Seewölfe - Piraten der Weltmeere 301: Die Junfernfahrt
By Fred McMason
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Seewölfe - Piraten der Weltmeere 301 - Fred McMason
9
1.
Über den Ausrüstungskai, an dem die fast fertig aufgeriggte neue „Isabella IX." lag, pfiff kalter, fast eisiger Wind, und so war es verständlich, daß die Soldaten des Marquess Henry of Battingham, allen voran ihr dicker Corporal, entsetzlich froren.
Der Corporal stapfte stiernackig und mit knallrotem Schädel immer wieder an dem stolzen Segler vorbei und fluchte vor sich hin.
Da hockten diese lausigen Kerle im Warmen, dachte er mißmutig, während sie sich hier am Kai die Knochen abfroren und Bewacher spielen mußten. Mit dem Bewachen dieser Seewölfe war das auch so eine Sache, denn die hatten angeblich einen kleinen Ausflug unternommen, um ein als Hexe bezichtigtes Mädchen in Plymouth zu befreien. Zu beweisen war ihnen das allerdings nicht, denn keiner der Soldaten hatte jemanden von Bord schleichen sehen, darauf schworen sie alle Stein und Bein. Und doch kamen nur die Seewölfe in Frage, denn wer hätte sonst einen Vorteil davon haben können, zudem es sich bei der „Hexe" um Dan O’Flynns Freundin handelte.
Dan hatte zusammen mit etlichen anderen das Mädchen dem Scheiterhaufen entrissen und zurück nach Dartmouth gebracht. Und dieser Dan O’Flynn war noch nicht zurück, was wiederum der stiernackige Corporal nicht wußte.
Da erlebte er an diesem kalten Morgen eine sehr seltsame Überraschung, die ihm fast die Augen aus dem Schädel quellen ließ.
Der Corporal blies wütend in seine klammen Hände, schloß auch den allerletzten Knopf seiner Uniform, brüllte seine Soldaten an, daß sie gefälligst nicht im Windschatten der Schuppen stehen sollten und starrte dann voller Zorn auf das Wasser.
Anfangs sah er das übliche Bild: Vor. ihm am Kai lag die prächtige Galeone „Isabella, ein paar hundert Yards weiter war die verlassene „Hornet
vertäut, die der Seewolf der Krone zurückgeben wollte, und weiter hinten lag dieses schwarze unheimliche Schiff, das einem bei Nacht bereits durch seinen bloßen Anblick eine Gänsehaut über den Rücken jagen konnte. Schon seine Soldaten behaupteten, auf diesem Kahn ginge es nicht mit rechten Dingen zu, manchmal erscheine dort der Teufel als glimmende Fackel oder Ähnliches. Und die Geräusche erst, die mitunter herüberklangen! Dort schlugen sie sich anscheinend gegenseitig tot – so nahmen die Soldaten an –, weil sie eben nicht mit den Gepflogenheiten nächtlicher Saufereien der Wikinger vertraut waren.
So mußten für unerklärliche Lichter oder Geräusche eben Teufel oder Dämonen herhalten, die selbst der Corporal nicht unbedingt von sich wies.
An diesem Morgen nun kehrte Dan O’Flynn von seinem Ritt nach Dartmouth zurück, und um nicht aufzufallen, wählte er einen unauffälligen, aber reichlich unbequemen Weg.
In rabenschwarzer Nacht war er mit dem Boot zum Schwarzen Segler gepullt und an Bord gegangen. Jetzt mußte er die Strecke zur „Isabella" zurückschwimmen, denn alle Seewölfe hatten Landverbot und durften das Schiff nicht verlassen.
Aber ein bißchen Schwimmen war ja erlaubt, so von Schiff zu Schiff, da konnte auch der Corporal nichts dagegen einwenden, zumal die Kerle sich ja offenbar der Ausgangssperre beugten.
Nun begann ein Spielchen, das den etwas begriffsstutzigen Corporal reichlich verwirrte.
Zunächst sah er einen dunklen Punkt im Wasser, nicht weit von der „Isabella" entfernt.
Der Corporal starrte sich die Schweinsäuglein aus. Da platschte doch wahrhaftig ein Kerl im Wasser herum. Bei dieser Lausekälte und dem eisigen Wind! Munter und fröhlich krebste er durchs Wasser, als bade er in einer Lagune der südlichen Meere, von der der Corporal mal gehört hatte.
Oder war der Kerl etwa am Ersaufen und über Bord gefallen? Aber das konnte auch nicht sein, denn die Kerle von der „Isabella" klatschten noch Beifall und riefen dem Schwimmer aufmunternde Worte zu.
„He, was soll das? schrie der Corporal. „Ist der über Bord gefallen?
Einer, den der Corporal insgeheim fürchtete, der ein wüstes narbiges Gesicht und ein mächtig breites Kreuz hatte, drehte sich grinsend um und gab Antwort.
„Der ist selbst gesprungen. Das tut der jeden Morgen. Er taucht hier nach Muscheln."
„Hier gibt’s keine Muscheln", brummte der Corporal entschieden.
„Wieso? fragte der Narbenmann. „Hast du denn hier schon mal im Winter getaucht?
Der Corporal mußte das verneinen.
„Na siehst du! Aber einfach Behauptungen aufstellen, was, wie? Und nicht mal selbst in der kalten Brühe nachsehen."
„Ihr dürft aber nicht an Land!" schrie der Corporal, weil er nicht wußte, was er darauf antworten sollte.
„An Land wachsen doch auch keine Muscheln, oder? erkundigte sich der Narbenmann drohend. „Und deshalb schaut er ja auch im Wasser nach, ob es da welche gibt. Erzähl das ruhig deinem Lord Flattermann.
Der Corporal rang empört nach Lust.
„Marquess Henry of Battingham! schrie er, rot vor Zorn. „Ich verbitte mir derartige Respektlosigkeiten.
„Tu das ruhig!" riet der Narbenmann trocken.
Dann sah der Corporal, wie der triefnasse Kerl aufenterte und an Deck stand und die anderen ihn grinsend umringten.
Er vernahm, daß sie ihn fragten, ob er Muscheln gefunden habe, und erfuhr die verblüffende Weisheit, daß am Ausrüstungskai tatsächlich keine wuchsen.
Alles Weitere vernahm er dann nicht mehr, denn es spielte sich unter Deck ab.
In der geräumigen Messe, die hinter dem Großmast im Quarterdeck lag, zog der Kutscher Dan O’Flynn die nassen Plünnen vom Körper, schob ihm eine Muck heißen Rum zwischen die zitternden Lippen und hüllte ihn in eine große Decke. Mac Pellew klopfte den schnatternden O’Flynn derweil mit Püffen und Knüffen so lange durch, bis das Blut wieder richtig zirkulierte.
„Alles gut abgelaufen, Dan?" fragte Ben Brighton.
„Ja, das Mädchen ist in Sicherheit, ich habe sie zurückgebracht. Den Gaul habe ich bei Plymson abgeliefert. Aber es ist doch eine verdammte Saukälte, wenn man durch den Bach paddelt. Haben die Kerle wirklich nichts gemerkt?"
Carberry schüttelte den Kopf.
„Ganz sicher nicht. Der Corporal ist doch ausgesprochen dämlich, und seine Soldaten drücken sich hinter den Schuppen rum, weil sie wie nackte Gänse frieren."
Während der Kutscher weiterhin heißen Rum ausschenkte, erschien der Seewolf in der großzügig ausgestatteten Messe. Auch er war froh, daß alles so glimpflich abgelaufen war, doch auf seinem Gesicht lag ein Schatten, der ihn ernster und älter erscheinen ließ.
Bisher hatten sie die Schikanen und Intrigen des Marquess Henry ja ganz gut überstanden, der unbedingt die „Isabella für sein Geschwader requirieren wollte. Aber dieser Requirierungsanspruch war ein Witz, denn dem jungen Schnösel war die moderne Bauweise des Schiffes in den Kopf gestiegen, und im Geiste sah er sich bereits auf dem Achterdeck der „Isabella
als Geschwaderführer stehen.
Da Hasard diese Flausen strikt und eiskalt abgelehnt hatte, begann der einflußreiche Marquess, Sohn des Duke of Battingham, sie zu schikanieren und zu schurigeln, wo er nur konnte.
Trotz aller Maßnahmen hatte er nicht verhindern können, daß der Bau seiner Vollendung entgegenging und jetzt so gut wie fertig war.
Die Masten waren aufgeriggt, das laufende und stehende Gut eingeschoren, und es gab nur noch ein paar belanglose Kleinigkeiten zu tun, die man auch auf See erledigen konnte.
Die Galeone des Schiffbaumeisters Hesekiel Ramsgate war bereit, ihre Jungfernfahrt anzutreten.
Ein paar Tage hatte dieser adlige Schnösel sie nun in Ruhe gelassen, aber es war durchgesickert, daß er auf Verstärkung wartete, denn mit seinen spanischen Beutegaleönchen traute er sich nicht, offen gegen die Seewölfe vorzugehen. Außerdem lag da immer noch ganz in der Nähe das Schwarze Schiff des Wikingers Thorfin Njal, mit dem der eitle Marquess nicht viel anzufangen wußte, er war sich über das Verhältnis zwischen den beiden Mannschaften nicht im klaren und wollte aus diesem Grund auch nichts riskieren.
„Wir könnten zur ersten Fahrt auslaufen, sagte Hasard, „doch wie werden sich die Kerle auf der Pier verhalten? Ich weiß nicht, welche Order sie haben. Lösen wir die Leinen, eröffnen sie vielleicht auf uns das Feuer.
„Offiziell ist über uns nur eine Ausgangssperre verhängt worden, meinte Hasards Stellvertreter Ben Brighton. „Davon, daß wir nicht in See gehen dürfen, hat niemand etwas gesagt.
„Eben, meinte auch Ferris Tucker, „das ist eine reine Spitzfindigkeit. An Land dürfen wir nicht, also gehen wir in See.
Doc Freemont, der sich noch als Gast auf der „Isabella" befand, schüttelte den Kopf.
„Ich weiß nicht, was Sie damit heraufbeschwören würden, Hasard", sagte er leise, „aber es dürfte weiteren Ärger in Plymouth geben. Schließlich haben Sie die ganze Stadt gegen sich mit ihrem gesamten Verwaltungsapparat, und