Flammender Sommer: Liebesgeschichte
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Flammender Sommer - Catherine Fox
Fotolia.com
1
Es hat keinen Sinn mehr. Wir beide passen einfach nicht zusammen. Leb wohl.
Die SMS traf Michaela völlig unvorbereitet. Sollte das ein Scherz sein? War diese Nachricht etwa fehlgeleitet worden?
Sofort rief sie Susi zurück. Doch die Mailbox ging ran. Susi hatte ihr Handy aus. Eine dunkle Angst stieg in Michaela hoch. Meinte Susi das tatsächlich ernst? Sie war doch erst vor einer Stunde weggefahren, um noch ein paar Kleinigkeiten einzukaufen.
Michaela hatte sich auf das Wochenende gefreut. Endlich mal wieder nur sie beide. Und jetzt kam plötzlich solch eine SMS? Nein, die war ganz sicher nicht für sie bestimmt gewesen. Entschieden drückte Michaela die Wahlwiederholung, aber wieder meldete sich nur die Mailbox.
Ihr Herz begann zu rasen. Es durfte nicht wahr sein!
Kurzentschlossen ließ Michaela ihre Einkäufe aus den Händen fallen, griff hastig nach ihrem Autoschlüssel und fuhr nach Terni, der nächsten größeren Stadt, wo Susi wohnte. Deren Auto stand nicht vor dem Haus wie sonst, und auf Michaelas Klingeln an der Wohnungstür öffnete auch niemand.
Während Michaela noch fassungslos vor der Tür stand, kam eine Nachbarin die Treppe hoch. Sie erkannte Michaela und grüßte freundlich.
»Haben Sie vielleicht Susi gesehen?«, fragte Michaela mit bebender Stimme.
»Ja. Die ist vor einer Stunde mit einer Reisetasche weggefahren.« Die Frau sah sie überrascht an. »Ist sie nicht bei Ihnen?«
Michaela schüttelte den Kopf. Ihr wurde schwindlig, sie musste sich am Treppengeländer festhalten.
»Ist Ihnen nicht gut?«, erkundigte sich die Nachbarin besorgt.
»Danke . . . Es geht schon. Auf Wiedersehen.«
Michaela wollte nur noch weg. Sie setzte sich ins Auto, schlug die Tür zu, lehnte den Kopf zurück, schloss die Augen.
Susi meinte es ernst. Sie hatte tatsächlich Schluss gemacht. Völlig unerwartet. Wieso? Es lief doch gut zwischen ihnen beiden. Das gab es nicht. Es musste ein Alptraum sein.
Sie musste mit jemandem sprechen. Aber mit wem?
Lukas. Susis bester Kumpel. Michaela wählte seine Nummer.
»Hallo, Lukas, ich bin’s. Hast du eine Ahnung, wo Susi steckt? Ich kann sie nicht erreichen.«
Lukas räusperte sich, druckste herum, bevor er mit der Antwort herausrückte: »Sie ist übers Wochenende zu Lea nach Perugia gefahren.«
Michaela war, als reiße ihr jemand die Beine weg, und sie krache mit voller Wucht zu Boden. Sie schluckte mühsam. »Sie hat eben per SMS mit mir Schluss gemacht . . .«
Erneut zögerte Lukas. »Ja«, gab er schließlich verlegen zu, »sie hat so etwas gesagt.«
Er wusste Bescheid. Alle wussten Bescheid. Die Spatzen pfiffen es von den Dächern. Nur Michaela hatte nichts mitbekommen. Diese Lea, zu der Susi gefahren war, kannte sie schon seit einem Jahr. Manchmal hatte Michaela schon den Verdacht gehabt, dass zwischen den beiden etwas laufen könnte. Aber jedes Mal, wenn sie Susi darauf angesprochen hatte, konnte Susi jegliche Bedenken überzeugend ausräumen. Außerdem – Michaela vertraute Susi. Also glaubte sie ihr.
Und nun stellte sich heraus, dass sie die ganze Zeit recht gehabt hatte. Dass Susi sie nach Strich und Faden hintergangen hatte. Doch jetzt war es zu spät. Susi war weg, hatte nicht mal den Mumm gehabt, ihr ins Gesicht zu sagen, dass es aus war. Sie hatte sich einfach feige mit einer SMS aus der Affäre gezogen und bei Nacht und Nebel davongemacht.
Michaela wurde es schwarz vor Augen. Mit zitternden Händen kramte sie die Wasserflasche aus dem Staufach ihrer Fahrertür und trank einen großen Schluck. Bloß nicht umkippen!
Sie zwang sich zu einem zweiten Schluck. Atmete ein paarmal tief durch. Allmählich regulierte sich ihr Kreislauf wieder.
Wie sie wieder nach Hause gekommen war, wusste sie später nicht mehr. Sie fiel auf die Couch, und die Stille um sie herum erdrückte sie. Ein nicht enden wollender Weinkrampf brach aus ihr heraus.
2
Nächtelang hatte sie kein Auge zugetan. Ständig flossen neue Tränen. Verzweifelt hatte sie mehrere SMS an Susi geschrieben, nach dem Wieso und Warum gefragt, doch es kam keine Antwort.
Verquollene Augen blickten Michaela nun im Spiegel entgegen. Sie schien innerhalb weniger Tage um fünf Jahre gealtert. Eigentlich begann sie doch jetzt mit ihren vierzig plus gerade erst interessant zu werden. Die Frau, die sie im Spiegel sah, war aber ein einziges Wrack. Wieder bahnten sich die Tränen ihren Weg.
So, wie sie aussah, konnte sie unmöglich ins Freie gehen.
Was sollte sie nur tun? Man war nie darauf vorbereitet, wenn das ganze Leben auf einmal wie ein Kartenhaus zusammenbrach. Sie hatte sich in einer glücklichen Beziehung geglaubt, aber diese war ohne Vorwarnung zu Ende gegangen. Plötzlich stand sie allein da, verlassen und einsam. Nicht einmal ihre beste Freundin Heike in Deutschland konnte sie anrufen, die war in Urlaub auf Teneriffa.
Erschüttert hatte sie festgestellt, dass sie niemanden hatte, mit dem sie reden und sich ausweinen konnte. All die letzten Jahre war sie darauf bedacht gewesen, jede freie Minute mit Susi zu verbringen, und hatte dabei ihre alten Freunde mehr und mehr vernachlässigt. Da konnte sie doch jetzt nicht plötzlich ankommen und Hilfe von ihnen erwarten.
Eine Woche war vergangen seit der schrecklichen SMS. Eine endlos lange, von ständigen Tränenausbrüchen begleitete Woche. Susi hatte sich nur noch einmal kurz gemeldet und geschrieben, dass es keinen Zweck mehr habe. Ihre Entscheidung sei gefallen, und sie hole ihre Sachen später ab.
Auf einer einsamen Insel ausgesetzt zu sein, hätte nicht schlimmer sein können. Nichts war jetzt noch irgendetwas wert, nichts hatte noch eine Bedeutung, nichts hatte mehr Sinn. Die letzten Tage waren leer und lang gewesen, und so würde es auch in Zukunft sein. Michaela sah inzwischen regelrecht ausgemergelt aus, da sie keinen Bissen hinunterbrachte und schon einige Kilo abgenommen hatte. Eingefallene Augen, dunkle Augenringe, hohle Wangen, das Haar in wirren Strähnen um den Kopf. Die Kleidung schien eine Größe zu groß, sie hing schlackernd um ihren Körper. Als würde Michaela einfach immer weniger, um irgendwann ganz zu verschwinden.
Es würde kein Zurück mehr geben. Es war vorbei.
Also konnte sie das Ganze ebenso gut beschleunigen.
Unerwartet ruhig drückte sie alle Schlaftabletten aus der Blisterpackung und löste sie in einem Glas Wasser auf. Ein letzter Blick in den Spiegel. Ein Bild des Schreckens. Dann setzte sie das Glas an die Lippen.
3
Die Türklingel läutete.
Susi! Kam sie etwa zurück?
Hastig schüttete Michaela das Glas mit der milchigen Flüssigkeit in den Ausguss. Ihr Herz klopfte erwartungsvoll. Sie kämmte sich rasch und rannte freudig die Treppe hinunter.
Doch als sie die Tür öffnete, stand ihr eine fremde junge Frau gegenüber. Schlagartig starb ihre Hoffnung.
»Entschuldigen Sie bitte«, sagte die Fremde in ungelenkem Italienisch, aus dem Michaela den deutschen Akzent deutlich heraushörte. »Ich habe mit meinem Auto eine Panne, und der Akku meines Handys ist leer. Könnte ich bitte Ihr Telefon benutzen?«