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Nachts in Soho: Erotischer Krimi
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Nachts in Soho: Erotischer Krimi
Ebook196 pages2 hours

Nachts in Soho: Erotischer Krimi

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About this ebook

Kriminologiestudent Niklas beginnt ein Auslandssemester in London und ist froh, dass er in seinem Zimmernachbarn Greg schnell einen neuen Freund findet. Während Greg ihm die Stadt und vor allem das schwule Nachtleben von Soho zeigt, kommen sich die beiden Jungs schon bald näher ... Doch Greg ist bereits mit einem reichen Geschäftsmann liiert und als dieser tot aufgefunden wird, fällt der Verdacht sofort auf ihn. Nur Niklas ist von Gregs Unschuld überzeugt und bereit, den wahren Täter mit Scharfsinn und vollem Körpereinsatz zu stellen.
LanguageDeutsch
PublisherBruno-Books
Release dateDec 6, 2016
ISBN9783959852609
Nachts in Soho: Erotischer Krimi

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    Nachts in Soho - Dirk Schiller

    20

    KAPITEL

    1

    Meine Oma hat immer gesagt, Paranoia sei ansteckender als Husten. Und ich bin mir sicher, dass sie wusste, wovon sie sprach, weil sie nämlich den größten Teil ihres Lebens in der DDR verbracht hat.

    Ich glaube, der Sinn dieses Spruchs ist eigentlich, die Leute zu beruhigen, weil man sich damit schließlich sagt: Hey, du bildest dir bestimmt nur ein, dass zehn Meter hinter dir einer im Busch sitzt und dich beobachtet. Das war auch genau der Grund, warum ich an Oma denken musste an diesem Sommerabend, als ich mit Greg auf dem Parliament Hill stand und wir schweigend auf die vor uns liegende Stadt blickten. Greg war am Abend zuvor aus der Untersuchungshaft entlassen worden, und weil er so ein waschechter Naturbursche ist wie aus einem dieser Kalender mit den sexy Bauern, wollte er nach acht Tagen in einer winzigen Zelle unbedingt irgendwohin, wo er ein bisschen Platz und vor allem Grün um sich herum spüren konnte. Also habe ich mich von ihm nach Hampsted Heath schleppen lassen, diesen riesigen Park im Norden Londons, der weniger wie eine gepflegte englische Rasenlandschaft, sondern vielmehr wie eine verwilderte Weide wirkt. Wie in Wales eben, wo Greg ja herkommt.

    Ich bin gerne mitgegangen, weil ich ebenfalls ein Landkind bin und nach zwei Wochen in dieser riesigen Stadt schon langsam das Gefühl hatte, ein bisschen den Bezug zur Natur zu verlieren. Und am Anfang war es auch ein schöner Ausflug. Wir spazierten im Sonnenuntergang über die riesige Weide, tauschten Blicke aus und hielten zum ersten Mal verstohlen Händchen, und weil es bald anfing, kurz zu regnen, waren wir schnell weit und breit die einzigen Spaziergänger, die noch übrig waren. Wir nutzten das, indem wir es in dem nassen, aber warmen Gras trieben wie die Wilden und dann einfach so lange eng umschlungen liegen blieben, bis es um uns herum ganz dunkel und still geworden war und wir fast das Gefühl hatten, die einzigen beiden Menschen auf einer einsamen Insel zu sein.

    Aber genau das war dann das Problem. Als wir nämlich ein paar Minuten später auf dem Parliament Hill standen, überkam mich plötzlich das dumpfe Gefühl, dass wir so alleine gar nicht mehr waren. Greg hatte seinen Arm um mich gelegt und mir kurz zuvor zum ungefähr fünfzigsten Mal feierlich und unter Tränen geschworen, dass er in seinem ganzen Leben noch niemanden umgebracht hatte, wovon ich natürlich längst überzeugt war – spätestens seit meinen Entdeckungen in der Nacht zuvor. Aber selbst wenn ich immer noch geglaubt hätte, dass Greg ein Mörder sein könnte, wäre ich in diesem Moment trotzdem verdammt froh gewesen, ihn bei mir zu haben. Denn dieses verräterische Knacken im Gebüsch hinter uns und vor allem das ungute Gefühl, dass mich irgendjemand ziemlich Mächtiges auf seiner Abschussliste stehen hatte, machten mir definitiv mehr Angst als alles, was Greg mir hätte antun können.

    Ich merke schon, ich sollte die Geschichte von vorne erzählen, weil das jetzt wahrscheinlich erst einmal ziemlich unverständlich klang. Dass ich mich beim Berichten mehr auf das Wesentliche und vor allem auf die richtige Reihenfolge konzentrieren soll, habe ich schon oft gesagt bekommen. Es fällt mir nur leider manchmal etwas schwer, mich daran zu halten, weil meine Gedanken sich oft mehr so in Schleifen bewegen und nicht immer streng geradeaus – was besonders auf der Arbeit peinlich werden kann, vor allem wenn man bedenkt, dass ich es trotzdem irgendwie geschafft habe, mein Kriminologiestudium als Jahrgangsbester zu beenden, und demnächst beim BKA in Wiesbaden anfangen soll. Das ist auch der Grund, weshalb ich den Sommer überhaupt in London verbracht habe. Also, in gewisser Weise. Aber eins nach dem anderen.

    Und nur, um wenigstens diesen Gedanken noch schnell zu Ende zu bringen: Greg und ich standen also auf dem Hügel, hielten uns im Arm und blickten gedankenverloren ins Weite. Es war Neumond, und am Himmel zog keine einzige Wolke mehr vorbei, die die Lichter der Stadt hätte reflektieren können, also war es echt finster um uns herum. Und dann dieses Knacken im Gebüsch, viel zu laut für einen Vogel oder ein Eichhörnchen, auch wenn die britischen Squirrels echt Riesenbiester sind. Ich drehte mich erschrocken in die Richtung, aus der das Geräusch gekommen war, und wenn ich es mir nicht komplett einbildete, leuchtete da ganz kurz ein rotes Lämpchen auf, wie von einer Kamera. Oder einem Scharfschützengewehr?

    Jetzt spinnst du aber wirklich, Niklas, sagte ich in Gedanken zu mir selbst. Ein Scharfschützengewehr, also bitte. Doch in Anbetracht der Dinge, die ich in den Tagen zuvor erlebt hatte, war das gar nicht mal so abwegig, wie es jetzt vielleicht klingt.

    »Was ist los?«, fragte Greg, der natürlich gemerkt hatte, dass mich irgendwas beunruhigte. Er nahm seinen Arm von meiner Schulter und trat einen Schritt von mir weg. Wahrscheinlich dachte er, dass ich Angst vor ihm hatte, dabei war in dem Moment das genaue Gegenteil der Fall.

    »Alles okay«, antwortete ich schnell und drückte mich wieder an ihn. »Mir wird nur langsam ein bisschen kalt. Lass uns nach Hause gehen.«

    Paranoia ist ansteckender als Husten. Ich versuchte, den Spruch meiner Oma in Gedanken vor mich herzusagen und mich damit zu beruhigen, was mir für einen Moment sogar ganz gut gelang. Dummerweise fiel mir dann aber ein, was Opa ihr immer geantwortet hatte: Paranoid zu sein, heißt noch lange nicht, dass man nicht trotzdem verfolgt wird.

    KAPITEL

    2

    Wenn man in Chemnitz geboren und in Flensburg aufgewachsen ist und in seinem ganzen Leben höchstens mal in Dänemark im Urlaub war, dann hat man nicht die geringste Vorstellung davon, wie unglaublich groß London ist. Ich meine, natürlich weiß jedes Kind, dass London groß ist, aber wie verdammt unfassbar riesig es tatsächlich ist, kapiert man erst, wenn man aus dem Flugzeugfenster einmal draufgeschaut hat – und dann plötzlich mittendrin steht. Im Herbst zuvor hatte ich für ein Praktikum immerhin ein paar Wochen in Berlin verbracht, doch selbst die deutsche Hauptstadt kommt einem im Nachhinein wie ein Dorf vor, wenn man pünktlich zur Rush Hour am frühen Freitagabend an der Liverpool Street Station aus dem Flughafenbus steigt.

    Das ist also London, dachte ich, während ich mit meinem Koffer eine Weile einfach nur mitten auf dem Bürgersteig stand (was mir die meisten Pendler ziemlich übel nahmen), den Geruch der Stadt einatmete und versuchte, all die neuen Eindrücke in mich aufzunehmen. Ich blickte mich um und musste laut auflachen, als ich auf der anderen Straßenseite einen winzigen, typisch britischen Pub entdeckte, wie ich ihn aus meinem alten Englischbuch aus der Schule kannte. Nur dass dieser hier zwischen den ganzen hypermodernen Glasgebäuden der Banken und Anwaltskanzleien total deplatziert wirkte, ein bisschen wie ein Raumschiff aus dem elisabethanischen Zeitalter. Die ganzen Bürotürme waren das Zweite, das mir ins Auge fiel. Und das Dritte waren die Männer, die in ihren schicken Anzügen und mit ihren handgenähten Ledertaschen aus den Gebäuden heraus- und direkt auf mich zuströmten, weil ich ja vor dem Eingang zum Bahnhof stand und ihnen den Weg blockierte. Aber darauf konnte ich wirklich nicht auch noch achten.

    Ich hatte schon so viele Schauergeschichten über das Aussehen der britischen Männer gehört. Und wenn man sich mal die englische Nationalmannschaft oder den größten Teil der Königsfamilie anschaut (außer Harry natürlich), ist man tatsächlich geneigt zu glauben, dass auf dieser Insel nur hässliche Kerle leben. Vielleicht war ich auch einfach nur ausgehungert, weil ich schon seit zwei Wochen keinen Sex mehr gehabt hatte, aber ich muss sagen, dass unter den ganzen Typen mit ihren strengen Seitenscheiteln und den gepflegten Dreitagebärten definitiv so viele Hübsche dabei waren, dass ich innerhalb von zwei Minuten genügend Jungs für eine kleine Orgie zusammenbekommen hätte. Die meisten wirkten auf ihrem Nachhauseweg nur leider so gehetzt, dass sie wahrscheinlich nicht einmal für einen Blowjob kurz angehalten hätten.

    Nachdem ich eine Weile lang umhergestarrt hatte, zwang ich mich, meinen Koffer zu schnappen und mich auf den Weg zu meinem Wohnheim zu machen. Schließlich würde ich in den nächsten sechs Wochen noch genug Gelegenheit zum Sightseeing haben, und ich wollte unbedingt vor Einbruch der Dunkelheit angekommen sein – denn trotz aller Begeisterung muss ich zugeben, dass mir die Stadt auch ein kleines bisschen Angst machte. Weil mein Handy noch nicht für die Internetnutzung im Ausland freigeschaltet war und ich damit auch nicht auf meine Karten-App zurückgreifen konnte, hielt ich mich genauestens an die ausgedruckte Wegbeschreibung, die mir die Uni zugeschickt hatte. Also fuhr ich mit der Central Line bis zur Tottenham Court Road und ging von dort (ohne mich zu verlaufen!) die fünf Minuten bis zur angegebenen Adresse – obwohl ich beim ersten Mal natürlich länger brauchte, weil ich damit beschäftigt war, mich staunend umzusehen.

    Das Wohnheim lag schräg gegenüber von einem dieser bekannten Londoner Musicaltheater und war ein fünfzehnstöckiger Klotz aus rotem Backstein. So weit, so gut, dachte ich und ließ mir an der Rezeption meinen Schlüsselkarte aushändigen. Als ich dann allerdings in meinem Zimmer im achten Stock stand, das mehr an einen Hasenstall als an eine gemütliche Unterkunft erinnerte, musste ich doch erst einmal schlucken: Ein fest im Boden verschraubter Schreibtisch, der aussah wie vor dreißig Jahren vom Sperrmüll geholt, ein winziger Schrank (abschließbar, immerhin), ein knarzendes Bett mit einem einzelnen Regalbrett darüber, dazu ein klitzekleines Waschbecken neben der Tür. Und zwischen all dem so wenig Boden, dass ich nicht einmal meinen Koffer richtig aufklappen konnte.

    Da ist mein Wohnheimzimmer in Flensburg ja fast dreimal so groß gewesen, dachte ich. Und es hatte im ganzen Monat so viel gekostet wie man hier wöchentlich abdrücken durfte. Na ja, immerhin musste ich es nicht selbst bezahlen, also wollte ich mich auch nicht beschweren. Und für die nächsten paar Wochen würde es schon gehen. Als Allererstes zog ich mein Poster vom Ostseestrand aus seiner Plastikröhre und pinnte es mit Reißzwecken über das Bett. Das habe ich immer dabei, wenn ich unterwegs bin, weil ich mich damit noch in der armseligsten Bude schnell wie zu Hause fühle. Ich überprüfte mit der Wasserwagen-App auf meinem iPhone, ob es auch gerade hing, dann verließ ich das Zimmer wieder, weil ich dringend pinkeln musste.

    Der Gang sah ein bisschen aus wie die Flure des Hotels in Shining, nur noch enger. Ich öffnete die erstbeste Tür, die sich optisch von den vielen Eingangstüren zu den Studentenzimmern unterschied, und fand mich in einer großen Küche wieder, in der ich immerhin drei große Kühlschränke und zwei Herde mit je vier Platten entdeckte. Allerdings wurde gerade jede einzelne der Kochstellen von fünf geschäftig vor sich hinwerkelnden Asiaten blockiert, die nicht aufsahen, als ich den Raum betrat, und nicht einmal auf mein »Hi, I’m Niklas« reagierten.

    Auch gut, dachte ich. Meine volle Blase ließ mir sowieso keine Zeit für Smalltalk. Ich verließ die Küche, trottete weiter den Gang entlang und stand nach fünfzehn Metern endlich vor einer Tür, auf der einladend MEN’S RESTROOM / SHOWERS stand. Irgendjemand schien schon ziemlich lange ziemlich heiß zu duschen, denn der ganze Raum war mit dichtem Dampf gefüllt. Weil auch noch zwei von drei Lampen kaputt waren, brauchte ich eine Weile, um mich zurechtzufinden und um zu verstehen, dass es nicht acht Toilettenkabinen gab, obwohl es auf den ersten Blick so ausgesehen hatte, sondern dass sich hinter vier der Türen in Wirklichkeit Duschen befanden – das waren die, die man zwar zuziehen, aber nicht abschließen konnte. Der nächste Kulturschock ereilte mich nach dem Pinkeln: Sämtliche Waschbecken waren mit gleich zwei Wasserhähnen ausgestattet, allerdings hatte keiner davon einen Temperaturregler, weshalb aus einem nur eiskaltes und aus dem anderen nur kochend heißes Wasser lief.

    »Das kann doch nicht euer Ernst sein!«, murmelte ich leise, während ich versuchte, meine Hände blitzschnell unter beiden Hähnen hin- und herzubewegen, um so wenigstens die Illusion von lauwarmem Wasser zu erleben – was mir allerdings mehr schlecht als recht gelang.

    »Du bist neu, oder?«, hörte ich plötzlich eine tiefe Stimme auf Englisch hinter mir lachen. Ich blickte erstaunt auf und sah im vom Dampf beschlagenen Spiegel eine stattliche und ganz und gar unbekleidete Gestalt hinter mir stehen. Erst jetzt viel mir auf, dass die Dusche nicht mehr lief.

    »Ich bin vor einer halben Stunde angekommen und muss mich scheinbar noch an ein paar Dinge gewöhnen. Ich komme aus Flensburg«, sagte ich zu der muskulösen Silhouette hinter mir und dachte schon eine Zehntelsekunde später: Na toll, als ob er wüsste, wo das liegt, du Idiot. »Das ist bei Hamburg«, schob ich deshalb schnell hinterher, bevor ich mich betont langsam umdrehte und dabei mein Bestes gab, nicht so begeistert auszusehen, wie ich es tief im Inneren war.

    Vor mir stand ein durchtrainierter Schrank von einem nackten Mann, Mitte zwanzig, bestimmt über einen Meter neunzig groß und wahrscheinlich hundert Kilo schwer, der sich abtrocknete und für den es das Normalste auf der Welt zu sein schien, ohne Klamotten vor einem fremden Kerl herumzulaufen. Mannschaftssportler also, kombinierte ich. Und bei dem Körper tippte ich stark auf Rugby.

    »Keine Angst«, sagte er jetzt, und ich konnte durch den dichten Dunst ein verschmitztes Grinsen in seinem Gesicht erkennen, »das mit den Wasserhähnen musst du nicht verstehen. Ist eines dieser Dinge, die nicht einmal die Engländer selbst kapieren. Aber wenn sie jetzt anfangen, sich ordentliche Waschbecken zu kaufen, würden sie ja zugeben, dass der Rest der Welt schlauer war als sie. Und das würde ihnen noch mehr wehtun als ein halber

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