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Die Illuminaten: Geschichte, Herkunft, Ziele
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Die Illuminaten: Geschichte, Herkunft, Ziele

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Dan Browns Megaseller "Illuminati" ist in Wahrheit nur die Spitze eines Eisbergs mehr oder weniger fiktiver Werke, die den Illuminatenorden mehr oder weniger (historisch) korrekt in den Mittelpunkt verschiedenster Verschwörungstheorien stellen. Was es mit diesem geheimnisumwitterten Orden tatsächlich auf sich hat, untersucht Wolfram Frietsch im Buch "Die Illuminaten".
Man kann ruhigen Gewissens behaupten, dass auch die Fakten genug Spannung bieten; einer Fiktion bedarf es bei der Behandlung der Geschichte des Illuminatenordens wahrlich nicht. Bereits die Gründung des Ordens durch Adam Weishaupt im 18. Jahrhundert gibt Rätsel auf: Was war der Zweck dieser Gemeinschaft? Wollte man die Regierung Bayerns stürzen? Strebte man die Weltherrschaft an?
Nicht genug der Rätsel: Auch (vermeintliche) Mitglieder des Illuminatenordens geben solche auf. Angefangen von Galileo Galilei in Dan Browns "Illuminati" bis hin zu amerikanischen Präsidenten, konkret Thomas Jefferson, sollen viele historische "große Männer" Mitglieder des Ordens gewesen sein – zumindest im Falle Galileis ein wenig "kompliziert", starb der berühmte Astronom doch bereits mehr als 130 Jahre vor der Ordensgründung! Andererseits gibt es aber auch unter den quasi verbürgten Mitgliedern des Illuminatenordens genug bekannte Namen: Johann Wolfgang von Goethe beispielsweise oder Johann Gottfried Herder und Adolph Freiherr von Knigge. Im Falle von Goethe bestätigt sich übrigens der eingangs erwähnte Satz, wonach in der Geschichte der Illuminaten genug Spannung auch ohne neue Fiktion besteht: Erst vor wenigen Jahren wurde seine geheime handschriftliche Beitrittserklärung in Moskau aufgestöbert.
Neben der Geschichte, den Zielen, Ritualen, Chiffren und Symbolen des Geheimordens geht Frietsch natürlich auch auf die verschiedenen Verschwörungstheorien ein, die die Illuminaten bis heute umkreisen und sie nach wie vor zum gefundenen Fressen für Thrillerspezialisten aller Art machen.
LanguageDeutsch
Release dateJan 1, 2017
ISBN9783853652916
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    Die Illuminaten - Wolfram Frietsch

    2011

    I.

    Im Widerstreit von Aufklärung und Gegenaufklärung

    Womit alles begann: Das 18. Jahrhundert – Zeitalter der Aufklärung und der Geheimbünde

    Das 18. Jahrhundert bietet philosophisch, politisch und kulturell ein überaus komplexes und uneinheitliches Bild. Dieses Jahrhundert, auch als „Zeitalter der Aufklärung" bezeichnet, ist eng mit Liberalismus, beginnender Demokratisierung, sozialistischen Utopien, Konservativismus, Royalismus und der Bildung von Geheimgesellschaften verbunden. Problematisch bleibt es, fasst man diesen Zeitraum nur in Gegensätze wie Aufklärung und Gegenaufklärung, Fortschritt und Konservativismus oder Demokratisierung und Monarchie. Auch Schlagworte wie „Zeitalter der Polarisierung oder „Gegensätze und Unversöhnlichkeiten greifen mit Blick auf das 18. Jahrhundert zu kurz. Es gibt zu viele Überschneidungen und Grauzonen von Positionen, Meinungen und Standpunkten. Differenzierung ist also angesagt.

    Zu einfach ist es deshalb auch, zwischen Verteidigern und Bewahrern des Status quo auf der einen und Reformern auf der anderen Seite zu unterscheiden. Auch Aufklärung an sich verbürgt noch keinen Fortschritt. Bestehendes bewahren zu wollen, muss nicht notwendigerweise antiaufklärerisch sein. Pointiert ausgedrückt: Es gab auch konservative Aufklärer, die, wie es der österreichische Historiker Fritz Valjavec formulierte, „vor den politischen Folgen der rationalen Geisteshaltung zurückschreckten und daher auch ihrer weltanschaulichen Begrenzung zustimmten".

    Heute sind wir uns der Grenzen von Fortschritt, Technisierung, Demokratisierung und Rationalisierung bewusst. Ein naiver Glaube an das „Licht der Vernunft oder daran, sich „nur seines Verstandes zu bedienen, entlarvt sich angesichts der Ereignisse im 20. Jahrhundert als allzu einseitige Hoffnung. Schon den Zeitgenossen zeigt sich bei Einschätzung und näherer Betrachtung über Einfluss und Folgen der Französischen Revolution des Jahres 1789, wie divergierende Auffassungen nebeneinander bestehen und um Geltung ringen, ohne dass eine eindeutig als Sieger hervorging.

    Nicht unterschlagen werden sollte, dass auch ein aufgeklärtes Weltverständnis spezifischen Ordnungsvorstellungen und Glaubenssätzen unterliegt, nämlich denen der Vernunft und des „Glaubens" an die Gewissheit der Vernunft. Dass die Vernunft aus sich heraus ihre eigene Vernünftigkeit zweifelsfrei erklärt, dieser Beweis steht noch immer aus.

    Kant hat in seiner Kritik der reinen Vernunft mit Blick auf die Vernunft eine Grenzziehung vorgenommen. Die theoretische Vernunft könne das Wesen der Wirklichkeit („Dinge an sich) nicht unmittelbar erfassen. Diese Grenzziehung markierte eine bedeutsame Relativierung des Anspruches der radikalen Vertreter einer „vernunftgemäßen Weltbetrachtung.¹ Problematisch ist es weiter, zwischen Gegnern und Befürwortern „der Aufklärung unterscheiden zu wollen, wofür sich der Begriff „Gegenaufklärung eingebürgert hat. Was leichthin als Gegenaufklärung bezeichnet wird, ist alles andere als eindeutig identifizierbar.

    Konservative oder bewahrende Kräfte sind nicht notwendigerweise „gegenaufklärerisch und vice versa. Auch solche Bewegungen sind als vernünftig und vernunftkritisch einzustufen, so dass sich Vernunft alleine als Unterscheidungsmerkmal nur bedingt anbietet. Überhaupt kann nicht einmal eindeutig definiert werden, was „Aufklärung genau meint oder bedeutet. Selbst im Jahrhundert der Aufklärung wurde erst spät eine Definition formuliert, die zwar einen breiten Konsens fand, aber auch Ablehnung erfuhr. Um zu verstehen, was Aufklärung ist, wäre zunächst zu klären, in welchem „Raum" sie sich abspielte, was also das 18. Jahrhundert im Kern maßgeblich prägte.

    Die Vernunft als alleiniger Maßstab

    „Heiliges Römisches Reich Deutscher Nation – so wurde der Herrschaftsbereich der römischdeutschen Kaiser vom Mittelalter bis zum Jahre 1806 genannt. Hinter der Bezeichnung stand der Anspruch, in der Nachfolge des Römischen Reiches zu stehen. Gleichzeitig verband sich hiermit der Gedanke der Universalherrschaft. Aber noch ein anderer Aspekt spielte eine wichtige Rolle, nämlich die Prophezeiungen des Propheten Daniel. Von ihm stammt die Vorhersage, dass es vier Weltreiche geben werde, bevor der Antichrist erscheint („Vier-Reiche-Lehre) und die Apokalypse beginnt. Das Römische Imperium, dass in der „Vier-Reiche-Lehre als viertes Reich eingestuft wird, musste vor diesem Hintergrund weiter Bestand haben. Der Zusatz „Heilig verwies auf das Gottesgnadentum des Kaisertums und legitimierte die Herrschaft.

    Politisch haben wir es im 18. Jahrhundert nach wie vor mit dem Absolutismus zu tun. Deutschland ist in einzelne Fürstentümer aufgeteilt. Einfluss auf die deutschen Staaten übten neben den Großmächten Preußen und Österreich auch England und Frankreich aus. Deutschland ist zu diesem Zeitpunkt immer noch weit davon entfernt, eine geeinte Nation zu sein. Im 18. Jahrhundert geriet das absolutistische Herrschaftsgebaren, verstanden als Handeln des Herrschers aus eigener Machtvollkommenheit, mehr und mehr in die Kritik, flankiert von neuen, grundstürzenden Ideen. Losungen wie der Mensch sei frei geboren und liege nicht in Ketten, Gerechtigkeit für alle sei möglich, eine von Gott gegebene Ordnung gäbe es nicht, sondern nur eine, die der Mensch erschaffen hat, werden mit einem radikalen Fortschrittsglauben angereichert. Dieser Glaube bildet die Grundlage für die sich ab der Mitte des 18. Jahrhunderts abzeichnende Industrialisierung, die zunächst vor allem in England einsetzt. Die Erfindung der Dampfmaschine im Jahre 1712 – weiterentwickelt durch James Watt 1769 – oder des vollmechanisierten Webstuhls, 1785 von Edmond Cartwright erfunden, zeigen deutlich, wohin die Entwicklung gehen wird. Maschinen lösen mehr und mehr die Handarbeit ab. Fabriken entstehen und bringen Wohlstand und Fortschritt, aber auch soziale Verelendung in noch unbekanntem Ausmaß. Federführend ist der Dritte Stand, das Bürgertum, das an politische Macht gewinnt und zu Einfluss gelangt. Das Bürgertum betritt die politische Bühne und mit ihm die Ideen der „Vernunft".

    Durch den Glauben an die Allmacht der Vernunft wird die Legitimierung des Anspruches auf (absolute) Adelsherrschaft schwierig. Hieß es früher „König von Gottes Gnaden, kann dieses Gottesgnadentum vor dem „Licht der Vernunft immer weniger bestehen. Eine Reaktion darauf war der aufgeklärte Absolutismus, der aufklärerische Ideen aufzunehmen und zu integrieren versuchte. Hier versteht sich der Herrscher nicht mehr als Souverän, der von Gott eingesetzt ist und über jedem Gesetz steht, sondern als oberster Repräsentant einer „vernünftigen Staatsordnung, der dem Allgemeinwohl dient. Friedrich II. von Preußen (König 1740–1786) bezeichnete sich beispielsweise als der „erste Diener seines Staates.

    Neben Friedrich gelten Joseph II. von Österreich, Kaiser des „Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation (1765–1790), im weiteren Sinne seine Mutter Maria Theresia (Erzherzogin 1740–1780) und die russische Zarin Katharina die Große (1762–1796) als Vertreter des aufgeklärten Absolutismus. Nicht von der Hand zu weisen ist allerdings, dass hierin ein schwindender Einfluss der Religion zum Ausdruck kommt, die zugunsten „vernünftiger Prinzipien zurückgedrängt wird. Damit verbunden war nolens volens eine schleichende Erosion des als „gottgewollt" apostrophierten Herrschaftsverständnisses.

    Wirtschaft der unsichtbaren Hand

    Die rasch voranschreitende wirtschaftliche Entwicklung erforderte neue Wege. Dies kann durchaus wörtlich verstanden werden; das Gebot der Stunde waren ein besseres Straßennetz und ausgebaute Verkehrswege. Dazu kam, dass die Einschränkungen der Handelsbeziehungen beseitigt werden mussten, wollte man „frei wirtschaften". Dazu gehörte weiter, dass auch die Bürokratie und das Rechtssystem leistungsfähiger werden mussten. Mit anderen Worten: Der Druck auf die Regierenden wuchs. Wo Handel ist, ist Geld. Wirtschaften heißt Kosten und Nutzen abwägen. Bald regten sich hier die ersten Stimmen, die die Frage stellten, ob man sich einen Herrscher noch leisten könne oder wolle.

    Veränderungen sind notwendig und geschehen auf wirtschaftliche Art. Das merkantile Wirtschaftssystem, ein System, das auf Handel, Export und Zöllen aufgebaut war, wurde aufgeweicht. Die Idee eines Wirtschaftsliberalismus, des freien Handels ohne Beschränkungen und Zölle, griff um sich. Der bis dahin praktizierte Merkantilismus, der darauf aufbaute, den Import durch Zölle zu hemmen und den Export mit dem Ziel vorzutreiben, die Wirtschaftsmacht zu stärken, erwies sich immer weniger als praktikabel. Gefordert war ein Staat, der zurückhaltend agierte, der den Handel überwachte und nur dann gezielt eingriff, wenn es nötig war.

    Auch wenn Religionskriege der Vergangenheit angehörten, wurden weiter Kriege zu Zwecken der Gebietserweiterung geführt, wovon beispielsweise Preußen profitierte. Friedrich II., besser bekannt als Friedrich der Große (1712–1786), eroberte Schlesien (1740–1763). Der Siebenjährige Krieg (1756–1763) mit Preußen, England bzw. Hannover auf der einen und Österreich, Frankreich und Russland auf der anderen Seite etabliert Preußen als Großmacht auf dem europäischen Parkett.

    Ließ sich dieser Krieg aber auch wirtschaftlich rechtfertigen? Zu Buche standen hohe Staatsausgaben, die steigende Staatsverschuldung und die vielen Toten auf den Schlachtfeldern … All das war im Übrigen auch unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten zu betrachten. Das Ergebnis dieser Betrachtung: Kriege dienen nur bedingt der Wirtschaft und sind damit nicht im Interesse des Bürgertums.

    Der Aufklärer und Moralphilosoph Adam Smith, der heute als Begründer der klassischen Volkswirtschaftslehre gilt, propagierte ein System der natürlichen Freiheit, das gesellschaftlichen Wohlstand bringen sollte. Ein Kerngedanke von Smith lautet, dass der Einzelne dadurch, dass er aus Eigeninteresse seine Produktivität und damit die Erträge erhöht, unterschwellig im Interesse der Allgemeinheit handelt und damit deren Wohlstand fördert, und zwar in einem höheren Grad, als wenn er dies direkt beabsichtigt hätte. Smith spricht hier unter anderem von einer „unsichtbaren Hand", die den Einzelnen leitet. Mit anderen Worten: Nach Smith kann der Staat im Hintergrund bleiben, weil sich die Gesellschaft selber lenkt. Smith machte hier allerdings zwei bedeutsame Einschränkungen, nämlich dass es keine Monopole gibt und der Markt nicht eingeschränkt ist. Im Gegensatz zum oben angesprochenen merkantilen System soll der Staat also lediglich dafür sorgen, dass ungestört Handel getrieben werden kann. Genauer gesagt: Smith reduziert die Rolle des Staates darauf, die Landesverteidigung zu organisieren, für Gerechtigkeit zu sorgen, das Privateigentum durchzusetzen und öffentliche Anstalten wie beispielsweise Schulen einzurichten, von denen die Allgemeinheit profitiert.

    Adam Weishaupt: DAS VERBESSERTE SYSTEM DER ILLUMINATEN MIT ALLEN SEINEN EINRICHTUNGEN UND GRADEN. Frankfurt u. Leipzig [Nürnberg] 1787. Hierin legt Weishaupt über den Illuminatenorden Rechenschaft ab. Die berühmte Eule der Illuminaten ist auf dem Titelbild zu sehen. Im Bild: Neuauflage, 1788 (© AAGW)

    Vernunft und Glaube

    Theorien wie diese gingen auf Kosten des Souveräns, der neben politischem Machtverlust auch wirtschaftlichen Druck zu spüren bekam. Selbst biblische Wahrheiten sahen sich angesichts wirtschaftlicher Interessen relativiert. Der französische Schriftsteller Antoine de Rivarol (1753–1801) konstatierte 1788 zum Beispiel: „Einstmals diskutierte man über die Wahrheit der Religion, heute diskutiert man nur noch über ihre Nützlichkeit."

    Kritiker unterstellten der Kirche, fortschrittsfeindlich bzw. ein überholtes Requisit aus dem Mittelalter zu sein. Weiter denunzierten sie die Kirche als Ort überkommener Vorstellungen wie Dogmatismus, Autoritätsanspruch oder Jenseitsorientiertheit. Vor allem der Herrschaftsanspruch der Kirche wurde angezweifelt. Wie immer kommt es auch hier auf die Perspektive an: Was für den einen Dogmatismus ist, ist für den anderen der Garant einer „ewigen Ordnung" in Hinblick auf eine übermenschliche, sprich göttliche Vernunft. Übersetzt als Glauben, der sich in ein Gesamtsystem eingliedert, das als Abbild himmlischer Ordnung gedeutet werden kann, kann hier von einer Form ontologischer Geborgenheit gesprochen werden, die durchaus als „vernünftig apostrophiert werden kann. Das Vaterunser dient dabei als Vorbild, wenn es heißt: „Dein Reich komme. / Dein Wille geschehe, / wie im Himmel so auf Erden. Die Umsetzung der Ideale des Christentums ist ja nicht abgeschlossen, sondern wird als Prozess begriffen, der teleologisch und eschatologisch in Hinblick auf eine „neue Welt" ausgerichtet ist. Wieso sollte die Vernunft hierbei nicht ihren angestammten Platz finden?

    Dennoch: Auf den ersten Blick standen sich zwei Parteien – Aufklärung und Religion – unversöhnlich gegenüber. So sahen es viele Zeitgenossen. Der französische Enzyklopädist Denis Diderot (1713–1784) schrieb 1756 in seiner Encyclopédie: „Die Vernunft bedeutet für die Philosophie, was die Gnade für den Christen bedeutet. Die Gnade bestimmt den Christen zum Handeln, die Vernunft den Philosophen." Diderot macht zustimmend deutlich, dass versucht wurde, Glauben durch Vernunft zu ersetzen, konkret: Religion durch Philosophie.

    Glaube wird vernünftig umgedeutet, und aus Christus („dem Gesalbten) machen die Aufklärer überspitzt ausgedrückt einen „Philosophen der Vernunft. Der protestantische Theologe und spätere Radikalaufklärer Karl Friedrich Bahrdt (1741–1792) portraitiert in seinem Buch Ausführung des Plans und Zwecks Jesu (1784) Jesus als Anführer einer Geheimgesellschaft. Sein Ziel soll gewesen sein, die Vernunft zu verbreiten – Jesus als vernünftiger Gott und Wundertäter; ein Gedanke, den die Illuminaten aufgreifen werden. Der Gründer der Illuminaten, Adam Weishaupt, meinte sogar, dass die religiöse Schwärmerei auf die Vernunft zurückgeführt werden müsse: „Wir sagen also: Jesus hat keine neue Religion einführen, sondern nur die natürliche Religion² und die Vernunft wieder in ihre alten Rechte setzen wollen." Damit setzte er sowohl ein deutliches Zeichen gegen die herrschende Religionsauffassung als auch gegen – seiner Meinung nach – Wunderglauben und Schwärmerei.

    Die Illuminaten (und auch die Freimaurer) verstanden sich vor diesem Hintergrund auch als Gegenorganisationen zu den Kirchen. Die fünf Grundideale – Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit, Toleranz und Humanität – sollten im Alltag gelebt werden.

    Adam Weishaupt, Begründer des Illuminatenordens

    Weishaupt schrieb gegen einen aus seiner Sicht antiaufklärerischen Mystizismus an. Er stand damit stellvertretend für eine Reihe von Kritikern, die das 18. Jahrhundert durch eine teilweise sehr naive, „aufgeklärte Brille" sahen. Für sie war die Vernunft alles und der Glaube wenig. Sie stellten eine radikale Philosophie über kirchliche Wahrheiten und liebäugelten mit einer Revolution als einem Mittel, gegen die bestehende Ordnung vorzugehen. Die Schattenseiten der Vernunft, der Revolution und der Machtausübung – wie sie dann in der Zeit der Jakobinerherrschaft augenfällig wurden – waren ihnen dabei aber nicht bewusst.

    Adam Weishaupt: PYTHAGORAS ODER BETRACHTUNGEN ÜBER DIE GEHEIME WELT- UND REGIERUNGSKUNST. Frankfurt/M., Leipzig 1790/1795. Das Buch erschien, als Weishaupt selbst nicht mehr „Oberer" des Illuminaten-Ordens war. (© AACW)

    Zeitweise kann von einem Vakuum zwischen Macht und Religion, Vernunft und Glaube gesprochen werden, in das frische Kräfte mit neuen, revolutionären und radikalen Ideen drängten, um die Welt – und damit die bestehende Ordnung – zu verändern. Man wollte Politik machen, und man spielte mit dem Feuer.

    Das Fundament schien brüchig geworden zu sein, die bestehende Ordnung war ins Wanken geraten. Mit gewaltigen Schritten nähern wir uns der Französischen Revolution von 1789 und damit der „Herrschaft der Vernunft – so wie sie ihre selbsternannten Parteigänger verstanden – und ihrer blutigen Entartung. Die Französische Revolution ist der Höhepunkt einer Entwicklungslinie, die die Welt nachhaltig veränderte, und zwar nicht zuletzt deshalb, weil offener Terror, symbolisiert durch die Guillotine, die „große Gleichmacherin, für die Durchsetzung radikaler politischer Positionen eingesetzt wurde. Die Bilanz dieses Terrors steht für sich: Auf die Entmachtung des Adels und die Jagd auf den Klerus folgten die Irrungen und Wirrungen der Revolutionäre, die schließlich selbst von ihrer Revolution gefressen wurden. Der Versuch der Durchsetzung einer Herrschaft, die auf „vernünftigen Prinzipien" basiert, war offensichtlich gescheitert und die Schattenseiten der Aufklärung unübersehbar geworden.

    Die Aufklärung des Zeitalters

    Der Philosoph Immanuel Kant (1724–1804) lieferte der Aufklärung mit seiner berühmten Wendung „Sapere aude! Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen!" ihre Losung. Kant gilt aber auch als der schärfste Gegner eines überzogenen Vernunftbegriffs, was nicht zuletzt seine Kritik der reinen Vernunft (1781/1787) deutlich machte. 1784 gibt er in seiner Schrift Was ist Aufklärung? eine Antwort auf das, was schon seit Jahren die Köpfe der Menschen beschäftigte. Kant formulierte, was diejenigen dachten, die den Glauben durch etwas anderes ersetzt wissen wollten. Die Radikalität seines Anspruches ist uns heute nicht mehr unmittelbar einsichtig. Wir sind es gewohnt, unseren Verstand oder unsere Vernunft einzusetzen. Doch das war nicht immer so. Kant bringt hier seine berühmten Sätze zu Papier:

    Aufklärung ist der Ausgang des Menschen aus seiner selbst verschuldeten Unmündigkeit. Unmündigkeit ist das Unvermögen, sich seines Verstandes ohne Leitung eines anderen zu bedienen. Selbstverschuldet ist diese Unmündigkeit, wenn die Ursache derselben nicht am Mangel des Verstandes, sondern der Entschließung und des Mutes liegt, sich seiner ohne Leitung eines andern zu bedienen.

    Freiheit war das Thema und Kant einer der großen Wegbereiter, wenn auch mit bedeutsamen Einschränkungen. Denn dass der Mensch vernünftig handelt, bedeutete für Kant, nach moralischen und ethischen Prinzipien zu handeln, die den Anspruch erheben konnten, auf allgemeine Akzeptanz zu stoßen. Dieser Anspruch steht hinter dem „kategorischen Imperativ Kants, für den er verschiedene Definitionen fand. Eine sei hier als Beispiel genannt: „Handle nur nach derjenigen Maxime, durch die du zugleich wollen kannst, dass sie ein allgemeines Gesetz werde. Dies kann er zwar nur in Freiheit, aber Freiheit schließt freiwillige Selbstbeschränkung und die Anerkennung von Grenzen mit ein. Jene wiederum gilt es aufzuzeigen. Kant war sich dessen bewusst und avancierte zum ersten Kritiker der Vernunft. Ihm ging es vor allem um die Prüfung menschlichen Erkenntnisvermögens im Hinblick auf dessen Grenzen. Er unterzog Metaphysik, Religion und das menschliche Erkenntnisvermögen einer grundlegenden Kritik, sprich: Prüfung. In seinem bereits mehrfach angesprochenen Hauptwerk Kritik der reinen Vernunft findet der Leser auch eine überraschende Versöhnung zwischen Wissen und Glauben. Nach Kant ist das menschliche Erkenntnisvermögen beschränkt. Es gibt eine Grenze, über die es nicht hinausgelangen kann („Ding an sich). Wenn der gläubige oder religiös ausgerichtete Mensch auf der einen Seite unter dem Widerspruch von Offenbarung, Glaube und Religion und auf der anderen Seite unter dem Widerspruch von Vernunft, Verstand und Freiheit leidet, so erhält er von Kant folgende Auskunft: Zwar können Gott, die Unsterblichkeit der Seele und die Freiheit durch die Vernunft nicht bewiesen werden; die Vernunft ist aber auch nicht in der Lage, die Nichtexistenz dieser Ideen zu beweisen. Damit ist die Frage nach dem Absoluten eine Glaubensfrage: Kant meint weiter, dass die praktisch-sittliche Vernunft geradezu die Annahme dieser übersinnlichen, nicht erfahrbaren Welt fordert: „Das Wissen blähet auf (wenn es Wahn ist), aber das Wissen bis zu den Grenzen desselben (Sokrates) macht demütig. Auch das ist Kant.

    Der Pietist und Goethefreund, Professor der Medizin und Schriftsteller Johann Heinrich Jung, genannt Jung-Stilling (1740–1817), wird geradezu enthusiastisch über dieser Erkenntnis. In seiner Lebensgeschichte schreibt er:

    Kant beweist durch unwiderlegliche Gründe, daß die menschliche Vernunft außer den Grenzen der Sinnenwelt ganz und gar nichts weiß … Jetzt war Stillings Seele wie emporgeflügelt, es war ihm bisher unerträglich gewesen, daß die menschliche Vernunft … der Religion, die ihm über alles teuer war, schnurgerade entgegen seyn sollte, aber nun fand er alles passend und Gott geziemend.

    Damit scheint vieles gerettet: Gott und die Religion, die innere Erfahrung, die Vernunft … – eine friedliche Koexistenz zwischen Glauben und Vernunft schien auf einmal möglich.

    Einige sahen dies anders. Kritisch und eher polemisch meint der Dramaturg, Schriftsteller und Aufklärer Gotthold Ephraim Lessing (1729–1781) im Jahre 1774:

    Die Kanzeln, anstatt von Gefangennehmung der Vernunft unter den Gehorsam des Glaubens zu ertönen, ertönen nun von nichts als vom innigen Bande zwischen Vernunft und Glauben … Die ganze geoffenbarte Religion ist nichts als eine erneute Sanktion der Vernunft.

    Kant ließ, wie wir gesehen haben, dem Glauben in der Tat Raum. Radikalaufklärer, die auf den Prinzipien der Vernunft und des Verstandes insistieren, gewährten diesen Raum nicht. Doch damit ist der Konflikt zwischen Glaube und Vernunft nicht gelöst. Er gärt weiter, verborgen in Büchern, Pamphleten, geheimen Gesellschaften und dubiosen Verbindungen, Ideen und Vorstellungen. Einige werden im sprechenden Begriff der Gegenaufklärung zu fassen versucht.

    Gegenaufklärung

    Das Pendant der Aufklärung ist kurz gesagt: die Gegen-Aufklärung. Wie wir noch sehen werden, ist dies aber nur scheinbar so einfach. Isaiah Berlin rechnet zur Gegenaufklärung den Klerus und religiöse Denker. Der Historiker Hans Graßl sieht darin ein „Doppelphänomen im Vorfeld der Romantik". Zur Gegenaufklärung gehört grundsätzlich aufklärungsfeindliches Denken, wozu Mesmerismus ebenso zählen wie Teile der Illuminatenbewegung. Nach heutigem Verständnis zählen esoterische Bewegungen, esoterisches Denken bzw. Esoterik allgemein zur Gegenaufklärung.

    Argumente für eine Gegenaufklärung findet man beispielsweise im Preußischen Religionsedikts von 1788, das Friedrich Wilhelm II., der Neffe Friedrichs des Großen, durchsetzte; dieses Edikt stand im Gegensatz zur Ausrichtung seines Onkels. Friedrich II. war zu seiner Zeit nicht nur Souverän von Preußen, sondern holte den Aufklärer Voltaire (1694–1778) an seinen Hof, der radikale Kritik am Absolutismus und der Kirche übte. Friedrich musizierte leidenschaftlich und war ein Verehrer Johann Sebastian Bachs; er schaffte die Folter ab, verminderte die Zensur, erneuerte das Landrecht und gewährte Glaubensfreiheit. Jeder solle nach seiner Fasson selig werden, ist ein viel zitierter Ausspruch von ihm. Aufklärung von oben könnte das genannt werden. Der Preußenkönig starb am 17. August 1786.

    Friedrich Wilhelm II. (1744–1797) trat Friedrichs Nachfolge als preußischer König an. Er war im Volk durchaus beliebt, stand aber auch unter dem Einfluss seiner Minister Johann Christoph von Wöllner (1732–1800) – den Friedrich der Große einen „hinterlistigen und intriganten Pfaffen nannte – und Johann Rudolf von Bischoffwerder (1741–1803). Um den König wieder auf den „rechten Weg zu locken, weg von seinen Maitressen und hin zum Glauben, wurden spiritistische Sitzungen abgehalten, die den König nachhaltig beeindruckten und Wöllners Einfluss auf ihn stärkten.

    Dieser Einfluss wird so groß, dass er im Juli 1788 ein Religionsedikt durchsetzt, das den Einfluss der lutherischen Landeskirche und der Aufklärung beenden soll. 1793 wird es zwar wieder aufgehoben, gilt aber bis heute als deutlich erkennbares Zeichen der Einflussnahme einer Geheimgesellschaft auf die Politik. Friedrich Wilhelm II stirbt am 16. November 1797. Sein Sohn Friedrich Wilhelm III. (1797–1840) folgt ihm auf den Thron.

    Dieses Beispiel und weitere dieser Art, auf die hier nicht eingegangen werden kann, werden angeführt, um die Gegenbewegung „gegen" die Aufklärung zu illustrieren. Der Begriff der Gegenaufklärung, der auf den ersten Blick so einleuchtend erscheint, wird, will man ihn mit Inhalten füllen, indes immer schwammiger.

    Aufklärung und Gegenaufklärung

    Um die Hintergründe dieser Problematik besser zu verstehen, ist es sinnvoll, die Selbsteinschätzung der Illuminaten in der Zeit, in der sie wirkten, zu beleuchten. Grundsätzlich vertraten die Illuminaten des Adam Weishaupt die Ideen der Vernunft und der Aufklärung. Dass sich dies zeitweise anders darstellte und sowohl intern als auch aus dem Blickwinkel der Öffentlichkeit anders erschien, ändert nichts an der Ansicht des Gründers der Illuminaten, die sich auch durchsetzte.

    Die Absicht Weishaupts, einen radikal vernünftigen Illuminatenorden einzurichten, verlangte ihre Opfer. Das prominenteste Opfer war Freiherr Knigge, der ein eher „esoterisches" Illuminatentum propagierte und zum Austritt aus dem Verbund der Illuminaten aufgefordert wurde.

    Aus der Sichtweise der Illuminaten stellte sich die politische und gesellschaftliche Situation vereinfacht so dar: Der Absolutismus – die Alleinherrschaft eines

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