein Vetter von Kitty, mit einer kurzen Jacke und engen Beinkleidern, saß mit den Schlittschuhen an den Füßen auf einer Bank, und als er Lewin erblickte, rief er ihm zu: »Ah, da ist der beste russische Schlittschuhläufer! Sind Sie auf lange hier? Vortreffliche Bahn! Legen Sie Schlittschuhe an!«

    »Ich habe keine Schlittschuhe bei mir«, erwiderte Lewin, verwundert über diese Dreistigkeit und Unbefangenheit in ihrer Gegenwart. Er fühlte, wie seine Sonne sich ihm näherte. Mit sichtlicher Unsicherheit lief sie auf ihn zu. Sie lief nicht sehr gewandt, nahm ihre Hände aus dem kleinen Muff, den sie an einer Schnur umgehängt hatte, und hielt sie bereit, sich im Notfall an irgend etwas anzuklammern. Als sie Lewin erkannte, lächelte sie ihm zu. Nach einer glücklichen Wendung erreichte sie Schtscherbatzky, hielt sich an seinem Arm und nickte Lewin zu; sie erschien ihm schöner als je.

    »Sind Sie schon lange hier?« fragte sie und reichte ihm die Hand, während er das Taschentuch aufhob, das aus ihrem Muff gefallen war.

    »Ich? Nein, noch nicht lange, gestern... das heißt heute... bin ich angekommen«, erwiderte Lewin, der in der Aufregung ihre Frage nicht sogleich verstand. »Ich wollte Sie besuchen«, sagte er, und als er sich dabei seines Zweckes erinnerte, wurde er verlegen und errötete. Sie blickte ihn aufmerksam an, als ob sie die Ursache seiner Verlegenheit erforschen wollte. »Hier hat sich die Tradition erhalten, daß Sie der beste Schlittschuhläufer seien.«

    »Ja, früher habe ich einmal das Schlittschuhlaufen mit Leidenschaft betrieben. Ich wollte es bis zur Vollkommenheit bringen.«

    »Es scheint, Sie tun alles mit Leidenschaft«, sagte sie lachend. »Ich möchte so gern sehen, wie Sie laufen! Legen Sie Schlittschuhe an, und dann wollen wir gemeinsam laufen!«

    ›Miteinander laufen? Ist denn das möglich?‹ dachte Lewin, sie anblickend. »Sogleich werde ich bereit sein«, sagte er und ging, um Schlittschuhe anzulegen.

    »Sie sind lange nicht bei uns gewesen, Herr!« sagte der Eispächter, indem er den Absatz festschraubte. »Keiner der Herren ist ein solcher Meister wie Sie! Ist's so gut?« fragte er und zog den Riemen fest.

    »Gut, gut! Aber, bitte, schnell!« erwiderte Lewin, der mit Mühe ein glückliches Lächeln zurückhielt. ›Ja‹, dachte er, ›das ist ein Leben! Das ist Glück! ›Wir wollen miteinander Schlittschuh laufen‹, hat sie gesagt. Soll ich es ihr jetzt sagen? Ich fürchte mich, davon zu sprechen, aber es muß sein! Fort mit der Schwachheit!‹

    Lewin stand auf, nahm den Paletot ab, umlief

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