Die Nacht mit Isabelle: BsB_Roman
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About this ebook
Jason jedoch ist misstrauisch, aber zu sehr ist der gut aussehend, von den Frauen Umschwärmte, mit den Gespenstern seiner Vergangenheit beschäftigt. Als es Isabelle nicht mehr nur um ihr eigenes Wohlergehen geht, kommt schließlich sie in Bewegung, Entschlossen durchstößt sie ein Gespinst aus Lügen. Und schließlich lüftet sie auch das Geheimnis, das Jason Jefferson umgibt.
Marie Cordonnier
Schreiben und Reisen sind Marie Cordonniers Leidenschaft. Immer wenn sie unterwegs ist, bekommt ihre Phantasie Flügel. In den Ruinen einer mittelalterlichen Burg hört sie das Knistern der Gewänder, riecht Pechfackeln und hört längst verstummte Lautenklänge. Was haben die Menschen dort gefühlt, was erlitten? Zu Hause am Schreibtisch lässt sie ihrer Phantasie freien Lauf. Der Name Marie Cordonnier steht für romantische Liebesromane mit historischem Flair. Marie Cordonniers bürgerlicher Name ist Gaby Schuster. Sie schreibt auch unter den Pseudonymen Valerie Lord und Marie Cristen. Mehr über sie gibt es auf www.marie-cordonnier.de zu lesen.
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Book preview
Die Nacht mit Isabelle - Marie Cordonnier
Marie Cordonnier
Die Nacht mit Isabelle
BsB
BestSelectBook_Digital Publishers
© 2014 by BsB_Digital Publishers
Digitalisierung DokuFactory Groß-Umstadt
ISBN 978-3-86466-228-7
»Und jetzt grand allegro... «
Die letzte Klaviermusik schien die schmale Gestalt im dunklen Trikot mit den türkisfarbenen Legwarmers hochzutragen. Schlanke Beine streckten sich graziös in der Luft und landeten federleicht.
Einen Augenblick lang herrschte Stille in dem großen leeren Gymnastiksaal. Dann erhob sich die alte Dame am Flügel und stützte sich auf ihren Stock mit dem silberfarbenen Griff.
»Schluss für heute, Isabelle. Es ist besser, wenn du dich nicht überanstrengst. Du weißt, dass dein Bruder es nicht gern sieht, wenn du zu lange trainierst!«
»Pah!« So kurz und wütend kam dieser Protest, dass die alte Dame zusammenzuckte.
Isabelle Delorme streifte ungeduldig das elastische Band ab, das ihre langen blonden Haare bändigte.
»Mein Bruder!« Isabelles Worte klangen verächtlich. »Am liebsten würde er mich mit einem juwelenverzierten Halsband wie ein Hündchen auf einem seidenen Diwan festbinden! «
»Still!« Der Stock knallte wütend auf den Boden. »Du weißt genau, dass du deinem Bruder Unrecht tust und dass du wieder mal eine deiner Launen hast. Hör auf, mich an der Nase herumzuführen, Kind!«
Die Antwort war ein abgrundtiefer Seufzer. »Entschuldigen Sie, Madame Olga, Sie haben natürlich Recht. Aber es ist schwer zu ertragen, wie mein Bruder über mich bestimmt Warum lässt er mich nicht in Ruhe? In diesem Haus kann mir doch nichts passieren... «
Isabelle brach ab. Sie war sich im Klaren darüber, dass ihre Krankengymnastin, Gesellschafterin, Pflegerin und ältere Freundin, Madame Olga Tamerkowa, nicht begriff, wie sehr ihr Pierre in letzter Zeit auf die Nerven ging.
Sein ewiges Gerede und die schrecklichen Vorwürfe, die er sich seit dem verhängnisvollen Unfall machte, waren nicht auszuhalten.
Seine Überbesorgtheit, die sie in diesem einsamen Haus über dem Meer wie eine Gefangene einschloss, reizte sie einfach zum Protest. Schon allein deshalb, weil sie genau wusste, dass ihr nichts anderes übrig blieb, als diese Fürsorge zu akzeptieren.
Wie sollte sie ohne Hilfe leben? In dieser dunklen Welt, die nur aus Geräuschen und Berührungen bestand, war für immer jede Selbstständigkeit erstickt worden.
Isabelle schüttelte die unliebsamen Gedanken ab, konzentrierte sich kurz und ging dann mit sicheren Schritten zum Ausgang.
»Ich brauche Sie nicht mehr, Olga. Ich werde jetzt duschen und anschließend ein bisschen Sonne tanken.«
Sie wusste, dass ihre Begleiterin jetzt nickte und ihr vermutlich mit sorgenvollem Blick nachsah. Isabelle hatte so etwas wie eine besondere Antenne für das entwickelt, was die anderen Menschen dachten.
Ob es nun die liebe Olga war, die ihr gutes Herz hinter schroffen Ermahnungen verbarg, Lisette, die Köchin und Haushälterin, oder Constant, der Gärtner.
Alle waren ständig bemüht, ihr alle Schwierigkeiten aus dem Weg zu räumen. Ganz zu schweigen von Pierre, dessen Schuldgefühle manchmal wie ein Felsblock auf ihr lasteten. Und alle versagten Isabelle hartnäckig die Erfüllung ihres sehnlichsten Wunsches: ganz normal behandelt zu werden. Sie war blind! Seit drei endlosen, verzweifelten Jahren blind, ohne jede Hoffnung, jemals wieder sehen zu können. Die besten Ärzte Europas hatten nichts ausrichten können.
Isabelle versuchte mit zusammengebissenen Zähnen dieses Leben zu ertragen. Es musste doch auch für einen blinden Menschen etwas Sinnvolles zu tun geben! Auch ein Leben in Dunkelheit konnte doch nicht nur aus Schlafen, Essen, Vorlesen und tänzerischer Gymnastik bestehen.
Warum verstand niemand ihre Sehnsucht nach richtigem Leben? Warum packten alle sie in Watte und fürchteten schon um ihre Gesundheit, wenn das Ballett-Training einmal die übliche Stunde pro Tag überschritt?
Unter der eiskalten Dusche fand Isabelle Ablenkung von ihren deprimierenden Gedanken. Auf dem breiten Polsterbett lagen – in der üblichen, korrekten Anordnung – ihre Kleidungsstücke, die Madame Olga jeden Morgen für sie aussuchte.
Ihre Fingerspitzen ertasteten die Spitzenkante des seidenen Bodys, das ihre zierliche Figur betonte.
Prüfend fuhr Isabelle mit den Händen über ihre kleinen festen Brüste, den flachen Bauch und die schlanken Oberschenkel. Ein sportlicher durchtrainierter Körper, der einem Mann gefallen würde, wenn sie je einen zu „sehen" bekäme.
Bitter auflachend schlüpfte Isabelle in das hautenge Trikotkleid, schob die Träger über die Schultern und genoss den weichen Stoff auf ihrer Haut.
Obwohl sie weder Farben noch Schnitte sehen konnte, legte sie Wert darauf, modisch und gut gekleidet zu sein. Es war so eine Art Verbindung mit der richtigen Welt.
Auch die unvermeidliche, große Sonnenbrille und die flachen Tanzschuhe mit der hauchdünnen Veloursledersohle waren bereitgelegt.
Isabelle hatte schnell festgestellt, dass sie sicherer gehen konnte, wenn sie durch dünne Sohlen auch die kleinste Veränderung des Bodens spüren konnte. Pierre, dem keine Verrücktheit für sie zu teuer war, ließ diese Schuhe in allen Farben für sie anfertigen.
Unter seiner Anleitung war auch das alte Ferienhaus der Delormes so umgebaut worden, dass es keine Schwellen oder Hindernisse für Isabelle gab.
Der weitläufige Bungalow, der versteckt in einem wildromantischen, provençalischen Park lag, war Isabelles Heim, das sie seit 18 Monaten nicht mehr verlassen hatte. Hoch über einer schmalen Sandbucht, die nur vom Meer aus zugänglich war, gehörte es zu jenen Villen, die die Bucht von St. Tropez bis hinaus zum Cap St. Pierre säumten.
Als Isabelle die Zimmertür öffnete, blieb sie einen Moment lauschend stehen. Das Töpfeklappern aus der Küche verriet, dass Lisette vom Markt zurück war. Madame Olga leistete ihr sicher Gesellschaft, um den neuesten Klatsch aus St. Tropez zu hören.
Das bedeutete, nur Constant war im Garten und der würde sie nicht verraten. Lautlos huschte sie über die Teppiche und erreichte die kleine Gartenpforte zum Strandweg, die Constant stets geölt und geöffnet hielt. Er war der einzige Mensch, der begriff, dass Isabelle sich in den Mauern des Gartens eingesperrt fühlte, auch wenn sie sie nicht sehen konnte.
Er hatte den Weg hinunter in die Bucht ausgeholzt, von Hindernissen befreit und ihr die ersten paar Male geholfen. Jetzt fand Isabelle den Pfad auch ohne jede fremde Unterstützung.
Er zog sich in Serpentinen den Hang hinunter und war von Ginster und wilden Rosen gesäumt.
Isabelle sog den süß-würzigen Duft des blühenden Ginsters ein und versuchte, sich das satte Sonnengelb seiner Blüten in Erinnerung zu rufen. Eine sanfte Brise vom Meer trug eine Prise Salzluft herüber, und das leise Plätschern der Wellen beruhigte Isabelles gereizte Nerven.
Sie wandte sich dem Meer zu und lehnte sich mit dem Rücken an eine der windzerzausten Kiefern, die hier hartnäckig der Witterung trotzten. Über dem Rückenausschnitt des Kleides spürte sie kratzig die raue Rinde. Ein schmerzhafter Kontakt mit der Wirklichkeit, den Isabelle auf seltsame Weise genoss.
Einige Zeit ignorierte sie das warnende Kribbeln in ihrem Magen, zu unglaublich war die Vermutung. Sie spürte, dass sie nicht allein war. Doch dann wandte sie den Kopf mit einer schnellen Bewegung nach links.
»Wer sind Sie?«, fragte sie.
Ein leises, amüsiertes Lachen antwortete Isabelle. Ein Mann. Der Stimme nach ein jüngerer, selbstsicherer Mann, dachte Isabelle.
»Wie kommen Sie an diesen Strand?« Sie unterdrückte den Anflug von Angst.
»Sollte ich das nicht eher Sie fragen, Mademoiselle? Ich habe wenigstens mein Boot dabei. Aber welcher Zufall bringt Sie auf diesen Schmugglerpfad? Man sagte mir, die meisten dieser Buchten seien Privatbesitz, für Touristen kaum zu erreichen...«
Isabelle setzte ein Puzzle aus wenigen Andeutungen zusammen. Er sprach Französisch, mit einem leichten Akzent. Sie tippte auf Amerikaner. Seine Lässigkeit deutete darauf hin, dass er es gewöhnt war, von Frauen bewundert zu werden. Er konnte ja nicht ahnen, dass ihre Augen nichts mehr sahen.
»Wer sagt Ihnen denn, dass ich eine Touristin bin... «, antwortete sie mit einer Gegenfrage.
Wieder dieses Lachen.
»Nun, zumindest wirken Sie, als wären Sie aus dem Schaufenster einer Boutique am Alten Hafen von St. Tropez entstiegen. Erst heute Morgen habe ich dort diese eigenartigen, bonbonfarbenen Trikotschläuche bestaunt und mich gefragt, ob es eine Frau auf der Welt gibt, die die Traumfigur hat, sie tragen zu können, ohne dass es aussieht, als hätte sie ihrem Opa die Wäsche geklaut...«
Isabelle lächelte. Ein geschickter Jongleur mit Worten war dieser Unbekannte...
»Tatsächlich? Verpetzen Sie mich jetzt bei meinem Großvater?«, parierte sie schlagfertig.
Das Knirschen des Sandes verriet ihr, dass er näher kam. Ihre empfindliche Nase nahm den Hauch eines teuren, amerikanischen Rasierwassers wahr, kombiniert mit dem Aroma schwarzer, filterloser Zigaretten und Pastis. Am Vormittag schon Alkohol? Eigenartig.
»Wohl kaum... « Jetzt war der Mann beunruhigend nahe. »Bei einer Größe von eins sechzig...«
»Irrtum, eins achtundfünfzig!«, korrigierte sie ihn. Er beachtete es nicht.
»... einem Fliegengewicht von höchstens neunundvierzig