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Die Nonne und der Tempelritter: Die Geheimmission des Tempelritters, #2
Die Nonne und der Tempelritter: Die Geheimmission des Tempelritters, #2
Die Nonne und der Tempelritter: Die Geheimmission des Tempelritters, #2
Ebook452 pages6 hours

Die Nonne und der Tempelritter: Die Geheimmission des Tempelritters, #2

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Die Nonne und der Tempelritter

Die Fortsetzung des beliebten Bestsellers.

Die zweite Geheimmission des Tempelritters Johannes

Für Genießer von Historischen Romanen und Liebesromaen

Abenteuer im Morgenland

Eine verbotene Liebe

Hoch geheime Einweihungen

Handel mit Sexsklavinnen sowie Liebesdienste, die es nicht geben dürfte

LanguageDeutsch
Release dateDec 19, 2016
ISBN9781386369073
Die Nonne und der Tempelritter: Die Geheimmission des Tempelritters, #2

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    Die Nonne und der Tempelritter - Frank Fabian

    Frank Fabian

    Die Nonne und der Tempelritter

    Historischer Roman

    _________________________________

    Die zweite Geheimmission des Tempelritters Johannes

    _________________________________

    © Copyright by Frank Fabian, 2016 All rights reserved

    Alle Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung und Verbreitung vorbehalten. Kein Teil des Buches darf in irgendeiner Form durch Fotokopien, Mikrofilm oder unter Verwendung elektronischer Systeme gespeichert, verarbeitet oder verbreitet werden.

    Anno Domini 1160

    Erster Teil

    1

    Du bleibst vor der Tür stehen und lässt niemanden ein, selbst wenn es dich das Leben kostet! Hast du verstanden? Angela, die erfahrene, ältere Nonne schaute die Novizin streng an.

    Die Jungnonne nickte gehorsam, wagte aber dennoch einzuwenden: „Und wenn der Kommendator persönlich Einlass begehrt?"

    „Niemand habe ich gesagt!", zischte Angela. „Ich muss den berühmten Tempelritter Johannes heilen. Das ist aber nur möglich, wenn ich vollständig unbelästigt meine Gebete sprechen kann. Vielleicht wird mich die jungfräuliche Gottesmutter sogar mit einer Erscheinung belohnen."

    Angela reichte der Novizin einen Krummdolch, den sie unter ihrem weiten schwarzen Gewand verborgen gehalten hatte. Die Jungnonne nahm ihn zitternd entgegen. Dass eine Nonne über einen Dolch verfügte war nicht nur ungewöhnlich, es war nicht erlaubt. Sie biss jedoch die Lippen zusammen und nahm stumm den Dolch entgegen. Dann nickte sie tapfer. Sie würde die erfahrene Angela, ihr Vorbild unter den Nonnen, die vielleicht schon bald zur Äbtissin aufsteigen würde, nicht enttäuschen. Keinesfalls! Und wenn Angela sogar mit der heiligen Jungfrau Maria persönlich sprechen konnte … Jesus! Sie konnte sich nicht einmal in ihren kühnsten Träumen vorstellen, über welche Beziehungen ihre Schwester darüber hinaus verfügte. Wie ein Krieger stellte sich die Novizin vor die Tür des Krankenzimmers. Den Dolch verbarg sie in einem ihrer weiten Ärmel.

    Angela verzog die Mundecken zu der Andeutung eines Lächelns. Dann trat sie in das Krankenzimmer ein. Sie wusste, ihr blieb wenig Zeit. Schon bald würde tatsächlich der Kommendator des Ordens kommen und sich nach dem Befinden des berühmten Tempelritters erkundigen. Der Großmeister verfügte hier in der Komturei in Mainz über die absolute Befehlsgewalt, auch wenn sie mit der Pflege des Ritters betraut worden war. Ihr verblieb nicht viel Zeit.

    Hart schloss sie die Tür hinter sich. Dann stellte sie einen Stuhl auf eine Weise vor die Tür, dass er zusätzlich den Eintritt verhindern konnte, zumindest eine kleine Weile.

    Daraufhin betrachtete sie den berühmten Kranken. Vor ihr im Bett lag der Tempelritter Johannes, schwerkrank und vielleicht an der Schwelle des Todes. Sie erinnerte sich an die gemeinsamen Erlebnisse. Sie, eine ehemalige Liebesdienerin, die später den Schleier genommen hatte, um des Himmelsreiches nicht verlustig zu gehen, war einst von den Tempelrittern aufgefordert worden, Johannes gegen die Finten der Liebe zu immunisieren. Sie hatte ihr Bestes getan, um Johannes auf die Schliche der Weiber vorzubereiten. Sie hatte ihn in verschiedene Verführungskünste eingeweiht, denn sein Auftrag hatte darin bestanden, den Alten vom Berge, den Führer der Assassinen in Persien, aus dem Weg zu räumen. Der Alte vom Berge aber war von einer Garde von Hûris, von Paradiesjungfrauen, umgeben gewesen. Johannes war es tatsächlich gelungen, die Fallgruben der Hûris zu umzugehen und den Tod des Assassinenoberhauptes herbeizuführen. Der Alte vom Berge weilte längst nicht mehr unter den Lebenden. Daraufhin war Johannes zum Vorbild aller Tempelritter aufgestiegen. Überall hatte sie das Lob des Ritters singen hören, in allen Komtureien, in Frankreich, in Deutschland und in Palästina. Aber niemand anders als sie war es gewesen, die ihn in die Listen der Weiber eingeweiht hatte. Ihn hatte man regelrecht verklärt. Ihre Verdienste aber waren vergessen worden. Nur jetzt, da der Held im Sterben lag, hatte man sich wieder auf sie besonnen. Ja, in der Not erinnerte man sich endlich an sie und ihre Künste.

    Jetzt lag der Held aller Helden hier vor ihr, in der Komturei Mainz, in der Templerfestung, in einem Krankenzimmer, schwach und hilflos. Er war schon dreißig Tage lang bewusstlos.

    Sie betrachtete ihn genauer. Er sah aus wie ein Häufchen Elend, keineswegs wie ein großer Kämpfer. Die Wangen waren fahl und eingefallen, aus den Lippen war jedes Blut gewichen. Ihre Aufgabe, die ihr zugeteilt worden war, bestand darin, ihn wieder ins Leben zurückzuführen. Bei der heiligen Jungfrau Maria, sie sollte einen Menschen, der praktisch schon tot war, wieder zum Leben erwecken? Sie war nicht Jesus. Aber ihre gesamte Zukunft als Nonne hing davon ab, ja vielleicht sogar der Eintritt in das Himmelreich. Der Großmeister der Mainzer Komturei hatte ihr sogar zu verstehen gegeben, dass man sie darüber hinaus zur Äbtissin küren würde, wenn es ihr gelang, Johannes aus dem Totenreich, in dem er sich bereits halb befand, wieder herauszulocken. Das Leben dieses Johannes musste unbedingt gerettet werden, denn er war das Vorbild aller anderen Ritter. Und ihr hatte man die ehrenvolle Aufgabe anvertraut, ihn zu retten, da sie ihm schon einmal geholfen hatte.

    Aber sie musste sich beeilen.

    Sie trat näher. Kurz betrachtete sie all die Gesundheitsmittel, die sich auf dem Beistelltischchen neben dem Bett befanden.

    Sie erblickte einen Kuchen, der, wie sie wusste, aus dem Fuß einer Gans, dem Schnabel einer Ente und getrocknetem Maulwurfsblut bestand. Auch Weizenmehl und Leber waren verbacken worden. Mit diesem Kuchen heilte man normalerweise die Fallsucht, Menschen also, die in regelmäßigen Abständen am ganzen Körper von Krämpfen befallen wurden, die zitterten und in Bewusstlosigkeit versanken. Ihr Johannes hatte sich wie ein solcher Zitterer verhalten, nachdem er ins Abendland zurückgekehrt war.

    Aber das Zeug taugte nichts. Ärgerlich wischte Angela den Kuchen vom Tisch. Dann griff sie unter die Decke des Kranken und legte seine Arme und Hände auf das weiße Betttuch. Sie betrachtete aufmerksam die Hände, auf denen sich rote Flecken abzeichneten. Hautkrankheiten wurden mit Arsenik, Schwefel und Quecksilber behandelt. Stolz durchfuhr sie. Sie wusste das alles, sie war nicht umsonst lange Jahre bei den Nonnen für Krankheiten aller Art zuständig gewesen. Aber noch nie hatte sie es erlebt, dass Arsenik und Quecksilber einem Kranken geholfen hatten. Man hatte dem armen Johannes natürlich auch wieder und wieder Blut abgezapft und unzählige Heilige um Hilfe angefleht. Mit heißen Ölen und Fetten hatte man ihn traktiert, mit Tier- und Menschenkot, mit Urin, Nasenschleim und Ohrenschmalz. Ja sogar Sperma, Menstruationsblut, Teile von Nachgeburten, zerstoßene Spinnentiere und Bettwanzen hatte man ihm in pulverisierter Form eingegeben.

    Angeekelt sah Angela auf das ganze Arsenal von Töpfchen, Tiegeln und Näpfen neben dem Bett. Selbst Leichenteile, verarbeitet als Salbe, hatte man auf seinen ausgemergelten Leib aufgetragen.

    Man hatte seinen Harn untersucht und immer wieder den mörderischen Aderlass praktiziert, viel zu oft. Sie beäugte voller Zorn einen Arm, in dem zahlreiche Einstiche zu sehen waren. Die Körperpunkte beim Aderlass wurden unter astrologischen Gesichtspunkten ausgewählt. Wut drohte sie auf einmal zu übermannen. Ärzte waren Schwindler und Heuchler vor dem Herrn! Erneut fegte sie all das unnütze Zeug, das teilweise übelerregend stank, vom Beistelltischchen. Nur einen Krug mit Wasser ließ sie unberührt stehen.

    Aber sie durfte sich nicht zu sehr von ihrem Zorn hinreißen lassen. Hörte sie draußen vor der Tür Schritte? Nein, sie bildete sich das nur ein. Aber das Geräusch erinnerte sie daran, dass sie sich beeilen musste.

    Was war eigentlich passiert? Die Strapazen und die Erlebnisse in Persien, wo Johannes den Hûris, den Paradiesjungfrauen, in die Hände gefallen war, hatten vielleicht seinen Verstand verwirrt, mit Sicherheit aber seinen Körper.

    Nur sie wusste um ein Heilmittel, das alle Männer sofort wieder zum Leben erweckte. Vielleicht hatte man deshalb ausgerechnet sie, die ehemalige Liebesdienerin, mit der Heilung des Ritters beauftragt. Sie besaß keine Scheu, Körper zu berühren, auch Männerleiber waren ihr vertraut. Ja, nur sie wusste, wie man einen Mann wieder zum Leben erweckte.

    Angela legte den Schleier ab. Dann schickte sie ein Stoßgebet hinan zur heiligen Jungfrau Maria. Die Gottesmutter musste ihr jetzt beistehen. Wenn auch ihre Heilmethode nicht half, verstieß man sie vielleicht sogar aus dem Nonnenorden, der immerhin eine gewisse Sicherheit in dieser wilden Zeit bot.

    Aber die heilige Maria antwortete ihr nicht. Doch vielleicht war es nur ihre eigene Aufregung, die dafür sorgte, dass sie die himmlischen Worte nicht vernahm.

    Die Zeit drängte. Sie öffnete den oberen Teil ihres Gewandes, nahm eine ausgemergelte Hand des Kranken und schob sie zwischen ihre Brüste.

    Die Hand fühlte sich kalt an, eiskalt. Aber sie ignorierte die Empfindung. Daraufhin führte sie die Hand des Ritters an verschiedene Stellen ihrer Brüste, als würde er sie abtasten. Auch ihre Brustwarzen ließ sie nicht aus. Normalerweise kehrten die Männer sofort ins Leben zurück, wenn sie eine Frauenbrust berührten.

    Sie bemerkte, wie sich die Hand Johannes` langsam, sehr langsam erwärmte, während sich ihre Brust kälter anfühlte. Das war ein gutes Zeichen. Vielleicht befand sie sich auf dem richtigen Weg. Sie nahm ein Stück Tod in sich auf und er erhielt Leben von ihr. Sie nahm die Hand wieder heraus und berührte nun Johannes am ganzen Körper. Sie musste Leben in diesen Leib zurückbringen, ihr blieb keine andere Wahl.

    Als sie in seinen unteren Regionen anlangte, hielt sie sich nicht davor zurück, auch seine Männlichkeit zu berühren, aber nur kurz. Doch noch immer regte sich der Kranke nicht. Die Lider blieben geschlossen, sie zitterten nicht einmal.

    Verdammt, die Zeit lief ihr davon. Aber sie durfte nicht fluchen. Sie musste Johannes` Leib noch intensiver bearbeiten.

    Schnell streifte sie die gesamten Nonnenkleider ab, mitsamt der Unterwäsche. Dann zündete sie, nackt wie sie war, rasch eine Kerze an, die sie in weiser Voraussicht mitgebracht hatte und sprach über dem flackernden Licht kniend ein Gebet. Der Gedanke schoss ihr durch den Kopf, dass sie sogar eine geheiligte Hostie hatte stehlen wollen, um den besonderen Segen des Heilandes zu besitzen. Erst im letzten Moment hatte sie darauf verzichtet. Nach dem Gebet erhob sie sich und schob die Decke zurück. Sie sah einen dünnen, ausgezehrten Körper, die Rippen zeichneten sich deutlich unter der Haut ab.

    Ohne Umstände legte sie sich neben ihn, nackt wie Gott sie geschaffen hatte, um Johannes, den Helden, mit ihrem Körper zu wärmen. Normalerweise konnte man damit tatsächlich einen Toten zum Leben wiedererwecken, jedenfalls wenn es sich um einen normalen Mann handelte. Sie umklammert den Körper des Tempelritters und streichelte ihn nun intensiv wie eine Liebende. Dabei sah sie ihm immer wieder ins Gesicht. Aber kein Augenlid zuckte und kein Wort kam von seinen Lippen. Sie streichelte ihn noch liebevoller. Dann versuchte sie, sanft an seiner Männlichkeit zu reiben. Doch sie erhob sich nicht. Johannes schien jetzt schon wie mausetot zu sein, obwohl er noch unter den Lebenden weilte und sein Atem noch ging.

    Auf einmal hörte Angela schwere Schritte vor der Tür. Sie erschrak zu Tode. Mit einem Satz versuchte sie, aus dem Bett zu springen. Da bemerkte sie, dass sie einen Arm des Ritters um ihre Hüfte gelegt hatte. Sie verhedderte sich mit ihrem Arm in seinem Arm. Ihr Herz schlug jetzt so laut, dass es in ihren Ohren dröhnte. Rasch entflocht sie die beiden Arme, aber der Arm des Ritters schien sie festzuhalten. Oder täuschte sie sich? Es war unmöglich! Energisch und gleichzeitig voller Panik schob sie den Arm des Templers endgültig zur Seite. Mit einem Satz war sie aus dem Bett. Schneller als ein Wasserfall über eine Klippe stürzt streifte sie sich die Unterkleider über. Sie hörte Geräusche, die vielleicht daraufhin hinwiesen, dass die Novizin mutig den Eingang zu dem Krankenzimmer verteidigte. Sie vernahm jetzt laute Stimmen, Worte flogen wie Pfeile hin und her. Dann hörte sie, wie jemand zu Boden stürzte. Hatte die Jungnonne versagt? Sie sah, wie die Tür halb aufgestoßen wurde. Aber der Stuhl, der die Tür verklemmte, verschaffte ihr einige wertvolle Augenblicke Zeit. Mit wahnwitziger Geschwindigkeit streifte sie sich den Rest der Nonnenkleidung über, den weit geschnittenen, schwarzen Habit mit dem hohen Kragen, und auch die Haube mit dem Schleier. Der Strickgürtel! Bei der heiligen Maria, wo hatte sie den Strickgürtel hingelegt, der das Gewand in der Mitte zusammenhielt? Der Stuhl vor der Tür gab ein Stück nach, der Spalt wurde breiter. Da dort, auf dem Boden lag der Gürtel. Sie riss den Strickgürtel an sich und umwand damit ihre Hüften. Einen Wimpernschlag später wurde die Tür roh aufgestoßen. Der Stuhl flog halb beiseite. Ein riesiger Ritter betrat das Krankenzimmer. Sein Gesicht war wettergegerbt, eine Narbe verlief über eines seiner Augenlider. Die Narbe nahm jetzt eine blutrote Farbe an. Herrgott, der Kommendator der Komturei! Hinter ihm drängelten einige weitere Ritter in den Raum. Mit einem Blick erfasste der Kommendator all die Tiegel, Töpfe und Krüglein, die zerbrochen am Boden lagen.

    Er trat den Stuhl zur Gänze beiseite und stapfte in das Zimmer. Dann fragte er Angela mit tiefer Stimme „Was hast du mit dem Kranken angestellt?" Er wies auf die zerbrochenen Scherben.

    „Ich habe versucht, Ritter Johannes in den Kreis der Lebenden zurückzuführen und die Heilige Gottesmutter angerufen, die voll der Gnaden ist", antwortete Angela scheinbar demütig. Unauffällig rückte sie das Nonnengewand in die rechte Position und zupfte es glatt.

    „Warum hast die Tiegel zerbrochen?"

    „Maria, die allerseligste Jungfrau, hat es mir befohlen."

    „Ist Johannes dadurch zum Leben zurückgekehrt?", fragte der Herr der Mainzer Komturei unbeeindruckt. Drohend trat er auf Angela zu.

    „Noch nicht. Aber ich bin sicher, die Jungfrau Maria wird meine Gebete erhören."

    „Was macht dich so sicher? Ich sehe hier nur Gotteslästerung, denn das Betttuch des Kranken ist halb zurückgeschlagen. Hast du den Kranken etwa berührt?"

    Angela wusste auf einmal nicht mehr, was sie antworten sollte. Eine Lüge gegenüber einem Kommendator galt als schwere Sünde. Sie wusste, ihr Leben stand auf dem Spiel.

    „Ich habe … ich habe …", stotterte sie.

    „Du hast …?", versuchte ihr der Ordensmeister auf die Sprünge zu helfen.

    „Ich …

    In diesem Moment wurden beide abgelenkt. Einer der Ritter, der hinter dem Kommendator hereingedrängt war, ergriff auf einmal hart den Arm seines Meisters. Dann wies er mit großen Augen auf das Krankenbett. Die Lider des Kranken zitterten.

    Der Kommendator zuckte zurück, wie von einer Tarantel gestochen. Das konnte nicht wahr sein!

    „Wasser!, presste Johannes auf einmal zwischen den blutleeren Lippen hervor. „Wasser!, wiederholte er. Er öffnete das erste Mal seit dreißig Tagen die Augen.

    Angela trat rasch herzu und schenkte aus dem Wasserkrug das kostbare Nass in einen Becher und hielt es ihm an die Lippen.

    Der Zorn des Kommendators legte sich augenblicklich. Dann ergriff ihn Ehrfurcht. Eine Gänsehaut überlief ihn, vom Nacken bis zu den Zehenspitzen. Schließlich urteilte er: „Ein Wunder, wir sind gerade alle Zeuge eines Wunders geworden. Ehre sei Gott in der Höhe."

    Urplötzlich fiel er auf die Knie nieder und betete. Sein mächtiger Körper bebte. Gott selbst hatte ein Zeichen gesandt. Die Tempelritter hinter ihm machten es ihm nach. Auch Angela faltete fromm die Hände und kniete nieder. Die heilige Gottesmutter hatte also doch ihre Gebete erhört.

    Erst nach geraumer Weile erhob sich der Ordensmeister ächzend. Dann sagte er zu allen: „Niemand anders als Schwester Angela wird in Zukunft den Kranken betreuen."

    Zu ihr gewandt verfügte er: „Du wirst mir jeden Tag über den Gesundheitszustand des mutigsten aller Tempelritter Rechenschaft ablegen. Sobald sich Bruder Johannes erholt hat, werde ich ihn mit der nächsten Mission betreuen. Wenn Gott Johannes auf einer Mission verschont hat, die so mörderisch war wie sein Auftrag in Persien, so wird er auch bei der zweiten Mission seine schützende Hand über ihn halten."

    Ohne ein Wort der Bestätigung abzuwarten drehte sich der Kommendator abrupt um und verschwand aus dem Krankenzimmer, mitsamt seinem Tross. Er stieg emotionslos über die Jungnonne hinweg, die gekrümmt und regungslos am Boden lag. Immerhin war sie nicht tot. Aber sie war nebensächlich. Nichts war wichtiger im Moment als die zweite Geheimmission.

    2

    Der Tag der Tage war gekommen. Endlich.

    Viele Wochen waren inzwischen vergangen und Johannes hatte sich inzwischen gründlich erholt. Er erhob sich das erste Mal voller Schwung von seinem Lager. Heute würde er vom Kommendator erfahren, worin seine nächste Aufgabe bestand. Es musste sich wieder um eine außerordentliche Mission handeln, denn schon seit Tagen befand sich die gesamte Komturei in Aufruhr. Zudem erwartete man einen geheimnisvollen, hohen Gast. Der Besuch mochte vielleicht mit seiner künftigen Mission in Zusammenhang stehen. Aber noch aufregender war der Umstand, dass er aufgrund seiner Mission zugleich in den nächsthöheren Rang innerhalb der Bruderschaft der Tempelritter aufsteigen würde. Man hatte ihm zu verstehen gegeben, dass er des nächsten Einweihungsgrades für würdig befunden worden war. Dazu musste man ihn jedoch zusätzlich auch einer Prüfung unterziehen. Unvermittelt schlug sein Herz schneller. Man würde ihn in eine höhere Sphäre einführen. Ging es um ein gut gehütetes Geheimnis der Templer?

    Vielleicht sogar um das letzte und größte Geheimnis seines Ordens? Möglicherweise war heute der wichtigste Tag seines Lebens.

    Johannes kniete als erstes in seiner Zelle nieder, um seine Gebete zu absolvieren – zehn Vaterunser. Leise murmelte er: „Pater noster, qui es in caelis. Sanctificetur nomen tuum. Adveniat regnum tuum. Fiat voluntas tua, sicut in caelo, et in terra …

    Vater unser, der du bist im Himmel. Geheiligt werde dein Name. Dein Reich komme. Dein Wille geschehe, wie im Himmel so auf Erden …"

    Aber es gelang Johannes nicht sich zu konzentrieren. Seine Gedanken wanderten während des Gebetes zurück in die Vergangenheit. Während er mechanisch die heiligen Worte murmelte, erinnerte er sich, wie er nach seinem Abenteuer in Persien vollkommen verwirrt wieder im Abendland angelangt war. Bernhard von Clairvaux selbst hatte ihn empfangen, in Cluny, im Franzosenland. Dumpf erinnerte er sich an den Drang, den heiligen Bernhard aus dem Leben zu befördern, aber das konnte kaum der Wahrheit entsprechen. Er wusste nur, Bernhard von Clairvaux, der Mann, der den Orden der Tempelritter geprägt hatte wie kein Zweiter, war inzwischen den Weg alles Irdischen gegangen. Sicher hatte Gott dem großen Heiligen einen Ehrenplatz im Himmel eingeräumt. Danach, so erinnerte sich Johannes, war er einige Jahre lang seltsam verloren erst durch das Franzosenland und dann durch Deutschland geirrt, das die meisten immer noch als Ostfränkisches Reich bezeichneten, als Francia orientalis oder Ostarrichi, das Land, das im Osten lag.

    Eine Zeitlang hatte er vergessen, wer er war und worin seine eigentliche Aufgabe bestand. Seine Verwirrung war schließlich so groß gewesen, dass ihn die Fallsucht heimgesucht hatte. Sein Körper hatte zu zittern begonnen und wieder und wieder war er ohne Grund ohnmächtig geworden. Endlich hatte er sich zu der Komturei in Mainz durchgeschlagen, das einige Ritter Magantia, Menze oder Meyence nannten. Angela, die wunderbare Nonne, hatte ihn gesund gepflegt. In seinen Träumen hatte sie ihm beigelegen wie eine Frau ihrem Manne. Aber dabei musste es sich ebenfalls um einen Wahn handeln, um eine List des Teufels, denn ein Tempelritter durfte einer Frau nicht einmal ins Angesicht schauen. Das gebot jedenfalls die Satzung der Templer. Und er war ein Tempelritter mit Haut und Haaren, soviel stand fest.

    Johannes versuchte, sich wieder auf das Gebet zu konzentrieren. Doch es gelang ihm noch immer nicht. Im Moment war er bei Vaterunser Nummer fünf oder sechs? Verflixt, hatte er sich verzählt? Er begann das letzte Vaterunser noch einmal von vorn. „Pater noster, qui es in caelis…"

    Erneut schweiften seine Gedanken ab, während er die lateinischen Worte murmelte, die wie aus Erz zu sein schienen. Ungewöhnlich schnell hatte er sich wieder an das Leben innerhalb der Komturei Mainz gewöhnt. Er liebte die strikte Disziplin und den bis ins Kleinste geregelten Tagesablauf. Das gab ihm innerlich Halt. Die strenge Ordnung hatte dazu beigetragen, dass er zu seiner geistigen Stabilität zurückgefunden hatte.

    Auch an Kampfesübungen hatte er wieder teilgenommen, in voller Rüstung, mit Kettenhemd, Schulterschutz und Beinpanzerung. Und jedes Mal hob es seine Stimmung, wenn er das rote Tatzenkreuz auf den Gewändern der Templer sah.

    In seiner Erinnerung gähnte jedoch ein großes Loch. Sein Abenteuer in Persien war ihm ein Buch mit sieben Siegeln. Alle verehrten ihn, weil er angeblich einen gefährlichen Allah-Anbeter unschädlich gemacht und damit dem Christentum zu einem gewaltigen Sieg verholfen hatte. Doch sein Gedächtnis verließ ihn völlig, wenn er Einzelheiten dazu aus sich hervorkramen wollte. Immerhin konnte er sich inzwischen wieder daran erinnern, dass er auf einem kleinen, bei Franconofurd gelegenen Rittergut aufgewachsen war, und dass er früh in einer Klosterschule Latein und Griechisch erlernt hatte. Fremde Sprachen lernte er spielend leicht. Schon immer verfügte er außerdem über ein sagenhaftes Gehör, das es ihm erlaubte, selbst über große Entfernungen hinweg Gesprächen zuzuhören, die eigentlich nicht für seine Ohren bestimmt waren. Früh war er dem Benediktinerorden beigetreten, bis ihn Bernhard von Clairvaux persönlich von seiner Pflicht und seinem Gelübde entbunden hatte, damit er sich dem Templerorden anschließen konnte.

    „Pater noster, qui es in caelis. Sanctificetur nomen tuum …" Nummer zehn, das letzte Vaterunser.

    In Mainz hatte er vollständigen Gehorsam gelobt, sowie Armut und Keuschheit. Der Gehorsam war von herausragender Bedeutung. An eine Formulierung erinnerte er sich besonders genau: „Du wirst nichts sein und der Orden alles." So hatte er es Philipp von Franken, der immer noch der Ordensvorsteher hier in Meyence oder Mainz war, feierlich geschworen.

    Er hatte weiter versprochen, auf alle Güter der Templer zu achten, sie zu verteidigen und alle Eroberungen im Königreich Jerusalem mit Leib und Leben zu schützen.

    „…Amen!"

    Johannes beendete das letzte Vaterunser und erhob sich. Kurz dachte er an die gestrigen Waffenübungen. Trotz seiner Bärenkräfte, die inzwischen wieder zurückgekehrt waren, hatten sie ihm den letzten Schweißtropfen abverlangt. Heute würden die Übungen wohl ausfallen. Er würde über seine zweite Geheimmission instruiert werden und vielleicht in den nächsthöheren Grad aufsteigen. Herrgott im Himmel! Es gab nur drei Grade bei den Templern. Und er stieg bereits zum zweiten Grad auf. Trotzdem musste er demütig bleiben. Vielleicht würde ihm die Messe in der Kapelle dabei helfen, die gleich anstand.

    Alle Mönchsritter versammelten sich stets in aller Herrgottsfrüh in der Kapelle zur Morgenmesse, er hörte bereits ihre Füße über die Flure schlurfen.

    Rasch legte Johannes seine Kleidung an. Um die Lust abzutöten trug er wie jeder Tempelritter unter seinem Gewand ein Cingulum, einen um die Hüfte geschlungenen Gürtel. Normalerweise handelte es bei diesem Gürtel um eine Art Schärpe, um die Albe zu gürten, das weiße Gewand also, das aus knöchellangem, weißen Leinen bestand – bei anderen Orden. Aber im Falle der Templer bestand das Cingulum aus einer einfachen gezwirbelten Leinenschnur – im Grunde genommen ein roher Strick, der auf dem nackten Leib getragen wurde.

    Johannes legte sich bedenkenlos das Cingulum um die Hüfte. Der Strick hatte früher seine Haut gereizt, er hatte manchmal wie Feuer gebrannt. Aber er gemahnte immer an das Gebot der Keuschheit. Das Cingulum war dafür verantwortlich, dass die Haut eines Jungritters wundscheuerte, aufriss und sogar blutete. Doch inzwischen war seine Haut an den entsprechenden Stellen vernarbt, sein Körper hatte sich daran gewöhnt. Das Cingulum verursachte aber immer noch, dass man jeden Gedanken an fleischliche Gelüste verbannte und unkeusche Gedanken sofort mit Schmerz in Verbindung brachte. Das konnte er nur gutheißen.

    Seine Gedanken machten einen Sprung, ein Bild erschien vor seinen Augen. Angela. Warum kam ihm immer Schwester Angela in den Sinn, wenn er an die Brunst dachte? Rasch schob er ihr Bild beiseite. Man musste als Tempelritter auch seine Gedanken im Zaum halten können, nicht nur auf die Taten kam es an.

    Johannes betrachtete sinnend den Mantel der Templer. Er zeichnete einen Tempelritter aus. Stolz durchspülte ihn plötzlich. Als Tempelritter gehörte er zu der Elite der Christenheit. Man war eine verschworene Gemeinschaft. Nur wenige Auserwählte durften den Mantel der Templer tragen, es war ein langer, harter Weg, bis man die Erlaubnis erhielt.

    Der Mantel war ein ärmelloses, überwurfartiges Kleidungsstück. Im Kampf diente der Mantel als Umhang, der über der Rüstung zum Schutz gegen die Sonne getragen wurde. Ja, nur ein Tempelritter durfte den weißen Mantel tragen, mit dem roten Tatzenkreuz auf der linken Seite. „Den Mantel erhalten bedeutete, dass man in den Orden aufgenommen worden war. „Den Mantel niederlegen besagte, dass man den Orden verließ. „Der Verlust des Mantels" war ein Ausdruck für die schwerste Strafe im Rahmen seiner Bruderschaft. Er bedeutete, dass man mit Schimpf und Schande ausgestoßen wurde. Doch er würde sich nie eines Vergehens schuldig machen, das den Verlust des Mantels nach sich zog. Dieser Urteilsspruch wurde nur dann verhängt, wenn man vor dem Feind floh, Templerbesitz veruntreute und des Verrates oder der Ketzerei überführt worden war.

    Stolz warf sich Johannes den Mantel über. Dann schämte er sich. Hochmut stand einem Templer nicht an. Sicherheitshalber betete er noch ein weiteres Vaterunser. Dann legte er den Mantel wieder ab. Man brauchte für die Kapelle keinen Mantel. Rasch begab er sich daraufhin in die Kapelle, um gemeinsam mit allen Brüdern die Frühmesse zu feiern. Nichts kam dem Gefühl der Verbundenheit gleich, das er im Rahmen der Bruderschaft immer erlebte. Während der Messe genoss Johannes das Gemeinschaftsgefühl mit jeder Faser. Auch das Wissen der Zugehörigkeit zu der Bruderschaft der Templer hatte zu seiner Genesung beigetragen. Er fühlte Dankbarkeit in seinem Herzen aufsteigen.

    Als die Messe endete, erinnerte sich Johannes erneut an die Einweihung. Die Zeit bis zum Abend musste er jedoch noch überstehen. Herrgott im Himmel, die Einweihung! Die zweite Stufe! Und worin würde seine nächste Mission bestehen?

    Johannes begab sich so gleichmütig wie es ging zurück in seine Zelle, aber er konnte sich nichts vormachen. Er war aufgeregt, auch wenn er es nicht zeigen dufte. Es war ihm gestattet worden, noch einmal verschiedene Templerschriften zu studieren sowie die Bibel, das Buch der Bücher. Es war nicht auszuschließen, dass von der Antwort auf einige Fragen alles abhing, der Zutritt oder auch die Ablehnung zu dem zweiten Grad. Immerhin war auch eine Prüfung damit verbunden. Es war durchaus möglich, dass man ihn für unwürdig befand, wenn er eine falsche Antwort gab.

    Johannes schlug das Buch der Bücher auf. Zum hundertsten Male vollzog er den Leidensweg Christi nach, in allen Einzelheiten, zunächst bei Matthäus. Dann führte er sich die gleiche Geschichte in den Evangelien nach Markus, Lukas und vor allem Johannes noch einmal zu Gemüte. Vielleicht hatte man ihm seinen Namen gegeben, weil man dabei an den Evangelisten Johannes gedacht hatte? Oder hatte Johannes der Täufer bei seiner Namensgebung Pate gestanden? Er wusste es nicht. Aber es war nicht von Bedeutung. Von Bedeutung war nur, wie sehr der HERR am Kreuz für alle gelitten hatte.

    Auf einmal hörte Johannes einige undefinierbare Geräusche über seiner Zellendecke. Etwas war im Gange, aber er konnte nicht ausmachen, worum es sich handelte. Die Geräusche nahmen sich seltsamerweise so aus, als wollten sie nicht gehört werden. Doch nichts entging seinen Ohren. Vielleicht spielte die gesamte Komturei verrückt. Johannes wandte sich wieder dem Buch der Bücher zu.

    Nach einigen Stunden Bibelstudium stand endlich das Mittagsmahl an. Das Frühstück hatte man am heutigen Tag ausfallen lassen, auch um die Ritter daran zu gewöhnen, dass sie zur Not ohne Speise und Trank zu jeder Tages- und Nachtzeit in den Krieg reiten konnten, wenn es die Situation einforderte.

    Johannes begab sich gemessenen Schrittes in den Speisesaal, obwohl ihn die Ungeduld nach wie vor peinigte. Heute gab es nicht nur Brot und Gemüse, sondern auch Fleisch, denn es war Dienstag. Am Dienstag, Donnerstag und Sonntag durfte sich der Ritter auch mit Fleisch nähren, Montag, Mittwoch und Samstag gab es nur Gemüse. Am Freitag wurde Fisch verzehrt, in Andenken an den HERRN.

    Johannes erspähte den Kommendator, der bei den gemeinsamen Mahlzeiten immer zugegen war. Er saß am Kopf des länglichen Haupttisches, sprach aber kein Wort. Es gab noch andere Tische im Speisesaal, die Anordnung spiegelte die strenge Hierarchie des Ordens wider. An erster Stelle standen seine Ritterbrüder, die fratres milites oder equites, die Reiter, weil sie Pferde besitzen durften, so wie er. Sie saßen mit dem Ordensmeister am Haupttisch.

    Johannes begab sich zu ihnen und ließ sich nieder. Dann blickte er zu den anderen Tischen. Unter den Rittern angesiedelt waren die Knappen, die ebenfalls für den Kriegsdienst herangezogen wurden. Für sie war ein eigener Tisch reserviert, der direkt hinter der Tafel der Ritter stand.

    Dann schaute Johannes hinüber zu dem dritten Tisch. Wieder unter den Knappen standen die Kaplane, die oratores oder clerici, die Kleriker. Sie übten nur geistliche Funktionen aus, lasen aus der Bibel vor und predigten. Unter den Kaplänen wiederum waren die dienenden Brüder oder Knechte angesiedelt, die Laienbrüder, die an einem vierten Tisch saßen. Johannes grüßte sie mit einem Kopfnicken, denn einige Laienbrüder hatten ihm während seiner Genesung sehr geholfen. Die Laienbrüder speisten am unteren Ende des Saals. Sie leisteten dem Orden nur niedere Handreichungen. Man unterschied in der Komturei zwischen den Baumeistern, Steinmetzen, Tischlern, Schlossern und den Meistern der Axt, den Zimmerleuten. Obwohl sie dem Orden wichtige Dienste leisteten, galten sie wenig. Aber mehrere hatten ihm Hilfe geleistet, ein Tischler hatte ihm für seine Zelle sogar eine eigene Bettstatt gezimmert, damit er sich schneller erholen konnte.

    Über allem thronte Philipp von Franken, der Herr der Mainzer Komturei, mit seiner roten Narbe. Über ihm standen nur der Großmeister aller Templer, der Papst und Gott.

    Die Luft prickelte, die Aufregung war mit den Händen zu greifen.

    Alle erwarteten ungeduldig den hohen Besuch, aber niemand wusste, um wen es sich handelte.

    Gemeinsam sprach man ein Tischgebet. Dann griffen die Vertreter aller vier Stände beherzt zu. Während der Mahlzeit wurde kein einziges Wort gewechselt.

    Endlich endete die stumme Mahlzeit. Es schloss sich ein weiteres Vaterunser an, das Dankgebet. Daraufhin begaben sich die Ritter zurück in ihre Zellen oder zu den Gemeinschaftsräumen. Alle anderen hatten die Arbeiten zu verrichten, die ihnen aufgetragen worden waren.

    Johannes stand als Letzter auf, als er auf einmal bemerkte, dass sich der Kommendator hinter ihm befand. Er schaute sich um: Alle anderen Ritter hatten den Saal bereits verlassen. Philipp von Franken aber hielt ihn an einem Zipfel seines Gewandes fest.

    „Ein Wort nur", sagte der Herr der Mainzer Komturei.

    Johannes nickte.

    „Welches ist das wichtigste Gelübde: Armut, Keuschheit oder Gehorsam?", fragte der Kommendator.

    „Gehorsam! antwortete Johannes sofort. Unaufgefordert fügte er hinzu: „Wie einst die Jünger Jesus Christus Gehorsam erwiesen, so sind die Tempelritter gegenüber ihren Vorgesetzten zu Gehorsam verpflichtet.

    „Wirst du jedem Befehl deines Kommendators Folge leisten? Ich wiederhole: Jedem meiner Befehle? Ohne zu zögern? Selbst wenn dein Leben in Gefahr ist?"

    „Der Papst ist der Stellvertreter Christi auf Erden. Und der Kommendator ist der Stellvertreter des Großmeisters aller Tempelherren. Ja, ich werde jede Eurer Anordnungen genauestens ausführen. Selbst wenn mein Leben in Gefahr ist."

    „Dann befehle ich dir, heute deine Zelle nicht zu verlassen, was auch immer geschieht, bis du dazu aufgefordert worden bist."

    Etwas in der Stimme des Kommendators ließ Johannes aufhorchen. Dann bestätigte er: „Ich werde heute meine Zelle nicht verlassen, was auch immer geschieht – jedenfalls nicht, bevor ich dazu aufgefordert worden bin."

    Philipp von Franken wollte scheinbar noch etwas hinzufügen, verzichtete dann jedoch darauf. Erst jetzt ließ er das Gewand des berühmtesten seiner Ritter los.

    Dann hob er halb die Hand zum Gruß und wandte sich ab.

    Johannes verstand nicht. Er hatte nie einem Befehl des Kommendators in Frage gestellt. Nie hatte er den Gehorsam verweigert. Aber alles war heute anders, es war verwirrend. Aber er wusste immerhin, dass er sich nun erneut in seine Zelle begeben und dort verbleiben musste, bis man ihn rief.

    Er schritt zurück zu seinem karg eingerichteten Raum, in dem sich nur ein Bett, ein Tisch und ein Stuhl befanden.

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