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Die Z Akten
Die Z Akten
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Die Z Akten

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About this ebook

Würden Sie ein Jahr nach einer Zombie Apokalypse ein nahezu sicheres Versteck in einer von Untoten verseuchten Welt verlassen, wenn Sie ein Flugzeug hoch oben am Himmel sehen, das genauso schnell verschwindet, wie es auftaucht? Ohne zu wissen, wo es hinfliegt? Ohne zu wissen, was Sie auf der mörderischen Reise erwarten würde? Mit der unsäglichen Angst im Nacken, jederzeit so zu enden, wie diese armen Teufel dort draußen? Getrieben von ihrer nicht endenden Gier nach allem Lebenden.
Sie würden!
Mein Name ist Mike Defranco, und ich habe dafür einen hohen Preis bezahlt.
LanguageDeutsch
Release dateJan 18, 2017
ISBN9783743186347
Die Z Akten
Author

P.G. Connor

Buchautor P.G. Connor ist Mitglied im Phantastik Autoren Netzwerk PAN. Er schreibt vorwiegend Fantasy und Horror Romane, die er unter eigenem Namen verlegt, sowie Kurzgeschichten in Anthologien von Verlagen. Dabei flechtet er gerne gesellschaftspolitische und diskussionswürdige Themen in seine Geschichten ein. Der Autor lebt mit seiner Familie in Luxemburg .

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    Book preview

    Die Z Akten - P.G. Connor

    DANKSAGUNG

    Bedanken möchte ich mich ganz herzlich bei:

    Meiner Frau Selma und meinem Sohn Patrick. Ohne eure Geduld, Hilfe und Nachsicht wäre dieses Projekt zum Scheitern verurteilt gewesen.

    Meinem Lektor Benjamin Ressel, der mich auseinandergenommen und korrekt wieder zusammengesetzt hat. Der beste Korrekturensohn weit und breit.

    Sarah Richter (The Art of Sarah Richter) für das ultraschöne Cover und die unkomplizierte Zusammenarbeit.

    A. Mara für die hübschen Illustrationen und Stefan Stern für den Buchsatz.

    Meinem Bruder Claude.

    Tanja, Moni, Sandra und Nicki. Ihr wisst, warum.

    Mom und Pops, wo auch immer eure Engelsflügel euch hingetragen haben.

    Schlussendlich den Lesern dieses Romans, die mir mit konstruktiver Kritik begegnen. Ihr seid die beste Inspirationsquelle.

    DANKE.

    P.G. Connor

    Autor

    Inhaltsverzeichnis

    Hoffnung

    Aufbruch

    Die Strafe Gottes

    Nirgendwo

    Sternenhimmel

    Hoch hinaus

    Hammer der Götter

    Schatten der Macht

    Fataler Irrtum

    Eiserne Jungfrau

    Des Teufels Schergen

    Erkenntnis

    Sturm

    Mahnmal

    Charonspfennig

    Totgeglaubte leben länger

    Epilog

    – Hoffnung –

    Hochkonzentriert und geräuschlos bewegte er sich über den mit feuchtem Laub bedeckten Waldboden und fasste nach dem Griff seines Bowie-Jagdmessers. Wind fegte durch die Baumkronen. Noch ein paar Meter, und er war dran. Die scharfe Klinge glitt sanft aus der Lederscheide.

    Plopp.

    Dieses Geräusch. Dieses zischende Surren in der Luft. Unverkennbar. Mike konnte es nicht fassen. Schon wieder hatte sein Kumpel Jo ihn vor vollendete Tatsachen gestellt. Mike schob das Jagdmesser unverrichteter Dinge wieder zurück an seinen Platz und fuhr sich verzweifelt durch sein verschwitztes dunkelbraunes Haar.

    »Herr Wick?«, sagte er, atmete tief aus und sah fassungslos zum Himmel.

    »Huh?«

    »Warum mache ich mir die Mühe, dir zu erklären, wie wir vorgehen, wenn du dich nicht daran hältst?«

    »Wieso? Lief doch alles nach Plan!«

    »Nein, das hat es nicht! Was hab ich dir vor ein paar Minuten gesagt?«

    »Ach, wegen dem Ast, auf den ich getreten bin? Hey, du warst mal ein Jäger, ich nur ein Hausmeister. Meine Fehlertoleranz ist größer als deine, ich darf das. Und außerdem hat das Ding nicht auf den knackenden Ast reagiert. Es hat nicht einmal gezuckt«, stellte Jo zufrieden fest, verzog den Mund zu einem Lausbubenlachen und steckte die schallgedämpfte Pistole in sein Seitenholster.

    »Nein, ich meinte nicht, dass du hier rumläufst wie ein Elefant im Porzellanladen, sondern dass du den Streuner abgeknallt hast. Ich hatte dir vorhin gesagt, dass ich ihn mit dem Messer erledige, weil uns die Munition ausgeht.«

    »Ja ja, ist ja gut. Ich hab’s verstanden.«

    Beide näherten sich dem toten Streuner, der träge am Waldrand gestanden und mit milchigen toten Augen vor sich hingestarrt hatte.

    »Na wenigstes hab ich auf Anhieb getroffen. Von Verschwendung kann also keine Rede sein.«

    Mike schüttelte genervt den Kopf. »Pfff. Du willst es einfach nicht verstehen, was? Durchsuch ihn.«

    »Ich? Mann, der stinkt! Muss das sein?«

    »Jetzt mach schon. Du hast ihm das Gehirn weggeblasen, der tut dir nichts mehr. Mir knurrt der Magen, wir haben noch einen langen Weg vor uns und die Sonne geht gleich unter.«

    »Ja ja, die werden uns die Suppe schon warm halten.«

    Jo knurrte und stellte sich ungefähr einen Meter neben den Streuner, bückte sich leicht nach vorne und sah ihn an, wie er so da im Gestrüpp hängen geblieben war.

    »Boah, ist der eklig. Nee, ich fass den nicht an. Sonst krieg ich die Krise.«

    Mike schloss die Augen und ließ den Kopf hängen. Es war sinnlos, mit Jo zu argumentieren. Er war eben ein Dickschädel und das würde er auch bleiben, da war sich Mike sicher. Er sah sich den Untoten selbst genauer an. Die Kugel hatte sich ihren Weg durch den Hinterkopf gesucht und beim Austritt aus der Stirn eine grässliche Wunde gerissen. Die halbe Gesichtshälfte war weg und lag fein verteilt im umliegenden Laub. Mike zeigte auf ihn.

    »Die Uniform. Er muss einmal Förster gewesen sein. Wenn er hier aus der Region war, hab ich ihn vielleicht sogar gekannt.«

    Mike sah sich ein Loch auf dem Rücken des Streuners genauer an. »Man hat wohl auf ihn geschossen.«

    »Oder er hat es selbst getan. Er hat ein Holster am Riemen, aber die Pistole fehlt«, bemerkte Jo.

    »Vielleicht. Dann wusste er zu seinen Lebzeiten wohl nicht, dass ihn das zurückbringt.«

    Jo nickte. »Na dann hab ich ja heute wenigstens etwas Gutes getan.«

    Er bückte sich und hob etwas auf, das vor den Füßen des Untoten im feuchten Laub lag.

    »Seine Schrotflinte ist übrigens in einem schlechten Zustand. Der Lauf ist verdreckt und das Metall oxidiert. Vielleicht kann Paul sie wieder funktionstüchtig machen?«

    »Ja. So verblasst, wie die Uniform aussieht, stand der schon eine ganze Weile hier herum. Vielleicht schon seit dem Untergang. Nimm du die Waffe, ich schau mir noch seine Umhängetasche an.«

    Mike öffnete sie und wühlte darin, fand vier Patronen, ein Schweizer Taschenmesser sowie Verbandszeug und nahm alles an sich. Dann bemerkte er die Seitentasche des Anoraks, die ungewöhnlich dick war. Er fasste hinein, zog einen dicken, feuchten Briefumschlag heraus und öffnete ihn. Darin befanden sich ein kleiner hellbrauner Teddybär und ein handgeschriebener Zettel. Er öffnete langsam das feuchte Papier, bemerkte das Logo einer Entzugs- und Rehaklinik und las in Gedanken den halb verschwommenen Text vor.

    Mein Schatz

    Ich bin so traurig darüber, dass ich an deinem fünften Geburtstag nicht bei dir sein konnte. Wie dir deine Mama sicher erzählt hat, ist Papa schwer krank. Deshalb ging sie mit dir weg und wir können uns nicht sehen, da ihr so weit weg wohnt. Ich trage diesen Brief schon lange mit mir herum und hoffe, dass ich eines Tages den Mut habe, ihn dir zu schicken. Ich hoffe, dass du deinen Papa noch lieb hast. Ich denke sehr oft an dich. Deshalb schick ich dir diesen kleinen Teddybär. Er wird dich beschützen, bis ich dich wieder lieb drücken kann. Ich hab dich lieb und vermisse dich, mein Schatz.

    Dein Papa

    Mike stand gedankenverloren da und sah den Brief und den Teddy an, als Jos Stimme ihn in seinem tiefen Inneren abholte.

    »Was hast du da?«

    »Was?«, fragte Mike, sah Jo leicht verwirrt an und steckte den Brief mit dem Teddybären wieder in die Anoraktasche des Untoten.

    »Ach, nichts. Komm jetzt. Der hat nichts mehr, was wir gebrauchen können.«

    Jo ging voran und Mike blickte noch einmal auf den Toten zurück.

    »Tut mir leid, Kumpel«, flüsterte er dem Toten zu und dann liefen sie weiter nach Osten, dem zunehmenden Vollmond entgegen, der groß und hell am Horizont aufgegangen war.

    Eine sanfte, kühle Brise strömte durch den Wald und erleichterte den beiden das Vorankommen. Mike genoss diese Momente immer und atmete tief ein. Er liebte den typischen Geruch des Waldes im Frühsommer und kannte die umliegenden weiten Wälder sehr gut. Was ihm jedoch den letzten Nerv raubte, war die Tatsache, dass sie immer weniger Essbares auf ihren Besorgungstouren fanden. Diese Tour hatte sie weit weggeführt und was sie gefunden hatten, würde nicht einmal für zwei Tage reichen.

    Mittlerweile war es schon recht dunkel geworden, als sie die urigen, mit Kletterpflanzen bewachsenen Mauern eines Klosters erreichten, die mannshoch waren. An der Haupteingangstür stand in einem Informationskasten noch das Datum der nächsten öffentlichen Messe – von vor über einem Jahr.

    »Halt, wer da?«, schallte es schroff von der Mauer.

    »Schrei nicht so rum, Micki. Die ganzen scheiß Untoten im Umkreis von zehn Kilometern können dich hören«, rief Jo ihr leise zu. Mike sah auf Jo herab, schaffte es aber nicht, sein schelmisches Grinsen zu unterdrücken.

    »Was?«, fragte Jo.

    »Nein, nichts«, antwortete Mike und lächelte.

    »Hast du Angst, Häschen?«, witzelte Micki. »Mama ist ja da und passt auf dich auf.«

    »Sei jetzt ruhig und öffne die Tür, verdammt«, rief Jo ihr zu. Micki war Jos Frau, sie hatten kurz vor der Apokalypse geheiratet und waren eigentlich unterwegs in die lange vorher geplanten Flitterwochen gewesen, als vor einem Jahr das ganze Übel plötzlich über die Welt hereingebrochen war. In der Stadt unterhalb des Klosters waren sie im Chaos stecken geblieben.

    Micki öffnete die Tür zum Klosterhof, der auch schon mal schönere und gepflegtere Tage erlebt hatte. Die Hecken wuchsen wild in den Himmel und das Gras war kniehoch. Neu waren jedoch die Gemüsebeete neben der Kapelle. Die beiden traten ein und Micki gab ihrem Mann einen zärtlichen Kuss auf die Stirn.

    »Micki, hör auf damit. Du weißt, dass ich das nicht mag.«

    Micki lächelte. »Du bist halt mein kleiner Held.«

    Mike schüttelte den Kopf, lachte und ging zum Klostergebäude. Bevor er eintrat, drehte er sich noch einmal zu ihnen um.

    »Wenn ihr fertig seid mit eurem liebevollen Austausch von Körperflüssigkeiten, kommt rein und gebt Paul die Flinte, damit er sich die ansehen kann.«

    Jo nickte und streckte Mike den Mittelfinger entgegen. Der war jedoch schon im Gebäude verschwunden. Micki berührte mit ihren Fingern Jos Wangen und küsste ihn leidenschaftlich, während er ihr mit seinen Händen sanft die Hüften entlang immer weiter nach oben strich.

    »Jo!«, kicherte Micki und klopfte ihm auf die Finger, als er ihre wohlgeformten Brüste fast berührt hatte. »Nicht jetzt und hier!«

    »Ach was, die Streuner stört es nicht. Ich hab dich vermisst, Schatz.«

    Mike betrat den Schlafsaal des Klosters, wo alle anderen beisammen waren und die vorzügliche Gemüsesuppe aßen, die das Ehepaar Mann zubereitet hatte.

    »Hey Mike, wieder da?«, rief Paul Brunner, ein mittelgroßer Typ, durchtrainiert und kahl geschoren.

    »Ja. Jo hat einen Schießprügel für dich, sieh ihn dir mal an, vielleicht kriegst du das Ding noch hin.«

    »Okay, werd ich machen. Gleich morgen früh«, entgegnete er und nähte weiter an seinem T-Shirt, einem verwaschenen grünen Fetzen mit der kaum noch erkennbaren Aufschrift ARMY auf Brusthöhe. Als ehemaliger Berufssoldat kannte er sich mit Waffen aus. Er war einer von zehn Soldaten gewesen, die zur Bewachung des Klosters zurückgelassen worden waren, und der einzige, der dageblieben war. Er hatte sonst niemanden mehr, zu dem er hätte gehen können. Seine Familie war die Armee gewesen, und die gab es nicht mehr.

    Mike stellte seinen Rucksack auf den Boden und setzte sich zu Leon Webber. Der sah auf den vollen Rucksack. »Na, hast du doch noch was Wertvolles gefunden?«

    »Nicht allzu viel, Dok. Verbandszeug, ein paar Flaschen Wasser, einige Konservendosen. Eigentlich wird es immer weniger«, sagte Mike sorgenvoll. »Wir finden nur noch hier und da was. Und es wird mir zu gefährlich. Ich kann nicht mehr nur mit Jo alleine raus. Wir müssen weiter hinaus und vielleicht irgendwo übernachten. Zu viert oder fünft, das wäre okay. Alleine schaffen Jo und ich das ganze Zeugs sonst nicht schnell genug hierhin.«

    Leon schüttelte skeptisch den Kopf. Er war Arzt und Wissenschaftler der staatlichen Seuchenkontrollbehörde SKB gewesen und mit der Armee in die Stadt gekommen.

    »Außer Paul und noch zwei oder drei anderen wird wohl niemand das Kloster verlassen. Die meisten von uns sind immer noch traumatisiert. Die Manns sind zu alt, und Pepe lässt seine Tochter sicher nicht alleine hier zurück. Und vergiss nicht, dass zu jeder Zeit jemand am Tor Wache halten muss«, meinte Leon und Mike wusste nur allzu gut, dass es so war.

    »Wer soll das übernehmen, wenn die Besten von uns draußen sind? Außerdem könnte die Armee ja noch zurückkommen. Dann muss vielleicht jemand schnell runter in die Stadt.«

    Leon klammerte sich noch an diese Hoffnung, die einzige, die ihnen noch blieb. Mike hatte es schon längst aufgegeben. Er war sich sicher, dass niemand mehr kommen würde, um sie abzuholen.

    »Wir treffen außerhalb der Stadt auf immer mehr Streuner. Wir müssen die Augen überall haben und das bedeutet Stress. Dies führt zu Fehlern und die sind tödlich«, sagte Mike.

    »Wo kommen die ganzen Streuner denn her? Die Umgegend war doch evakuiert worden und die meisten Überlebenden hatte die Armee zum Luftwaffenstützpunkt gebracht.«

    »Entweder treibt es sie aus der Stadt raus, oder sie kommen von außerhalb. Vielleicht sogar vom Stützpunkt. Ich weiß es nicht.«

    Paul hatte sein T-Shirt wieder übergezogen und gesellte sich dazu. Er hatte das Gespräch mitbekommen.

    »Ich bin wie Mike der Meinung, dass wir hier wegmüssen. Ob es uns gefällt oder nicht.«

    »Wisst ihr«, sagte Leon. »Als die WHO und die UNO weltweiten Katastrophenalarm ausriefen, Satellitenverbindungen und die Stromversorgung immer öfter zusammenbrachen, waren wir froh, hier gelandet zu sein. Wir hatten echt Glück. Hier ist es sicher.«

    »Hör zu, Leon. Hier ist es vielleicht sicher, aber wir haben nur noch Vorräte für vier bis sechs Wochen«, meinte Mike und seine Tonlage verriet Leon, dass er so langsam genervt war, ihn von seiner Meinung überzeugen zu müssen.

    »Wenn wir das Gemüse und die Äpfel im Klostergarten ernten, haben wir noch einen zusätzlichen Vorrat für ein paar Wochen. Ab dann hungern wir! Jo und ich waren den ganzen Tag im Wald unterwegs, uns ist nicht ein Wildtier über den Weg gelaufen. Wir haben nur ein paar angefressene Kadaver gefunden. Es gibt einfach nicht mehr genug Essbares in der Umgebung. Es tut mir leid, aber wir müssen weg hier. Und zwar jetzt. Ich habe keine Lust, mich im Winter gezwungenermaßen auf den Weg machen zu müssen, ohne irgendwelche Verpflegung im Gepäck.«

    Ich weiß, Mike, aber es macht mir Angst, hallte es durch Leons Gedankenwelt.

    »Wie viel Benzin haben wir noch?«, wollte er wissen.

    »Der Lkw und der Pick-up sind vollgetankt, zusätzlich haben wir noch vierzig Liter Benzin in Kanistern. Das weißt du ganz genau.«

    Leon runzelte die Stirn und fuhr sich durch seinen Drei-Tage-Bart. »Damit kommen wir nicht allzu weit, das ist dir ja wohl klar?«

    Mike sah ihn augenrollend an. »Als der Armee das Benzin ausging, hab ich alles, was ich noch auftreiben konnte, hierher gebracht. Mehr gibt es nicht mehr.«

    Einige der Anwesenden hatten der Unterhaltung zugehört und machten sich ebenfalls Gedanken um ihre Zukunft. Sie sahen nervös zum Fenster hinaus und tuschelten miteinander. Mike konnte ihre Angst vor dem, was außerhalb der Klostermauer auf sie wartete, förmlich spüren und riechen. Von den einst hundertfünfzig Personen im Kloster waren nur noch dreiundzwanzig geblieben. Bis auf zwei Brüder waren die anderen auf eigene Faust weggegangen und man hatte nie mehr etwas von ihnen gehört.

    »Wie auch immer«, beschwichtigte Leon. »Heute Abend werden wir nirgends hingehen. Schlaft jetzt alle und morgen reden wir weiter.«

    Die halbe Nacht dachte Leon über das vergangene Jahr nach.

    Meine Güte. All die Technologie, der medizinische Fortschritt und das Wissen, das die Menschheit angesammelt hatte. Und wir konnten nichts bewirken gegen diese Seuche. Und jetzt? Jetzt müssen wir raus hier und uns dieser grausamen Welt stellen.

    Der Arzt hatte nicht gut geschlafen, als er früh am Morgen wach wurde. Er machte Feuer im Kamin des Schlafsaals, um Wasser zu erhitzen. Auch Mike war schon wach. An Durchschlafen war seit langem nicht zu denken gewesen. Ihn plagte die Versorgungsknappheit, und Erinnerungen von vor einem Jahr holten ihn in seinen Träumen immer wieder ein. Als passionierter Jäger hatte der ledige Mittdreißiger das regional gut bekannte Outdoor-Geschäft Defranco’s Adventures in der Stadt betrieben. Ein Familienunternehmen, dessen Laden noch in den ersten Tagen des Untergangs vom wütenden Mob geplündert und in Brand gesetzt worden war. Dabei war er fast ums Leben gekommen.

    Er setzte sich zu Leon an den Kamin und rieb sich mit den Händen durch sein verschlafenes und müdes Gesicht.

    »Gehst du heute noch mal raus?«, fragte Leon, und Mike nickte.

    »Ich muss. Es gibt noch einen Bauernhof oben an der Landstraße, da waren wir noch nicht. Dort könnten wir noch was finden, was wir gebrauchen können.«

    »Dann musst du ja an diesem grausigen Ort vorbei, von dem du mir erzählt hast! Ist es nicht zu gefährlich dort? Ich frag nur wegen Mark und Jonas.«

    Mike erinnerte sich ärgerlich an die beiden Brüder.

    »Nein, ist es nicht. Die beiden mussten ja unbedingt die Helden spielen«, ärgerte er sich kopfschüttelnd. Als Jo und er die beiden gefunden hatten, waren sie an Gesicht und Armen bis auf die Knochen abgenagt und nur noch durch ihre Kleidung zu identifizieren gewesen. Jonas war bereits tot, doch Mark hatte sich verwandelt und Jo musste ihn erschießen.

    »Hatte ich sie nicht gewarnt?«, fragte er Leon.

    »In der Tat, das hattest du. Wen nimmst du mit auf die Tour?«

    »Jo und Paul, wenn’s dir recht ist.«

    »Lass mir Paul hier, damit wenigstens jemand die Klostertür im Auge hat«, entgegnete Leon. »Nimm Micki mit.«

    »Nein, sie hat die ganze Nacht am Tor Wache gehalten und sich erst vor einer Stunde hingelegt. Dann nehme ich Pieter mit«, schlug Mike vor. »Der fliegende Holländer kann schnell laufen, wenn’s sein muss, und ordentlich zupacken, falls wir was finden.«

    »Okay, ich werde es ihm sagen.«

    Leon wollte gerade gehen, als Taina hastig in den Schlafsaal gelaufen kam. »Kommt schnell, das müsst ihr euch ansehen, schnell, schnell.«

    Einige waren überrascht oder erschrocken, andere sahen sich verdutzt an. Taina hatte von Micki die Wache am Klostertor übernommen. Die schwarzhaarige Achtundzwanzigjährige war mit Leon und ihrem Vater aus der Stadt geflüchtet, als dort alles den Berg runterging. Doch ihr Vater hatte es nicht geschafft.

    »Was hat Taina denn jetzt?«, fragte Jo gähnend. Er war mittlerweile auch wach geworden, was nicht seinen Gepflogenheiten als Langschläfer entsprach, und weckte Micki auf. Sie hörten Taina wieder rufen und alle beeilten sich nach draußen, um zu sehen, was los war.

    »Dort«, sagte Taina und fasste sich mit beiden Händen in ihr langes Haar. »Seht ihr, ich hatte recht, ich hatte verdammt noch mal recht. Vor einem Monat, erinnert ihr euch? Unfassbar!«

    Hoch oben am Himmel flog ein Flugzeug. Ehe die anderen es damals hatten sehen können, war es wieder hinter Wolken verschwunden. Nur leichte Kondensstreifen waren zu sehen gewesen, die die anderen als Zirruswolken abgetan hatten. Jetzt konnten sie es alle sehen und waren sprachlos. Es glitzerte geradezu im Sonnenschein. Plötzlich drehte das Flugzeug in einer engen Kurve nach Norden ab, in die Richtung, aus der es gekommen war, und verschwand wieder. Immer noch starrten alle sprachlos in den blauen, fast wolkenlosen Himmel.

    »Das war kein Passagierflugzeug. Ich glaube, das war eine Militärmaschine«, sagte Paul.

    »Wie willst du das wissen? Die fliegt zu hoch, um etwas zu erkennen«, meinte Jo.

    »Zivile Flugzeuge fliegen nicht so enge Kurven, die da aber schon«, meinte Paul.

    »Von wo kommt die her? Von der Airbase?«, fragte Leon.

    »Das glaube ich nicht«, entgegnete Paul skeptisch. »Dann würden wir sie öfter sehen und sie würde tiefer fliegen. Wir liegen hier genau in der Flugschneise des Flughafens und der liegt ja nur hundertfünfzig Kilometer entfernt von hier. Die da fliegt gut und gerne in zehn Kilometern Höhe. Die kommt von weiter weg.«

    Ein wenig Hoffnung keimte auf, zu lange hatten sie auf irgendein Zeichen von draußen gewartet. Auf die ersehnte Rettung, die bis jetzt nie gekommen war, obwohl die Armee es versprochen hatte. Einige hatten feuchte Augen bekommen vor Freude und alle gingen wieder ins Hauptgebäude. Nur Taina blieb stehen und sah weiter in den Himmel. Micki sah zurück und ging zu ihr. Sie wischte eine Träne von Tainas Wange.

    »Was ist denn los, mein Schatz?«

    »Ach, nichts«, sagte sie, doch sie merkte, dass Micki ihr das nicht abkaufte. »Ich musste an meinen Vater denken. Ich wäre so glücklich, wenn er noch hier wäre und diesen Augenblick erleben könnte. Er hatte die Hoffnung schon aufgegeben. Das hier, das wäre der Schubs gewesen, den er gebraucht hätte.«

    Micki nahm sie in ihre Arme und tröstete sie. Obwohl Taina wie eine Wildkatze gegen die Streunerhorde angekämpft hatte, wurde ihr Vater vor ihren Augen mehrmals gebissen. Er schrie so laut er konnte, um die Streuner von ihr abzulenken und opferte sich für seine Tochter. Taina konnte schlussendlich nur noch zusehen, wie die Streuner ihn zerrissen.

    Nach einer Weile folgten die beiden Frauen den anderen in das Hauptgebäude.

    »Das ist der Beweis, dass es noch Überlebende gibt da draußen«, sagte Mike. »Irgendwo haben die einen Flugplatz und die können Flugzeuge starten lassen. Irgendwo da draußen gibt es eine sichere Zone.«

    »Und wie sollen wir rausfinden, wo das ist?«, fragte Jo ratlos. »Wenn wir das Autoradio abhören, ist da gar nichts.«

    »Wenn wir zum Flughafen gelangen könnten, dann …«, meinte Paul, doch Mike unterbrach ihn sofort.

    »Du weißt, dass die Straße dorthin von Autos blockiert ist, wir können nur über Umwege dorthin gelangen. Und die Armee hat alleine aus unserer Gegend über zweitausend Menschen dorthin gebracht. Seitdem haben wir nichts mehr gehört. Wer weiß, wie es dort aussieht. Und dass sie nicht zurückgekommen sind, um uns abzuholen, spricht für sich.«

    Nach einer Weile der Stille fuhr Mike fort. »Wie auch immer, wir werden uns darum Gedanken machen müssen, aber jetzt will ich zu dem Bauernhof, bevor andere das tun.«

    »Welche anderen?«, entgegnete Jo erstaunt. »Wir haben mit Ausnahme der Streuner keine lebende Seele mehr draußen gesehen.«

    Mike gab Jo einen freundlichen Klaps auf den Hinterkopf. »Wenn wir das Flugzeug gesehen haben, haben es vielleicht auch andere Überlebende gesehen. Und die machen sich vielleicht auch auf den Weg und suchen hier und da nach Nahrung. Der Erste in der Reihe darf sich zuerst bedienen.«

    Das leuchtete Jo ein. Mike rief einen großen blonden Kerl zu sich, der in der anderen Ecke des Schlafsaals auf einer Couch lag. »Wir gehen raus, Pieter. Mach dich fertig, wenn du willst. Wir könnten deine Hilfe gebrauchen.«

    Pieter nickte freudig und holte seine Sachen. Sicher wäre der zwei Meter große Holländer aus Rotterdam lieber mit einem Lkw rausgefahren, aber wann immer jemand draußen benötigt wurde, war der Fernfahrer als Erster zur Stelle.

    Als sie an einer Waldlichtung ankamen, lag die von Autos gesäumte Landstraße vor ihnen. Einige Fahrzeuge waren ineinander verkeilt, andere standen hier und da am Straßenrand oder lagen im Straßengraben. Gepäck und sonstige Hinterlassenschaften lagen auf der Straße verstreut herum. In ein paar Autos verwesten Tote still vor sich hin. Die Luft roch erbärmlich und Pieter zog sich seinen Pullover über die Nase.

    »Hemel, Arsch en Zwirn«, fluchte er in seinem üblichen, liebenswerten deutsch-niederländischen Sprachmix. »Dat is ja kaum zu aushalten hier.«

    Mike und Jo machte der Gestank fast nichts mehr aus, sie hatten sich daran gewöhnt. In anderen Fahrzeugen saßen Untote, die versuchten, ihren Wagen zu verlassen, als sie die Lebenden bemerkten. Doch sie schafften es nicht. Mike und Jo hatten diesen Ort schon untersucht gehabt und alles Brauchbare mitgenommen. Außer dem Bauernhof, zu dem sie wollten, und einer Tankstelle, ein paar Kilometer in entgegengesetzter Richtung, gab es hier

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