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Geld und Bewusstsein: Unser subjektives Verhältnis zu Geld verstehen – Eine Einladung zur Selbsterforschung
Geld und Bewusstsein: Unser subjektives Verhältnis zu Geld verstehen – Eine Einladung zur Selbsterforschung
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Ebook287 pages6 hours

Geld und Bewusstsein: Unser subjektives Verhältnis zu Geld verstehen – Eine Einladung zur Selbsterforschung

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About this ebook

- Kluge Sichtweise auf unser heutiges Finanzsystem und Hintergrundanalyse
- Über die innere Spaltung zwischen Geist und Materie
Praktisches Übungsbuch zum Thema Geld, Schulden, ethische Investitionen

Mayuri Onerheim entmystifiziert die psychologischen, historischen, soziokulturellen und spirituellen Dimensionen von Geld und zeigt auf, wie wir selbst einen klaren Blick auf unsere Finanzen bekommen, sodass Geld zu einem sinnvollen Werkzeug für jeden wird - als Ausdruck der eigenen Ethik und Spiritualität.
Praktische Selbsterforschungsübungen geben dem Leser die Möglichkeit seine Entwicklung über die Zeit zu beobachten. Praktische Listen helfen den Überblick über die eigene Finanzsituation zu bekommen.
LanguageDeutsch
Release dateOct 20, 2016
ISBN9783942502764
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    Book preview

    Geld und Bewusstsein - Mayuri Onerheim

    Seins".

    Kapitel 1

    Warum Selbsterforschung?

    WIR ALLE KOMMEN MIT EINER UNENDLICHEN NEUGIER AUF diese Welt. Wir sind Neugier. Begierig und freudig dabei, das unglaubliche Geheimnis unserer Existenz zu entdecken. Wir wollen alles anfassen, schmecken, am liebsten in den Mund nehmen. In dem Maße, wie wir wachsen, wird auch unsere Welt größer; das heißt, unser Wachstum geht einher mit der Entdeckung der Welt. Mit der Zeit wird dann aus: „Wie fühlt sich das an, wenn ich es in den Mund stecke?, zu „Wie kann ich mich zu diesem Tisch hochziehen?, zu „Was passiert, wenn ich alleine zu stehen versuche?".

    Natürlich ist unser Verstand noch nicht reif genug, über diese Abenteuer nachzudenken, denn unsere Fähigkeiten, sich in der Welt zurechtzufinden, bilden sich erst nach und nach aus. Unsere frühesten Erlebnisse sind präverbal; ein Säugling hat keine Meinung darüber, was ihm geschieht, er ist offen für alles, was mit ihm in Kontakt kommt, deshalb ist er auch so lebendig und aufgeregt über alles. Das Schöne daran ist, dass wir als Erwach sene, obwohl wir in festgefahrenen Gedankenmustern stecken, immer noch diese Fähigkeit haben, unserem Umfeld mit derselben Offenheit und Neugier zu begegnen.

    In diesem unschuldigen Nichtwissen, wenn wir einfach dem Impuls folgen, etwas zu erfahren und zu verstehen, können wir der Welt mit Aufrichtigkeit und in Wahrheit begegnen – wir haben nur vergessen, wie das geht.

    Wenn wir kleine Kinder beobachten, erkennen wir, wie elementar Erforschen für uns Menschen ist. Und ebenso wichtig wie für das Kleinkind ist es auch für uns, dass diese Ent deckungs reisen mit unserem Leben in Verbindung stehen. Was auch immer im Außen passiert, spiegelt sich in unserem Innern wider, das heißt, „im Einklang mit unseren Erfahrungen zu sein".

    Selbsterforschung bedeutet in diesem Kontext: eine ergebnis offene Unter suchung unserer Erfahrungen, die helfen soll, uns selbst zu verstehen. Eigentlich etwas Natürliches und Selbst verständ liches. Selbst erforschung heißt auch zu verstehen, dass alle Reak tionen und negativen Gefühle aus vergangenen Er fahrungen ent stehen. Sie färben und vernebeln unsere Wahr neh mung und verhindern, dass wir die Welt erleben, wie sie wirklich ist.

    Bis wir diese negativen Erfahrungen durch Selbsterforschung auflösen, ist es uns nicht möglich, ein freier Mensch zu sein, also jemand, der angemessen agieren kann, anstatt lediglich zu reagieren. Das Ziel unserer Reise ist, die Neugier und Offenheit, die wir als Kinder hatten, zu nutzen und selbst klarer sehen zu können, was wir wirklich machen und wie wir leben. Wo Klarheit herrscht, verändert sich das Bewusstsein. Nach und nach, durch das Erfahren vieler solcher Momente von Klarheit, verändern wir uns und können mehr wir selbst sein. Ziel ist es, Zugang zu unserem ureigensten Potenzial zu haben und das Wesen, das, was wir selbst wirklich sind, zu erkennen.

    Anfangen hinzuschauen

    Die meisten Menschen verbinden mit Selbsterforschung automatisch „Erkenntnisse durch den Verstand" bzw. die mentale Suche nach Erinnerungen, Einschätzungen, Antworten auf Fragen, Problemlösungen. Aber für diese Art der Reise muss die Funktion des Verstandes anders genutzt werden: Anstatt die Führungsrolle zu übernehmen, muss er sich in den Dienst unserer Selbsterforschung stellen. Was bedeutet das für den Verstand? Anstatt alles verstehen zu wollen, muss er lernen, Augenblick für Augenblick wahrzunehmen und zu erforschen, was gerade ge schieht. Unsere Selbster forschung schließt Gefühle und körperliche Empfindungen mit ein. Ohne diese hätten wir nur ein abstraktes Verständnis der Situation. Und das allein kann uns nicht transformieren und uns in der Tiefe berühren.

    Schauen wir jetzt einmal die Selbsterforschungsreise einer Frau an, die ihre Partnerschaft in Bezug auf Geldangele gen heiten anschauen möchte. Wir werden sehen, wie Trans for ma tion gelingt, wenn wir gewillt sind, die Dinge aus einem anderen Blickwinkel anzuschauen.

    Ich bin eine verheiratete Frau, die sich in unserer Beziehung um die Finanzen kümmert, da ich glaube, dass mein Mann dazu nicht fähig ist. Ich bin oft verärgert und wünsche mir einen verantwortungsbewussteren Partner. Das führt dazu, dass ich ihm vorwerfe, nicht genug in dem Bereich zu übernehmen: d. h. Rechnungen zahlen, die Buchhaltung machen, die Steuer sachen regeln. Das führt dann zu Stress und Entfremdung in unserer Ehe.

    Jetzt richte ich meine Aufmerksamkeit auf mich, statt ihn anzuklagen. Ich schaue die Situation mit dem Ziel an zu verstehen, was wirklich vorgeht.

    Ich spüre in meine Verärgerung hinein und sie erinnert mich an die Verärgerung meiner Mutter. Ich sehe eine Verbindung und frage mich, ob die Erfahrungen, die ich bei meinen Eltern ge macht habe, mit dem Glauben an die Unfähigkeit meines Mannes zusammenhängen könnten. Ich lasse die Erinnerung an meine Mutter und ihren alkoholsüch tigen Ehemann, meinen Vater, hochkommen und erinnere mich an die Angst, das unbehagliche Gefühl im Bauch und wie es war, in dieser chaotischen Umgebung groß zu werden.

    Mein Vater hat das Haushaltsgeld in der Kneipe durchgebracht und uns hängen lassen. Es gab manchmal nicht genug zu essen, der Strom, weil unbezahlt, wurde abgestellt. Durch diese Erin ne rungen wird mir bewusst, dass mein Körper immer noch die gleichen Gefühle wie damals hat.

    Ich hätte schwören können, sie hätten nur mit meinem Mann zu tun, aber eigentlich kommen sie aus meiner eigenen familiären Geschichte. Indem ich meinen Gefühlen Raum gebe, verstehe ich, dass meine Vor stellung, die Finanzen in unserer Beziehung kontrollieren zu müssen, mit meiner Kindheitsangst zu sam men hängen, nicht überleben zu können.

    Ich erlaube mir, dieses verheerende Gefühl in meinem Bauch zu spüren, und etwas beginnt sich zu weiten, zu öffnen. Ich kann das Muster erkennen, muss mich dafür nicht verurteilen und verstehe, dass ich meine Kindheitserfahrungen auf meinen Mann projiziert habe. Bei meinem Bedürfnis, die Kontrolle über unsere Finanzen zu haben, geht es also um „Sichsicherfühlen". Jetzt wird eine andere Sichtweise möglich, ich bin weniger angespannt. Vielleicht kann ich jetzt auf ihn und Geldange le genheiten anders reagieren, obwohl mir noch nicht klar ist, wie das aussehen könnte.

    Diese Selbsterforschung verdeutlicht, was geschehen kann, wenn wir die Verantwortung über unser Leben, unsere Beziehungen übernehmen. Wenn uns bewusst wird, dass unsere Einstellungen Reaktionen auf vergangene Erfahrungen sind, können wir aufhören, die Schuld bei anderen zu suchen und unseren Blick nach innen richten. Dies ist eine 180-Grad-Wende: den Mut zu haben, sich selbst zu erforschen, unter die Oberfläche zu schauen, um zu erkennen, dass emotionale Reaktionen oft nichts anderes sind als alte Kindheitsgefühle und Glaubenssätze.

    Das bedeutet nicht, dass deine Einschätzung des anderen unbedingt falsch ist. Es kann durchaus sein, dass dein Partner chaotisch, unachtsam oder sogar waghalsig in Bezug auf Geld ist. In der Selbsterforschung geht es aber nicht um den anderen, es geht um deine Reaktionen, damit du einen tieferen Einblick in die Muster, die dich festhalten, gewinnst und dich von ihnen befreien kannst.

    Dieses Buch wird dich Schritt für Schritt begleiten, damit du dir den Stoff in deinem eigenen Rhythmus erarbeiten kannst. Wie bereits gesagt ist Selbsterforschung etwas Natürliches und du wirst dir dabei selbst begegnen. Es geht nicht darum, das hier Gesagte als die Wahrheit anzunehmen. Die Welt braucht keine ausgeborgten Wahrheiten mehr. Es geht darum herausfinden, was für dich stimmt, nur dann macht diese Reise Sinn. Gib nicht zu schnell auf, wenn du auf Schwie rigkeiten stößt. Das wird so oder so passieren und es geht jedem so. Wenn du dranbleibst, kannst du Perlen der Einsicht und Weis heit finden, die dir die Kraft zum Weitermachen geben.

    Hindernisse auf dem Weg

    Jedes Mal wenn wir eine ehrliche Selbsterforschung unserer Ein stellungen, Glaubenssätzen und Reaktionen anstreben, machen wir uns auf den Weg, Geldangelegenheiten auf spiritueller Ebene anzuschauen – leicht ist das nicht.

    Selbsterforschung ist deshalb nicht so einfach, weil es Teil der menschlichen Natur ist, die Wahrheit nicht wertzuschätzen. Das könnte damit zusammenhängen, dass nur etwas, was man besitzen kann, als wertvoll erachtet wird. Aber nur weil wir uns unserer Innenwelt zuwenden, heißt das nicht, dass wir begehrenswerte Dinge in der Außenwelt verlieren werden. Mit dem wahren Wesen in Kontakt zu kommen nimmt uns nie etwas von unserem wirklichen Wert. Mit den Worten von A. H. Almaas:

    „Du kannst berühmt sein, reich, sexy, eine Familie haben, Karriere machen, all das und du kannst es aus der Fülle des Seins erleben, anstatt ständig mehr davon zu wollen, aus der Furcht heraus zu verlieren, was du hast. Es gibt keinen Widerspruch zwischen einem seinserfüllten Leben und dem, was du von der Welt möchtest. Erst wenn wir aus unserer innersten Natur he raus leben, ist es möglich, unser Leben und die Dinge unseres Lebens zu lieben." (1)

    Dabei geht es um mehr als Verlustangst, die für diese Ein stellung verantwortlich ist. Es scheint, als ob die Wahrheit selbst bedrohlich ist. Wenn wir an unseren Einstellungen festhalten, dann ist jede Infragestellung eine Bedrohung. Das Ego verteidigt sie, da es der festen Meinung ist, sie diene seinem Schutz. Alle möglichen Konditionierungen, Muster, Selbstbilder, Verteidi gungs strate gien, Ge wohn heiten aus der Vergangenheit bilden die Struktur unseres Ichs und wir treffen auf heftigen Wider stand, wenn wir diese Schichten antasten, obwohl sie es gerade sind, die unsere wahre Natur verdecken.

    Widerstand ist oft das Erste, dem wir begegnen. Der Kopf zweifelt und lenkt ab, das Herz will jemand anderes verantwortlich machen, der Körper wird taub oder fühlt sich eingeengt an oder wir spüren einfach Trotz: „Lass mich in Ruhe." Manchmal katapultiert es uns auch aus der Selbst erforschung heraus. Die Verteidigungsstrategien unserer Psyche sind schwer zu durchschauen. Wir sollten uns davon aber nicht bremsen lassen, es gibt immer einen Weg. Wir müssen dann einfach die Selbst erfor schung auf das ausrichten, was wir jetzt spüren: auf die Gefühle oder den Widerstand. Es mag sich so anfühlen, als steckten wir in einer zähen Gummimasse fest, in einer Zwangsjacke. Aber mit der einfachen Frage: „Was ist los?" kann die Selbster for schung weiter gehen.

    Mit den emotionalen Schichten und körperlichen Empfin dungen in Kontakt zu kommen ist ein wichtiger Teil der Selbst erforschung, aber das Schmerzlichste an diesem Prozess ist unser Widerstand, um den Schmerz nicht zu fühlen. Sich einmal vorbehaltlos dem Schmerz zu stellen ist nie so schlimm, wie wir es uns vorgestellt haben.

    Das ganze Thema des Nach-innen-Gehens scheint dem Ego gegen den Strich zu gehen; hat es uns doch unser Leben lang dazu gebracht, uns dem Vergnügen zuzuwenden und dem Schmerz auszuweichen. Freud nennt es „das Lustprinzip". Er glaubte, wir besäßen einen instinktiven Drang, uns zu ver gnügen, um Schmerz zu vermeiden. Das Ego denkt, dies sei der einzige Weg, um glücklich zu sein. Dementsprechend verbringen wir viel Zeit mit Aktivitäten, die uns glücklich machen sollen . Oft geht es dabei um Geldausgeben und/oder Geldan häufen, da die meisten von uns glauben, dass mehr Geld oder mehr Besitz uns glücklicher macht.

    Warum also den Schmerz aus der Vergangenheit aufrühren? Weil nicht aufgelöster Schmerz nie wirklich weggeht. Unser Ich lernt eine Menge Strategien, um ihn zu vermeiden oder so zu tun, als sei er nicht wirklich da. Aber der Schmerz kommt immer wieder und zeigt sich in sich wiederholenden, schwierigen Lebens situationen, die wir irgendwann einmal nicht mehr ignorieren können. Können wir diese dann nicht mehr beiseiteschieben, versuchen wir es mit anderen Mitteln. Wir verändern etwas im Außen, um uns besser zu fühlen: unsere Lebens um stände oder wechseln den Partner (oder versuchen, ihn zu erziehen) oder versuchen, die Welt zu verbessern. Was wir dabei außer Acht lassen ist, dass die Vergangenheit buchstäblich in unseren Knochen steckt und die Welt weiterhin unseren Schmerz zurückspiegeln wird, bis wir das verstehen. Der Schmerz steckt in unseren Zellen, unserem Inneren fest, bis wir ihm Beachtung schenken.

    Um unser volles menschliche Potenzial zu erreichen, müssen wir Bewusstsein in diesen Prozess bringen, unsere Beziehung zum Schmerz verändern und ihn nicht mehr als Feind oder Bedrohung sehen, sondern als Freund und Wegweiser auf der spirituellen Reise zum Erwachen.

    Ein weiteres Hindernis ist unsere Tendenz zu „machen".

    Wir werden dazu erzogen, hart zu arbeiten und unsere Existenz durch persönlichen Einsatz zu sichern. „Jeder ist seines Glückes Schmied" – wem das nicht gelingt, der wird verurteilt. Diese Art zu denken deckt sich perfekt mit der Eigenschaft des Egos, immer irgendetwas tun zu wollen. Es mag uns daher schwer fallen, einfach mit unseren Erfahrungen zu sein und sie zu untersuchen. Tatsache ist, die Selbsterforschung ist kein Tun und die spirituelle Reise keine Aktivität. Der Tuende ist ein großer Teil des Problems und muss außen vor bleiben. Selbster for schung ist etwas, was geschieht, wenn wir mit unserem inneren Wesen in Kontakt kommen, mit unserer wahren Natur.

    Die spirituelle Reise ist eine Entfaltung unseres Wesens in der Wirklichkeit. Es gibt also nichts zu tun, wir müssen es nur sein. Dies mag der schwierigste Punkt sein, den es zu verstehen gilt: „Wie kann ich erforschen, ohne zu tun?"

    Wenn wir uns unserer wahren Natur zuwenden, unserem Wesen begegnen, stellt sich uns auch der Hauptwidersacher entgegen – der innere Kritiker, das Superego. Wir besitzen viele Verteidigungsstrategien und unterdrückte Teile in uns, aber das Superego wird uns am meisten behindern.

    Der Irreführer

    Der innere Kritiker (manche nennen das Superego auch den Richter) schreibt uns vor, wie wir uns zu verhalten haben, wie wir denken und fühlen sollen. Er kritisiert uns, macht uns nieder, verurteilt und beschämt uns, er droht, erniedrigt und entwertet uns. Er hat Antwort auf alles und weiß genau, wie alles laufen soll. Byron Brown nennt das Superego in seinem Buch „Soul without Shame", „die Gerichtsverhandlung des Lebens, in dem du der Angeklagte bist".(2) Seine Stimme leitet und begleitet dein inneres und äußeres Leben mit seinen Meinungen, Ermahnun gen, Ratschlägen, Vorschlägen, wie du dich zu verhalten hast. Wenn uns einmal bewusst wird, wie der innere Kritiker funktioniert, dann sehen wir auch, wie viel Zeit wir damit verbringen, uns selbst zu verurteilen. Tatsache ist: die größte Zeit unseres inneren Dialogs verbringen wir in der Auseinander setzung mit dem inneren Kritiker. Wir werden seinen Standards nie genügen und selbst wenn seine Urteile uns verletzen, glauben wir sie meist dennoch.

    Schlimmer noch, wir sind der Meinung, diesen Teil unserer Per sönlichkeit beherrschen zu wollen, dementsprechend versuchen wir, das Superego zu verändern bzw. dazu zu bewegen, seine Urteile über uns aufzuheben. Damit geraten wir nur noch tiefer in den inneren Konflikt hinein und behindern unser Erleben und unsere Gefühle.

    Das Superego hält uns davon ab, selbstbewusst zu werden. Im Kampf mit ihm verlieren wir viel Energie, an der wir uns ansons ten auf unserer inneren Reise erfreuen könnten. Es ist wirklich wichtig, diesen inneren Kritiker zu erkennen, damit wir uns gegen ihn schützen können. Aber bevor dies gelingt, müssen wir erst verstehen, was er wirklich ist und wo er herkommt.

    Wie sind wir in dieser konfliktbeladenen Beziehung mit dem Superego gelandet?

    Im Alter zwischen zwei und fünf haben wir Benimmregeln gelernt. Es gab Dinge, die wir durften, und andere nicht. Vielleicht durften wir der Mutter nicht böse sein, vielleicht hat sie dich dann geschlagen oder, schlimmer noch, dir ihre Liebe entzogen. Weil du versucht hast, diese bedingungslose Liebe von deinen Eltern zu bekommen, wolltest du nie irgendwas tun, um sie zu verärgern oder ihre Liebe zu verlieren.

    Der Schmerz und die Angst dieser Kindheitsgefühle mussten bezwungen werden, damit wir uns sicher und geborgen fühlen konnten. Also ist es die Hauptaufgabe des inneren Kritikers, uns zu beschützen. Indem wir die Regeln der Eltern verinnerlichen, glauben wir, dass wir so sein sollen. Zusätzlich haben wir die kulturellen Standards und die Religion unserer Ursprungsfamilie angenommen. Das Superego ist meisterlich darin, etwas Wahres in diesen Verhaltensregeln zu finden, um sie dann gegen uns zu verwenden. Es versucht unablässig, uns innerhalb der Regeln zu halten, und attackiert uns, wenn wir uns davon entfernen wollen. So kann es leicht passieren, dass wir nicht mehr zwischen unserem angeborenen Gewissen – einem authentischen und lebensbejahenden Gefühl – und dem rigiden moralischen Kodex des Super egos unterscheiden können.

    Was für uns aber als Kinder wichtig war, ist nicht länger nützlich, ist eher ein Zeichen stagnierender Entwicklung. Wenn wir den Regeln des Über-Ichs folgen, bleiben wir in der Vergangen heit stecken. Und der Versuch, allen Schmerz von uns fernzuhalten, hält uns darin fest. Das Über-Ich blockiert unsere natürliche Entfaltung, deshalb ist es wichtig, sich gegen seine Angriffe zu wappnen. Solange wir noch auf unbewusste Art dem Über-Ich folgen, verpassen wir die Chance, dem tiefsten, wahrsten Teil unseres Selbst zu begegnen. Sich gegen die Angriffe des inneren Kritikers zu wappnen ist der Beginn der Tren nung davon (siehe Anhang: Die Autorität des inneren Kritikers infrage stellen).

    Je stärker du wirst und je mehr Vertrauen du in dich selbst gewinnst, desto besser kannst du dem inneren Kritiker ent gegen treten, desto mehr wirst du offen sein für die Wahrheit und ein inneres Leitsystem entdecken, das in der Wirk lichkeit verankert und Teil deines Selbst ist. Dieses authentische Selbst agiert aus dem Sein, anstatt sich von veralteten verletzenden Einflüssen leiten zu lassen. Die gute Nachricht ist: Dieses authen tische Selbst musst du nicht mühselig zusammensetzen, es ergibt sich einfach, du wirst es erkennen, es ist nichts Ge trenntes von dir, es ist das, was du wirklich bist.

    Mit der Zeit entwickeln wir bestimmte Eigenschaften und Fähigkeiten, die eine Selbsterforschung unterstützen. Wir werden noch mehr entdecken, je tiefer wir uns auf die Erforschung einlassen. Hier die

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