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Vom Aushalten ausfallender Umarmungen
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Vom Aushalten ausfallender Umarmungen
Ebook106 pages1 hour

Vom Aushalten ausfallender Umarmungen

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About this ebook

Jede Figur in diesem Buch möchte man gerne lange umarmen. Manche, um ihnen Halt zu bieten, andere, um sie sehr langsam zu ersticken. In der Tradition von Ich hab die Unschuld kotzen sehen lässt Dirk Bernemann diverse Schicksale aufeinanderprallen und es oft wie niedliche Unfälle aussehen. Was bleibt sind Blessuren, Liebe und Hoffnung.
LanguageDeutsch
Release dateFeb 25, 2016
ISBN9783957910530
Vom Aushalten ausfallender Umarmungen

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    Book preview

    Vom Aushalten ausfallender Umarmungen - Dirk Bernemann

    1. Auflage 2016

    ©opyright 2015 by Autor

    Lektorat: Miriam Spies

    Coverbild: Liú Quara

    Satz: Fred Uhde (www.buch-satz-illustration.de)

    ISBN: 978-3-95791-053-0

    Alle Rechte vorbehalten. Ein Nachdruck oder eine andere Verwertung ist

    nur mit schriftlicher Genehmigung des Verlags gestattet.

    Hat Dir das Buch gefallen? Schreib uns Deine Meinung unter:

    info@unsichtbar-verlag.de

    Mehr Infos jederzeit im Web unter www.unsichtbar-verlag.de

    Unsichtbar Verlag | Wellenburger Str. 1 | 86420 Diedorf

    Dirk Bernemann

    Vom Aushalten ausfallender Umarmungen

    Vorwort

    Liebe Lesende,

    hier stehe ich nun und könnte sehr wohl anders, will ich aber nicht. Ich will genau das hier. Schreiben. Manchmal ist dieser Wunsch lächerlich, manchmal alles, was noch übrig geblieben ist.

    Manchmal schreibe ich Listen auf. Einfach so. Listen erklären manchmal Leute, Dinge, Umstände und Gefüge.

    7 Dinge, die gerade auf dem Schreibtisch stehen:

    1) ein Teller Obst mit einer Mango, die unbedingt heute gegessen werden muss, weil sie ansonsten an Substanz verlieren wird

    2) ein Aschenbecher, der sich langweilt

    3) du nicht

    4) 6 Notizbücher, randvoll mit kleinen Szenen und halben Wörtern

    5) ein Zettel, auf dem ungefähr 79 potentielle Buchtitel notiert sind, von denen es keiner geworden ist

    6) meine Lieblingskaffeetasse, innen Ränder, außen auch

    7) ich

    Meine Wohnung riecht nach Arbeit, während ich das hier schreibe. Bin unlängst fertig geworden und weiß, dass ich mir eine Umarmung wünsche. Und weil niemand da und alles leise ist, nur ganz dünn Musik herumwabert, muss mich dann Literatur umarmen und ich hoffe ja immer, etwas dergestalt Lebendiges verfasst zu haben, dass es imstande ist aufzustehen, auf mich zuzulaufen und mir für seine Existenz zu danken.

    Liebes Buch, ich habe dich unter Schmerzen in die Welt gestemmt, jetzt steh auf und mach was!

    2 Dinge, die ich von diesem Buch erwarte:

    1) nicht egal sein

    2) Leserinnen und Leser gut aussehen lassen in seiner Accessoirehaftigkeit, wenn sie damit reisen

    Und damit genug Vorwort in die Welt verwaltet. Ich stelle mich nun wieder ans Fenster und warte darauf, dass dieses Buch endlich erscheinen darf.

    Viel Spaß und gute Unterhaltung wünscht Ihnen

    Ihr Lieblingsautor,

    Dirk Bernemann

    Der Friseurbesuch

    Es ist ein Vormittag, irgend so ein Vormittag, an dem er sich vorgenommen hat, etwas für sich zu tun. Früh aufgestanden, geduscht, auf Inspira­tion gewartet, die kam nicht vorbei, also begann er mit dem, was Künstler eben so tun, wenn die Inspiration sich verspätet. Warten. Warten. Warten. Dann ein Blick in den Spiegel und hey, man könnte ja mal, aber was sollte man daran beschönigen können und dann: ja, doch, ein Friseurbesuch.

    Kalle hat mal diesen Bestseller geschrieben. Schon ein paar Jahre her. So ein Buch, mit dem alle was anfangen konnten. Und wenn er alle sagt, dann meint er nicht alle, sondern alle, die er mag. Auch ein paar, die er nicht mag, haben dieses Buch gelesen und bewertet und sogar ein paar von denen lieben es. Dann kamen ein paar weitere Bücher, fast jedes Jahr eins. Sein Bestseller hieß »Dinge jagen, Menschen retten«, aber seine neuen Bücher kamen nicht mehr an den Erfolg des ersten Buches heran, obwohl sie sich bemühten, diese kleinen, unermüdlichen Bücher.

    Kalle weiß 7 Dinge, die er gerne mag:

    1) das Gefühl, ein Wort zu finden, das wichtiger als ein Atemzug zu sein scheint

    2) nachts im Bett Spaghetti essen

    3) aus Fenstern in 13. Stockwerken in Himmel gucken, um mit Blicken Vögeln zu folgen

    4) braune Cordanzüge

    5) Bücher, die zwar klein sind, aber so schwer, dass man sie kaum allein erträgt

    6) wunderbaren Menschen zu sagen, dass sie komplett scheiße sind, einfach nur, um die Gelegenheit zu haben, mit wunderbaren Menschen zu reden

    7) Bescheidenheit, die echt ist

    Bei allen Friseuren riecht es immer identisch. In der Luft feinkörnige, chemische Haarspraypartikelchen, gemischt mit irrsinnigen Parfümcocktails. Darüber legt sich eine perfide Decke aus Schampooaromastoffen mit einer winzigen Note heißlaufender Fönmotoren. Trotz dieser Kulisse sagt der Ort zu Kalle: »Komm herein und verlasse mich schön. Du hast die Gelegenheit, etwas an dir zu verändern.« Und um Veränderungen geht es doch manchmal, weiß er. Oder einfach nur darum, dass sich einer um einen kümmert.

    Madlen, sagt sie, heißt sie und ob er sich schon mal da hinsetzen wolle. Er setzt sich also schon mal da hin und wartet, während Madlen ihm die Haare wäscht. Ab und zu lässt sie eine ihrer wohlgeformten Brüste an seinem Hinterkopf vorbeigleiten, was er mit Wohlwollen zur Kenntnis nimmt. Haare schneiden ist halt ein intimer Akt, etwas wie ein Arztbesuch. Dazu gehört eigentich Vertrauen und zu oft macht man Kompromisse. Wer war denn je in einem Friseursalon, hat sich mit dem oder der Haarschneidebefugten im Vorfeld so lange unterhalten, dass da ein ordentliches Vertrauensverhältnis entstehen konnte, war dann trotzdem enttäuscht von ihrem oder seinem Verhältnis zur Bankenkrise und ist dann lieber in den nächsten Salon gegangen?

    Madlen lächelt ein Lächeln, welches voll ist von dem Geheimnis, wie man aus Zwang Vergnügen destilliert. Sie ist eine dieser Schönheiten, die einem sofort ins Auge springen wie Stagediver auf Hardcore-Konzerten und jetzt sitzt Kalle auf diesem Drehstuhl und Madlen schneidet ihm die Haare. Es wirkt wie eine Choreographie, wie sie da so um ihn herumtänzelt, jeden Schritt, jede Handbewegung betont lässig ausführt. Und bislang hatte sie nur einen Kamm und ein Handtuch in ihren Händen. Kalle sitzt nur still da, weil er ihr diese Dienstleistung abgekauft hat. Sie fragt ihn, wie es werden soll, er sagt ihr, wie es werden soll und sie beginnt daran zu arbeiten, wie es werden soll.

    Er hat einen hippen Kurzhaarschnitt verlangt und sie denkt, er sei einer dieser Leute, die glauben, dass die Möglichkeit bestünde, sich mit einer Frisur irgendwie vom Rest abzugrenzen. Wahr­scheinlich schneidet sie mehrmals am Tag die Frisur, die er verlangt hat. Sie ist zärtlich zu seinem Haar, allerdings sind ihre Scherenhiebe und Handbewegungen einstudierte, unemotio­nale Roboterbewegungen, an denen man erkennen kann, dass es ihr egal ist, ob sie jemandem die Haare schneidet. Sie könnte ebenso gut ein Dach decken, eine Kuh melken oder einen Autoreifen wechseln.

    Und sie redet diese Allerweltsdinge, von denen sie glaubt, dass sie Lockerheit suggerieren. Hier, nimm meine Allerweltsmeinung und lass uns ein wenig unverbindlichen Smalltalk haben. Ich bin nicht an dir interessiert und du nicht an mir, also lass uns einfach die Gesichter öffnen und uns Worte herausfallen lassen, die immer am Eigentlichen vorbeigleiten, weil: Was wäre das denn für ein Friseur­besuch, wenn es hier ums Eigentliche ginge? Kalle hat sich immer schon gefragt, ob es unpassend sei zu sagen: Ich hätte gerne diesen oder jenen Haarschnitt, aber bitte ohne Gespräch. Kalle will keine ersetzbaren Dialoge sprechen. Er hat mal versucht ein Theaterstück voller punchlinehafter Dialoge zu verfassen und ist an seinem eigenen Anspruch gescheitert. Madlen aber scheint jemand zu sein, der ohnehin schlecht Stille aushalten kann.

    Sie fragt Kalle, warum er so früh am Tage denn schon hier säße und er antwortet ihr, dass seine Selbstständigkeit ihm das erlaube. Madlen will wissen, in welchem Bereich er denn tätig sei und er antwortet ihr, dass er Kunst mache, woraufhin sie fast gelangweilt meint, dass das ja wohl ein weiter Begriff wäre und Kalle präzisiert, dass er Schriftsteller ist. Ihr entgleitet ein wow, cool!, während sie sein Deckhaar kürzt.

    Was genau er schreiben würde, fragt sie, woraufhin er Verschiedenes antwortet. Leicht eupho­risiert fragt sie, ob er berühmt sei, was Kalle bescheiden verneint. Sie sagt ihm dann mit einer seriösen Ernsthaftigkeit in der Stimme, dass sie selbst ja wenig lesen würde, sie habe halt wenig Zeit, die Arbeit und dann noch die Hobbys und der Freund und so und sie fragt, ob er das verstehen könne und

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