Masurengold: BsB_Abenteuerroman
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Michael Holle, der Ich-Erzähler, Pilot im Zweiten Weltkrieg und Schriftsteller, ist auf der Flucht: vor der Gegenwart, die er als oberflächlich verachtet – und vor der Vergangenheit, die ihn mit einer gefährlichen Verlockung heimsucht. Einer Einladung folgend hat er sich in die Einsamkeit Masurens zurückgezogen. Hier, in einem abgelegenen, karg eingerichteten Bauernhaus, will er zwei Jahre lang an einem neuen Roman arbeiten. Doch dann taucht unerwartet Erik Kasch auf, sein ehemaliger Bordfunker, der sich von seiner Reisegruppe getrennt hat, die noch einmal ihre ehemalige Heimat im heutigen Polen wiedersehen will. Er erinnert ihn an ein altes Versprechen: Gemeinsam wollten sie den millionenschweren Goldschatz heben, den sie kurz vor Kriegsende nach einer Notlandung in den riesigen Wäldern Masurens zurücklassen mussten.
Zunächst zögert Michael, doch dann ist auch er gepackt vom Jagdfieber, von der schieren Lust am Abenteuer.
Ein dichter, spannender Roman.
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Masurengold - Rudolf Braunburg
immer
Der Autor
Mit 16 Jahren schrieb Rudolf Braunburg, Jahrgang 1924, seinen ersten Roman, der bei einem Bombenangriff vernichtet und deshalb nie veröffentlicht wurde. Im Zweiten Weltkrieg war er Jagdflieger. Nach dem Krieg studierte er Pädagogik und Philosophie. Um sein Studium zu finanzieren, arbeitete er als Jazztrompeter und Ghostwriter.
Mit abgeschlossenem Studium wurde er Lehrer in Hamburg. 1955 ging er zur Deutschen Lufthansa und war bis 1979 Flugkapitän.
Nach Anfängen als Navigator und Copilot auf der Lockheed Super Constellation und der Douglas DC-3 wurde Braunburg Flugkapitän, zuerst auf der DC-3, dann auf der Convair CV 440 Metropolitan, später wieder auf der Super Constellation und, nach Beginn des Jet-Zeitalters auf der Boeing 727, der Boeing 707 und schließlich auf der McDonnell Douglas DC-10.
In seiner aktiven Zeit als Flugkapitän war Braunburg auch Vorsitzender der Vereinigung Cockpit.
Braunburg schrieb über 70 Romane, Sach- und Jugendbücher. Außerdem veröffentlichte er zahlreiche Artikel über Umweltschutz und Jazz. Er war engagiert in Fragen der Luftfahrt und der Flugsicherheit und galt lange Zeit als bekanntester deutscher Experte.
Rudolf Braunburg lebte zuletzt in Waldbröl.
Der Roman:
Im Zweiten Weltkrieg ließen sie Gold für 20 Millionen in den Wäldern von Masuren zurück. Nun wollen sie es holen...
Michael Holle, der Ich-Erzähler, Pilot im Zweiten Weltkrieg und Schriftsteller, ist auf der Flucht: vor der Gegenwart, die er als oberflächlich verachtet – und vor der Vergangenheit, die ihn mit einer gefährlichen Verlockung heimsucht. Einer Einladung folgend hat er sich in die Einsamkeit Masurens zurückgezogen. Hier, in einem abgelegenen, karg eingerichteten Bauernhaus, will er zwei Jahre lang an einem neuen Roman arbeiten.
Doch dann taucht unerwartet Erik Kasch auf, sein ehemaliger Bordfunker, der sich von seiner Reisegruppe getrennt hat, die noch einmal ihre ehemalige Heimat im heutigen Polen wiedersehen will. Er erinnert ihn an ein altes Versprechen: Gemeinsam wollten sie den millionenschweren Goldschatz heben, den sie kurz vor Kriegsende nach einer Notlandung in den riesigen Wäldern Masurens zurücklassen mussten.
Zunächst zögert Michael, doch dann ist auch er gepackt vom Jagdfieber, von der schieren Lust am Abenteuer.
Ein dichter, spannender Roman.
„Braunburg vermittelt kritische Bewusstseinsimpulse, ein Fortschritt auf dem Gebiet des Unterhaltungsromans, der dieser Gattung insgesamt nur zugutekommen kann."
Frankfurter Allgemeine Zeitung
Man kann die Menschen nicht zum Guten führen;
man kann sie nur irgendwohin führen.
Ludwig Wittgenstein
1
Ende April kehrten die Sprosser zurück.
Als ich fünfundzwanzig Kilometer hinter Danzig die Weichsel überquerte, schraffierte feiner Regen den späten Vormittagshimmel. Der Fluss glänzte, je nach Beleuchtung und Wolkenschatten, bald wie Kupfer, bald wie Stahl. Wie alle Straßen, die in Nordpolen nach Osten führen, war die Chaussee nach Elbing kaum befahren. Ich fuhr, wie ich am liebsten fuhr: ohne Schuhe; und obwohl ich gern gewusst hätte, ob die Sprosser schon zurück waren, bog ich bei Nowy Dwor nach Süden auf die Straße 173 in Richtung Marienburg ab. Ich genoss den Morgen, den regenfrischen Duft der Flusswiesen, den Anblick der Osterlämmer, die durch Löwenzahnfelder sprangen.
Ich machte den Umweg, um wieder einmal die Türme und Wälle der Marienburg vom Westufer der Nogat aufsteigen zu sehen. Sie war nach dem Krieg in mühevoller Kleinarbeit wiederaufgebaut und als Museum eingerichtet worden. Auf den Nebenstraßen, die ich von Marienburg aus nach
Ost-Masuren fuhr, begegnete ich außer Pferdefuhrwerken keinem Fahrzeug – alle Straßen gehörten mir. Ich lehnte mich entspannt zurück und begann zu pfeifen. Ein herrlicher Morgen.
Vor dem Regen hatten Nebelschleier über den Flussniederungen und Auwiesen gehangen. Als hinter der Nogat die Sonne endgültig durchbrach, bescherte eine honigsanfte Brise makellose Weitsichten über goldgelb blühende Rapsfelder. Im seidigen Licht schimmerten die Seen, die von Kilometerstein zu Kilometerstein häufiger und größer wurden, wie dunkler Bernstein.
Im Geist sah ich die Heere der Deutschordensritter nach Osten ziehen, mordend und brandschatzend und gleichzeitig die Siedlungen gründend, in denen Handel und Kultur blühen würden, in Thom, Kulm, Elbing, Königsberg.
Im Prolog zu ihren Regeln heißt es, der heilige ritterliche Orden vom Spital Sankt Mariens vom Deutschen Hause habe verdient, mit manchem ehrsamen Gliede geziert zu werden. Denn sie sind Ritter und erwählte Streiter, die aus Liehe zum Gesetz und zum Vaterlande die Feinde des Glaubens mit starker Hand vertilgen. Sie sind auch aus überströmender Liebe Empfänger der Gäste und der Pilger und der armen Leute. Sie sind es auch, die aus Milde den Siechen, die im Spitale liegen, in brennendem Geiste dienen.
Freilich: im >Chronicon terrae Prussiae< des Peter von Dusburg, einem Priesterbruder des Ordens, liest sich das ganz anders. Uber eine Schlacht gegen die verhassten Pruzzen, bei der an einem einzigen Tag über fünftausend getötet wurden, lässt er verlauten: Sie betraten das Gebiet Reisen, töteten und fingen viele Leute und rückten zum Flusse Sorge vor, wo sie das erlebten, was sie lange gewünscht hatten... sie... besetzten die Wege rings um die Umzingelten mit ihren Bewaffneten, damit ihnen niemand entgehen könne, und dann vernichteten sie die Sünder in ihrem Zorn. Dort verzehrte das Schwert der christlichen Ritterschaft blitzend das Fleisch der Ungläubigen, und hier bohrte sich eine Lanze nicht vergebens in eine Wunde ein, denn die Preußen vermochten weder hier noch dort dem Antlitz ihrer Verfolger zu entweichen. So erfolgte ein großes Blutbad ... Die Kreuzfahrer aber kehrten alle voller Freude in ihre Heimat zurück und priesen die Gnade des Heilands.
Hinter den Fronten der blutigen Eroberungskriege schoben sich die Mönche ins verheerte Land, aus der die Bevölkerung geflohen war, und versuchten, neben den Gräbern der Gefallenen neue Anfänge zu schaffen.
Ich ließ meine Gedanken, während ich durch blütenübersäte Wiesen vorbei an Seen und Bächen fuhr, zurückschweifen zur Marienburg.
»Um die Hochburg der deutschen Ritter klang Wie Schlachtruf der Nogat Frühlingsgesang ...«
Grauenhafter Schwulst; und in sämtlichen Nachkriegsbildbänden hieß es, die Burg sei durch die Russen zerstört worden. So, als ob die deutsche Wehrmacht sich nicht hartnäckig darin verschanzt hatte, um den Nogat-Übergang zu sichern, und die bösen Russen sie ohne Anlass mutwillig zerstört hätten.
Und obwohl die Ritter einst ein Armutsgelübde abgelegt hatten, waren sie zu beeindruckendem Wohlstand gelangt. Da ich das Bedürfnis hatte, mich eingehend über den Erzfeind und Buhmann jenes Volkes zu informieren, dessen Gast ich für zwei Jahre war, hatte ich die Ausgabenrechnungen des Ordens in den Treßler-Büchern studiert. Da waren vom Hochmeister 700 Gramm Silber für zwei Knechte aufgewendet worden, die dem englischen König als Geschenk zwei Falken brachten. Für eine Tagung auf der Marienburg mit dem Erzbischof von Riga waren dreieinhalb Kilo Silber für 10 Pfund Rosinenkonfekt, 10 Pfund Korianderkonfekt und 10 Pfund Aniskonfekt aufgewendet worden. Und natürlich gelangten rund die Hälfte aller Bier- und Weinsendungen aus Deutschland, Italien und Welschland, die für Beratungen gedacht waren, in des Hochmeisters Privatkeller.
Ich lebte seit mehr als einem Jahr in Masuren – eine friedliche, schöpferische Zeit. Meine Behausung war ein uraltes, windschiefes Bauernhaus, aus dem die Besitzer gegen Kriegsende geflohen waren und das von den neuen Besitzern zwanzig Jahre später wiederum aufgegeben worden war. Seit der Zeit hatte es mehreren, staatlich organisierten Zwecken gedient: Als Wochenend- und Erholungsheim bot es jenes Mindestmaß an Komfort, auf das auch Naturliebhaber nicht verzichten können.
Die Abgeschiedenheit, in der ich am Urwald von Augustow zwei Jahre zu verbringen gedachte, zwang mich zur Rationalisierung der kulturellen Mittel. Ich genoss Schallplatten, Bücher und Tonbänder wie kostbare Konserven auf einem Hochseekutter. Zum dritten Mal war ich aus den Wäldern nach Danzig, in die Großstadt gefahren – sozusagen auf kultureller Hamsterfahrt. Wenn mir die Hafenstadt mit ihren 365.000 Einwohnern größer und glanzvoller als Paris oder New York zu erscheinen begann, dann wurde es Zeit für eine solche Hamsterfahrt ...
Glückliche Rückkehr durch verschnörkelte Birkenalleen! Auf dem Hintersitz, eingerahmt von Paketen, Tüten und Päckchen aller Größen, hockte, ein Cerberus vor den Toren großstädtischer Zivilisationsprodukte, der Dackel Cäsar. Cäsar ist ein Kurzhaardackel mit mäßigem Stammbaum, aber sozusagen überhündischer Bescheidenheit und Geduld auf Autofahrten. Als ich
mich kurz umwandte, reckte er seine vibrierende Schnauze vor, während seine Zunge bis auf wenige Zentimeter an mein Gesicht heranleckte: eine weitere erstaunliche Fähigkeit. Er wusste, dass ich seine Zunge in meinem Gesicht nicht mochte. Dort, übereinander getürmt, stapelten sie sich – die Schätze, die mir durch Frühjahr und Vorsommer helfen würden. Die Schallplatten der
polskie nagrania
und bulgarischen
balkanion.
Einundzwanzig Bände der Tolstoi-Gesamtausgabe des Aufbau Verlages. Romane, Erzählungen, Symphonien, Rhapsodien, Bildbände, Tonbänder, Whisky- und Cognacflaschen.
Querab von Elbing, hinter der alten Autobahn nach Königsberg, machte ich die erste Rast, entkorkte eine Flasche Honigwein, schnitt ein Stück Trappistenkäse ab, brach das dunkle, knackige Landbrot, das ich im Außenbezirk von Danzig gekauft hatte. Scharen von Störchen zogen über meinem Fiat hinweg und ließen sich schwirrend auf einer Heuwiese nieder, die gerade gewendet wurde. Pastoraler Frieden lag über der Landschaft, die nach dem kurzen erfrischenden Schauer nach prallem Leben roch.
Wenige Stunden später, als ich mich dem Mauersee näherte, befiel mich eine jener impulsiven Ideen, die logisch nicht zu erklären sind. Ein Holzschild zeigte von der Straße hinter Rastenburg, das jetzt Ketrzyn hieß, nach Gierloz: acht Kilometer bis zum ehemaligen Hauptquartier Hitlers, der Wolfsschanze. Schon bog ich auf die schmale Chaussee ein. Mehrmals war ich an diesem Wegweiser vorbeigekommen, ohne dass er einen Impuls ausgelöst hätte. Wollte ich plötzlich Vergangenheit bewältigen, politische Bildung nachholen?
Ich lebe in seltsamer Weise in der Vergangenheit. Schon jetzt, kurze Zeit hinter der Nogat und nach meiner Rast, sind die Erinnerungsbilder davon stärker, als es der unmittelbare Eindruck war. Ich sehe den Westflügel des Hochmeisterpalastes hoch aus den Baugerüsten des Flussufers ragen, erinnere mich des Farbspiels, das die Sonne auf den Wellenkreisen zweier Fischerboote ausführte. Cäsar hatte sich bei meinem ersten Picknick mit einem wilden Sprung aus dem Fond ins Gras gestürzt und war imaginären Hasen nachgejagt. Erst jetzt wurden mir Einzelheiten bewusst: schniefend hatte er vor einem Erdloch gekratzt und gescharrt, dass die Pflanzenfetzen flogen. Zerzaust und mit Lehmballen an den Pfoten war er zurück ins Auto gestürmt. Es hatte mich nicht gestört; es störte mich erst jetzt.
Ich absolvierte das komplizierte Eintrittsverfahren am Eingang zur Wolfsschanze. Eine Schranke versperrte die Auffahrt zum Parkplatz. Man stieg aus und versuchte einem attraktiven, aber nur polnisch sprechenden Schaltermädchen klar zu machen, dass man eine Eintrittskarte zu erwerben beabsichtigte, um durch die Sperre zu gelangen. Das schien ein seltsames Ansinnen zu sein, obwohl der Parkplatz vollgestopft war mit Bussen aus der
ddr,
der
brd,
Holland, Polen, Bulgarien. Schließlich, nach langen Pantomimen, erwarb man zwei Karten, eine offensichtlich für den Parkplatz, die andere für die Bunker, das Museum und einen Kinosaal, wo nonstop ein Dokumentarfilm über den Zweiten Weltkrieg gezeigt wurde, aus dem hervorging, dass er nur durch das siegreiche Eingreifen der ruhmreichen polnischen Armee hatte beendet werden können.
Ich verließ nach wenigen Minuten den mit Schulklassen und Touristengruppen vollgepferchten Saal und nahm im angrenzenden Café einen jener polnischen Espressos zu mir, der Tote aufweckt. Dann begann ich, ziellos den Wald zu durchstreifen, in dem die Überreste der gesprengten Bunker zerstreut lagen wie die Gebeine