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Die Vampyr Memoiren: Bohemian Rhapsodies
Die Vampyr Memoiren: Bohemian Rhapsodies
Die Vampyr Memoiren: Bohemian Rhapsodies
Ebook348 pages4 hours

Die Vampyr Memoiren: Bohemian Rhapsodies

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Die Vampyr Memoiren erzählen die denkwürdigen Erlebnisse von den sieben ältesten Vampyrgeschwister der Welt. Seit tausenden von Jahren leben sie bereits unter den Menschen und haben einiges zu berichten was sie in der Welt der Menschen durchlebt haben. Ist all die Geschichte, die Ihr gelern habt, wirklich wahr? Bohemian Rhapsodies wird von einer der Geschwister erzählt, Layla Amentson. Einst wurde eine kleine deutsche Stadt von zwei verheerenden mysteriösen Feuern heimgesucht. Doch was hat diese Feuer wirklich entfacht? Laylas Wege kreuzen sich mit einem zweifelhaften Abt, der nicht nur für Vampyre eine todbringende Gefahr darstellt, sondern auch für Menschen. Können die ältesten Vampyre ausgelöscht werden? Die Geschwister machen sich aus dem Bohémen London auf die Suche nach dem hinterhältigen Übeltäter, der sich mit seinen unheilverkündenden Machenschaften in der kleinen deutschen Stadt verbirgt, die er in seinen Bann gezogen hat.

LanguageDeutsch
PublisherA. V. Black
Release dateMay 3, 2017
ISBN9781370713981
Die Vampyr Memoiren: Bohemian Rhapsodies

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    Die Vampyr Memoiren - A. V. Black

    Qui vampyria en considerata: Layla (Oder: Der im Folgenden betrachtete Vampyr: Layla)

      Ich bin Layla Amentson. Ich bin ein Vampyr. Ich wurde bei Nacht wiedergeboren, um das zu werden, was ich nun bin, als eine von neun Geschwistern, von denen nur noch ich neben sechs weiteren übrig bin. Unsere Wiedergeburt fand hinter verschlossenen Türen in einem der Hinterräume eines Tempels in Abydos nach Eurer Zeitrechnung vor 4000 Jahren statt.

      Es war ein später Nachmittag im Herbst, es war bereits dunkel, an dem ich auf den Grenzen von Camden Town und Kentish Town im Norden Londons entlang wanderte. Ich habe immer diese Gegend für die Fülle ihrer Vielseitigkeit geliebt. Dieser Teil Londons ist bereits seit einigen Jahrzehnten sehr alternativ und Bohème mit den unterschiedlichsten Menschen, mannigfaltigen Subkulturen, kreative und erfinderische Leute, Musiker und so fort, jedoch hat dieses pulsierend lebhafte Flair begonnen zu schwinden, aufgrund von monetären Interessen bestimmter anderer Menschen. Es war eine Schande ansehen zu müssen, wie dieser atmosphärische Geist aus meinem Stadtteil hinaus gezwungen wurde wie es bereits viele Jahre zuvor ebenso in Notting Hill und Chelsea geschah. Es hat sich mit Sicherheit einiges in den vergangenen Jahrhunderten hier geändert – von einer eher ländlichen Gegend mit Charles Dickens in seinem Cottage am offenen Feld zur Gegenwart mit den einzigartigen Geschäftsfassaden auf der Hauptstraße und den umgebauten Pferdeställen, wo man kleine Läden finden würde von jungen Künstlern, Kunsthandwerkern und Designern neben Antiquitäten. Dennoch mochte ich hier am liebsten sein und war stolz eines der Häuser im gregorianischen Stil zu bewohnen. Zumindest war jenes in einer der weniger stark frequentierten und daher unvermutet ruhigen Straßen, von wo aus es nicht weit war zu dem übrig gebliebenen florierenden Vibe der eher zentralen Straßen, wenn man das starke Bedürfnis hatte dort einzutauchen.

      Die Blätter nahmen bereits ihre typisch mehrfarbige Kleidung an, ein sanfter Wind wog durch die wenigen an den Bäumen noch hängenden Blättern, der mit seinem fast unmerklichen Lied an die begehrte Ruhe der heutigen schnelllebigen Welt erinnerte. Ich spazierte durch mehrere ruhige Seitenstraßen, wobei ich nur hin und wieder eine Hauptstraße passierte. Ich zog es vor jene zu vermeiden mit ihrem beinahe unausstehlichen Verkehrslärm und den vielen Stimmen der unheimlich gehetzten Menschen. Jener Menschen, die in dem Spinnennetz oberflächlicher und untergeordneter Belange der modernen Gesellschaft gefangen sind, die sie lieber erfolglos versuchten in den Pubs am Ende des Tages zu ertränken mit Geld, von dem sie ohnehin zu wenig hatten durch die emporschnellenden Mieten, um am folgenden Tag wieder auf den Zug zu steigen und um wie wohl gekleidete Maschinen funktionierend die niemals endende Tretmühle mit aufgesetzten Scheuklappen erneut anzutreten. Ich hingegen genoss lieber die wenig bekannten, wundervollen Juwelen der natürlichen Stille und architektonischer Schönheit sowie den Erfindungsreichtum der einzigartigen Lage dieser zwischen den betriebsamen Gegenden, wo sie niemand zu vermuten vermochte. Dazu gehörten wunderhübsche kleine süße ‘Mews’, heute verborgene Seitenstraßen der damaligen Verbindungswege für Karren, die mit ihrer ländlichen Erscheinung einen leicht vergessen ließen, mitten in London zu sein, oder eben die kleinen meist quadratisch angeordneten Parks inmitten der ruhig gelegenen Wohnhäuser zwischen den stark befahrenen Hauptstraßen.

      Ich versuchte, den üblichen modernen Lärm der Stadt zu ignorieren und fokussierte meine Sinne auf das, was von den meisten menschlichen Wesen heutzutage als selbstverständlich unbeachtet blieb. Dem säuselnden Wind lauschte ich als Einzigstes, der seicht die ersten von den Bäumen herabgefallenen Blätter auf dem Gehweg umher schwenkte, eine weitere vergangene warme Jahreszeit dahin blies und das andere jahreszeitliche leise Lied im Hintergrund offerierte. Ich zog hinüber an einem dieser vielen kleinen in den Wohngegenden integrierten Parks Camdens, Camden Gardens um genau zu sein, wo ich ein wenig verweilte, um die entzückend auf dem wohl gepflegtem frisch gemähten Rasen tanzenden Blätter zu beobachten. Gerade wollte ich schnell die Kentish Town Road zum Grand Union Path hinuntergehen, wo es in der Regel um einiges ruhiger war für einen Spaziergang auf dem Seitenweg meines geliebten künstlichen Überbleibsels der Natur: dem Kanal. Ein Fremder sprach mich jedoch an der Ampel an.

      „Entschuldigung Liebchen, kannst du mir sagen, wo ich den nächsten Posmark finde? Ich glaub ich hab mich total verlaufen," frug er mich in Verzweiflung.

      Posmark – einer fürchterlichsten Textilkettengeschäfte, wovon man eine Filiale in beinahe jedem verdammten Viertel Londons vorfinden konnte, zu dem die Teenager und üblichen Proleten dieser Zeit in Scharen hinströmten, um ihr kleinstes Bisschen an Geschmack abgeschliffen zu bekommen. Vielleicht war so ein Laden gut genug für ein Paar Socken. Zum Glück befand sich allerdings keine Filiale davon in meiner Nachbarschaft.

      „Vom Weg sind Sie gar sehr abgekommen, finden werden Sie keinen in dieser Gegend," antwortete ich mit einem breiten Lächeln und zeigte mit Absicht die scharfen Spitzen meiner Fangzähne.

      „Da hast du aber ein paar hübsche Beißerchen, sehen sogar recht echt aus! Nun gut, danke trotzdem, schönen Abend noch," erwiderte er mit einem fröhlichen Lächeln, drehte sich um und nahm seinen Pfad wieder auf, wo auch immer dieser hin führen mochte, während ich konfus zurück blieb. 

      Ich hätte zumindest ein kleines Anzeichen von Angst beim Anblick meiner spitzen Zähne erwartet. Jedoch war keine zu verspüren. Ich spürte nicht einmal einen kleinen Funken Unsicherheit versteckt unter seinen wenig weiter erwähnenswerten Gedanken und Gefühlen. Es erschien ihm normal und wenig beunruhigend, einem Vampyr auf der offenen Straße zu begegnen.

      Natürlich haben wir Vampyre ein gewisses Interesse seitens der Menschen vernommen, als sie wie besessen die Werke vom Bram Stoker, Anne Rice und dem anderen Schriftsteller, der behauptete, wir würden im Sonnenschein wie Diamanten glitzern, begannen zu lesen, was sich noch zuspitzte, als die Filmindustrie ihr Interesse als Marktlücke an diesen polierten Geschichten fand. Ich fing an, den Eindruck zu bekommen, dass es nicht nur ein gewisses Interesse an unserer Art ist, sondern auch ein wenig Akzeptanz gegenüber uns unter den Menschen entstand. Oder war es nur schlichte Ignoranz und Blindheit für das, was genau vor ihren Augen zwischen Himmel und Erde ist, frug ich mich.

      Vielleicht war ich ein wenig gelangweilt nach all diesen vergangenen Jahrhunderten und Jahrtausenden oder vielleicht brauchte ich einfach eine andere Aufgabe in meinem Leben für den Moment, bis etwas Interessanteres sich mir eröffnete, dass es mir in den Sinn kam, eventuell den Kleinkram, den ich mit meinen Geschwistern als Beobachter der menschlichen Geschehnisse bezeugt habe, niederzulegen. Jedoch war das nicht meine alleinige Entscheidung. Jeder von uns Geschwistern müsste zustimmen, wie immer, wenn es galt, weitreichende Entscheidungen zu treffen, besonders wenn es um so ein sensibles Thema wie unsere Art ging.

      Es war ein seltenes Ereignis, uns alle an ein und dem gleichen Ort zur gleichen Zeit dieser Tage zu treffen. Die Welt wurde einfach so weit und breit mit all ihren Möglichkeiten, dass wir uns weiter ausgebreitet haben in allen Teilen als damals, als wir noch jünger waren. Lediglich mein Zwillingsbruder Horatio und ich blieben stets nah bei einander und waren kaum über einen längeren Zeitraum voneinander getrennt. Der London Stone war der Ort, an dem wir uns trafen, wo ich arrangiert habe, dass die Wirtschaft für uns als Privatgesellschaft an dem Abend anderweitig geschlossen bleibt. Meines Erachtens war es dort am adäquatesten für unsere Zwecke mit dem dunklen und antikähnlichen Interieur. Es hatte etwas altes, etwas das verblieb, was von den Gästen allgemein geschätzt wurde, besonders von denen mit dem Hintergrund einer bestimmten Subkultur. Es war nicht schäbig oder allzu typisch wie jede andere Wirtschaft, die wir hätten aussuchen können, zugleich war es auch nicht zu modern, abgesehen wahrscheinlich von der Auswahl an Getränken und Gerichten.

      Horatio und ich kamen ein wenig früher an, um die anbahnende Rush Hour des frühen Abends zu umgehen und um entsprechend eine kleine Bewusstseinskontrolle des menschlichen Verstandes der wenigen anwesenden Angestellten, die uns bedienen würden, vorzunehmen, so dass sie uns nicht hören würden, sowie nicht ein Wort unserer späteren Unterhaltung unabhängig davon, wie laut es sein würde und auch unsere allgemeine Anwesenheit nicht weiter zur Notiz nehmen würden, es sei denn, wir würden eine Bestellung aufgeben. Also hypnotisierten wir sie. Es war unsere alte Angewohnheit so etwas zu tun, ein Überbleibsel aus unserer Vergangenheit sozusagen, als wir noch um einiges vorsichtiger sein mussten um bloß keine Aufmerksamkeit darauf zu lenken, was wir wirklich sind. Es hätte natürlich auch sein können, dass die Angestellten einfach nur gedacht hätten, wir seien Rollenspieler, Cosplayer oder sonst irgendwelche hochgestochenen Freaks. Vorsicht heißt die Mutter der Porzellankiste, wie man so schön sagt.

      Als erstes kam unser ältester Bruder Kheprimay an. Der große muskulöse Körper öffnete schwungvoll die Tür, ehe er fest im Rahmen stand. Er hatte immer eher einen grimmigen Ausdruck auf seinem Gesicht, von dem man nicht annehmen würde, jemals eine andere Mimik erhaschen zu können, wie von einer Statue, was wiederum tatsächlich seinen Grund hatte. Sobald er uns jedoch sah, zeichnete sich ein unvermutet strahlendes Lächeln in sein Antlitz und eilte Horatio und mir entgegen, grüßte und umarmte uns überschwänglich voller Aufregung. Sobald er an unserer runden Tafel einen Platz eingenommen hatte, trat unser zweitältester Bruder Tethapi zusammen mit den Geistererscheinungen unserer Schwestern Amasis und Menhit ein. Er war jemand, der ständig eine Maske trug, sowohl mental als auch physisch aufgrund eines unglücksamen angeborenen Hautbildes, das die Hälfte seines Gesichtes tief rot erschienen liess. Er war eher dünn in seiner Statur und einer der stillsten und am introvertiertesten Persönlichkeiten, die selten etwas sagen und niemals offen zeigten, was sie denken oder fühlen. Amasis und Menhit sind immer das komplette Gegenteil gewesen in ihrer fröhlichen aufgeweckten Art. Als wir uns gerade überaus aufgeregt vor Freude umarmten, uns wieder persönlich zu sehen, kamen unsere anderen zwei Geschwister, unser Bruder Shaiti und unsere Schwester Iris. Iris schaffte es damals schon immer, ihr langes schwarzes Haar auf pompöse und wundersame Weise zu drapieren, auch wenn sie meinen würde, sie habe nichts Besonderes gemacht außer einem einfachen Handgriff. Zu guter Letzt, trat unsere Schwester Neph ein, die sich immer gerne verspätete. Sie hat es noch nie leiden gekonnt, die erste zu sein und zog es immer vor als Letzte zu erscheinen. Neph war rein äußerlich nicht zu uns dazugehörig, da sie als einzige solch silberblondes Haar und grosse eisblaue, fast weisse Augen hatte, jedoch mit einer engelsgleichen Erscheinung.

      Eine weitere Runde vergnügter Umarmungen der Freude folgte gepaart mit noch gesteigerter freudiger Aufregung unterstrichen von vielem Lachen, der ein oder andere hob sich gegenseitig hoch und schwang sich im Kreis. Wie man erkennen kann, haben wir uns alle am gleichen Ort wortwörtlich bereits ewig nicht mehr gesehen. Wir alle haben es sogar geschafft, etwas Besonderes für den Anlass anzukleiden anlässlich dieses raren Ereignisses. Meine Brüder trugen alle einen Anzug und wir Schwestern ein Kleid oder zumindest einen Rock mit einer passenden Bluse zusammen mit einem Paar außergewöhnlicher Schuhe. Nicht allzu verwunderlich war, dass jeder Einzelne von uns von Kopf bis Fuß schwarz gekleidet war. Nun, Amasis und Menhit trugen schwarz, als sie starben. Geister wechseln ihre Kleidung seltener, so war ihre mehr deutlich aus der damaligen Zeitepoche und unsere hingegen mehr der heutigen Zeit angepasst.

      Sobald wir alle saßen, rief Horatio die Kellnerin bereits herbei, die sich an der Bar mit dem Polieren von Gläsern beschäftigte, wenn sie nicht gerade ein paar Tattoodesigns auf ihrem Notizblock skizzierte. Er hob nur seine Hand und schon war sie auf dem Weg zu uns.

      „Willkommen. Was darf ich Ihnen bringen?" frug sie höflich in einer überenthusiastischen Art.

      „Blut," antwortete Kheprimay trocken mit tiefer Stimme. Die Runde wähnte sich in der Totenstille des Schweigens. Ihr aufgesetzter Enthusiasmus war alsbald fort und sie erstarrte.

      „Entschuldigung?" frug sie unsicher.

      „Blutroter Wein, trocken, leicht süß im Abgang," intervenierte Horatio und blinzelte ihr zu als Zeichen, dass unser Bruder eventuell nur gescherzt habe. Es hätte sicherlich jedoch keiner von uns einen Tropfen frisches Blut zurückgewiesen, wenn es uns angeboten worden wäre. Die Kellnerin heiterte fortan wieder auf.

      „Oh, ok, sagte sie freudig. „Für alle?

      „Bitte. Sie können uns auch gleich drei Flaschen bringen. Und einen Vampir-Kuß dazu für jeden," antwortete er mit einem höflichen Lächeln, während wir anderen dezent kichern mussten und wir uns ziemlich zusammenreißen mussten, um nicht in schallendem Gelächter auszubrechen. Die Kellnerin hätte die Mehrdeutigkeit für uns nicht verstanden, da der Vampir Kuss als eine Art Schnapscocktail in ebenso kleinem Schnapsglas serviert wird, der zu gleichen Teilen aus schwarzem Sambuca und Jägermeister besteht und gewöhnlich in London serviert wird.

       Sobald die Kellnerin uns die Getränke und die Gläser zusammen mit ihrem Kollegen, der sich andernfalls lieber im Lagerraum beschäftigte, wenn er nicht begierig seine sozialen Netzwerke durchschaute, konnten wir endlich frei sprechen und ich konnte mein Begehren zu Tisch bringen. Ich erzählte meinen Geschwistern von dem kürzlichen Aufeinandertreffen mit dem Menschen. Jedoch erschienen sie nicht sehr überrascht von seiner Reaktion. Ähnliches habe man in den letzten Jahren erlebt, gab man zu. Die Menschen frugen gar teilweise, bei welchem Zahnarzt man die Zähne habe machen lassen, erzählten sie. Keiner der Menschen kam jedoch zu dem Schluss, dass die auffällig spitzen Zähne tatsächlich echt sein könnten. Sie wurden in dem Glauben gelassen und die Menschen verhielten sich weiter einfach überaus höflich und gar erfreut, einen Vampyr zu treffen, wobei sie wohl doch eher dachten es war ein gut gespielter Streich. Es gebe gar Zusammenkünfte heutzutage, wo man vorgebe, selbst ein Vampyr zu sein. Nur wenige wahrhaftige von uns findet man unter ihnen, wenn überhaupt nur zum Spaß, wie Neph erwähnte nach ihren Recherchen.

      „Anbetrachts dessen, dass es bereits hunderte an Büchern über Charaktere unserer Art gibt, frage ich mich, ob wir nicht einfach ein bisschen mit dem Strom mit schwimmen sollten und unsere Geschichte auch erzählen sollten?" frug ich in die Runde, die plötzlich verstummte inmitten ihrer eher interessanten Gespräche über ihre mehr oder weniger freundlichen Begegnungen mit Menschen, wenn sie es wagten, etwas von unserer Natur durchschimmern zu lassen. Ich spürte eine Unruhe und besorgte Nachdenklichkeit bei meinen Geschwistern. Sie waren nicht sehr sicher, ob es solch eine gute Idee sei. Ich unterbrach ihre Zweitgedanken jedoch.

      „Wir müssen uns selbst nicht enttarnen bis zu dem Punkt, dass wir unsere wahren Namen und Orte des Verweilens preisgeben. Ich wäre auch nicht sehr angetan davon, eine Schar hysterischer Fans vor meiner Haustür vorzufinden. Genauso wenig möchte ich auch allzu starkes Stirnrunzeln in der Öffentlichkeit erregen. Ich denke nicht, dass die Menschen bemerken würden, inwieweit unsere Geschichten tatsächlich der Wahrheit entsprechen, zumal ihre Köpfe momentan zum größten Teil gar nicht in der Lage, andere Dimensionen des Daseins in ihrer eingeschränkten Bewusstseinswelt zu ergreifen, trotz all der teils sehr gut gemachten Belletristik, die es gibt."

      Wortwörtlich hörte ich meine Geschwister denken. Alle und jeder einzelne spielte verschiedene mögliche Szenarien für sich durch. Definitiv könnte es eine neue Hexenjagd auslösen, oder besser gesagt, Vampyrjagd, was so oder so eines Tages wieder passieren wird. Wir hatten jedoch auch wenig zu verlieren. Wenn es eine neue Massenhysterie geben würde, könnten wir immer noch die Gedanken der Menschen entsprechend beeinflussen, was mit Hilfe der heutigen Medien flächendeckend noch viel effektiver ist, so einfach wie das bei den simplen menschlichen Gehirnverbindungen funktioniert, und es wäre einfach alles wie zuvor.

      „Wir könnten einen Menschen fragen, unsere Geschichten für uns zu schreiben. Im Anschluss hypnotisieren wir ihn oder sie ganz einfach, so dass es als eine völlig eigenständige Idee erscheint. Und ich denke, ich habe bereits die richtige Person für unser Anliegen gefunden," sagte ich mit einem Augenzwinkern und griff nach meinem Smartphone mit einem Bild von ihr.

      „Warum eigentlich nicht, stimmte Kheprimay zu, während die anderen still blieben, obschon ich fühlte, wir waren der gleichen Ansicht. „Manchmal können zumindest die etwas schärferen Köpfe etwas von fiktiven Geschichten mitnehmen und lernen. Sie sollten es nach all dem, was wir in der ganzen Zeit mitbekommen haben, was sie größtenteils gar nicht wissen, wenn sie nicht einfach denken es sei erfunden oder eine Verschwörungstheorie. Sie müssen aufwachen. Da du die Idee hattest, warum fängst du nicht an und du lässt sie eine deiner denkwürdigsten Abenteuer niederschreiben, schlug er herausfordernd vor.

      „Das würde mir nichts ausmachen. Die Zeit ist gekommen die Kehrseite der Medaille zu offenbaren, was sie nicht wissen," antwortete ich mit einem selbstbewussten Lächeln und erhob mein Glas zum Anstoßen.

      Da wir verstehen, dass Ihr nicht länger zu Tode erschrocken vor unserer Art seid, bieten meine Geschwister und ich im Gegenzug etwas für euer sonderbares Vertrauen an: die Erzählungen des Unbekannten. Während Ihr lest, was wir oder beziehungsweise in diesem Teil ich, Euch zu erzählen haben, seid ihr eventuell in der Lage, ein paar Parallelen zu erkennen, mit dem, was ihr gelernt habt oder zu Euren dummen menschlichen Streitereien über Rassen und Religion. Es gibt eine Menge Menschen dort draußen, die aufgrund ihrer Herkunft oder religiöser Ansichten ausgestoßen werden. Wir, die Vampyre, sind nicht viel anders. Da wir nicht viel anderes sind als alterierte Lebensformen der Menschen, sind wir rein äußerlich gut vergleichbar in diesem und vielen anderen Zusammenhängen. Andere Arten von Menschen mussten sich auch verstecken, was wir nun gleichfalls für einige Jahrtausende getan haben, in der Hoffnung, Ihr würdet uns nicht entdecken oder erkennen und uns wie so zahlreiche andere ‘exotische’ Wesen dieser Welt grundlos ausrotten. Wir haben uns all die Zeit vor Euch versteckt, weil Ihr solch eine Furcht vor uns hattet, die Euch einfach in die Mordlust treibt. Wir blieben nie zu lang an einem Ort und haben wiederholt mit Absicht falsche Gerüchte über uns in die Welt gesetzt, um Euch in die Irre zu führen. Diese existieren noch immer heute und es wird trotzig vehement weiter daran geglaubt, lediglich, um uns einst selbst zu schützen. Letztlich konnten wir selten eine Zuflucht weit weg in der Wildnis, weit weg von Euch, unser Heim nennen. Wir lebten stets unter Euch, gleich nebenan.

      Einst waren wir wie Ihr – wir waren Menschen. Jedoch müssen wir, um zu überleben, den Energiefluss von einem anderen Lebewesen in Anspruch nehmen, ähnlich wie Ihr Menschen, um uns zu ernähren. Es gibt nur wenige Unterschiede: Ihr müsst Euch von dem ernähren, was die Welt euch bietet und wir brauchen nur ein kleines bisschen Blut von Euch, damit unsere Körper funktionieren. Im Gegensatz zu Euch haben wir uns weiterentwickelt und gelernt, es ist meistens unnötig zu töten, um zu überleben.

    Trevere

      Trevere, 1793. Ich erwachte verstört von einer wohl sehr langen Bewusstlosigkeit aus der Dunkelheit. Meine Augen waren weit geöffnet und starrten direkt in einen grau bewölkten schwülen Morgenhimmel. Der plötzliche Lichteinfall, so trübe es für ein bereits länger waches Augenpaar war, blendete. Ich wollte instinktiv dem entgegenzwinkern, jedoch gehorchten mir meine Augenlider aus unerklärlichem Grund nicht, sich zu bewegen. Meine Augen brannten und ein stechender, kaum auszuhaltender Schmerz breitete sich in meinen Augäpfeln aus, der weiter floss zu meinem Gehirn und meinen Ohren, was beinahe meine Hörsinne taub werden ließ. Meine Ohren begannen in einem hohen, sich steigernden Ton zu fiepen. Der Ton wurde heller und lauter mit jeder vorbeiziehenden Sekunde, als wenn er meine Trommelfelle entzwei reißen wollte und nur darauf wartete, dass meine Adern platzen würden und das Blut mit seinem hämmernden Trommelfluss hinausströmen würde. Der Schmerz breitete sich dann oberhalb meiner Nase aus und baute gleichzeitig mehr Druck dort auf. Als ich erwartete, dass meine Adern platzen würden, so dass Blut unkontrolliert aus meinen Augen, Ohren und den Nasenlöchern fließen würde, ließ der zermürbende Schmerz langsam nach. Ich fühlte mich benebelt, als sei mein Kopf von einem dicken Vorhang aus Wattebällen umhüllt. Es war mühsam, den ohrenbetäubenden Ton zusammen mit dem Schmerz aus meinen Ohren zu verbannen.

      Ich erinnerte kein kleinstes bisschen der letzten Stunden oder gar Tage. Es war mir verborgen, welcher Tag es war und was zuletzt geschah. Unendlich ratlos fühlte ich mich, fragte mich,  wie lange ich wohl bewusstlos gewesen sein mag und nicht sicher zu wissen, wo ich mich überhaupt befand.

      Als ich versuchte, mich auf die Umgebung in meiner nächsten Nähe zu konzentrieren, bemerkte ich eine harte feste Oberfläche, auf der ich lag, höchstwahrscheinlich Holz. Dann spürte ich wie mein Körper grob bewegt wurde und auf eine weitere Oberfläche der gleichen Struktur rechts und links stieß. Es schien so, als würde ich in eine Holzkiste gelegt, was mich gar stärker verwirrte, wie ich dort hin gelangt sein konnte.

      Aus der Ferne vernahm ich ein Fließen, wie von einem Fluss, der sanft entlang eines Mauerwerks strömte und sich seinen Weg unter einer Steinbrücke hindurch suchte, das seine Wasserechos seicht dämpfte. Ich war also nicht weit von fließendem Gewässer. Wie meine Augen weiterhin unbeherrscht direkt aufwärts in den Himmel starrten, erkannte ich zwei schattenartige Figuren zu meinen Seiten, die mit rotglühenden Augen auf mich herab zu schauen schienen. Es handelte sich um zwei mir unbekannte Gestalten.

      „Bist du sicher, dass die tot ist?" frug der eine den anderen unsicher und warf ihm einen Blick zu.

      „Siehst du das denn nicht? Klar ist die tot," antwortete der andere und piekste mir mit seinem Finger grob in meinen Bauch.

      Ich konnte mich nicht bewegen. Tief im Inneren erschrak ich. Ich konnte alles sehen und fühlen, was um mich herum passierte, jedoch war ich absolut nicht in der Lage, mich zu bewegen oder gar nur meinen Mund zu öffnen, um zumindest ein Flüstern über meine Lippen zu bringen. Komplett hilflos war ich mir selbst überlassen in einer Holzkiste und war überhaupt nicht in der Lage, mich selbst aus der prekären Lage zu befreien.

      „So ist der nächste hinüber... Wieviele Leichen müssen wir denn noch aus den Gemächern des Abts hinaus tragen?" vermeinte der auf der linken Seite sich erkundigen zu können. Zumindest hat mir seine Frage eine Vermutung gegeben, wo ich war. Sie versicherte mir, ich war noch immer in Trevere, obschon ich scheinbar in der Stadtmitte war, wo der Fluss zu dem Zeitpunkt die Stadt in zwei gleiche Teile teilte.

      „Ich hab keine Ahnung. Ich weiß auch nicht, was da passiert ist, wissen will ich es auch nicht. Das geht mich nichts an, ich mach’ nur was mir aufgetragen wurde!" prahlte der andere großspurig.

      Während sie auf mich herab starrten, sah ich, wie sie eine Abdeckung für meinen Sarg darauf schoben. Dunkel wart es erneut und ich hörte, wie sie die Nägel mit einem Hammerschlaggewitter hinein schlugen. Mein Brustkorb begann plötzlich zu brennen als hätte ich eine Schusswunde gehabt. Langsam kehrten die letzten Geschehnisse in meine dumpfen Gedanken zurück. Der Schütze hatte offensichtlich eine Kugel mit Gift getränkt, es war eigentlich nicht möglich für eine Kreatur wie mich, einen solch beharrlichen, starken Schmerz zu verspüren. Ich hatte keine andere Wahl, als zu warten, dass die Männer mich in meinem Sarg unbeachtet zurückließen und darauf warten, nur etwas Herrschaft über meinen eigenen Körper, der mehr wie eine puppenartige Hülle schien, wieder zu erlangen. Jedoch konnte ich zumindest durch Geräusche und Bewegungen erfassen, was um mich herum geschah – und mit mir.

      Ich spürte wie ich in einen Karren gehoben wurde. Dann folgte ein Schub und ich vernahm die klappernden Hufe von Pferden auf einem Kopfsteinpflaster. Keine anderen Menschen konnte ich in der Nähe spüren oder riechen, abgesehen von diesen zwei Kerlen, die den Karren mit seiner Ladung führten, die meine ängstliche und vollkommen wehrlose Wenigkeit beinhaltete. Die Fahrt mit dem Karren erschien lang und niemals endend, es ging einige Male hoch und runter, rechts und links, die Pferde waren auch nicht gerade die schnellsten. In meinem Sarg wurde ich des Öfteren von einer Seite zur anderen gerollt. Einmal stieß mein Kopf gar hart am Kopfende an, bevor meine Füße voller Wucht an das Fußende schnellten. Wieder wurde ich zur rechten Seite geschleudert. Ich frug mich langsam, ob diese Kerle noch eine Lehrstunde bräuchten, wie man einen Karren fährt. Andererseits wussten sie nicht um den Inhalt ihrer Ladung. Noch nie zuvor hatte ich eine solch turbulente Reise in einem Sarg angetreten. Natürlich bin ich bereits mehrmals in meinem Sarg gereist, es war jedoch in der Regel zumindest mein eigener, der behaglich mit Kissen und einer dicken Decke gepolstert war.

      Schlagartig kamen wir endlich zum Stillstand. Ich dachte bereits beinahe, ich würde ans andere Ende des Landes transportiert. Wenn ich kein Vampyr gewesen wäre, bin ich mir sicher, dass ich nach dieser irritierenden und desorientierenden Reise in einer abgedunkelten Holzkiste, ohne das Ziel nur zu erahnen, hätte brechen müssen. Sie zogen meinen Sarg vom Karren und beförderten mich auf den Boden. Im Anschluss wurde ich weiter weg getragen. Ich konnte den Geruch der raschelnden Grashalme unter den verdrießlichen Schritten vernehmen, was diese eher weich und mysteriös zugleich erschallen ließ. Andernfalls war es komplett still. Nicht ein einziger Vogel wagte es, seinen morgendlichen Kanon anzustimmen oder seine Flügel auszubreiten, um vor meinen traglastigen Gefährten zu fliehen, noch nahm ich eine andere einsame lebendige Seele wahr.

      Kurz blieben sie wieder mit mir stehen, um mich dann hinab zu senken, in eine frisch gegrabene Grube, wie es schien. Ich roch den frischen und erdigen Humus um mich herum und letztlich auch auf mir, wie sie begannen, meinen billigen Sarg zu bedecken. Für einen Augenblick rasten Erinnerungen aus meinem Leben durch meinen Kopf, erfreuliche und weniger vergnügliche gleichermassen. Aber auch wenn meine Lage noch so aussichtslos erschien, entschied ich mich, diese plötzliche Flut der Erinnerungen zu stoppen und auszuharren.

      Grossartig. Wieder einmal wurde ich in ein Grab gelegt, da die Menschen davon ausgingen ich sei tot. Das war nicht das erste Mal, dass dies passierte, allerdings diente es zumindest erst einmal als glaubwürdige Verschleierung. Ich wartete bis die kleinen dreckigen Helfer, die mich im Auftrag eines Wahnsinnigen dort liessen, wo ich die Radiesschen von unten betrachten konnte, verschwanden und zu ihrem Karren zurück kehrten.

      Wie ich dort in meinem Sarg lag, spürte ich langsam ein zaghaftes Kribbeln in meinen Fingerspitzen. Das Gift, oder

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