Kurfürstenklinik 30 – Arztroman: Notoperation im Unfallwagen
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"Mein letzter Tag bei Ihnen, Herr Dr. Winter!" sagte Miriam Fechner und sah den jungen Notaufnahmechef der Kurfürsten-Klinik in Berlin-Charlottenburg betrübt an. "Ich wäre gern noch länger geblieben, das wissen Sie ja – aber als nächstes werde ich in Ihrer Neurochirurgie eingesetzt. Ich soll das ganze Haus kennenlernen."
"Sie waren uns eine große Hilfe, Schwester Miriam", erwiderte Dr. Adrian Winter lächelnd. "Wir sind froh, daß Sie wenigstens eine Zeitlang unser Team verstärkt haben."
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Kurfürstenklinik 30 – Arztroman - Nina Kayser-Darius
Die Kurfürstenklinik –30–
Notoperation im Unfallwagen
Roman von Nina Kayser-Darius
»Du hast dich wirklich kaum verändert, Adrian!« rief der großgewachsene Mann mit den kurzen grauen Haaren und umarmte seinen jüngeren Freund Dr. Adrian Winter herzlich. »Dabei haben wir uns nun schon ein paar Jahre nicht gesehen.«
»Stimmt«, erwiderte der Angesprochene, »seit ich hier die Notaufnahme der Kurfürstenklinik leite, hast du dich nicht mehr blicken lassen. Ist das dein ganzes Gepäck, Ralf?«
Dr. Ralf Klarmann nickte. »Ich hasse große Koffer. Und wenn mir etwas fehlen sollte für diese Woche bei dir, dann werde ich es mir eben kaufen.«
»Oder ich leihe es dir«, meinte Adrian lächelnd, während sie den Bahnhof verließen und zu seinem Wagen gingen. »Das mit meinem Urlaub hat jedenfalls geklappt – ich habe die ganze Woche frei.«
»Großartig!« sagte Ralf Klarmann erfreut. Er blieb stehen und sah sich um. »Für einen Landarzt aus dem Ostwestfälischen ist Berlin eine Offenbarung«, sagte er. »Schon die Luft ist hier anders.«
»Schlechter vermutlich«, erwiderte Adrian trocken.
»Ach, du weißt doch, was ich meine, Adrian. Es ist der Duft der großen weiten Welt, den ich manchmal wirklich vermisse. Nicht immer, aber gelegentlich schon, das muß ich zugeben. Weißt du, ich wohne ja gern auf dem Land, aber manchmal geht es mir auch gehörig auf die Nerven.«
»Das geht mir umgekehrt genauso. Berlin kann sehr anstrengend sein. Aber im großen und ganzen möchte ich dennoch nirgends anders sein. Deine Praxis läuft also immer noch gut?«
Ralf verzog ein wenig das Gesicht. »Viel zu gut – ich habe so viel Arbeit, daß sie unmöglich zu schaffen ist. Ich würde gern noch jemanden in die Praxis nehmen, aber niemand will auf dem Land arbeiten. Da muß man hart arbeiten und wird trotzdem nicht reich. Ich kann gut leben, das will ich nicht bestreiten – aber das reicht den meisten Leuten heutzutage ja nicht mehr.«
Adrian nahm ihm den kleinen Koffer ab und verstaute ihn im Kofferraum, dann nahmen sie im Wagen Platz. Adrian verließ den Parkplatz und fuhr Richtung Innenstadt.
Ralf Klarmann und er hatten sich vor längerer Zeit anläßlich einer Tagung kennengelernt und einander auf Anhieb sympathisch gefunden. Seit damals waren sie in Kontakt geblieben, und dieser war auch niemals abgerissen. Einige Male hatten sie sich getroffen und vor wenigen Wochen hatte Ralf bei Adrian in einem Brief angefragt, ob er ihn ein paar Tage in Berlin besuchen dürfe.
»Ich brauche eine Pause, Adrian«, hatte er geschrieben, »und ein paar gute Gespräche mit jemandem, der meine Probleme versteht, weil er im selben Beruf arbeitet wie ich – auch wenn man natürlich einen Landarzt nicht mit dem Chefarzt eines Krankenhauses vergleichen kann.«
Adrian Winter war vor einiger Zeit zum Chefarzt ernannt worden, doch leitete er weiterhin die Notaufnahme der Kurfürsten-Klinik. Er tat es mit großem Engagement, denn sein besonderes Interesse galt der Notfallmedizin. Er veröffentlichte gelegentlich Artikel zu diesem Thema, und er arbeitete ständig an der Verbesserung der Notfallversorgung in Berlin. Seine Arbeiten zu diesem Thema hatten ihn über die Stadt hinaus bekannt gemacht.
»Außerdem«, hatte Ralf Klarmann weiterhin geschrieben, »fühle ich mich nach meiner Scheidung wie ausgebrannt. Es ist schwer, nach fünfzehn Jahren Ehe feststellen zu müssen, daß man sich geirrt hat. Renate und ich hatten wohl doch nicht so viel gemeinsam, wie ich immer dachte – jedenfalls war das letzte Jahr unserer Ehe der reine Horror. Ich denke nicht gern daran zurück. Aber obwohl das längst vorbei ist, habe ich mich noch immer nicht daran gewöhnt, jetzt allein zu sein. Habe ich dir erzählt, daß Renate bald wieder heiraten will? Dabei heißt es doch immer, daß sich die Männer so schnell trösten, während die Frauen allein bleiben. Bei uns ist es jedenfalls umgekehrt. Aber ich habe ja auch gar keine Zeit, mich nach einer Frau umzusehen.«
Adrian hatte sich über den Brief des Freundes sehr gefreut und diesen umgehend angerufen, um ihm zu sagen, er sei jederzeit herzlich willkommen. Und dann hatte er kurz entschlossen eine Woche Urlaub genommen, auf die er sich nun nicht weniger freute als Ralf.
»Hast du Wünsche für diese Woche?«
»Jede Menge«, antwortete Ralf lachend. Er sah jünger aus als seine achtundvierzig Jahre, was wohl nicht zuletzt an seiner lebhaften Art lag. Man sah ihm außerdem an, daß er auf dem Land lebte und trotz seines anstrengenden Berufs viel mehr Zeit als Adrian an der frischen Luft verbrachte. Seine Haut hatte eine gesunde Bräune, und seine blauen Augen blitzten vor Unternehmungslust, als er nun fortfuhr: »Natürlich will ich in der Stadt alles sehen, was interessant ist – ich bin ja gar nicht mehr auf dem Laufenden. Dann will ich deine Schwester kennenlernen, die hast du mir bisher immer vorenthalten.«
»Hab’ ich gar nicht«, verteidigte sich Adrian. »Sie war nur nie da, wenn du da warst – das ist etwas völlig anderes.«
»Egal – jedenfalls kenne ich sie noch nicht. Auf deine Nachbarin bin ich auch sehr neugierig, die sagenhafte Frau Senftleben, die dich immer zum Essen einlädt. Ich hoffe, ich komme auch mal in den Genuß.«
Adrian lachte schallend. »Das hoffe ich auch – eine Woche ohne Frau Senftleben würde ich vermutlich gar nicht überleben.« Er wurde wieder ernst. »Allerdings bekommt sie selbst Besuch – die Tochter einer Freundin kommt heute oder morgen für ein paar Tage. Sie will eventuell in Berlin eine Stelle annehmen und sich deshalb ein wenig hier umsehen.«
Ralf machte ein enttäuschtes Gesicht. »Dann hat Frau Senftleben sicher anderes zu tun, als mir ihre Kochkünste vorzuführen – das ist wirklich zu schade.«
Adrian winkte ab. »Du kennst Frau Senftleben nicht. Sie liebt es, für mehrere Leute zu kochen.«
»Hoffentlich!« Ralf machte noch immer ein skeptisches Gesicht. »Also, was will ich noch haben? Natürlich würde ich mich auch gern einmal in Berlins Umland ein wenig umsehen.«
»Volles Programm also. Wie steht’s mit Kino, Theater, Oper?«
»Das gehört doch sowieso dazu – oder etwa nicht?« fragte Ralf lachend. »Ich dachte nicht, daß ich das extra erwähnen muß.«
»Bist du sicher, daß du nur eine Woche bleiben willst – und nicht vielleicht einen Monat?« erkundigte sich Adrian.
Ralf überhörte den freundlichen Spott in der Stimme seines Freundes und antwortete ganz ernsthaft. »Einen Monat kann ich meine Praxis nicht einem Vertreter überlassen. Diese Woche war schon schwierig.«
Adrian lächelte in sich hinein. »Am besten machen wir einen Plan und stellen erst einmal fest, was dir am wichtigsten ist – sonst ist die Woche vorüber, und du hast das Gefühl, nichts gesehen zu haben.«
»Kein Plan«, stöhnte Ralf. »Plan ist Streß – und Streß will ich nicht haben. Wir lassen es auf uns zukommen, ja? Ich habe ja nur gesagt, was ich am liebsten alles machen würde. Das sind Träume, Adrian, die gehen meistens nicht in Erfüllung,