Muskulatur verstehen - Training optimieren: Die Muskulatur des Pferdes, Anatomie und Biomechanik
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Das Buch verdeutlicht nachvollziehbar das Zusammenspiel der Muskulatur und dient dem Pferdebesitzer und Trainer zur Gesunderhaltung des Pferdes.
Zahlreiche praktische Trainingstipps zum Muskelaufbau und zur Gymnastizierung des Pferdes runden die Thematik ab.
Ein Leitfaden für Pferdeliebhaber, Freizeitreiter, Turnierreiter und Trainer unabhängig von Ausbildungsstand und Reitweise.
Daniela Schinko
Daniela Schinko, geboren in Bruck an der Mur / Österreich, ist ausgebildete veterinärmedizinische Assistentin. Ihre langjährige Praxis im Bereich der OP-Assistenz, Rehabilitation und Physiotherapie bei Pferden war der Grundstein für den weiteren Werdegang, innerhalb dessen sie sich mit einer Vielzahl an Fortbildungen im Bereich der Anatomie und Biomechanik und der klassischen Ausbildungsweise des Pferdes weiterbildet. Heute ist Daniela Schinko als ganzheitliche Pferdetrainerin tätig. Sie beschäftigt sich seit vielen Jahren im Speziellen mit der Leistungsoptimierung und Leistungssteigerung des Pferdes, und vermittelt Trainingswege im Einklang mit dem Pferdekörper. Ihr Wissen teilt sie als Autorin zahlreicher Publikationen, sowie in Kursen und Vorträgen im In- und Ausland.
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Book preview
Muskulatur verstehen - Training optimieren - Daniela Schinko
kann.
1 Einleitung
Der gesunde Pferdekörper besteht aus zumindest 45 % Muskelmasse. Grund genug, sich mit diesem wichtigen Thema näher auseinanderzusetzen.
Der Muskel ist ein wahrlich faszinierendes Gebilde. Aufschluss über seine innere Architektur und Funktionsweise helfen dem Pferdebesitzer, Irrwege im Training zu vermeiden. Das Training des Pferdes zielgerichtet auszulegen, mindert das Risiko, dem Pferdekörper zu schaden.
Ich beschäftige mich seit vielen Jahren im Speziellen mit der Leistungsoptimierung und Leistungssteigerung des Pferdes und möchte Ihnen mit diesem Buch Wissen über die Muskulatur des Pferdes zur Verfügung stellen, das dem täglichen Training – aber auch dem zielgerichteten Muskelaufbau – dienlich ist.
Über die anatomischen Gegebenheiten
kann man im Training nicht hinwegsehen!
Betrachtet man das Skelett des Pferdes, ist festzustellen, dass das Pferd aufgrund seiner Konstruktion der Wirbelsäule nicht als Reittier geschaffen ist.
Die Vorhand des Pferdes ist über die Schulterblätter rein muskulär mit dem Rumpf verbunden, da Pferde kein Schlüsselbein haben. Das macht die Vorhand zwar enorm stoßdämpfend, aber auch sehr verletzungsanfällig.
Die ersten acht Rippen sind knöchern mit dem verhältnismäßig kurzen Brustbein (Sternum) verbunden. Die restlichen zehn Rippen sind die sogenannten Atmungsrippen.
Im Brustkorb (Thorax) befinden sich die inneren Organe, die durch kräftige Faszien gestützt werden. Die Wirbelsäule des Pferdes gleicht einer Hängebrückenkonstruktion und gilt für den Reiter als besonders sensibler Bereich. Das Bewegungszentrum Pferderücken bedarf eines effizienten Trainings, wenn man dem Pferd keinen Schaden zufügen möchte.
Die Hinterhand ist über das Kreuzdarmbeingelenk (ISG) mit der Wirbelsäule verbunden, wodurch Kraftentwicklung möglich ist.
Der „Motor" des Pferdes sitzt also aufgrund der knöchernen Verbindung eindeutig an der Hinterhand.
Die Aufgabe des pferdegerechten Reiters besteht darin, im Trainingsverlauf des Pferdes ein Entlasten der sensiblen Vorhand durch Förderung der Lastaufnahme der Hinterhand zu forcieren.
Die Funktion des Skeletts und Arten von Muskeln
Das Skelett dient zusammen mit den Muskeln und Bändern der Stabilität, der Fortbewegung und dem Schutz der inneren Organe.
Der Calcium-Phosphor-Speicher im Skelett sorgt für die Stabilität der Knochen, die wiederum als Ansatzstellen für die Muskulatur fungieren.
Im Körper gibt es drei Arten von Muskeln:
Herzmuskulatur
Die Herzmuskulatur arbeitet unwillkürlich.
glatte Muskulatur
Die glatte Muskulatur arbeitet ebenfalls unwillkürlich und ist im Blutgefäß- und Verdauungssystem tätig.
Skelettmuskulatur
Die Skelettmuskulatur arbeitet sowohl willkürlich unter Kontrolle des Bewusstseins als auch reflexartig unwillkürlich.
Skelettmuskeln stabilisieren mit den Sehnen und Bänder das Skelett und sind zuständig für die Bewegung.
Der Pferdekörper besteht aus etwa 700 Muskeln, davon sind mehr als 540 für die Bewegung zuständig.
Die Hauptfunktionen der Muskeln:
Fortbewegung
Gesichtsmimik
Formgebung des Körpers
Wärmeregulierung
Schutz der Nerven und Organe
Stoßdämpfung
2 Der Muskel in seinem Feinbau und seiner Funktion
Der kleinste Baustein des Muskels ist die Muskelzelle. Die Mitochondrien gelten als „Kraftwerke" der Zelle und spielen für den leistungsorientierten Trainer eine besondere Rolle.
Jeder Muskel besteht aus einem Muskelbauch. Der Muskelbauch hat einen sehnigen Ursprung und einen sehnigen Ansatz. Der Ursprung ist körpernah, der Ansatz körperfern.
Der Muskelbauch besteht aus gebündelten Muskelfasern. Diese Muskelfaserbündel sind von einer Bindegewebshülle (Faszie) ummantelt. Diese Faszie bietet dem Muskel Halt und grenzt ihn auch von seiner Umgebung ab.
In jeder dieser Muskelfasern befinden sich tausende Myofibrillen, die sich zusammenziehen können und wodurch die Muskelkontraktion entsteht.
Periost (Knochenhaut)
Sehne
Faszie
Muskelbauch
Muskelfaserbündel
Zellkerne
Myofibrille
Bei der Muskelkontraktion werden mechanische Kräfte im Muskelgewebe erzeugt. Im Falle der Skelettmuskulatur werden diese Kräfte über die Sehnen auf den daran verbundenen Knochen übertragen.
Die Myofibrillen bestehen aus Actinfilamenten und Myosinfilamenten. Diese Filamente sind den Proteinen zuzuordnen. Wenn durch einen Nervenimpuls eine Muskelfaser gereizt wird, verbinden sich Actin und Myosin und der Muskel kontrahiert.
Calcium (Ca) und Magnesium (Mg) sind wichtige Elemente, um die Actin-Myosin-Verbindung zu lösen. Steht dem Pferdekörper nach der Muskelkontraktion zu wenig Mg/Ca zur Verfügung, können Muskelkrämpfe entstehen. Magnesium ist grundsätzlich maßgeblich für die Muskelentspannung.
Der Muskelaufbau entsteht durch Eiweißeinlagerung in den Muskelfasern. Bei einem jungen, noch im Wachstum befindlichen Pferd steigt im Training die Anzahl der einzelnen Fasern an. Bei einem älteren Tier nimmt hingegen mit dem Training der Durchmesser der Fasern zu. Mit dem Gesamtquerschnitt steigt dann auch die Muskelkraft an.
Der Muskelstoffwechsel
In der Muskelphysiologie wird chemische Energie in Bewegung umgewandelt. Das wechselnde Zusammenspiel von Ineinandergleiten und Auseinanderschieben der Actin- und Myosinfilamente benötigt erhebliche Mengen an ATP (Adenosintriphosphat).
ATP entsteht bei der Verdauung im Blinddarm, indem unter Beteiligung der Mitochondrien, den „Kraftwerken" der Zelle, Glucose in ATP umgewandelt wird. Die Mitochondrien sind also Energielieferanten in Form von ATP.
Findet der Muskelstoffwechsel unter Zufuhr von Sauerstoff statt, spricht man von aerobem Muskelstoffwechsel. Dabei wird ATP mithilfe von Sauerstoff zu Kohlendioxid und Wasser abgebaut und vom Organismus verstoffwechselt.
Läuft diese chemische Reaktion jedoch unter mangelnder Zufuhr von Sauerstoff oder unter Sauerstoffabschluss, so spricht man von anaerobem Muskelstoffwechsel. In diesem Fall ist das chemische Endprodukt Laktat (Milchsäure), das den Muskel und seinen Stoffwechsel sehr belastet.
Für das Pferdetraining bedeutet dies, dass aerobe Energiebereitstellung durch systematische Leistungsoptimierung und angepasste Leistungssteigerung trainierbar ist. Das Pferd als Fluchttier begibt sich auch von Natur aus durchaus in den anaeroben Bereich, jedoch ist hierbei die Dauer ganz entscheidend.
Der erfahrene Trainer darf sich an den anaeroben Bereich herantasten, wird aber die Arbeit im „sauren Bereich" aufgrund der Funktionsstörung im Muskelstoffwechsel tunlichst vermeiden.
Die Gefahr bei der Arbeit im anaeroben Bereich besteht darin, den Muskelstoffwechsel in einem Maß zu überfordern, das der Körper nicht mehr bewältigen kann. Als mögliche Folge ist die totale Erschöpfung des Pferdes zu nennen, aber auch das Tying-up-Syndrom und der Kreuzschlag.
Das Tying-up-Syndrom kann auch bei augenscheinlich gut trainierten Pferden auftreten und äußert sich beispielsweise in plötzlicher Leistungsverweigerung oder Leistungsabfall des Pferdes bis hin zur totalen plötzlichen Widersetzlichkeit. Klammes Gangbild oder Taktstörungen bis hin zur Lahmheit können auf ein Tying up hindeuten.
Mögliche Anzeichen für einen Kreuzschlag: Das Pferd verweigert jegliches Vorwärtsgehen, ist steif, schwitzt, macht sich im Rücken und den hinteren Extremitäten fest.
Beide Krankheitsbilder sind für das Pferd äußerst schmerzhaft und bedürfen unverzüglicher tierärztlicher Behandlung.
3 Faszinierende Faszien
Ohne Faszien wäre im Körper nichts an seinem Platz!
Sie sind netzartig im gesamten Körper verteilt, verbinden und umhüllen Muskeln und all ihre Bestandteile, Organe, Knochen, Sehnen und Blutgefäße. Sie sind für die Trennung der Muskeln zuständig, für den Abtransport der Lymphe und steuern den Muskeltonus.
Die Lymphflüssigkeit transportiert körperwichtige Auf- und Abbauprodukte. Dieser Transport kann beispielsweise durch verklebte Faszien behindert werden.