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Geldzins und Güterpreise: Eine Studie über die den Tauschwert des Geldes bestimmenden Ursachen
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Geldzins und Güterpreise: Eine Studie über die den Tauschwert des Geldes bestimmenden Ursachen
Ebook306 pages3 hours

Geldzins und Güterpreise: Eine Studie über die den Tauschwert des Geldes bestimmenden Ursachen

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Das wirkungsmächtigste Buch Knut Wicksells ist das 1898 erschienene 'Geldzins und Güterpreise. Eine Studie über die den Tauschwert des Geldes bestimmenden Ursachen'. Bemerkenswert ist, dass es die Keynesianer ebenso angeregt hat wie die Monetaristen.
LanguageDeutsch
Publisherheptagon
Release dateJan 30, 2014
ISBN9783934616844
Geldzins und Güterpreise: Eine Studie über die den Tauschwert des Geldes bestimmenden Ursachen

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    Book preview

    Geldzins und Güterpreise - Thomas Müller

    Impressum

    Knut Wicksell: Geldzins und Güterpreise

    Neu herausgegeben von Thomas Müller

    Klassiker der Ökonomie. Band 1

    Veröffentlicht im heptagon Verlag

    © Berlin 2014

    www.heptagon.de

    ISBN: 978-3-934616-84-4

    Die Vorlage des E-Books ist: »Knut Wicksell: Geldzins und Güterpreise. Eine Studie über die den Tauschwert des Geldes bestimmenden Ursachen. Jena 1898.« Das vorliegende E-Book ist der 1. Band unserer Reihe »Klassiker der Ökonomie«. Der Text wurde an die neue Rechtschreibung angepasst und die Seitenzahlen der Originalausgabe wurden als »pagelist« hinterlegt, d.h. wenn Ihr E-Book-Reader dieses Feature unterstützt, können Sie nach dieser E-Book-Ausgabe in wissenschaftlichen Arbeiten zitieren.

    Knut Wicksell – Sozialreformer und Neoklassiker

    Paul Samuelson urteilt über Knut Wicksell: »If economists ran a popularity contest among themselves, the chances are Knut Wicksell would be the easy winner«¹. Wicksell ist nicht der Erste, den man als »Ökonom der Ökonomen« bezeichnet, vor ihm erfuhr beispielsweise auch David Ricardo diese Ehrung. Die größere Aktualität des Ersteren hat uns aber dazu inspiriert, unserer Reihe »Klassiker der Ökonomie« mit Wicksells wichtigstem Buch »Geldzins und Güterpreise« zu eröffnen. Bemerkenswert ist, dass es die Keynesianer ebenso angeregt hat wie die Monetaristen.

    Johan Gustav Knut Wicksell wird am 20. Dezember 1851 als jüngstes von 5 Kindern in Stockholm geboren. Seine Eltern sterben beide früh, sodass er bereits mit 15 Jahren Vollwaise ist. Sein Vater war ein erfolgreicher Lebensmittelhändler, der genug Vermögen hinterließ, um Knut Wicksell ab 1869 ein Studium mit Hauptfach Mathematik in Uppsala zu ermöglichen, das er 1875 mit dem Diplom abschließt. Als vielseitig interessierter Mensch belegt er in seiner Studienzeit auch Kurse in Astronomie, Physik, Latein, skandinavischen Sprachen, Philosophie und Geschichte.

    Im Anschluss bleibt er als Postgraduierter an der Universität, sein Interesse gilt aber seit seiner Abkehr vom christlichen Glauben überwiegend sozialwissenschaftlichen Themen. Die soziale Situation in Schweden – besonders eine hohe Kinderzahl und auffälliger Alkoholismus bei den Ärmeren – veranlasst ihn, als Journalist und Redner über Bevölkerungsentwicklung aufzutreten. Seit einer Rede von 1880 ist er eine »öffentliche Figur in Schweden«.² Wegen seiner vielseitigen Interessen legt er erst 10 Jahre nach Ende seines Studiums – im Mai 1885 – seine Dissertation für den Grad des Licensiaten in Mathematik vor, mit dem Titel »On Proving the Existence of a Root in an Algebraic Equation«.³ In der Folgezeit beschäftigt er sich intensiver mit Ökonomie, um seine Theorien zu untermauern. Während eines längeren London-Aufenthalts studiert er die klassischen britischen Ökonomen, u.a. Smith, Ricardo, Mill und Bentham. Ein Stipendium der Lorén-Stiftung ermöglicht ihm, weitere ökonomische Studien zu betreiben. Er besucht Universitäten in ganz Europa, u.a. Berlin und Paris. Besonders beeindruckt ist er von der »Österreichischen Schule« in Wien, wo er sich ausführlich mit dem Werk Eugen von Böhm-Bawerks beschäftigt und Vorlesungen von Carl Menger besucht. In Kopenhagen 1888 lernt er seine spätere Frau Anna Bugge kennen, eine norwegische Pädagogin, mit der er zwei Söhne hat.

    Sein erstes theoretisches ökonomisches Buch erscheint 1892 unter dem Titel »Kapitalzins und Arbeitslohn«. Er wendet darin die Grenzproduktivitätslehre auf die Einkommensverteilung an. Im Folgejahr erscheint »Über Wert, Kapital und Rente«. Im Mai 1895 verteidigt er erfolgreich seine Dissertation mit dem Titel »Zur Lehre von der Steuerinzidenz«, die ein Jahr später den ersten Teil des Werkes »Finanztheoretische Untersuchungen nebst Darstellung und Kritik des Steuerwesens Schwedens« bildet. Im Jahr 1900 wird er schließlich zum Universitätsprofessor für Ökonomie in Lund berufen, veröffentlicht später ein zweibändiges Vorlesungswerk über Nationalökonomie (1913/22). Nach seiner Emeritierung 1916 ist er als Berater der Bank von Schweden in Stockholm tätig. Er stirbt am 3. Mai 1926 an einer Lungenentzündung.

    Wicksell hat über 800 Schriften publiziert, auch heute noch stellen sie eine Fundgrube für Ökonomen dar.⁴ Seine Werke zur Wert-, Preis und Verteilungstheorie, sowie zur Kapital- und Zinstheorie werden breit rezipiert; »Wicksells unzeitgemäße finanzwissenschaftliche Überlegungen haben bekanntlich in starkem Maße das Denken des Nobelpreisträgers James M. Buchanan und damit auch die Entwicklung der Public Choice Theorie geprägt«.⁵ Wegen seiner sozialen Untersuchungen – insbesondere der Frage nach der optimalen Bevölkerungsanzahl – bezeichnet ihn Mats Lundahl als den größten schwedischen Sozialwissenschaftler aller Zeiten, im Urteil Johan Åkermans ist er Malthus' wichtigster Nachfolger. Wicksell ist Verfechter einer Erziehungsreform, um die Klassenunterschiede zu beseitigen.

    Das wirkungsmächtigste Buch Knut Wicksells ist das 1898 erschienene »Geldzins und Güterpreise. Eine Studie über die den Tauschwert des Geldes bestimmenden Ursachen«. Da es in deutscher Sprache erschienen ist, hat es die englischsprachige Welt erst sehr viel später erreicht. Auch unter deutschsprachigen Ökonomen wird es wenig beachtet, da hier die historische Schule vorherrscht; eine löbliche Ausnahme ist Ludwig von Mises mit seinem 1912 publizierten Werk »Theorie des Geldes und der Umlaufsmittel«. Als John Maynard Keynes entdeckt, dass Wicksell viele seiner Gedanken vorher zu Papier gebracht hat, beauftragt er 1936 seinen Schüler Richard Kahn mit der Übersetzung von »Geldzins und Güterpreise« ins Englische.

    Ausgangspunkt Wicksells Monografie ist die von Ricardo entwickelte Quantitätstheorie, die in aktuellen Ökonomielehrbüchern oftmals kurz durch die Formel M·V = P·Y dargestellt wird, wobei M die Geldmenge, V die Umlaufgeschwindigkeit des Geldes, P das Preisniveau und Y das Handelsvolumen bezeichnen. Durch das Hinterfragen der einzelnen Größen liefert er die heute gängigen Formen zur Messung des Preisniveaus (Warenkorb) und der Geldmenge. Die empirisch beobachtete langfristige positive Korrelation von Zins und Preisniveau – später von Keynes als »Gibson-Paradoxon« bezeichnet – veranlasst Wicksell zur Annahme, dass auch der Zins als Variable in der Geldtheorie eine Rolle spielt. In Knut Wicksells Theorie beginnen Unternehmer zu investieren, wenn der »natürliche Zins« unter dem Realzins liegt, d.h. wenn sie sich durch Aufnahme von Krediten Gewinne versprechen; die Folge ist eine Preissteigerung, also Inflation, die sich in einem »kumulativen Prozess« fortsetzen kann, bis diese Zinsdiskrepanz beseitigt wird. Im umgekehrten Fall führt eine Anhebung des »Leitzinses« zu einer Beschränkung der Geldnachfrage und somit einem Sinken der Preise.

    Die herausragende Leistung des Buches liegt in der Entdeckung des Zinses als Regulator der wirtschaftlichen Entwicklung. Wicksell ist ein Anhänger stabiler Preise und er plädiert für eine internationale Zusammenarbeit: »In jedem neuen Schritt zur Zusammenschließung der Völker für wirtschaftliche oder wissenschaftliche Zwecke begrüße ich meinerseits mit Freude eine neue Garantie für die Wahrung und Stärkung desjenigen Gutes, von dem das glückliche Erreichen aller anderen materiellen und immateriellen Güter schließlich abhängt – des internationalen Friedens.«

    Viele der Gedanken Wicksells haben Einzug in die ökonomische Theorie gehalten; seine Herangehensweise an ökonomische Theorien, insbesondere das Hinterfragen mathematischer Modelle, machen sein Werk auch heute noch lesenswert. Auch wegen des philosophischen Hinterfragens des Sinns ökonomischer Institutionen lohnt die Lektüre. So urteilt er über Banken: »Dann aber möchte ich in aller Bescheidenheit daran erinnern, dass die Banken doch nicht in erster Linie dazu da sind, um recht viel Geld zu verdienen, sondern die Aufgabe haben, dem Publikum mit Umsatzmitteln zu dienen und zwar in genügender Menge, d.h. zu möglichster Erhaltung der Güterpreise.«

    ¹ Erich W. Streissler: »Vorwort«, in: »Studien zur Entwicklung der ökonomischen Theorie XVIII«. Herausgegeben von Erich W. Streissler et al., Duncker & Humblot, Berlin 1998, S. 5.

    ² Siehe: Mats Lundahl: Knut Wicksell on poverty. London 2005, S. 1.

    ³ Johan Åkerman: Knut Wicksell. A Pioneer of Econometrics, in: Econometrica, Vol. I (1993), S. 114.

    ⁴ Siehe bspw. die Veröffentlichung seines Manuskripts »Eine neue Krisentheorie« durch Harald Hagemann, in Erich W. Streissler et al., a.a.O., S. 253 ff.

    ⁵ Hans.-E. Loef und Hans G. Monissen: »Knut Wicksell und die moderne Makroökonomik«, in: Streissler et al., a.a.O., S. 66.

    ⁶ Siehe das vorliegende Werk, S. 179.

    ⁷ Ibid., S. 173 f.

    Vorwort

    Als ich die vorliegende Arbeit begann, welche trotz ihres geringen Umfanges mich über zwei Jahre fast ununterbrochen beschäftigt hat, war es lediglich reine Absicht, die Gründe für und gegen die Quantitätstheorie und insbesondere für und gegen den Bimetallismus (dem ich damals noch am ehesten zuneigte) in übersichtlicher Weise zusammenzustellen und zu prüfen. Von diesem einfachen Plan bin ich jedoch bald abgekommen und zwar aufgrund folgender Überlegung. Ich hegte schon den Verdacht und wurde durch ein eingehenderes Studium besonders von Tookes und seiner Anhänger Schriften mehr und mehr in demselben bestärkt, dass es neben der Quantitätstheorie in Wirklichkeit keine zweite gibt, welcher der Name einer durchgeführten, in sich zusammenhängenden Theorie des Geldes beigelegt werden könnte. Ist somit jene Theorie falsch – oder insoweit sie falsch ist –, so gibt es bis heutigen Tages eben nur eine falsche Theorie des Geldes und keine wahre. Die Kritik der Tookeschen Schule enthält nach der negativen Seite hin allerdings sehr viel richtiges und belehrendes, positiv jedoch kommt sie nicht über einige mehr oder weniger geistreiche Aphorismen hinaus, die zu einem in sich geschlossenen Ganzen zu verbinden jedenfalls dieser Schule selbst niemals gelungen, ja nicht einmal von ihr versucht worden ist. Man kann ohne Übertreibung behaupten, dass noch in der Gegenwart viele selbst der hervorragendsten Nationalökonomen ohne eine wirkliche, logisch durchdachte Theorie des Geldes dastehen, ein Umstand, welcher der modernen Diskussion auf diesem Gebiet selbstverständlich nicht besonders förderlich gewesen ist.

    Auf der anderen Hand weist die Quantitätstheorie, auch wie sie in Ricardos wahrhaft klassischen Schriften über das Geld uns begegnet, noch zu erhebliche, von der späteren Kritik dargelegte Mängel auf, um ohne weiteres aufrecht erhalten werden zu können. Es blieb deshalb m.E. nichts anderes übrig, als zu versuchen, in den Fußstapfen dieses großen Meisters weiter vorzudringen, m.a.W.: der Grundauffassung, welche einstens zur Aufstellung der Quantitätstheorie geführt hat, eine konsequente Weiterentwicklung zu geben, um dadurch womöglich zu einer Theorie zu gelangen, welche sowohl in sich selbst widerspruchsfrei wäre, wie mit den Tatsachen in vollem Einklang stände.

    Ein brauchbares Ergebnis schien nun in folgender Art gewonnen werden zu können. Nach Ricardos Ansicht wird ein Überfluss an Geld sich in zweierlei Weise kundgeben, teils in einer Erhöhung aller Preise, teils in einer Erniedrigung des Darlehenszinses. Letztere Wirkung wird jedoch, wie er hervorhebt, nur eine vorübergehende sein können, denn sobald die Preise sich der vergrößerten Geldmenge angepasst haben, ist auch der Geldüberfluss eo ipso verschwunden, und der Geldzins muss, unter sonst gleichen Umständen, auf seine frühere Höhe zurückgehen. Um eine mehr oder weniger andauernde Erniedrigung des Darlehenszinses zu bewirken, würde deshalb ein sich immer erneuernder Überfluss an Geld, eine stetige Zunahme der (relativen) Geldmenge erforderlich sein, sodass jene Erscheinung nur unter stetig fortschreitender Erhöhung der Güterpreise denkbar wäre. Letzterer Satz dürfte nun in der Tat ein allgemeingültiger sein, und bei der entwickelten Kreditwirtschaft der Gegenwart sogar eine erhöhte Bedeutung beanspruchen können, indem neben einer Vermehrung des materiellen Geldes als Ursache der Krediterleichterung eine vergrößerte (tatsächliche oder virtuelle) Umlaufgeschwindigkeit des Geldes als Wirkung derselben auftritt, wie unten gezeigt werden soll.¹

    Wenn die Geldanstalten ihr Geld oder ihren Kredit zu billigeren Bedingungen als gewöhnlich darbieten, kann dies logischerweise nur eine stärkere Inanspruchnahme von Geld oder Kredit seitens des Publikums, also eine Erhöhung der Preise zur Folge haben, und zwar so, dass die Preiserhöhung dem obigen gemäß eine fortschreitende wird, so lange die Krediterleichterung besteht – und umgekehrt natürlich bei erschwerten Kreditbedingungen.

    Jedoch mit einer sehr wichtigen Modifikation, welche ganz in der Natur der Sache liegt, deren Nichtbeachtung aber vielfach zu voreiligen, mit den Tatsachen schlecht übereinstimmenden Schlussfolgerungen geführt hat. Ein Darlehenszins ist natürlich niemals an sich weder hoch noch niedrig, sondern lediglich im Verhältnis zu dem, was man mit Geld in der Hand verdienen kann, oder verdienen zu können hofft. Also nicht der niedrige oder hohe Stand des Darlehenszinses im absoluten Sinne, sondern sein jeweiliges Verhältnis zu dem, was ich unten den natürlichen Kapitalzins nenne, und was angenähert dem realen Zins der Unternehmungen selbst gleichkommt, genauer aber, wiewohl ziemlich abstrakt als diejenige Zinsrate gekennzeichnet wird, welche durch Angebot und Nachfrage festgestellt werden würde, falls die Realkapitalien ohne Vermittlung des Geldes in natura dargeliehen würden – ist als die Ursache aufzufassen, welche die Nachfrage nach Rohstoffen, Arbeit, Bodenleistungen oder sonstigen Produktivmitteln beeinflusst und dadurch mittelbar die Bewegung der Güterpreise nach oben oder nach unten bestimmt. –

    Es muss wundernehmen, dass dieser, im Grunde genommen sehr einfache, fast selbstverständliche Satz zwar gelegentlich in der Literatur angedeutet wird, aber m.W. niemals einer durchgeführten Theorie des Geldes und der Geldpreise zu Grunde gelegt worden ist. Die Erklärung hierfür kann ich nur in der bisher leider sehr mangelhaften Entwicklung der Theorie des Kapitalzinses selbst erblicken. Die Nationalökonomen werden nicht müde, ihren Schülern einzuschärfen, dass Geld und (Real-)Kapital nicht dieselbe Sache seien, Kapitalzins und Geldzins somit zwei verschiedene Dinge; sobald es aber zu den Anwendungen kommt, lassen sie fast ausnahmslos jene beiden Begriffe in eine »unentwirrbare Konfusion zusammenschmelzen«, wie Mill sich ausdrückt – nebenbei bemerkt, am Anfang einer Auseinandersetzung², in der er selbst, trotz allem Bemühen, nur dazu gelangt ist jene Konfusion zu verstärken.

    Erst der geniale Entwurf einer wirklich realen Theorie des Kapitals, der in Jevons’ »Theory of political economy« enthalten ist³ und in Böhm-Bawerks berühmter Arbeit: »Positive Theorie des Kapitales« zu voller Entfaltung gebracht wurde, hat uns in die Lage versetzt, die Phänomene des Kapitals und des Kapitalzinses, wie sie sich gestalten würden unter der, allerdings rein gedachten, Voraussetzung, dass sie ohne Vermittlung von Geld oder Geldkredit vor sich gehen könnten, zu überblicken und dabei zugleich die Modifikationen zu beurteilen, welche durch das Auftreten des Geldverkehrs verursacht werden. Diese Modifikationen sind in der Tat von ganz wesentlicher Art. Es ist nicht wahr, dass »das Geld nur eine Form des Kapitals« ist, dass im Gelddarlehen »die Realkapitalien in Geldform verliehen werden« usw.: Das flüssige Realkapital (d.h. die Waren) wird ja überhaupt nicht verliehen, (auch beim einfachen Warenkredit nicht) sondern das Geld wird verliehen, und dann das betreffende Warenkapital gegen dieses Geld verkauft.

    Der Geldzins wird demnach gar nicht ohne weiteres mit derjenigen Zinsrate übereinstimmen, welche durch Nachfrage und Angebot reguliert würde, falls die Realkapitalien in natura ausgeliehen würden. Das Angebot an Realkapital ist nämlich durch rein physische Verhältnisse begrenzt, das Angebot an Geld aber ist theoretisch durchaus unbegrenzt und auch praktisch nur in mehr oder weniger elastische Grenzen gebannt: können ja dieselben Geldstücke in gegebener Zeit fast beliebig oft an verschiedene Personen, oder an eine und dieselbe Person, verliehen werden.

    Dennoch ist es sicher genug, dass der Geldzins sich über kurz oder lang dem Stand des natürlichen Kapitalzinses anschließen, m.a.W.: dass seine Höhe in letzter Instanz nur von dem relativen Überfluss oder Mangel an Realkapitalien bestimmt werden wird. Aber gerade diese Erscheinung wäre m.E. durchaus unerklärlich, wenn man nicht voraussetzen dürfte, dass jeder andauernde Unterschied zwischen den beiden Raten zu einer Veränderung der Güterpreise Anlass gibt, und zwar zu einer sich stetig wiederholenden, progressiven, welche bei der tatsächlichen Gestaltung des Geldwesens früher oder später den Darlehenszins dazu zwingt, sich der jeweiligen Höhe des natürlichen Kapitalzinses anzuschließen.

    Ich glaube keine bessere Illustration dieses Satzes geben zu können, als wenn ich an den berühmten, neuerdings von Mühlberger⁵ deutsch herausgegebenen Briefwechsel zwischen Bastiat und Proudhon über die »Unentgeltlichkeit des Kredits« erinnere.

    Nicht nur Proudhon, sondern (wie aus dem 6. Brief Bastiats⁶ zur vollen Evidenz erhellt) auch sein Gegner Bastiat war der Meinung, dass die Banken, wenn sie Zettel ohne volle metallische Deckung ausgeben dürfen, ihre Diskontosätze in entsprechendem Maß herabsetzen können und bei freier Konkurrenz auch werden. Ist diese Auffassung richtig, so sind wir offenbar nur um ein Haar von der Unentgeltlichkeit des Kredits entfernt. Jedenfalls lässt sich recht wohl ein Zustand denken, wo durch die Entwicklung des Kreditwesens sowohl der nötige Barfond wie die sonstigen Selbstkosten der Banken auf ein Minimum gebracht wären. Es könnte also nach jener Ansicht der Geldzins ohne irgendeine Vermehrung des Realkapitals beinahe auf Null sinken! Wo blieben dann alle die von den Nationalökonomen und nicht am wenigsten von Bastiat selbst angeführten Gründe für die ökonomische Berechtigung und Notwendigkeit des Darlehenszinses, für seine Bestimmung durch Angebot und Nachfrage nach Kapital?!

    Der Widerspruch löst sich aber in sehr einfacher Weise, sobald man annehmen darf, eine konstante Abweichung des Darlehenszinses vom natürlichen Kapitalzinse nach unten würde nicht nur, wie Bastiat selbst hervorhebt, eine Erhöhung, sondern eine progressive, somit schließlich jedes Maß übersteigende Erhöhung der Preise bewirken, was natürlich die Banken früher oder später veranlassen würde, mit ihren Zinssätzen heraufzugehen; und mutatis mutandis, würde das Umgekehrte der Fall sein, wenn der Geldzins höher als der natürliche Zins zu stehen käme. Zugleich aber ist klar, dass, insofern man sich auf den Standpunkt der Weltwirtschaft stellt und ein ähnliches Vorgehen sämtlicher Banken voraussetzt, jene Eventualität nicht bald eintreten muss, ein Unterschied der beiden Raten mit den oben geschilderten Einwirkungen auf die Preise vielmehr längere Zeit hindurch bestehen kann; und es fragt sich dann, ob wir nicht eben in diesem Umstand eine hinreichende Erklärung aller tatsächlich nachgewiesenen Veränderungen der Preise gefunden haben, zumal alle anderen Erklärungsweisen, wie ich unten zu zeigen versuche, sich als logisch unhaltbar erweisen.

    Die Quantitätstheorie behält hierbei insofern recht, als einer Vermehrung bzw. einer relativen Verminderung des Geldvorrats immer die Tendenz zugeschrieben werden muss, auf die Preise erhöhend bzw. erniedrigend einzuwirken – und zwar zunächst durch ihre Einwirkung in entgegengesetzter Richtung auf die Zinsrate. Aber die monetären Veränderungen bleiben hier – jedenfalls wenn es sich nicht um allzulange Zeiträume handelt – nur der eine Faktor. Der andere, welcher die Einwirkung des Ersteren oft mehr als aufwiegt, besteht in den unabhängigen Bewegungen des natürlichen Kapitalzinses selbst, welche notwendig, in der Regel aber erst nach und nach, von entsprechenden Veränderungen des Geldzinses begleitet werden.

    Dadurch erledigt sich zugleich in schlagender Weise der wichtigste Einwand, welcher gegen jene Theorie angeführt zu werden pflegt, nämlich der Hinweis darauf, dass eine aufsteigende Preisbewegung tatsächlich nur selten mit niedrigen oder fallenden, weit öfter vielmehr mit hohen oder ansteigenden Zinssätzen, fallende Preise umgekehrt mit fallenden Zinssätzen verbunden waren; denn mit der obigen Auffassung steht dies offenbar in vollem Einklang. –

    Wie einfach und klar somit diese Anschauungsweise erscheint, ihre Durchführung ins Detail begegnet nichtsdestoweniger großen Schwierigkeiten. Fast bei jedem Schritt stößt man auf gegnerische Meinungen, von denen einige in dem allgemeinen Bewusstsein nicht nur der Laien, sondern auch der Männer vom Fach tief eingewurzelt sind, oder kommt man zu Ergebnissen, die beim ersten Anblick geradezu als Paradoxon erscheinen. Ich habe mich ehrlich bemüht, jene Schwierigkeiten realiter zu beseitigen, statt etwa mit Phrasen über sie hinwegzutäuschen, habe aber das Gefühl, dass bei mehr Darstellungstalent oder verfügbarer Zeit sich alles in viel einfacherer, schlichterer, überzeugender Weise hätte darstellen lassen müssen.

    Das schlimmste jedoch ist, dass die genauere Prüfung der Theorie an der Hand der Erfahrung leider noch ausstehend bleibt. Ich bin weit davon entfernt, das wenige, was ich in dieser Hinsicht im XI. Abschnitte angeführt habe, als ausreichend zu betrachten, habe aber dort die Gründe angegeben, weshalb eine detaillierte Untersuchung auf diesem Gebiet mir als eine überaus schwierige, ja zur Zeit fast unüberwindbare Aufgabe vorkommt. Ohne die volle Sanktion seitens der Erfahrung bleibt aber jede Theorie, mag sie an sich noch so plausibel erscheinen, nur eine Hypothese, und für mehr als eine solche möchte ich die meinige nicht ausgeben. Ihre Bedeutung nicht nur für die Theorie, sondern auch für die Praxis des Geldwesens, falls sie sich schließlich als richtig erweisen sollte, glaube ich jedoch nicht überschätzt zu haben. –

    Einleitungsweise sind einige Bemerkungen über den Begriff des durchschnittlichen Niveaus der Geldpreise und die Möglichkeit einer Messung desselben vorausgeschickt worden. Sie beanspruchen keineswegs eine erschöpfende Behandlung dieses viel debattierten Gegenstandes zu geben,⁷ hoffentlich werden sie aber zur Aufklärung über die Frage einigermaßen beitragen können. –

    Um die Benutzung des Buches zu erleichtern, sind einige Partien desselben mit kleineren Lettern gedruckt. Sie können ohne Störung des Zusammenhanges – zumal bei einer ersten Lektüre – überschlagen werden, und dies gilt auch von dem ganzen IX. Abschnitt, wo ich eine mehr systematische Darstellung der Theorie unter gewissen hypothetischen Voraussetzungen versucht habe. Die dort am Anfang mitgeteilte Darstellung des Böhm-Bawerkschen Produktions-(Lohnfonds-)Theorie könnte sogar als überflüssig erscheinen, da später keine direkte Anwendung davon gemacht wird. Dies ist aber nur der Fall, weil ich im Folgenden der Einfachheit wegen eine unveränderliche (einjährige) Länge des Produktionsprozesses fingiert habe. Zugleich wollte ich wenigstens den Weg andeuten, wie man über diese Einschränkung hinweg kommen kann. Diesen bietet nun eben die Böhmsche Lehre – ist sie doch die einzige nationalökonomische Theorie, welche die Höhe des Kapitalzinses, des Arbeitslohns und der Grundrente, die Verteilung der Produktionsergebnisse zwischen Kapitalisten, Arbeitern, Grundeignern usf. in wahrhaft rationeller Weise erklärt.

    Von der mathematischen Methode habe ich diesmal sonst so gut wie keinen Gebrauch gemacht. Nicht als ob ich über ihre Berechtigung und Anwendbarkeit anders dächte als früher, sondern einfach, weil mir der

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