Discover millions of ebooks, audiobooks, and so much more with a free trial

Only $11.99/month after trial. Cancel anytime.

Märchen des Versailler Hofes: nach Charles Perrault
Märchen des Versailler Hofes: nach Charles Perrault
Märchen des Versailler Hofes: nach Charles Perrault
Ebook239 pages3 hours

Märchen des Versailler Hofes: nach Charles Perrault

Rating: 0 out of 5 stars

()

Read preview

About this ebook

»Es waren einmal ein König und eine Königin ...« Diese Worte entführen in eine magische Welt und laden zum Träumen ein.
Charles Perrault schuf Ende des 17. Jahrhunderts aus überlieferten Geschichten wundervolle Prosa. Dieser Band mit Perraults Werken in einer neuen Übersetzung von Louise Bourbon stellt bekannte, aber auch nahezu unbekannte Märchen vor: Neben »Der gestiefelte Kater« und den französischen Versionen von Dornröschen, Aschenputtel und Allerleihrauh sind auch »Griselidis« und die Geschichte um »Finette, die geschickte Prinzessin« enthalten - und noch einige mehr.
Perraults Märchen wohnt dabei ein besonderer Kern inne: Sie enthalten zahlreiche Anspielungen auf damals aktuelle Geschehnisse und Personen am französischen Hof. Gespickt mit einer gehörigen Portion Humor und Ironie hat er vieles zwischen die Zeilen seiner Märchen geschrieben - doch Louise Bourbon ist ihm auf die Spur gekommen und entschlüsselt für Sie die versteckten Botschaften.
LanguageDeutsch
Release dateDec 9, 2016
ISBN9783946376217
Märchen des Versailler Hofes: nach Charles Perrault

Related to Märchen des Versailler Hofes

Related ebooks

Cultural Heritage Fiction For You

View More

Related articles

Reviews for Märchen des Versailler Hofes

Rating: 0 out of 5 stars
0 ratings

0 ratings0 reviews

What did you think?

Tap to rate

Review must be at least 10 words

    Book preview

    Märchen des Versailler Hofes - Louise Bourbon

    Perrault

    Inhaltsverzeichnis

    Märchen des Versailler Hofes nach Charles Perrault

    Widmung

    Impressum

    Über das Buch

    Préface

    Über Charles Perrault

    Märchen in Prosa

    Die Feen

    Riquet mit dem Schopf

    Der Däumling

    Die Schöne, die im Walde schlief

    Der gestiefelte Kater

    Cendrillon

    Eselshaut

    Die albernen Wünsche

    Finette oder Die geschickte Prinzessin

    Griselidis

    Märchen in Versen

    Eselshaut

    Postface

    Danksagung

    Comme toujours: Pour mon soutien, mon mainteneur, mon tout.

    Impressum

    Louise Bourbon

    Märchen des Versailler Hofes nach Charles Perrault

    ISBN eBooks:

    978-3-946376-21-7 (ePub)

    978-3-946376-22-4 (mobi)

    Copyright © 2016 by Lysandra Books Verlag

    Lysandra Books Verlag

    Inh. Nadine Reuter

    Overbeckstr. 39

    01139 Dresden

    www.lysandrabooks.de

    Coverfoto: Louise Bourbon (privat)

    Hintergrunddesign: © depositphotos_1279610

    Coverdesign Takezo Graphic Dirk Schröck, www.takezo-design.de

    Lektorat & Satz: Lysandra Books Verlag

    Alle Rechte vorbehalten. Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Lysandra Books Verlages unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung - auch auszugsweise - durch Film, Funk, Fernsehen, elektronische Medien und sonstige öffentliche Zugänglichmachung.

    Über das Buch

    »Es waren einmal ein König und eine Königin ...« Diese Worte entführen in eine magische Welt und laden zum Träumen ein.

    Charles Perrault schuf Ende des 17. Jahrhunderts aus überlieferten Geschichten wundervolle Prosa. Dieser Band mit seinen Werken in einer neuen Übersetzung von Louise Bourbon stellt bekannte, aber auch nahezu unbekannte Märchen vor: Neben »Der gestiefelte Kater« und den französischen Versionen von Dornröschen, Aschenputtel und Allerleihrauh sind auch »Griselidis« und die Geschichte um »Finette, die geschickte Prinzessin« enthalten - und noch einige mehr.

    Perraults Märchen wohnt dabei ein besonderer Kern inne: Sie enthalten zahlreiche Anspielungen auf damals aktuelle Geschehnisse und Personen am französischen Hof. Gespickt mit einer gehörigen Portion Humor und Ironie hat er vieles zwischen die Zeilen seiner Märchen geschrieben - doch Louise Bourbon ist ihm auf der Spur gekommen und entschlüsselt für Sie die versteckten Botschaften.

    Préface

    Liebe Leserin, lieber Leser,

    ich habe Märchen schon immer geliebt. Als Kind, als Jugendliche, und jetzt als Erwachsene liebe ich sie noch immer. Ich habe das Glück, mit den Kulturen und Sprachen zweier Länder, nämlich Deutschland und Frankreich, aufgewachsen zu sein. So bestand meine Kindheit nicht nur aus dem Märchen der Gebrüder Grimm, sondern auch aus den wunderschönen Erzählungen von Charles Perrault. Natürlich sprangen mir diverse Ähnlichkeiten zwischen den Geschichten ins Auge.

    Wussten Sie, dass die Gebrüder Grimm viele Märchen nicht selbst erfunden, sondern sie gesammelt und aufgezeichnet haben? Märchen, ebenso wie Sagen und Legenden, haben während vieler Jahrhunderte das heutige Fernsehen ersetzt. Auch Theaterbesuche waren nicht für jeden erschwinglich, und so hatten insbesondere in der Renaissance und im Barock frühe Formen des sogenannten Papiertheaters¹ Konjunktur. Aus dem Mittelalter ist vielen noch der Begriff des Bänkelsängers geläufig. All dies diente der Unterhaltung, und Märchen wurden vielfach mündlich weitergegeben. Dabei erfuhren sie leichte Modifikationen, die durch mündliche Überlieferungen oder regionale Gegebenheiten entstanden sind. Die Gebrüder Grimm waren also zunächst Sammler. Interessant ist, dass die Grimms-Märchen eigentlich den Titel Kinder- und Hausmärchen tragen und insbesondere entsexualisierte Fassungen der Originale beinhalten, was der beginnenden Prüderie im 19. Jahrhundert Rechnung trägt. Aufschlussreich ist in meinen Augen allerdings auch, dass die Sexualität aus den Märchen verschwand oder nur sehr zart umschrieben wurde, die Gewalt allerdings weiterhin enthalten war. Hänsel und Gretel beispielsweise kann man sicherlich nicht gewaltfrei nennen.

    Sie werden in den Märchen Perraults viele Parallelen zu manch einem Märchen der Gebrüder Grimm finden. Ich habe darauf verzichtet, darauf hinzuweisen, welche Passagen für welche Märchen Pate standen, um Ihnen, lieber Leser, einen eigenen Aha-Effekt zu ermöglichen.

    Früh erfuhr ich durch meine Großmutter von den französischen Märchen Charles Perraults und las sie, lange bevor ich ahnte, auf welch einen Schatz ich da gestoßen war. 

    Einige von Ihnen haben mich bereits auf meinen Recherche-Reisen begleitet, auf denen ich die Geschichte von Frankreichs vergessener Königin, Louise de La Vallière, aufgedeckt habe. Wenn man in dieser Weise recherchiert, ist man darauf angewiesen, nicht nur die klassischen Quellen zu interpretieren, sondern alles hinzuzuziehen, was Informationen liefern kann. In meinem Falle waren und sind das die zeitgenössischen Opern, die Literatur, und natürlich auch diese Märchen.

    Allmählich rundete sich das Bild ab: Die Märchen Perraults weisen, wie die meisten Märchen, auch immer einen erzieherischen Charakter auf. Aber zwischen den Zeilen berichten sie Meilensteine aus der Geschichte des Königs Louis XIV und seiner vergessenen Königin Louise de La Vallière, die nicht, wie in der offiziellen Geschichte geschrieben, lediglich seine Geliebte, sondern tatsächlich seine zweite Frau und Königin war. Entsprechend habe ich die Märchen nicht nur übersetzt, sondern mit verschiedenen Anmerkungen versehen, die Bezug auf die wirklichen Ereignisse am französischen Hof nehmen.

    Eine Zusammenfassung der tatsächlichen Geschehnisse am französischen Hof hätte den Rahmen dieser Märchensammlung gesprengt. Dem geneigten Leser lege ich aber meinen Roman „Die Sonnenkönigin – Frankreichs vergessene Königin" ans Herz.

    Aber auch ohne dieses Wissen sind die Märchen, will man sie denn lediglich als solche betrachten, ein Schatz französischer Erzählungen. 

    Louise Bourbon, Chambord, August 2016


    ¹ Es handelt sich hier um Miniaturbühnen aus Papier, die es als „Theater im Kleinen" erlaubten, Stücke der großen Theater ohne den technischen und finanziellen Aufwand auf die Bühne zu bringen. So sollte das Theater nicht nur zur Erbauung der oberen Schichten dienen, zumal die gespielten Stücke auch immer bestimmte Moralitäten transportieren sollten.

    Über Charles Perrault

    Charles Perrault, am 12. Januar 1628 in Paris geboren, ist in Frankreich nicht nur für seine Märchen bekannt. So verfasste er auch religiöse Texte, aber besonders interessant ist seine Verwicklung in den sogenannten Querelle des Anciens et des Modernes – in den Streit zwischen den Vertretern des Althergebrachten und des Modernen. 

    Sein Hauptwerk widmet sich der Sammlung, aber auch des Retranskripts der zuvor mündlich erzählten Märchen, die in Frankreich große Tradition haben. Einen großen Fürsprecher fand Perrault in Louis XIV¹, der in seiner Kinderzeit selbst durch seinen Valet de Chambre, Pierre de La Porte², Zugang zur Welt der Märchen erhalten und deren Faszination nie vergessen hatte. Worin bestand nun dieser Streit? Die Vertreter des Althergebrachten vertraten das große Theater auf Basis der antiken Stoffe, davon ausgehend, dass die antiken griechischen und römischen Autoren die ideale Form des Theaters hervorgebracht hatten, von einer Perfektion, die nicht zu übertreffen war. Die großen Tragiker des 17. Jahrhunderts, insbesondere Racine³ und Corneille⁴, bedienten sich häufig der antiken Stoffe. Dabei wurden grundsätzlich auch zeitgeschichtliche Geschehnisse verarbeitet, aber stets im Gewand des antiken Dramas.

    Die Modernen - Perrault ist einer ihrer Vertreter – bestritten indes, dass das antike Theater in seiner Perfektion unübertroffen sei. Entsprechend setzten sie sich für eine zeitgenössische Form der Literatur ein, angepasst an ihre Epoche und die neuen Erzählformen, die mit den italienischen und spanischen Einflüssen am französischen Hof Einzug hielten. 

    Doch wer ist der Schriftsteller Charles Perrault?

    Perrault wird als siebtes Kind von Pierre Perrault geboren. Die Familie väterlicherseits stammt aus Tours, ebenso wie Louise de La Vallière⁵. Seine Familie kann man dem gehobenen Bürgertum zurechnen, sein Vater ist Anwalt am Parlament⁶ von Paris. Die Eltern bemühen sich, allen ihren Kindern eine gute Ausbildung zu geben, sein Bruder Claude beispielsweise ist Mitglied der neugegründeten Académie des Sciences. Charles wird zunächst ebenso Anwalt wie sein Vater, interessiert sich aber bald mehr für das Finanzwesen und tritt 1663 in die Dienste von Colbert⁸. Es gelingt Perrault, das Vertrauen Colberts zu erlangen - nicht unwichtig, wenn man bedenkt, dass dieser nicht nur Vertrauter des Königs, sondern auch Louise de La Vallières ist. 

    1671 wird Perrault an die Académie Française⁹ berufen. Diese Berufung ist auch eine Aussage, denn bereits zu dieser Zeit führt das Verwirrspiel um die Marquise de Montespan¹⁰, die sich bemüht, glaubhaft die Maîtresse des Königs darzustellen, und Louise de La Vallière, die es tatsächlich ist, auch zu verschiedenen Lagern unter den Literaten. Der für seine Fabeln bekannte Jean de La Fontaine¹¹, der den schweren Fehler begeht, in einem Gedicht die Vorzüge Louises etwas zu sehr zu besingen und so den Unmut des Königs auf sich zieht, versucht dessen Gunst zurückzuerlangen, indem er Elogen auf die Montespan ersinnt - nicht wissend, dass das den Unmut des Königs noch vertieft. Während sich die Montespan bemüht, ihrerseits Mäzenin für Künstler und Literaten zu spielen, ist Perrault Louise zugetan.

    1683 stirbt Colbert. Louvois¹², nicht nur Minister des Königs, sondern auch heimlicher Geliebter der Montespan, lässt Perrault aus den Listen der Akademien streichen. Perrault nutzt die so gewonnene freie Zeit, um etwas niederzuschreiben, das der König ihm einst erzählte: die Märchen, die La Porte dem König als Kind vortrug, um ihn auf die Eigenschaften der Tugend, aber auch auf zu vermeidende Laster aufmerksam zu machen. Perrault, der viele der Märchen aus mündlichen Überlieferungen kennt, beginnt sie mit den sogenannten Moralités¹³ für seine eigenen Kinder aufzuschreiben. 

    Um die Entstehung der ersten gedruckten Ausgabe von 1697 ranken sich viele Legenden. Beispielsweise schreiben manche die Werke seinem Sohn Pierre Perrault zu. Andererseits wird heute noch darüber gerätselt, wem die Widmung À Mademoiselle zugeeignet ist. Manche glauben, sie sei an Elisabeth Charlotte d'Orléans¹⁴ gerichtet - die Dame findet sich in einigen Werken Perraults in wenig schmeichelhafter Weise gezeichnet wieder. Hat Perrault sich einen Scherz erlaubt? Oder steht vielleicht jemand ganz anderer hinter diesem Scherz?

    Fakt ist, dass eine bearbeitete Auflage der Märchen ihren Einzug in Versailles hält: Der König erinnert sich seiner eigenen Kindheit und wünscht eine Bearbeitung für seine Enkel. Nun ist auch klar, woher Perrault seine ausgezeichneten Kenntnisse über diverse Vorgänge am Hof hat: vom König selbst, der an diversen Stellen seine und Louises Geschichte, verbrämt und sorgfältig verpackt, erzählen lässt.

    Die Einleitung Es war einmal lässt den Leser träumen, verspricht aber in gewisser Weise auch immer einige Körnchen Wahrheit. Genau diese Wahrheit will der König ans Licht bringen. Und er tut es, indem er sich der Literatur und eines Dichters bedient: durch die Märchen von Charles Perrault. 

    Der König weiß aber auch, dass er sich gewisser Formen bedienen muss, um die Märchen zugänglich zu machen. So spricht Perrault in seinem Vorwort über die Aufarbeitung diverser antiker Stoffe, nennt beispielsweise die Geschichte von Amour und Psyché¹⁵ als Grundlage für Eselshaut. 

    Nichtsdestotrotz sind die Märchen ein wundervolles Zeitzeugnis und verraten für den, der hinsehen möchte, viel über die wahren Vorgänge am französischen Hof und die vergessene Königin Louise. 


    ¹ Louis XIV (1638–1715) dit le Grand, seit 1643 Roy de France et de Navarre, König von Frankreich und Navarra

    ² Pierre de La Porte (1603–1680), Kammerdiener des Königs

    ³ Jean Baptiste Racine (1639 – 1699), einer der bedeutendsten Tragiker des 17. Jahrhunderts

    ⁴ Pierre Corneille (1606 – 1684), gilt neben Racine als einer der größten Vertreter der französischen Klassik

    ⁵ Louise de La Vallière, fut. de Bourbon (1644–1714), zweite Ehefrau des Königs Louis XIV

    ⁶ Das sog. Parlement/Cour de Parlement (de Paris) hat in seiner Bedeutung nichts mit den heutigen Parlamenten zu tun, sondern war eine juristische Institution des späten Mittelalters und der frühen Neuzeit. Die Wortherkunft stammt vom französischen parlersprechen, eine Rede halten, und war Ort der Gerichtssitzungen des französischen Königs. Dort wurden auch seine Edikte und Dekrete registriert, um ihnen Rechtsgültigkeit zu verleihen. Eine der beliebtesten Drohungen des Parlements von Paris war es, das Registrieren eines königlichen Edikts zu verweigern. So kam es häufiger zu Machtkämpfen zwischen König und Parlament.

    ⁷ Die Académie des Sciences, 1666 von Louis XIV aufgrund des Einflusses von Louise de La Vallière und Jean Baptiste Colbert gegründet, sollte eine Einrichtung werden, die sich der Forschung und den Wissenschaften widmet. Insbesondere das Einwirken von Louise, die sich mit den Gedanken von Blaise Pascal auseinandersetzte und den Naturwissenschaften zugeneigt war, trug zur Schaffung dieser Akademie bei. Auf einem in Prag befindlichen Gemälde, das anlässlich dieser Gründung vom König in Auftrag gegeben worden war, ist sie noch zu sehen. Auf einigen anderen hat man sie leider verschwinden lassen.

    ⁸ Jean Baptiste Colbert (1619 – 1683) wird in der deutschen Literatur fälschlich als Finanzminister des Königs Louis XIV bezeichnet, war aber tatsächlich Intendant, da der König nach einem Vorfall mit Nicholas Fouquet, der ihn bestohlen hatte, keinen Finanzminister mehr nehmen wollte.

    ⁹ Die Académie Française, 1635 unter Louis XIII gegründet, hat vor allem die Pflege und die Vereinheitlichung der französischen Sprache zur Aufgabe. Mitglied dort zu sein, ist eine hohe Ehre.

    ¹⁰ Athénais de Rochechouart (1640–1707), Marquise de Montespan.

    ¹¹ Jean de La Fontaine (1621 – 1695) ist heute in Deutschland vor allem für seine Fabeln bekannt. Tatsächlich schrieb er Gedichte und kleine Dramen im Auftrag Fouquets und widmete ihm sogar ein solches. Als Fouquet durch seine Diebstähle und sein Betragen gegenüber Louise de La Vallière beim König in Ungnade fiel, beging La Fontaine den Fehler, beim König für diesen vorzusprechen.

    ¹² François Michel le Tellier Marquis de Louvois (1641–1691), Minister des Königs. Mitwisser und heimlicher Geliebter der Marquise de Montespan. Als sie endgültig den Hof verlassen sollte, musste auch er gehen. Sein plötzlicher Tod warf Fragen auf. Gerüchte einer Vergiftung wurden laut, eventuell durch die Marquise, aber auch ein Selbstmord durch Gift ist denkbar. Die Behauptung, er habe sich den Hass der Marquise de Maintenon zugezogen, weil er der Bekanntgabe der Eheschließung widersprach, ist unwahr, da die Marquise zu keiner Zeit mehr als die Erzieherin der Kinder des Königs und Louises gewesen war.

    ¹³ Moralités wurden genutzt, um am Ende des Märchens noch einmal die Kernbotschaft zusammen zu fassen.

    ¹⁴ Elisabeth Charlotte von der Pfalz, »Liselotte von der Pfalz«, Duchesse d’Orléans (1652–1722), zweite Frau des Duc d’Orléans. Sterblich verliebt in ihren Schwager. Als dieser ihre Zuneigung nicht erwiderte, verkehrten sich ihre Empfindungen in Hass, der auch vor Louise de La Vallière nicht haltmachte.

    ¹⁵ Der antike Stoff der Liebesgeschichte zwischen Amour, auch Cupido, dem Gott der Liebe, und Psyché, nimmt in der barocken Lyrik wieder großen Raum ein. Kurz zusammengefasst ist Psyché, jüngste Tochter eines Königs, so schön, dass Venus in Eifersucht entbrennt. Sie bittet Amour, dafür zu sorgen, dass Psyché sich in einen Mann mit schlechten Eigenschaften verliebe. Da das Orakel erfüllt werden muss, soll Psyché einen Dämon heiraten. Amour erliegt ihr aber selbst und nimmt sie mit sich. Des Nachts kommt er zu ihr, in der Dunkelheit, tagsüber aber ist sie allein. Aus ihrer Einsamkeit erwachsen zahlreiche Konflikte. In der gleichnamigen Oper von Lully finden sich zahlreiche Hinweise auf die Geschichte des Königs Louis XIV und seiner Königin Louise.

    Teil 1

    Märchen in Prosa

    Die Feen

    Il n'y a d'autre bien que ce qui est honnête.

    Es gibt kein anderes Gut als die Aufrichtigkeit.

    Marcus Tullius Cicero

    Es war einmal eine Witwe, die zwei Töchter hatte: die älteste schien ihrer Mutter wie aus dem Gesicht geschnitten und war ihr auch hinsichtlich ihrer Launen so ähnlich, dass jeder, der diese sah, glaubte, die Mutter zu sehen. Beide waren sie von solch unangenehmer Art und so stolz, dass man nicht mit ihnen leben konnte. 

    Die jüngere, die das genaue Abbild ihres Vaters war, ihm auch in ihrer Sanftheit und ihrer Aufrichtigkeit¹ entsprechend, war eines der schönsten Mädchen, das man je gesehen hatte. Weil die Natur es so eingerichtet hat, dass man immer denjenigen liebt, der einem ähnlich ist, war die Mutter vernarrt in ihre älteste Tochter, besaß aber zur gleichen Zeit eine schreckliche Abneigung gegen ihre jüngere. Sie zwang sie dazu, in der Küche zu essen² und ohne Unterlass Arbeiten zu verrichten. 

    Unter anderem musste dieses arme Kind zweimal am Tag Wasser (aus einem Brunnen) schöpfen, der ungefähr eine halbe Meile von ihrem Zuhause entfernt war, und den vollen Krug zurückbringen.

    Eines Tages, als sie sich an diesem Brunnen befand, trat zu ihr eine arme Frau, die das Mädchen darum bat, ihr zu trinken zu geben. 

    «Aber gewiss, gute Frau», sagte das schöne Mädchen, spülte³ alsbald den Krug aus, um Wasser von der besten Stelle des Brunnens zu schöpfen, und bot diesen der alten Frau, so dass sie daraus angenehm trinken konnte.

    Die gute Frau, nachdem sie getrunken hatte, sagte zu ihr:

    «Ihr seid so schön, so gut und so aufrichtig, dass ich Euch unbedingt ein Geschenk machen möchte.» Denn es war eine Fee, die die Gestalt einer armen Frau aus dem Dorf angenommen hatte, um zu prüfen, wie weit die Aufrichtigkeit des jungen Mädchens gehen könnte. «Ich mache Euch zum Geschenk», fuhr die Fee fort, «dass bei jedem Wort, das Ihr sprecht, eine Blume oder ein Edelstein Euren Mund verlassen wird.»

    Als dieses schöne Mädchen bei ihrem Zuhause eintraf, schimpfte ihre Mutter sie aus, weil sie so spät vom Brunnen zurückgekehrt war.

    «Ich bitte Euch um Vergebung, meine Mutter», sagte das arme Mädchen, «dafür, dass ich mich so sehr verspätet habe.» Während sie diese Worte sprach, entglitten ihrem Mund zwei Rosen, zwei Perlen und zwei große Diamanten.

    «Was sehe ich da?», fragte ihre Mutter sehr erstaunt, «Ich glaube, ihrem Mund entsprangen Perlen und

    Enjoying the preview?
    Page 1 of 1