Schluss mit dem schlechten Gewissen
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Book preview
Schluss mit dem schlechten Gewissen - Gabi Ingrassia
Gabi Ingrassia
Schluss mit dem
schlechten Gewissen
Impressum
© KREUZ VERLAG
in der Verlag Herder GmbH, Freiburg im Breisgau 2011
Alle Rechte vorbehalten
www.kreuz-verlag.de
Umschlaggestaltung: [rincón]2 medien gmbh, Köln
Umschlagmotiv: © plainpicture
Konvertierung Koch, Neff & Volckmar GmbH,
KN digital – die digitale Verlagsauslieferung, Stuttgart
ISBN (Buch) 978-3-451-61052-3
ISBN (
E-Book
) 978-3-451-33784-0
Inhaltsübersicht
Vorwort
Kapitel 1: Das schlechte Gewissen
Die alltägliche Gewissensfalle
Was ist ein »schlechtes Gewissen«?
Unser gewöhnlicher Umgang mit dem schlechten Gewissen
Vorbereitung auf den neuen Umgang mit dem schlechten Gewissen
Kapitel 2: Vom schlechten zum freien Gewissen
Die Funktion des Gewissens
Von der negativen zur positiven Sicht
Negative Glaubenssätze erkennen
Glaubenssätze und schlechtes Gewissen im Gepäck
So überwinden Sie Ihr schlechtes Gewissen
Positiver Umgang mit negativen Glaubenssätzen
Persönliche Auslöser vermeiden
Positive Motivation
Zu den eigenen Gefühlen stehen
Die Sehnsucht nach Aufmerksamkeit
Aus der negativen Gedankenschleife ausbrechen
Sich vom Perfektionismus lösen
Sich vom Leid anderer abgrenzen
Geben und Nehmen
Sich vor Gefühlsübertragung schützen
Die Vorstellungen anderer prüfen
Nicht grübeln – leben!
Abschied vom Wenn-dann-Denken
Sich aus der Lähmung befreien
Ein vorgeschobenes schlechtes Gewissen erkennen
Das schlechte Gewissen nicht mehr erwarten
Trauern
Achtung bei Stress!
Kapitel 3: Training für Ihr freies Gewissen
Was Veränderung erleichtert: 3 hilfreiche Dinge
Was Veränderung bewirkt: 23 hilfreiche Übungen für alle Fälle
Klare Worte für reale Schuld
Schlusswort
Wegweiser zu den Übungen
Vorwort
Auf Ihrem Schreibtisch stapelt sich die Arbeit. Zwar denken Sie andauernd daran, das alles bald abzuarbeiten, es kommt Ihnen jedoch immer wieder etwas dazwischen, so vertrösten Sie sich auf den nächsten Tag: Morgen fange ich an. Bestimmt!
Seit Tagen versucht Ihre Mutter, Sie zu erreichen. Anstatt den Hörer abzunehmen und zu sagen, dass Sie gerade keine Zeit oder keine Lust auf ein Gespräch haben, ignorieren Sie das Läuten und fühlen sich immer schlechter: Vielleicht macht sie sich jetzt gar Sorgen?
Obwohl Sie bereits genug gegessen haben, können Sie der Versuchung nicht widerstehen und essen den halben Kühlschrank leer. Mit der geplanten Diät beginnen Sie dann morgen …
Sie sollten für Ihre Kinder da sein, aber Sie sind müde und würden viel lieber ein wenig Zeit alleine verbringen.
Seit Wochen wissen Sie, dass Sie eine Präsentation halten müssen, aber anstatt die Sache anzugehen, verdrängen Sie den bloßen Gedanken daran, machen nichts, schlafen von Tag zu Tag schlechter und fühlen sich bereits am Morgen erschöpft und überfordert.
Oder Sie haben jemanden beleidigt, verletzt, belogen oder vielleicht sogar betrogen oder hintergangen.
Jeder kennt solche oder ähnliche Situationen. Situationen, in denen uns das schlechte Gewissen quält. Und nicht immer gelingt es uns, uns aus diesem Zustand zu befreien. Im Gegenteil: Manchmal erzeugen wir Unmengen an Reibungsverlust durch die Auseinandersetzung mit dem schlechten Gewissen. Wir überlegen stundenlang, was wir wann wie warum hätten besser denken, sagen, tun können und sollen. Wir beschuldigen uns, klagen uns an und verurteilen uns, anstatt unsere Energie für positive Selbstentfaltung, für unsere Persönlichkeitsentwicklung oder für vergnügliche Freizeit zu nutzen. Unserem Körper und unserem Gehirn drohen durch diese permanente innere Zwiesprache – neben dem Energieverlust – Überanstrengung und Gefahr. Langfristig können sogar schwere Krankheiten auftreten.
Im psychischen Bereich kann der Stress erhebliche Folgen haben, wie Schlafstörungen, Burn-out, Depressionen, Angsterkrankungen und psychosomatische Erkrankungen. Auf körperlicher Seite können eine Vielzahl von Krankheiten auftreten, wie etwa Rheuma, das in der Medizin zu den autoaggressiven Erkrankungen gezählt wird. Der Arzt meint damit das reine Sich-gegen-sich-selbst-Richten des Körpers. Auch Asthma, Bluthochdruck oder gar ein Herzinfarkt können darin begründet sein.
Wie können wir diesen Fallstricken entkommen? Mehr noch: Wie können wir dafür sorgen, in vielen Situationen erst gar kein schlechtes Gewissen aufkommen zu lassen? Wie können wir die ewige Zwiesprache mit unserem Gewissen, die so viel psychische und physische Kraft und Energie kostet, beenden?
Auf den folgenden Seiten werden Sie – unterstützt durch zahlreiche Übungen sowie Tipps zum alltäglichen Training – lernen, wie Sie Situationen neu bewerten, Ihren Alltag ohne Gewissensbisse überstehen und so Ihre Energie für positive Dinge nutzen können. Sie werden einüben, sich aus der beengenden und krankmachenden Zwiesprache von gutem und schlechtem Gewissen zu lösen und stattdessen mit einem neuen, einem freien Gewissen in schwierigen Situationen die richtigen Entscheidungen zu treffen.
Probieren Sie von den angebotenen Ideen zuerst aus, was Ihnen behagt und Spaß macht. Günstig ist es grundsätzlich, eine neue Verhaltensweise eine kleine Weile auszuprobieren, ehe man sie verwirft.
Mein Ziel ist, dass Sie lernen, eigene Entscheidungen zu treffen und nicht Entscheidungen aus schlechtem Gewissen, denn das sind in der Regel Entscheidungen für andere oder von anderen.
In diesem Sinne wünsche ich Ihnen nun viel Freude beim Lesen sowie Erfolg und Spaß bei der Einübung Ihres neuen, Ihres freien Gewissens!
Gabi Ingrassia
Kapitel 1:
Das schlechte Gewissen
Die alltägliche Gewissensfalle
Schon komisch: Menschen tun Dinge, die sie gerne tun, zum Beispiel Essen, Sport machen, ins Theater gehen, Freunde besuchen oder andere zu sich einladen. Sie tun manchmal aber auch Dinge, die sie nicht gerne tun: zum Beispiel sich mit Menschen verabreden, die sie eigentlich gar nicht sehen wollen; einem anderen, der es nicht verdient hat, einen Gefallen erweisen; dem Nachbarn die Pflanzen gießen, wenn er im Urlaub ist; einen Kuchen für eine Gastgeberin einer Party backen, weil es so üblich ist; ein Kind noch immer finanziell unterstützen, obwohl es längst erwachsen ist und auf eigenen Füßen steht … Und oft tun diese Menschen dabei so, als würden sie all diese Dinge gerne tun. Denn andernfalls, wenn sie all dies nicht täten, dann – so nehmen sie selbstverständlich an –, dann bekämen sie ein schlechtes Gewissen.
Oft geben sich Menschen vor anderen anders, als sie aus tiefstem Herzen empfinden. Und manchmal machen sie sich selbst etwas vor. Zudem geißeln sie sich häufig und ausgiebig für etwas, was sie getan oder auch nur gedacht haben. Warum schützen sie sich nicht davor? Warum setzen sie sich nicht für sich ein? Warum sagen sie nicht Nein oder auch Ja und reflektieren dann ihre Befindlichkeit, um sich für ein nächstes Mal neu entscheiden zu können und es sich damit nach und nach leichter zu machen?
Wir alle haben zwei Identitäten: eine nach Außen wahrnehmbare und eine innere. Die Innenansicht ähnelt oft einer Geisterbahn; im Außen zeigt sich die Qual meist nicht. Da wirken wir oft ganz entspannt im Hier und Jetzt und andere, nicht Eingeweihte würden niemals ahnen, welch Leid unser Herz in eisernen Spangen hält. Warum nehmen wir diese Fassadenfähigkeit nicht mit ins Innen und verändern – zumindest in ausgewählten Fällen – unser Erleben?
Wer oder was ist das, das uns verfolgt, woher kommt es, warum nähren wir es weiter und warum in aller Welt können wir es – so sehr wir uns auch wehren – nicht ausschalten oder uns davon abgrenzen? Warum reisen wir nicht in ein anderes inneres Land, mit bequemen Straßen und freundlichen Geistern?
Stellen Sie sich bitte diese Situation vor: Sie liegen nach einem sehr anstrengenden Arbeitstag erschöpft mit einer heißen Tasse Tee oder einem schönen Glas Rotwein auf der Couch, denken gerade an nichts Wichtiges, träumen vor sich hin – und plötzlich klingelt das Telefon. Ihre Mutter ist am Apparat und bittet Sie, sie jetzt sofort vom Krankenhaus abzuholen. Sie hatte nur kurze Zeit dort verbracht, aus harmlosem Grund – wegen einer Schnittwunde. Vielleicht sitzt ihr noch ein kleiner Schreck in den Knochen.
Wie schwer oder leicht wird es Ihnen fallen zu sagen: »Liebe Mama, nimm bitte ein Taxi, ich kann heute nicht mehr, ich bin kaputt vom Tag und habe Angst, einen Autounfall zu bauen, und zudem habe ich gerade schon ein Glas Wein getrunken und halte das zweite in der Hand.« Wie auch immer Sie sich entscheiden – loszufahren oder daheim zu bleiben –, sie werden sich, wenn Sie mit dem Gedanken der Verweigerung gespielt haben, an diesem Abend wahrscheinlich nicht mehr wohlfühlen.
Wenn Sie sich ins Auto setzen, werden Sie sich auf der Fahrt mit ärgerlichem Gedankenkreisen plagen und sich fürs nächste Mal vornehmen, ganz anders zu handeln. Oder Sie ärgern sich über sich selbst, weil Sie so hart oder zu weich gegenüber Ihrer Mutter sind. Vielleicht verraucht Ihre Wut vor Ort, wenn Sie Ihre Mutter dann sehen, oder Sie bezähmen Ihren Unwillen vermeintlich und reagieren bei der gemeinsamen Autofahrt wohldosiert unterschwellig aggressiv auf die Erzählungen Ihrer Mitfahrerin. Eventuell zeigen Sie sich auch ganz offen wütend. Aber was auch immer Sie tun und wie auch immer Sie sich verhalten: Auf Ihrer Seite entsteht ein Energieverlust, den Sie vielleicht sogar in die nächsten Tage mitnehmen.
Die innere Auseinandersetzung damit, was wir tun und denken sollten, raubt Zeit und viel Energie, die wir wesentlich lustvoller für die positiven Dinge des Lebens verwenden können.
Auch auf der Couch liegend wird es Ihnen nicht anders ergehen. Die Gedanken haben Turnstunde. Vielleicht müssen Sie einen Freund anrufen, dem Sie das Ganze erzählen, oder eine Freundin, die Ihnen Trost spenden wird und Sie entlastet. Oder Sie müssen gar ein drittes Glas Wein trinken. Irgendwann werden Sie es schaffen, Ihre Gefühle wieder in den Griff zu bekommen. Bis zu einem nächsten Mal, das zwangsläufig auftreten wird und bei dem Sie sich wieder ähnlich elend fühlen werden.
Vielleicht denken Sie in solchen Fällen so etwas wie: »Wieso kann ich mich nicht abgrenzen?«,