Denk doch mal an was anderes: BsB_Roman
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Marie Cordonnier
Schreiben und Reisen sind Marie Cordonniers Leidenschaft. Immer wenn sie unterwegs ist, bekommt ihre Phantasie Flügel. In den Ruinen einer mittelalterlichen Burg hört sie das Knistern der Gewänder, riecht Pechfackeln und hört längst verstummte Lautenklänge. Was haben die Menschen dort gefühlt, was erlitten? Zu Hause am Schreibtisch lässt sie ihrer Phantasie freien Lauf. Der Name Marie Cordonnier steht für romantische Liebesromane mit historischem Flair. Marie Cordonniers bürgerlicher Name ist Gaby Schuster. Sie schreibt auch unter den Pseudonymen Valerie Lord und Marie Cristen. Mehr über sie gibt es auf www.marie-cordonnier.de zu lesen.
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Denk doch mal an was anderes - Marie Cordonnier
anderes
Denk doch mal an was anderes
BsB_Roman
Die Sonne stand bereits schräg, aber es war immer noch viel zu heiß für jede Art von körperlicher Arbeit. Sammy Mendez richtete sich aus der gebückten Haltung auf und wischte sich mit dem farbverschmierten Handrücken den Schweiß von der Stirn.
Sein Blick fiel auf eine Staubwolke, die dem Verlauf der Sandpiste in Richtung Metkins Farm folgte. Sofort ließ er den Pinsel zurück in den Eimer mit Holzschutzfarbe sinken.
»Mensch, Cat, schau mal! Kann das schon Red mit den Jungs sein? Die wollten doch eigentlich in Apple Valley zu Abend essen und erst fahren, wenn’s kühler wird!«
Cat Galway folgte seinem Beispiel und reckte die verspannten Schultern. Sie schob die Mütze, die ihre Haare schützte, ein wenig in den Nacken und verengte die Augen. Sie glaubte jeden Knochen im Leib zu spüren. Dieser verflixte Schuppen war doch wesentlich größer, als es zunächst den Anschein gehabt hatte. Sie unterdrückte den Seufzer, nach dem ihr zumute war, und pfiff stattdessen leise.
»Wie kannst du Reds alte Klapperkiste mit einem nagelneuen Range Rover verwechseln, Sammy? Bekommt dir das Wüstenklima so schlecht?«
Autos mit Vierrad-Antrieb waren zwar keine Seltenheit am Rande der Mojave-Wüste, aber blaumetallic schimmernde Luxusausführungen zählten zu den Raritäten. Für Cat ließ das nur einen logischen Schluss zu:
»Schon wieder einer dieser betuchten Knaben, der sich verfahren hat, als er sein neuestes Spielzeug unter Wüstenbedingungen testen wollte. Wetten, dass er uns nur fragt, wo’s hier nach Apple Valley geht?«
Das riesige Erholungsgebiet von Apple Valley lag zwar einige Meilen entfernt, aber die Bewohner der Farm hatten so ihre Erfahrungen mit den Touristen gemacht. Auch Sammy, der nur in den Semesterferien mit draußen war, wusste Bescheid.
»Wenn du meinst...«
Es klang enttäuscht, und Cat unterdrückte ein Grinsen. Sie verübelte ihm nicht, dass er nach einer Gelegenheit suchte, dieser Malertätigkeit, zu der sie ihn überredet hatte, den Rücken zu kehren. Schließlich hatte sie selbst Mühe durchzuhalten.
Die Metkins-Farm war ein Fass ohne Boden. Jede Ecke, die sie erneuerten, legte nur andere, noch schlimmere Schäden frei.
Inzwischen war der Geländewagen näher gekommen und bremste sanft neben ihnen ab. Aus dem offenen Fahrerfenster beugte sich ein Mann, dessen gebräuntes Gesicht von einer großen Sonnenbrille halb verborgen war.
»Hallo, Boys!«, grüßte er sie lässig. »Könnt ihr mir sagen, ob das hier die Metkins-Farm ist?«
Cat hielt es nicht für nötig, den Irrtum in Bezug auf ihre Person aufzuklären. Wenn er sie beide für männliche Anstreicher hielt, so war ihr das recht.
»Klar doch, Sir!« Sie schlüpfte in die angebotene Rolle und bemühte sich, tief zu sprechen. »Sind Sie angemeldet? Dr. Mendez erlaubt Elternbesuche nur, wenn sie vorher mit ihm abgesprochen wurden.«
Der Fremde nahm die Sonnenbrille ab, und Cat realisierte, dass er wesentlich jünger war, als sie nach seiner tiefen rauen Stimme gedacht hatte Vielleicht Ende dreißig, Anfang vierzig.
»Wer, zum Teufel ist Dr. Mendez, Boy?« brummte er unwillig. »Ich hatte keine Ahnung, dass die Farm bewohnt ist. Und obwohl ich einige Jobs am Hals habe, der eines Vaters zählt noch nicht dazu.«
Cat vergrub die Hände in den Taschen der ausgebeulten Latzhose, die sie zu einem T-Shirt von undefinierbarer Farbe trug. Was für ein arroganter Zeitgenosse! Da sie zu ihrem größten Bedauern nur winzige 164 Zentimeter maß, befanden sich ihre Augen fast auf gleicher Höhe. Sie sah in graugrün schattierte Pupillen, die sie von der schäbigen Mütze bis zu den zu großen Gummistiefeln prüften.
»Und was suchen Sie dann hier, wenn Sie nicht zu Dr. Mendez wollen?«, antwortete sie langsam in einer provozierenden Kopie seines Tonfalls.
Sein Blick zeigte deutlich, dass er überrascht war. Instinktiv begriff sie, dass er es nicht gewohnt war, dass man ihm widersprach. Nun, sie würde sich nicht einschüchtern lassen!
»Okay, kleiner Mann«, meinte er jetzt grinsend. »Nimm mich nicht gleich auf deine Hörner. Nachdem du mir bestätigt hast, dass diese Ansammlung höchst baufälliger Kulissen die Metkins-Farm ist, will ich sie mir einfach mal ansehen. Was dagegen?«
»Eine Menge«, fauchte Cat, von seiner überheblichen Art gereizt. »Die Vergnügungsparks sind in Apple Valley. Metkins-Farm ist Privatbesitz, und wir finden es nicht sonderlich komisch, wenn Außenstehende bei uns herumschnüffeln. Oder sind Sie etwa vom Jugendamt? Kann ich dann erst einmal Ihren Ausweis sehen?«
Er hob die Brauen, und sein Erstaunen wirkte ungekünstelt. »Warum das denn? Bist du von zu Hause ausgerissen, Kleiner? Würde mich nicht wundern, dass du Schwierigkeiten hast, wenn du mit allen Erwachsenen in diesem Tonfall redest. Sei lieber ein bisschen höflicher, sonst legt dich eines Tages noch einer einfach übers Knie!«
Die Verwechslungskomödie war in Cats Augen nicht länger komisch. Hinzu kam, dass er auf ein Thema anspielte, bei dem sie nicht die Spur von Humor besaß.
»Wollen Sie mir drohen?«, zischte sie erbost. »Diese baufälligen Kulissen, wie Sie so hübsch sagten, sind voll von Kindern, die sich mit der Welt der Erwachsenen angelegt haben. Einer Welt, die glaubt, dass man sie mit Schlägen und Gewalt erziehen kann. Es ist keine Kunst, sich wie ein Büffel vor einem aufzuspielen, der kleiner und jünger ist.«
Sie spürte selbst, dass sie übertrieben reagierte, aber irgendetwas an diesem Mann machte sie wütend. Weckte in ihr den Wunsch, seine gelassene Ruhe und Selbstsicherheit zu zerstören. Wie dieser arrogante und aufgeblasene Wichtigtuer in seinem Zwanzigtausend-Dollar-Auto saß! Er ließ sich nicht mal provozieren! Im Gegenteil – er lachte höchst vergnügt.
»Du scheinst mir auf jeden Fall eher ein Skorpion als ein Bison zu sein, Kleiner. Und jetzt Schluss mit dem Blödsinn, auch wenn das hier so aussieht, als käme jeden Moment der gute alte John Wayne um die Ecke – ich habe keine Lust, mich mit dir zu duellieren. Ich komme aus Los Angeles, mein Name ist Norman Long. Wenn mich mein Anwalt richtig informiert hat, dann gehört dieses Sammelsurium aus Bonanza und High Chaparall seit geraumer Zeit mir.«
Unter dem Schock dieser Nachricht blieb Cat glatt die Sprache weg. Sammy sprang ein.
»Unmöglich«, protestierte er temperamentvoll. »Bill hat den Mietvertrag mit einer alten Frau abgeschlossen, die in Big Bear City wohnt. Von einem Mann oder gar einem Anwalt war keine Rede dabei!«.
Obwohl er der Diskussion sichtlich überdrüssig war, bequemte sich der Besucher zu einer weiteren Erklärung.
»Ich nehme an, du sprichst von meiner Tante Judith. Sie ist vor einem Monat gestorben, und ich bin ihr einziger Erbe. Ehrlich gesagt, ich hatte nicht damit gerechnet, dass ich mich auch noch um dieses alte Ding kümmern muss. Ich dachte, sie hätte die Farm längst verkauft. So, und jetzt möchte ich mein prachtvolles Erbe in aller Ruhe besichtigen. Okay?«
Cat räusperte sich nervös.
»Was haben Sie... ich meine, wissen Sie schon, wie es weitergehen soll? Verlängern Sie den Mietvertrag mit Dr. Mendez?«
Sein Seufzer bewies, dass er sie tatsächlich für einen schmächtigen, lästigen und viel zu neugierigen Malerlehrling hielt, der einen Erwachsenen davon abhielt, das zu tun, was er im Sinn hatte.
»Oh, Boy, du bist mir ein hartnäckiger Typ! Glaubst du, ich binde dir meine Pläne so einfach auf deine Sommersprossen? Wenn, dann will ich mit diesem Dr. Mendez reden und sonst mit keinem. Wo finde ich ihn?«
»Im Haupthaus.«
Cat ballte die Hände in ihren Taschen zu Fäusten, während sie der abfahrende Wagen in eine Staubwolke hüllte. Sammy ahnte, wie es um sie stand.
»Komm, reg dich nicht so auf«, versuchte er sie zu beruhigen. »Wir haben einen Vertrag, daran ist nichts zu rütteln. Bill braucht dem neuen Besitzer doch nur die Papiere zu zeigen, damit alles in Ordnung kommt.«
Cat prustete verächtlich.
»Sammy Mendez, du weißt sehr genau, dass dein großer Bruder einer der besten Jugend-Psychologen von Kalifornien ist. Ein Wissenschaftler. Zudem ein Idealist. Ein Mann voller Sanftmut und endloser Geduld, der an das Gute im Menschen glaubt. Jemand, den man früher mit Sicherheit heilig gesprochen hätte. Aber ich fürchte, wenn dieser Mr. Long auch nur halb so gerissen ist, wie ich glaube, sitzt das Mendez-Family-Project innerhalb von drei Wochen im Wüstenstaub und hat kein Dach mehr über seinen vielen Köpfen.«
Sie ließ die Gestalt, die vor dem Haupthaus ausstieg und die Stufen zur Veranda mit zwei sportlichen Sprüngen nahm, nicht aus den Augen. Sammy begriff nicht, warum sie so schwarzsah.
»Du erfindest Katastrophen, wo sich noch gar keine ereignet haben, Cat. Dieser Long war doch nicht unsympathisch. Ich bin sicher, man kann mit ihm reden...«
Cat zuckte mit den Schultern.
»Der liebe Gott erhalte dir deine Naivität, Sammy. Erkennst du mit deinen zwanzig Jahren keinen Wolf im Schafspelz? Norman Long ist eiskalt und gerissen! Wenn der Ärger losgeht, wirst du an mich denken.«
Sammy war sichtlich zwischen seinen normalen Gefühlen und der kritiklosen Anbetung, die er für Cat empfand, hin- und hergerissen. Sein schmales, spanisch geprägtes Gesicht mit den verträumten dunklen Augen war ein Buch, in dem Cat nur zu gut lesen konnte. Bills kleiner Bruder schwärmte seit ihrem ersten Treffen vor fast zwölf Monaten für sie. Er war nicht davon abzubringen, dass sie ihn eines Tages heiraten würde. Ihre Einwände, dass sie mit 29 zu alt für ihn sei, ihn nicht genügend liebe und außerdem nie heiraten wolle, ließ er einfach nicht gelten.
Je nach Tagesform fand Cat seine Bewunderung schmeichelnd, lästig oder albern. Sie