Discover millions of ebooks, audiobooks, and so much more with a free trial

Only $11.99/month after trial. Cancel anytime.

Der Kirchenaustritt: Rechtliches Problem und pastorale Herausforderung
Der Kirchenaustritt: Rechtliches Problem und pastorale Herausforderung
Der Kirchenaustritt: Rechtliches Problem und pastorale Herausforderung
Ebook362 pages3 hours

Der Kirchenaustritt: Rechtliches Problem und pastorale Herausforderung

Rating: 0 out of 5 stars

()

Read preview

About this ebook

Kann man nach staatlichem Recht aus der kath. Kirche "austreten" und trotzdem weiter zur Glaubensgemeinschaft gehören? Die neu entfachte Debatte führen Experten aus Theologie und Rechtswissenschaft fort. Sie erörtern religionssoziologische, dogmatische, pastorale und kirchenrechtliche Aspekte, fragen nach der Situation in Österreich, der Schweiz sowie in den Evangelischen Landeskirchen und entwerfen so ein facettenreiches Bild des Kirchenaustritts.
LanguageDeutsch
PublisherVerlag Herder
Release dateDec 5, 2013
ISBN9783451800337
Der Kirchenaustritt: Rechtliches Problem und pastorale Herausforderung
Author

Rainer Bucher

ist Universitätsprofessor und Vorstand des Institus für Pastoraltheologie und Pastoralpsychologie der Universität Graz.

Read more from Rainer Bucher

Related to Der Kirchenaustritt

Related ebooks

Christianity For You

View More

Related articles

Reviews for Der Kirchenaustritt

Rating: 0 out of 5 stars
0 ratings

0 ratings0 reviews

What did you think?

Tap to rate

Review must be at least 10 words

    Book preview

    Der Kirchenaustritt - Rainer Bucher

    Der Kirchenaustritt

    Rechtliches Problem und pastorale Herausforderung

    Herausgegeben von Georg Bier

    Impressum

    © Verlag Herder GmbH, Freiburg im Breisgau 2013

    Alle Rechte vorbehalten

    www.herder.de

    Umschlaggestaltung: Verlag Herder

    ISBN (E-Book) 978-3-451-80033-7

    ISBN (Buch) 978-3-451-30903-8

    Inhalt

    Vorwort

    Georg Bier

    Dokumentation

    Rundschreiben des Päpstlichen Rates für die Gesetzestexte an die Vorsitzenden der Bischofskonferenzen vom 13. März 2006

    Erklärung der Deutschen Bischofskonferenz zum Austritt aus der Katholischen Kirche vom 24. April 2006

    Allgemeines Dekret der Deutschen Bischofskonferenz zum Kirchenaustritt

    Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 26. September 2012

    Diskussionsbeiträge

    Die geschichtliche Entwicklung des Kirchenaustritts

    René Löffler

    Gehen oder bleiben? Kirchenaustritt als Prozess

    Michael N. Ebertz / Monika Eberhardt / Anna Lang

    „Automatisch nicht mehr katholisch"?

    Theologisch-systematische Erwägungen zur Frage des Kirchenaustritts

    Elke Pahud de Mortanges

    „Kirchenaustritt": Worüber das Bundesverwaltungsgericht im Fall Zapp entschieden hat

    (und worüber nicht)

    Martin Löhnig / Mareike Preisner

    Kein bloßer „Körperschaftsaustritt"

    Das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 26. 9. 2012 aus juristischer Sicht

    Stefan Muckel

    Das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 26. 09. 2012 aus der Sicht des Erzbistums Freiburg

    Michael Himmelsbach

    Die Gemeinschaft mit der Kirche allzeit wahren. Zum Gesetz der Deutschen Bischofskonferenz über die Folgen des Kirchenaustritts vor der staatlichen Behörde

    Stephan Haering OSB

    Wer nicht zahlt, der glaubt auch nicht?

    Georg Bier

    Dienst oder Bärendienst?

    Norbert Lüdecke

    Die Bewertung des „Kirchenaustritts im Bistum Chur und der Umgang mit „Austretenden.

    Der Primat der Ekklesiologie und der Pastoral

    Martin Grichting

    Zugehörigkeit zur Katholischen Kirche.

    Kanonistisches zu den Pastoralen Initiativen der Österreichischen Bischofskonferenz in Zusammenhang mit dem Kirchenaustritt

    Gerald Gruber

    Der Kirchenaustritt im evangelischen Kirchenrecht

    Jörg Winter

    Die notwendige Umkehr.

    Die pastoraltheologische Herausforderung der Ausgetretenen

    Rainer Bucher

    Kirchenaustritt – eine pastoraltheologische Perspektive

    Stephanie Klein

    Kirchenaustritt – ein Bündel von Problemen und keine Lösung

    Andreas Wollbold

    Autorenverzeichnis

    Vorwort

    Der Kirchenaustritt gerät aus unterschiedlichen Gründen, aber mit großer Regelmäßigkeit ins Blickfeld der kirchlichen und gesellschaftlichen Öffentlichkeit und bewegt die Gemüter. Diskutiert wird der Bedeutungsverlust der großen Volkskirchen, der aus den seit Jahren hohen Austrittszahlen abgeleitet wird; gefragt wird nach den Gründen für diese Entwicklung und nach möglichen Gegenmaßnahmen. Es wird darüber gestritten, ob es sachgerecht ist, wenn Mitarbeiter im kirchlichen Dienst ihren Arbeitsplatz verlieren, „nur" weil sie aus der Kirche ausgetreten sind. Kirchenkritische Kreise werben offen für den Kirchenaustritt; auch kirchliche Gruppierungen propagieren ihn neuerdings als Instrument zur Durchsetzung eigener Interessen.

    Einen besonderen Schub bekam die Debatte um den Kirchenaustritt im Juli 2007. Damals erklärte der emeritierte Kirchenrechtsprofessor Hartmut Zapp auf dem Standesamt seines Wohnortes den „Kirchenaustritt. Anschließend teilte er in einem Schreiben an den zuständigen Diözesanbischof und in Interviews mit, er habe nicht die Absicht gehabt, die Glaubensgemeinschaft der katholischen Kirche zu verlassen und betrachte sich weiter als zur Kirche gehörig. Ein „Austritt, der keiner ist – ein unlösbarer Widerspruch?

    Nach staatlicher Rechtsordnung hat die Kirche den Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts. Zapp vertrat den Standpunkt, wer aus dieser Körperschaft „austrete, wende sich nicht notwendig von der Kirche als Glaubensgemeinschaft ab. Von bischöflicher Seite wurde diese Auffassung bestritten. Zapp berief sich für seine Position auf ein Rundschreiben aus dem Vatikan; die deutschen Bischöfe verwiesen auf ihre langjährige Rechtstradition. Die Erzdiözese Freiburg, Zapps Heimatbistum, ließ vor staatlichen Gerichten die Gültigkeit von Zapps Austrittserklärung überprüfen. Das Verfahren durchlief drei Instanzen. Die mediale Aufmerksamkeit und die Intensität der öffentlichen Diskussion steigerten sich von Urteil zu Urteil und erreichten ihren vorläufigen Höhepunkt, als im September 2012 nahezu zeitgleich mit dem drittinstanzlichen Urteil des Bundesverwaltungsgerichts ein Allgemeines Dekret der Deutschen Bischofskonferenz (DBK) in Kraft trat, das für den „Kirchenaustritt gravierende innerkirchliche Rechtsfolgen vorsieht.

    Im Kern geht es bei dieser Auseinandersetzung um zwei Fragen: In welchem rechtlichen Verhältnis stehen Körperschaft und Glaubensgemeinschaft zueinander? Und wie wirkt sich der Austritt aus der Körperschaft nach kirchlichem Verständnis auf die Zugehörigkeit zur Glaubensgemeinschaft aus?

    Die Beiträge des vorliegenden Bandes informieren über die Hintergründe der Fragestellung, entfalten die in der Debatte vertretenen Positionen und bieten Orientierungs- und Argumentationshilfen. Es kommen Vertreterinnen und Vertreter unterschiedlicher und bisweilen gegensätzlicher Standpunkte zu Wort, damit sich Leserinnen und Leser ein fundiertes eigenes Urteil zu der komplexen Problematik bilden können. Auch ein Repräsentant der DBK wurde eingeladen, einen Beitrag zu diesem Band zu verfassen; er sagte jedoch aus Zeitgründen ab.

    Im ersten Teil des Bandes sind die Texte dokumentiert, die für die Diskussion von grundlegender Bedeutung sind und auf die in den meisten Beiträgen Bezug genommen wird: Das Rundschreiben des Päpstlichen Rates für die Gesetzestexte vom März 2006, die Erklärung des Ständigen Rates der DBK vom April desselben Jahres, das am 24. September 2012 in Kraft getretene Allgemeinen Dekret der DBK und das zwei Tage später ergangene Urteil des Bundesverwaltungsgerichts im Fall Zapp. Das Pastorale Schreiben, das dem Allgemeinen Dekret als Anlage beigefügt ist, wurde nach Redaktionsschluss dieses Bandes vom Ständigen Rat der DBK in einer überarbeiteten Fassung vorgelegt. Sie konnte für die vorliegende Publikation nicht mehr berücksichtigt werden, ist aber über die Amtsblätter deutscher (Erz-)Diözesen sowie online (z.B. http://www.ordinariatfreiburg.de/fileadmin/gemeinsam/amtsblatt/abl13_15.pdf) zugänglich.

    In den Diskussionsbeiträgen geht es zunächst um zentrale Grundfragen. René Löffler skizziert die historische Entwicklung des Kirchenaustritts, Michael N. Ebertz, Monika Eberhardt und Anna Lang analysieren aus religionssoziologischer Perspektive „Austritts-Motive, Elke Pahud de Mortanges formuliert theologisch-systematische Erwägungen zum „Kirchenaustritt. Eine zweite Gruppe von Beiträgen befasst sich mit dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts. Die Jurist(inn)en Martin Löhnig, Mareike Preisner und Stefan Muckel kommentieren es aus wissenschaftlicher Perspektive, Michael Himmelsbach nimmt aus Sicht der Erzdiözese Freiburg Stellung. Er befasst sich außerdem mit dem Allgemeinen Dekret der DBK, das im Mittelpunkt der Beiträge von Stephan Haering, Georg Bier und Norbert Lüdecke steht. Aufschlussreich ist der Blick über den deutschen bzw. katholischen Tellerrand. Das von Martin Grichting vorgestellte „Churer Modell bietet eine interessante Alternative zum DBK-Dekret. Gerald Gruber informiert über die Situation in Österreich, Jörg Winter über die Bewertung des „Kirchenaustritts in den evangelischen Landeskirchen. Unabhängig von der rechtlichen Bewertung des „Kirchenaustritts stellt sich die Frage nach dem angemessenen Umgang mit „Ausgetretenen; Antwortvorschläge unterbreiten die Pastoraltheolog(inn)en Stephanie Klein, Rainer Bucher und Andreas Wollbold.

    Zum Gelingen des Bandes haben viele beigetragen. Ein herzlicher Dank gilt vor allem den Autorinnen und Autoren, die trotz der knapp kalkulierten zeitlichen Vorgaben zur Mitarbeit bereit waren und ihre Beiträge fristgerecht eingereicht haben. Dank gebührt auch Stephan Weber vom Herder Verlag, der die Publikation angeregt und mit großer Umsicht betreut hat. Zu danken ist schließlich den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern am Arbeitsbereich Kirchenrecht und Kirchliche Rechtsgeschichte in Freiburg für die gewohnt zuverlässige Unterstützung.

    Freiburg im Breisgau, Mai 2013

    Georg Bier

    Dokumentation

    Rundschreiben des Päpstlichen Rates für die Gesetzestexte an die Vorsitzenden der Bischofskonferenzen

    Vatikanstadt, 13. März 2006

    Prot. N. 10279/2006

    Eminenz,

    schon seit längerer Zeit haben Bischöfe, Offiziale und andere Fachleute des Kanonischen Rechtes diesem Päpstlichen Rat Zweifel und Anfragen zur Klärung hinsichtlich des sogenannten actus formalis defectionis ab Ecclesia catholica vorgelegt, auf den in den Canones 1086 § 1, 1117 und 1124 des Codex des Kanonischen Rechtes Bezug genommen wird. In der Tat handelt es sich um einen in der kanonischen Gesetzgebung neuen Begriff, der sich unterscheidet von den anderen, eher „virtuellen Modalitäten (die auf dem Verhalten basieren) des „offenkundigen oder einfach „öffentlichen" Glaubensabfalls (vgl. c. 171 § 1, 4°; 194 § 1, 2°; 316 § 1; 694 § 1, 1°; 1071 § 1, 4° und § 2), Umstände, in denen die in der katholischen Kirche Getauften oder in sie Aufgenommenen durch rein kirchliche Gesetze verpflichtet sind (vgl. c. 11).

    Das Problem wurde von den zuständigen Dikasterien des Heiligen Stuhls sorgfältig untersucht, um vor allem die theologisch-lehrhaften Inhalte dieses actus formalis defectionis ab Ecclesia catholica genau zu fassen, und danach die Erfordernisse oder juridischen Formalitäten zu präzisieren, die notwendig sind, damit dieser sich als ein wirklicher „formaler Akt" des Abfalls darstellt.

    Nachdem hinsichtlich des ersten Aspekts die Entscheidung der Kongregation für die Glaubenslehre vorlag und die gesamte Frage in der Vollversammlung untersucht wurde, teilt dieser Päpstliche Rat den Präsidenten der Bischofskonferenzen Folgendes mit:

    1. Der Abfall von der katholischen Kirche muss, damit er sich gültig als wirklicher actus formalis defectionis ab Ecclesia darstellen kann, auch hinsichtlich der in den zitierten Canones vorgesehenen Ausnahmen, konkretisiert werden in:

    a) einer inneren Entscheidung, die katholische Kirche zu verlassen;

    b) der Ausführung und äußeren Bekundung dieser Entscheidung;

    c) der Annahme dieser Entscheidung von seiten der kirchlichen Autorität.

    2. Der Inhalt des Willensaktes muss bestehen im Zerbrechen jener Bande der Gemeinschaft – Glaube, Sakramente, pastorale Leitung –, die es den Gläubigen ermöglichen, in der Kirche das Leben der Gnade zu empfangen. Das bedeutet, dass ein derartiger formaler Akt des Abfalls nicht nur rechtlich-administrativen Charakter hat (das Verlassen der Kirche im meldeamtlichen Sinn mit den entsprechenden zivilrechtlichen Konsequenzen), sondern dass er sich als wirkliche Trennung von den konstitutiven Elementen des Lebens der Kirche darstellt: Er setzt also einen Akt der Apostasie, Häresie oder des Schisma voraus.

    3. Der rechtlich-administrative Akt des Abfalls von der Kirche kann aus sich nicht einen formalen Akt des Glaubensabfalls in dem vom CIC verstandenen Sinn konstituieren, weil der Wille zum Verbleiben in der Glaubensgemeinschaft bestehen bleiben könnte.

    Andererseits konstituieren formelle oder (noch weniger) materielle Häresie, Schisma und Apostasie nicht schon von selbst einen formalen Akt des Abfalls, wenn sie sich nicht im äußeren Bereich konkretisieren und wenn sie nicht der kirchlichen Autorität gegenüber in der gebotenen Weise bekundet werden.

    4. Es muss sich demnach um einen rechtlich gültigen Akt handeln, der von einer kanonisch rechtsfähigen Person gesetzt wird, in Übereinstimmung mit der kanonischen Norm, die ihn regelt (vgl. cc. 124–126). Dieser Akt muss persönlich, bewusst und frei getätigt werden.

    5. Es wird überdies verlangt, dass der Akt von dem Betroffenen schriftlich vor der zuständigen kirchlich katholischen Autorität bekundet wird: vor dem Ordinarius oder dem eigenen Pfarrer, dem allein das Urteil darüber zusteht, ob wirklich ein Willensakt des in Nr. 2 beschriebenen Inhalts vorliegt oder nicht.

    Daher wird der actus formalis defectionis ab Ecclesia catholica mit den entsprechenden kirchenrechtlichen Sanktionen (vgl. c. 1364 § 1) nur vom Vorhandensein der beiden Elemente konstituiert, nämlich vom theologischen Profil des inneren Aktes und von seiner Bekundung in der festgelegten Weise.

    6. In diesen Fällen sorgt dieselbe kirchliche Autorität dafür, dass der Eintrag im Taufbuch (vgl. c. 535 § 2) erfolgt mit dem ausdrücklichen Vermerk „defectio ab Ecclesia catholica actu formali".

    7. In jedem Fall bleibt klar, dass das sakramentale Band der Zugehörigkeit zum Leib Christi, der die Kirche ist, aufgrund des Taufcharakters ein ontologisches Band ist, das fortdauert und wegen des Aktes oder der Tatsache des Abfalls nicht erlischt.

    In der Gewissheit, dass der dortige Episkopat in Anbetracht der Heilsdimension der kirchlichen Gemeinschaft die pastorale Motivation dieser Normen gut verstehen wird, verbleibe ich mit in herzliche Verbundenheit

    im Herrn Ihr

    Julián Kard. Herranz

    Präsident

    + Bruno Bertagna

    Sekretär

    Die vorliegende Mitteilung wurde approbiert von Papst Benedikt XVI, der die amtliche Bekanntmachung an alle Präsidenten der Bischofskonferenzen angeordnet hat.

    [Amtlich publiziert in: Communicationes 38 (2006) 175–177]

    Erklärung des Ständigen Rates der Deutschen Bischofskonferenz

    Der Ständige Rat der Deutschen Bischofskonferenz hat am 24 April 2006 die nachstehende Erklärung beschlossen. Sie nimmt Bezug auf ein Rundschreiben des Päpstlichen Rats für die Gesetzestexte, in dem unter eherechtlichem Aspekt die Modalitäten und die Konsequenzen des in einem förmlichen Akt vollzogenen Abfalls von der katholischen Kirche dargelegt werden. Die Erklärung der deutschen Bischöfe wendet diese weltkirchlichen Bestimmungen unter Berücksichtigung der deutschen Rechtstradition auf die deutschen Diözesen an. Sie schafft kein neues Recht, sondern hält an der geltenden Rechtslage fest und bestätigt die bewährte Praxis.

    Erklärung der Deutschen Bischofskonferenz zum Austritt aus der katholischen Kirche

    Mit einem Rundschreiben vom 13. März 2006 hat der Päpstliche Rat für die Gesetzestexte (auf Anordnung von Papst Benedikt XVI.) den Vorsitzenden der Bischofskonferenzen eine Erläuterung zu dem im kirchlichen Eherecht (cc. 1086 §1, 1117, 1124 CIC) verwendeten Begriff actus formalis defectionis ab Ecclesia catholica mitgeteilt. Diese Klarstellung berührt nicht die in der deutschen Rechtstradition stehende staatliche Regelung für den „Kirchenaustritt". Zur Vermeidung von Missverständnissen stellt die Deutsche Bischofskonferenz deshalb – im Einklang mit der ständigen Auffassung der deutschen Bischöfe¹ – Folgendes fest:

    1. Durch die Erklärung des Austritts aus der katholischen Kirche vor der staatlichen Behörde² wird mit öffentlicher Wirkung die Trennung von der Kirche vollzogen. Der Kirchenaustritt ist der öffentlich erklärte und amtlich bekundete Abfall von der Kirche und erfüllt den Tatbestand des Schismas im Sinne des c. 751 CIC.

    2. Die Erklärung des Austritts vor der staatlichen Behörde wird durch die Zuleitung an die zuständige kirchliche Autorität auch kirchlich wirksam. Dies wird durch die Eintragung im Taufbuch dokumentiert.

    3. Wer – aus welchen Gründen auch immer³ – den Austritt aus der katholischen Kirche erklärt, zieht sich die Tatstrafe der Exkommunikation⁴ zu, d. h. er verliert die mit der Zugehörigkeit zur kirchlichen Gemeinschaft (Communio) verbundenen Gliedschaftsrechte, insbesondere zum Empfang der Sakramente und zur Mitwirkung in der Kirche. Ebenso treten die im kirchlichen Eherecht vorgesehenen Rechtsfolgen⁵ ein.

    4. Wer den Austritt aus der katholischen Kirche erklärt, kann nicht in einem kirchlichen Dienst- bzw. Arbeitsverhältnis stehen.

    5. Die Exkommunikation ist eine Beugestrafe, die zur Umkehr auffordert. Nach dem Austritt wird sich die Kirche durch den zuständigen Seelsorger um eine Versöhnung mit der betreffenden Person und um eine Wiederherstellung ihrer vollen Gemeinschaft mit der Kirche bemühen.

    Für das Erzbistum Freiburg

    Robert Zollitsch

    Erzbischof

    Anmerkungen

    1Vgl. die Kanzelverkündigung der Konferenz der westdeutschen Bischöfe vom 15. 02. 1937 [ Ludwig Volk (Hg.), Akten der deutschen Bischöfe über die Lage der Kirche 1933–1945, Bd. 4, Mainz 1981, 175]; „Erklärung der Diözesanbischöfe zu Fragen des kirchlichen Finanzwesens" vom 22. 12. 1969 [AfkKR 138 (1969) 557]. Auch in den Diözesen liegen entsprechende Beschlüsse vor, vgl. Diözesansynode Köln 1954, Trier 1959, Bischöflicher Erlass Augsburg 1988.

    2Eine Ausnahme bildet die Freie Hansestadt Bremen, wo der Kirchenaustritt vor der kirchlichen Autorität zu erklären ist.

    3Auch der Austritt wegen der Kirchensteuer stellt als Verweigerung der solidarischen Beitragspflicht für die Erfordernisse der Kirche (cc. 222 § 1; 1262 CIC i. V. m. Partikularnorm Nr. 17 der Deutschen Bischofskonferenz zu c. 1262 CIC vom 22. 9. 1992) eine schwere Verfehlung gegenüber der kirchlichen Communio dar und mindert die Rechtsfolgen nicht.

    4cc. 751, 1318, 1321 § 2, 1364 § 1 CIC.

    5cc. 1086, 1117, 1124 CIC.

    [Publiziert in den Amtsblättern der deutschen (Erz-)Diözesen, hier wiedergegeben nach: Amtsblatt der Erzdiözese Freiburg vom 19. 5. 2006, 349, Nr. 328]

    Allgemeines Dekret der Deutschen Bischofskonferenz zum Kirchenaustritt

    I. Infolge der Säkularisation der Kirchengüter waren die deutschen Staaten zu materiellen Leistungen an die Kirchen verpflichtet. Im 19. Jahrhundert haben sie diese Verpflichtung umgewandelt und die Kirchensteuer eingeführt. Mittels ihrer entrichten nun die Gläubigen selbst Beiträge für die Aufgaben der Kirche. Um dem Grundrecht der Religionsfreiheit Geltung zu verschaffen und zu gewährleisten, dass niemand gegen seinen Willen als Kirchenmitglied geführt wird, wurde die Möglichkeit geschaffen, zivilrechtlich den „Kirchenaustritt" zu erklären.

    Die Erklärung des Kirchenaustritts vor der zuständigen zivilen Behörde stellt als öffentlicher Akt eine willentliche und wissentliche Distanzierung von der Kirche dar und ist eine schwere Verfehlung gegenüber der kirchlichen Gemeinschaft. Wer vor der zuständigen zivilen Behörde aus welchen Gründen auch immer seinen Kirchenaustritt erklärt, verstößt damit gegen die Pflicht, die Gemeinschaft mit der Kirche zu wahren (c. 209 §1 CIC), und gegen die Pflicht, seinen finanziellen Beitrag dazu zu leisten, dass die Kirche ihre Aufgaben erfüllen kann (c. 222 § 1 CIC i. V. m. c. 1263 CIC).

    II. Die Erklärung des Kirchenaustritts erfüllt die Kirche mit Sorge und bewegt sie, der Person, die ihren Austritt erklärt hat, mit pastoraler Hinwendung nachzugehen.

    Die Erklärung des Kirchenaustritts zieht folgende Rechtsfolgen nach sich:

    1. Die aus der Kirche ausgetretene Person

    darf die Sakramente der Buße, Eucharistie, Firmung und Krankensalbung – außer in Todesgefahr – nicht empfangen,

    kann keine kirchlichen Ämter bekleiden und keine Funktionen in der Kirche wahrnehmen,

    kann nicht Taufpate und nicht Firmpate sein,

    kann nicht Mitglied in pfarrlichen und in diözesanen Räten sein,

    verliert das aktive und passive Wahlrecht in der Kirche,

    kann nicht Mitglied in öffentlichen kirchlichen Vereinen sein.

    2. Damit aus der Kirche ausgetretene Personen eine kirchliche Ehe schließen können, muss die Erlaubnis zur Eheschließungsassistenz beim Ortsordinarius eingeholt werden. Diese setzt Versprechen über die Bewahrung des Glaubens und die katholische Kindererziehung voraus.

    3. Falls die aus der Kirche ausgetretene Person nicht vor dem Tod irgendein Zeichen der Reue gezeigt hat, kann das kirchliche Begräbnis verweigert werden.

    4. Falls die Person im kirchlichen Dienst steht, treten die im kirchlichen Dienstrecht vorgesehenen Folgen in Kraft.

    5. Falls die Person aufgrund einer kirchlichen Ermächtigung Dienste ausübt, muss diese Ermächtigung widerrufen werden.

    6. Die kirchliche Autorität lädt diejenigen, die den Kirchenaustritt erklärt haben, zu einem Gespräch im Blick auf ihre volle Wiedereingliederung in die kirchliche Gemeinschaft ein. Es zielt auf die Versöhnung mit der Kirche und die Rückkehr zur vollen Ausübung der Rechte und Pflichten. Wenn aus der Reaktion des Gläubigen, der den Kirchenaustritt erklärt hat, auf einen schismatischen, häretischen oder apostatischen Akt zu schließen ist, wird der Ordinarius dafür sorgen, die entsprechenden Maßnahmen zu ergreifen. Das Pastorale Schreiben an die aus der Kirche ausgetretene Person unmittelbar nach Kenntnisnahme des Kirchenaustritts (siehe Anlage) und das Gespräch haben keine aufschiebende Wirkung.

    Erläuterungen:

    In den Bundesländern außer Bremen erfolgt der Kirchenaustritt vor einer zivilen Behörde, in Bremen gemäß Landesgesetz vor einer kirchlichen Stelle.

    zu 1. Pfarrliche und diözesane Räte sind z. B. Pfarrgemeinderat und Kirchenvorstand bzw. Vermögensverwaltungsrat sowie Diözesanpastoralrat. Zur Mitgliedschaft in öffentlichen kirchlichen Vereinen vgl. c. 316 CIC.

    zu 2. Vgl. dazu c. 1071 in Verbindung mit c. 1125 CIC.

    zu 3. Vgl. dazu c. 1184 § 1 n. 3 CIC.

    zu 4. Vgl. dazu „Grundordnung des kirchlichen Dienstes im Rahmen kirchlicher Arbeitsverhältnisse", Artikel 3 Absatz 4 („Für keinen Dienst in der Kirche ist geeignet, wer sich kirchenfeindlich betätigt oder aus der katholischen Kirche ausgetreten ist.") (= Die deutschen Bischöfe 51, 2008).

    zu 5. Gemeint sind z. B. die missio canonica für Religionslehrer und das nihil obstat für Theologieprofessoren.

    ***

    Das am 15. März 2011 von der Vollversammlung approbierte „Allgemeine Dekret der Deutschen Bischofskonferenz zum Kirchenaustritt" mit dem Pastoralen Schreiben wurde durch Dekret der Kongregation für die Bischöfe vom 28. August 2012 rekognosziert (Prot. Nr. 834/84).

    Die Promulgation gemäß § 16 Absatz 2 des Statuts der Deutschen Bischofskonferenz vom 28. September 2002 ist bereits erfolgt.

    Das „Allgemeine Dekret der Deutschen Bischofskonferenz zum Kirchenaustritt" tritt am 24. September 2012 in Kraft.

    Freiburg im Breisgau, den 17. September 2012

    Erzbischof Dr. Robert Zollitsch

    Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz

    Anlage zum „Allgemeinen Dekret der Deutschen Bischofskonferenz zum Kirchenaustritt"

    Pastorales Schreiben

    (an die aus der Kirche ausgetretene Person unmittelbar nach Kenntnisnahme des Kirchenaustritts)

    Sehr geehrte/r ………………….,

    mit Bedauern habe ich erfahren, dass Sie vor der zuständigen zivilen Behörde Ihren Austritt aus der katholischen Kirche erklärt haben. Ihre Entscheidung ist mir, wie Sie verstehen werden, keineswegs gleichgültig. Ich würde gerne mit Ihnen über die Gründe, die Sie zu Ihrem Schritt bewogen haben, sprechen und habe als Seelsorger auch die Pflicht, die Motivation Ihres Kirchenaustritts zu erfragen und eine entsprechende Einschätzung vorzunehmen.

    Wer in der katholischen Kirche getauft oder in sie aufgenommenen wurde, hat ja auf seine Weise Anteil an der Sendung des ganzen christlichen Volkes in Kirche und Welt (vgl. Lumen Gentium 31). Katholische Christen genießen alle Grundrechte zur aktiven Teilnahme am kirchlichen Leben, doch sind diese untrennbar mit der Erfüllung der Grundpflichten in der kirchlichen Gemeinschaft verbunden.

    Im Auftrag des Bischofs muss ich Sie mit diesem Brief allerdings auch über die Wertung des Kirchenaustritts unterrichten und über die Folgen, die dieser in kirchenrechtlicher Hinsicht nach sich zieht.

    Die Erklärung des Kirchenaustritts vor der zuständigen zivilen Behörde stellt als öffentlicher Akt eine willentliche und wissentliche Distanzierung von der Kirche dar und ist eine schwere

    Enjoying the preview?
    Page 1 of 1