Den Teufel im Blut: Gaslicht 44
By Mia Arrow
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»Während des Verhörs vor dem Tribunal gibt Babette Witch den Richtern gegenüber zu, daß der Teufel in sie gefahren ist. Sie gesteht, daß er sie zu absolut schaurigen Verbrechen angestiftet hat, die keines Menschen Mund auszusprechen wagt. Die Richter gehen davon aus, daß der Teufel noch in Babette Witch steckt und daß er durch ihren Mund spricht.« »Was für ein Unfug. Wie kommen die Leute nur auf so etwas?« »Anscheinend war während des Prozesses in der Luft ein seltsam säuerlicher Geruch, der auf den Teufel schließen läßt.« »Und dann? Wie geht es weiter?« »Die Richter beabsichtigen, den Teufel in dem Augenblick zu fangen, in dem er aus Babette Witchs Körper fährt. Das passiert bei einer rituellen Tötung.« »Foltern die Männer die arme Frau?« »Eine rituelle Tötung ist keine normale Folter. Sie geht so vor sich, daß man die Hexe fesselt und daß ihr das Blut aus dem Körper gezogen wird…«
Die Anzeige in der Tageszeitung elektrisierte Rosemary. Ein solches Angebot, sagte sie sich, wird nicht alle Tage gemacht.
Sie stellte die Kaffeetasse ab und las den Text zum zweiten Mal: »Schriftsteller sucht junge und unabhängige Frau für Sekretariatsarbeiten. Perfekte Beherrschung der englischen Sprache in Wort und Schrift Voraussetzung. Gute Bezahlung. Persönliche Vorstellung erwünscht in Blake Street 13, London Greenwich.«
Rosemary sprang von ihrem Stuhl auf. Die Anzeige war wie für sie gemacht.
Sie war sechsundzwanzig und absolut unabhängig. Niemand fragte nach ihr. Ihre Eltern lebten schon seit einigen Jahren nicht mehr. Brüder, Schwestern oder andere Familienangehörige gab es nicht. Von ihrem langjährigen Freund hatte
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Book preview
Den Teufel im Blut - Mia Arrow
Gaslicht
– 44 –
Den Teufel im Blut
Du bist dagegen machtlos, Rosemarie!
Mia Arrow
»Während des Verhörs vor dem Tribunal gibt Babette Witch den Richtern gegenüber zu, daß der Teufel in sie gefahren ist. Sie gesteht, daß er sie zu absolut schaurigen Verbrechen angestiftet hat, die keines Menschen Mund auszusprechen wagt. Die Richter gehen davon aus, daß der Teufel noch in Babette Witch steckt und daß er durch ihren Mund spricht.« »Was für ein Unfug. Wie kommen die Leute nur auf so etwas?« »Anscheinend war während des Prozesses in der Luft ein seltsam säuerlicher Geruch, der auf den Teufel schließen läßt.« »Und dann? Wie geht es weiter?« »Die Richter beabsichtigen, den Teufel in dem Augenblick zu fangen, in dem er aus Babette Witchs Körper fährt. Das passiert bei einer rituellen Tötung.« »Foltern die Männer die arme Frau?« »Eine rituelle Tötung ist keine normale Folter. Sie geht so vor sich, daß man die Hexe fesselt und daß ihr das Blut aus dem Körper gezogen wird…«
Die Anzeige in der Tageszeitung elektrisierte Rosemary. Ein solches Angebot, sagte sie sich, wird nicht alle Tage gemacht.
Sie stellte die Kaffeetasse ab und las den Text zum zweiten Mal: »Schriftsteller sucht junge und unabhängige Frau für Sekretariatsarbeiten. Perfekte Beherrschung der englischen Sprache in Wort und Schrift Voraussetzung. Gute Bezahlung. Persönliche Vorstellung erwünscht in Blake Street 13, London Greenwich.«
Rosemary sprang von ihrem Stuhl auf. Die Anzeige war wie für sie gemacht.
Sie war sechsundzwanzig und absolut unabhängig. Niemand fragte nach ihr. Ihre Eltern lebten schon seit einigen Jahren nicht mehr. Brüder, Schwestern oder andere Familienangehörige gab es nicht. Von ihrem langjährigen Freund hatte Rosemary sich ein paar Wochen vorher getrennt.
Ihr Englisch ließ, wie in der Anzeige gefordert, nichts zu wünschen übrig. Maschineschreiben konnte sie perfekt. Für einen Schriftsteller zu arbeiten stellte sie sich ungeheuer anregend vor. Der Job sollte auch noch gut bezahlt werden. Geld konnte sie immer brauchen.
Rosemary kam plötzlich der Gedanke, daß ihr eine andere die Stelle vor der Nase wegschnappen könnte. Sie beschloß, keine Minute zu verlieren und sofort zu der angegebenen Adresse zu fahren. Eine Telefonnummer war nicht angegeben. Anscheinend wurde nicht erwartet, daß sie sich anmeldete.
Als Rosemary schon an der Haustür war, kehrte sie noch einmal um. Sie trug Jeans und ein blusiges türkisfarbenes T-Shirt. Falls es sich bei dem Schriftsteller um einen älteren Herrn handeln sollte, war das nicht das Richtige. Englische Männer fortgeschrittenen Alters bevorzugten konservative Kleidung. Besonders bei ihren weiblichen Angestellten.
Rosemary lief ins Schlafzimmer. Nach Durchsicht ihres Kleiderschrankes entschied sie sich für einen klassischen grün-blau-weiß-karierten Schottenrock und eine weiße Bluse. Dazu dunkelblaue Slipper.
Sollte sie sich schminken? Besser nicht. Nachdem sie noch ein paarmal mit einer Bürste über ihr dunkelblondes glänzendes Haar gefahren war, das bis zu den Schultern reichte, machte sie sich auf den Weg.
Ein Auto zu besitzen war für Rosemary bisher ein Traum geblieben. Sie benutzte die öffentlichen Verkehrsmittel. Ihr Apartment lag im Süden von London. Greenwich befand sich im Osten der Stadt.
An der Bus-Haltestelle machte sich Rosemary Gedanken darüber, was sie vorbringen könnte, um den Schriftsteller für sich einzunehmen. Auf jeden Fall sollte sie erwähnen, daß sie leidlich Französisch und Italienisch sprach und sich außerdem für Literatur interessierte. Der Bus kam. Nach drei Stationen stieg Rosemary in einen anderen um und dann wieder in einen anderen. Nicht weit von der berühmten Sternwarte von Greenwich entfernt stieg sie aus. Neben ihr floß die Themse. Eine ältere Dame wies ihr den Weg zur Blake Street.
Die Straße war schmal. Sie lag abseits der großen, belebten Boulevards mit ihren luxuriösen Geschäften, kleinen Boutiquen und Restaurants.
Über das unebene Kopfsteinpflaster ratterte ein uralter Lieferwagen. Durch die Ritzen der Steine spross Gras. Neben dem Fußweg wucherten Büsche. Zu beiden Seiten der Blake Street wuchsen knorrige uralte Eichen. Hinter Vorgärten lagen solide Bürgerhäuser. Vereinzelt auch prächtige Villen.
Die Nummer 13 war ein ehemals stattliches, jetzt aber recht verkommenes Haus aus der Jahrhundertwende mit Nischen und Erkern. Ein verrostetes schmiedeeisernes Gitter grenzte einen Vorgarten ab, in dem es eine Kastanie und mehrere verstümmelte Marmor-Statuen voller Taubendreck gab. Obwohl es noch heller Tag war, waren die hohen und schmalen Fenster durch Vorhänge verdunkelt.
Rosemary konnte sich nicht vorstellen, daß in dem Haus jemand wohnte. Sie gewann den Eindruck, als sei es vor vielen Jahren aufgegeben und danach sich selbst überlassen geblieben.
Der Briefkasten neben dem rechten Torpfeiler war verrostet. Es gab weder ein Namensschild noch eine Klingel. Während sie noch überlegte, was sie machen sollte, bemerkte Rosemary, daß sich ein Vorhang vor einem der Fenster im Erdgeschoß bewegte. Sie konnte aber niemanden sehen.
In der Hoffnung, daß gleich jemand kam, blieb Rosemary vor dem Gartentor stehen. Nach fünf Minuten verlor sie die Geduld. Sie trat in den Garten und ging auf das Haus zu.
Neben der Haustür wuchsen Farne und Schlingpflanzen. An den Wänden mit dem abblätternden Verputz hatte sich Moos gebildet. Es roch nach verrotteten Friedhofs-Pflanzen.
Auch hier gab es keine Klingel. Dafür aber einen Türklopfer aus dunkel angelaufenem Messing. Er war so stark abgegriffen, daß Rosemary nicht erkennen konnte, was er darstellte. Wegen der Hörner, die ihm aus dem Kopf wuchsen, vermutete sie einen Widder.
Sie nahm ihn in die Hand. Das Metall war kalt. Es fühlte sich unangenehm an. Rosemary zögerte noch einen Augenblick, dann ließ sie ihn gegen die Tür fallen. Es gab ein dumpfdröhnendes, unangenehmes Geräusch.
*
Keine zwei Sekunden später wurde die Tür von innen geöffnet. Rosemary war erstaunt, einen jungen Mann vor sich zu sehen. Er war groß und sehr schlank. Zu hellgrauen Flanellhosen trug er einen weißen Sportpullover mit V-Ausschnitt.
Er strahlte Lebensfreude und Optimismus aus. Noch bevor er ein Wort gesagt hatte, war Rosemary von ihm eingenommen. Sie ärgerte sich, daß sie sich umgezogen hatte. Mit ihrer braven Schulmädchen-Kleidung lag sie völlig falsch.
Er lächelte gewinnend. »Guten Tag«, grüßte er. Seine Stimme klang ausgesprochen angenehm.
»Ich komme wegen der Anzeige in der Zeitung. Sind Sie der Schriftsteller, der eine Sekretärin sucht?«
»Nein, das bin ich nicht.«
»Oh, wie schade«, entschlüpfte es Rosemary ungewollt.
»Der Schriftsteller ist mein Vater. Er ist im Moment leider nicht da.« Der junge Mann reichte Rosemary die Hand. »Peter Connor«, stellte er sich vor.
»Rosemary Hiller.«
Er drückte ihre Hand mit herzlichem, festem Griff. »Kommen Sie doch bitte ’rein. Ich erzähle Ihnen dann schon einmal, um was es geht.«
Rosemary sah, daß er sehr schöne braune Augen hatte. Sein Blick war offen, klug und aufmerksam. Er bewegte sich mit einer gewissen Geschmeidigkeit. Das feingeschnittene Gesicht war von lebhaftem Ausdruck.
Er hatte ein rasches Lächeln, hell und freundlich. Über der Stirn ging ihm das dunkelbraune Haar aus, was ihn aber nicht älter, sondern nur noch interessanter erscheinen ließ. Rosemary schätzte ihn auf Mitte Dreißig.
»Gucken Sie sich am besten nicht um«, sagte er, während er hinter ihr die Tür schloß. »Mein Vater lebt nur für seine schriftstellerische Arbeit. Er kennt nichts anderes. Ich bin