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Mit der Bibel durch das Jahr 2017
Mit der Bibel durch das Jahr 2017
Mit der Bibel durch das Jahr 2017
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Mit der Bibel durch das Jahr 2017

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About this ebook

Das unverzichtbare Buch für Menschen, die die Bibel lesen und verstehen wollen: Für jeden Tag des Jahres eine Auslegung zum Bibeltext nach dem ökumenischen Bibelleseplan und ein Gebet. Dazu ein Morgen- und Abendgebet für jeden Tag der Woche sowie eine Einführung in jedes behandelte biblische Buch. Seit Jahrzehnten bewährt zum attraktiven Preis.
LanguageDeutsch
PublisherKreuz Verlag
Release dateAug 16, 2016
ISBN9783451814006
Mit der Bibel durch das Jahr 2017

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    Book preview

    Mit der Bibel durch das Jahr 2017 - Kreuz Verlag

    Mit der

    Bibel

    durch

    das Jahr

    2017

    Ökumenische

    Bibelauslegungen

    Herausgegeben von

    Franz-Josef Bode

    Jochen Cornelius-Bundschuh

    Maria Jepsen

    Paul-Werner Scheele

    Joachim Wanke

    Rosemarie Wenner

    Impressum

    Redaktion

    Dr. Ulrich Fischer, Landesbischof i.R.

    © Kreuz Verlag in der Verlag Herder GmbH, Freiburg im Breisgau 2016

    Alle Rechte vorbehalten

    www.herder.de/verlag-kreuz/

    Umschlagkonzeption: wunderlichundweigand

    Umschlaggestaltung: Verlag Herder

    Umschlagmotiv: © Qweek/iStock

    E-Book-Konvertierung: le-tex publishing services GmbH, Leipzig

    ISBN (E-Book) 978-3-451-81400-6

    ISBN (Buch) 978-3-451-61400-2 (Kreuz Verlag)

    ISBN (Buch) 978-3-460-20175-0 (Verlag Katholisches Bibelwerk)

    Inhalt

    Geleitwort

    Hinweise zum Gebrauch dieses Buches

    Jahreslosung und Monatssprüche

    Mit der Bibel durch das Jahr 2017

    Einführung in die biblischen Bücher

    Levitikus/3 Mose

    Numeri/4 Mose

    Ezechiel

    Joël

    Sacharja

    Maleachi

    Lukasevangelium

    Apostelgeschichte

    Philipperbrief

    Kolosserbrief

    Erster Thessalonicherbrief

    Zweiter Thessalonicherbrief

    Gebete

    Anhang

    Bibelleseplan 2017

    Bibelstellenregister

    Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter

    Abkürzungen biblischer Bücher

    Quellenverzeichnis

    Liebe Leserinnen und Leser!

    Mit 20 Jahren hat Martin Luther zum ersten Mal in der Erfurter Universitätsbibliothek eine Bibel in Händen gehalten und in ihr gelesen. Danach hat ihn die Heilige Schrift nicht wieder los gelassen. Sie ist zum Buch seines Lebens geworden. Mit seiner Bibelübersetzung hat er ein Werk geschaffen, das es damals vielen Menschen ermöglicht hat, Gottes Wort selbst zu lesen. Schnell breitete sich die »Lutherbibel« aus; sie wurde zu einem Volksbuch, das bis heute den deutschen Sprachraum prägt. Im Gefolge von Luthers Übersetzung erschienen überall in Europa Übersetzungen in der Sprache des jeweiligen Landes; auch andere Kirchen nahmen nun die Bewegung, die von Wittenberg ausging, auf und förderten die Verbreitung der Bibel.

    Vielleicht ist deshalb dieser Bibel-Impuls der Reformation tatsächlich derjenige, den wir 2017 am ehesten ökumenisch gemeinsam feiern können: dass die Reformation eine Bibelbewegung ausgelöst hat und die Bibel in den meisten Kirchen seitdem kontinuierlich an Bedeutung gewonnen hat. Viele Gläubige in allen Kirchen haben seitdem – wie Luther – ein inniges Verhältnis zur Bibel gefunden; viele lassen sich vom Wort Gottes durch ihren Alltag begleiten und finden darin Antworten auf ihre Lebensfragen.

    Wir hoffen im ökumenischen Herausgeberkreis von »Mit der Bibel durch das Jahr«, dazu beitragen zu können. In dessen Namen danke ich allen Autorinnen und Autoren, die sich in diesem Jahr von den biblischen Texten haben herausfordern lassen und lebensnahe Auslegungen vorlegen. Ein besonderer Dank gilt Landesbischof i.R. Dr. Ulrich Fischer, der mit gewohnter Sorgfalt und Geduld, vor allem aber mit Liebe zum Wort die Redaktionsarbeit geleistet hat.

    Jede Zeit versucht neu, die Worte der Bibel zu verstehen und ihre Bedeutung für das persönliche, aber auch für das öffentliche Leben zu entdecken. Da gewinnen bestimmte Verse auf einmal ungeahnte Aktualität und werden sogar in politischen Debatten und in der Presse zitiert. Luther allerdings hat stets gewarnt: Die Bibel lässt sich nicht vereinnahmen, das Wort Gottes wehrt sich, wenn es unseren Interessen dienstbar gemacht werden soll: »Wenn man meint, man habe sie ausgelernt, so muss man erst anfangen.« Deshalb war sein Motto: mit dem Lesen beginnen, lesen und wieder lesen!

    Egal welche Übersetzung der Bibel Sie durch das Jahr begleitet (vielleicht haben Sie ja Lust, 2017 nicht nur in Ihre gewohnte Ausgabe, sondern ab und zu mal in die neue revidierte Lutherübersetzung oder auch in die neue Fassung der Einheitsübersetzung zu schauen, die beide 2016 vollendet worden sind), egal in welcher Situation Sie dieses Buch in die Hand nehmen: ob Sie nur mal sporadisch hineinschnuppern, ob das Bibellesen bei Ihnen einen festen Platz im Alltag hat oder ob Sie vielleicht zum ersten Mal zur Bibel greifen: Ich wünsche Ihnen, dass Sie viele interessante, stärkende, aber auch herausfordernde Entdeckungen mit der Bibel durch das Jahr 2017 hindurch machen, vor allem aber, dass Sie den Segen erfahren, den dieses Buch in unser Leben und unsere Welt bringt.

    Jochen Cornelius-Bundschuh

    Hinweise zum Gebrauch dieses Buches

    Die Lesungen des Tages folgen dem Bibelleseplan der »Ökumenischen Arbeitsgemeinschaft für Bibellesen«, den wir in diesem Band abdrucken (ab Seite 443) und worin auch die Zeiten des Kirchenjahres berücksichtigt werden. Ziel des Bibelleseplans ist es, im Laufe der Jahre die wichtigsten Texte der Bibel kennenzulernen. Am besten beginnen Sie mit Lektüre des Bibeltextes selber und legen dazu die Lutherbibel oder die Einheitsübersetzung an einen festen Platz in Ihrer Wohnung. So vorbereitet, greifen Sie zu den Auslegungen im vorliegenden Band, denen ein Gebetstext beigegeben ist.

    Wir haben die Jahreslosung an den Beginn des Bandes gestellt, dort finden Sie auch die Monatssprüche (Seite 10/11).

    Die Gebete (Morgen- und Abendgebet) für jeden Tag der Woche wurden für den vorliegenden Band von Geschwistern der Benediktinerabtei Münsterschwarzach zur Verfügung gestellt (ab Seite 425).

    Im Anhang haben wir zusammengestellt:

    ein Bibelstellenregister (ab Seite 449), das das Auffinden der Auslegungen erleichtert,

    das Verzeichnis der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter (ab Seite 453)

    das Abkürzungsverzeichnis der biblischen Bücher (Seite 457); die Schreibweise der biblischen Namen folgt dem »Ökumenischen Verzeichnis der biblischen Eigennamen« nach den Loccumer Richtlinien;

    schließlich erfahren Sie im Quellenverzeichnis (Seite 459/460), woher jene Gebetstexte am Ende einer jeden Auslegung stammen, die nicht von den Autorinnen und Autoren selbst verfasst wurden.

    Als Beitrag zum Reformationsjubiläumsjahr 2017 sind auf beigelegten Lesezeichen Luthers Morgen- und Abendsegen abgedruckt.

    Ich wünsche Ihnen eine anregende Lektüre!

    Ihr

    Ulrich Fischer

    Jahreslosung und Monatssprüche

    Jahreslosung 2017

    GOTT SPRICHT: ICH SCHENKE EUCH EIN NEUES HERZ UND LEGE EINEN NEUEN GEIST IN EUCH.

    Ez 36,26 (E)

    Monatssprüche 2017

    Januar

    Auf dein Wort will ich die Netze auswerfen.

    Lk 5,5 (L)

    Februar

    Wenn ihr in ein Haus kommt, so sagt als erstes: Friede diesem Haus!

    Lk 10,5 (E)

    März

    Vor einem grauen Haupt sollst du aufstehen und die Alten ehren und sollst dich fürchten vor deinem Gott; ich bin der HERR.

    3 Mose/Lev 19,32 (L)

    April

    Was sucht ihr den Lebenden bei den Toten? Er ist nicht hier, er ist auferstanden.

    Lk 24,5–6 (L)

    Mai

    Eure Rede sei allezeit freundlich und mit Salz gewürzt.

    Kol 4,6 (L)

    Juni

    Man muss Gott mehr gehorchen als den Menschen.

    Apg 5,29 (E)

    Juli

    Ich bete darum, dass eure Liebe immer noch reicher werde an Erkenntnis und aller Erfahrung.

    Phil 1,9 (L)

    August

    Gottes Hilfe habe ich erfahren bis zum heutigen Tag und stehe nun hier und bin sein Zeuge bei Groß und Klein.

    Apg 26,22 (L)

    September

    Und siehe, es sind Letzte, die werden die Ersten sein, und sind Erste, die werden die Letzten sein.

    Lk 13,30 (L)

    Oktober

    Es wird Freude sein vor den Engeln Gottes über einen Sünder, der Buße tut.

    Lk 15,10 (L)

    November

    Gott spricht: Ich will unter ihnen wohnen und will ihr Gott sein und sie sollen mein Volk sein.

    Ez 37,27 (L)

    Dezember

    Durch die herzliche Barmherzigkeit unseres Gottes wird uns besuchen das aufgehende Licht aus der Höhe, damit es erscheine denen, die sitzen in Finsternis und Schatten des Todes, und richte unsere Füße auf den Weg des Friedens.

    Lk 1,78–79 (L)

    E = Einheitsübersetzung der Heiligen Schrift, Ausgabe in neuer Rechtschreibung, © 2016 Verlag Katholisches Bibelwerk, Stuttgart

    L = Lutherbibel, revidierter Text 2016, © 2016 Deutsche Bibelgesellschaft, Stuttgart

    Mit der

    Bibel

    durch

    das Jahr

    2017

    Sonntag, 1. Januar (Neujahr)

    Psalm 104

    Einen kleineren Gang einlegen

    Den Auftakt zum Jahr des Herrn 2017 bildet mit Psalm 104 ein Lobpreis auf die Schöpfung und den Schöpfer. Der Psalmist hängt in diesem Lobhymnus der wunderbaren Idee vom solidarischen Zusammenleben aller Menschen nach. Somit lässt der Psalm den engen Konnex der ökologischen mit der sozialen Frage erkennen. Wer Frieden auf Erden wünscht, sehe zu, dass alle Menschen genügend Brot zu essen und sauberes Wasser zu trinken haben. Wer Entwicklung der Völker wünscht, sorge, dass alle in Gerechtigkeit und unter menschenwürdigen Verhältnissen leben können. Und wer in sozial geordneten, ja wohlhabenden Verhältnissen leben darf, erkenne seine Verantwortung für die Enkelkinder, besonders aber für die underdogs und für all jene von zu Hause geflohenen Menschen, die wie wir ein Anrecht darauf haben, in Würde auf diesem Planeten leben zu dürfen. Wir wohnen doch nun mal alle im selben Haus und sitzen in einem Boot!

    Genau diese Balance von sozialem und ökologischem Gleichgewicht aber hat der Mensch in den beiden letzten Jahrhunderten durch sein sowohl gegen die Schöpfung als auch gegen sich selbst, besonders gegen die Schwachen gerichtetes Verhalten nachhaltig gestört, wie Papst Franziskus in seiner Enzyklika Laudato si’ aufzeigen konnte. Das verlorene Gleichgewicht wieder zu finden, heißt, sowohl zugunsten der Schöpfung wie des Menschen zu agieren. Dazu müssen die Menschen der nördlichen Erdhalbkugel zu einem Lebensstil und Konsumverhalten finden, der alle Menschen im Heute dieses Tages und im Morgen der kommenden Jahre (über-)leben lässt. Auf dem Weg zu diesem Ziel empfiehlt uns Europäern und Nordamerikanern Papst Franziskus, in einen kleineren Gang zurückzuschalten.

    Wäre das nicht ein sinnvoller Neujahrsvorsatz für uns, einen kleineren Gang in Lebensstil und Konsumverhalten einzulegen, damit die Mehrheit der Erdbewohner, die verdammt untertourig daherkommt, einen höheren Gang einlegen und im Fahrzeug des Lebens besser vorankommen könnte?

    BERNHARD KIRCHGESSNER

    Lass mich kleinere Brötchen backen, Herr, damit der Teig für möglichst viele reicht.

    Montag, 2. Januar

    Lukas 3,1–6

    Erst der Zuspruch, dann der Anspruch

    Wir müssen Gott den Weg in diese Welt bereiten; wir müssen die Voraussetzungen schaffen, dass er kommen kann – diesen Gedanken kann man in vielen Adventspredigten hören. Und wenn eine Gruppe miteinander die Bibel liest und darüber spricht, was ihnen der gehörte Schrifttext sagt, ist oft der Grundton: Wir müssen noch viel mehr tun. Gott fordert von uns, dass wir nicht nur dieses und jenes fertig bringen, sondern dass wir uns noch um vieles andere bemühen. Kein Wunder, dass viele den Glauben als Druck empfinden und den Eindruck haben: Christ sein ist etwas ganz Schweres.

    »Bereitet dem Herrn den Weg! Ebnet ihm die Straßen!« Es scheint, als ob das Buch Jesaja, das Lukas zitiert, auch vor allem Forderungen erheben will. Doch an wen richtet sich der Aufruf jener geheimnisvollen Stimme, die da zu hören ist? Bei Jesaja gilt er nicht den Menschen. Er richtet sich vielmehr an die himmlischen Heerscharen. Ein göttliches Straßenbaukommando soll Gott den Weg in diese Welt bereiten! Nicht eine Forderung kommt an erster Stelle. Im Mittelpunkt steht eine Frohbotschaft: Gott lässt sich den Weg zu uns bereiten! Er will jetzt bei uns ankommen! Am Anfang steht ein Zuspruch, nicht ein Anspruch.

    Das gilt für unser christliches Leben überhaupt: Nicht wir tun das Entscheidende. Das Wichtige tut Gott. Das Erste ist, zu entdecken, was er tut und schon längst getan hat – in der Geschichte der Menschen, im Volk Israel, in Jesus von Nazaret, aber auch in meiner persönlichen Lebensgeschichte. Wie viel ist mir unverdient geschenkt worden! Wie oft habe ich unverhofft und unerwartet einen wichtigen Impuls bekommen! Mein Tun ist dann die Antwort darauf. Weil Gott mich liebt, kann ich seine Liebe erwidern und weiterschenken. Weil er mich befähigt, kann ich Gutes tun. Weil er auf mich zugeht, kann ich auf andere zugehen.

    HELMUT GABEL

    Herr, unser Gott, komm unserem Beten und Arbeiten mit deiner Gnade zuvor und begleite es, damit alles, was wir beginnen, bei dir seinen Anfang nehme und durch dich vollendet werde.

    Dienstag, 3. Januar

    Lukas 3,7–14

    Was sollen wir tun?

    Johannes der Täufer hätte auch ganz anders antworten können. Dem Zollpächter hätte er sagen können: Hör auf, für eine gottlose Besatzungsmacht Steuern einzutreiben. Gib deinen sündhaften Beruf auf! – Wahrscheinlich wäre der Zollpächter ratlos davongegangen: Wovon soll ich denn dann meine Familie ernähren? Vermutlich hätte er so weitergemacht wie bisher. Nichts hätte sich geändert. Dem Soldaten hätte er antworten können: Auch du bist Sünder von Berufs wegen. Quittiere schleunigst deinen Heeresdienst! – Wahrscheinlich hätte der andere das als unrealistisch betrachtet und wäre beim Bisherigen geblieben.

    Bei Lukas ist Johannes der Täufer hingegen ein Mann der kleinen Schritte. »Verlangt nicht mehr, als festgesetzt ist!«, erklärt er den Zollpächtern. Das ist zu machen, die Tätigkeit verantwortlich auszuüben und sie nicht zur persönlichen Bereicherung zu missbrauchen. »Misshandelt niemand, erpresst niemand, begnügt euch mit eurem Sold!« Das ist leistbar, die eigene Macht nicht rücksichtslos und schrankenlos einzusetzen. Der Täufer ist weit entfernt von einer grundsätzlichen Verurteilung ganzer Gruppen. Er sieht den Einzelnen und seine begrenzten Möglichkeiten zur Umkehr. Bei aller Entschiedenheit ist er maßvoll und realistisch.

    Meister des geistlichen Lebens haben immer wieder darauf hingewiesen: Hohe Ideale haben ihre Tücken. Sie können den Menschen überfordern, ihm sein Zutrauen zu sich selbst rauben (»Das bringe ich ja nie fertig!«) und ihn dazu verleiten, gar nicht erst anzufangen und alles beim Alten zu belassen. Sinnvoller ist es, das zu suchen, was realistisch ist, und es auch wirklich zu tun. »Lebe das, was du vom Evangelium begriffen hast, und sei es auch noch so wenig, aber lebe es!«, rät Roger Schutz, der frühere Prior von Taizé.

    HELMUT GABEL

    Bewahre mich davor, mir zu viel vorzunehmen und dann enttäuscht zu sein, dass ich es nicht schaffe. Gib mir den Mut zum kleinen Schritt. Lass mich nicht denken, es sei zu wenig. Schenke mir Augenmaß und Entschiedenheit zugleich, damit ich deinen Weg in Zuversicht und Freude gehe.

    Mittwoch, 4. Januar

    Lukas 3,15–20

    Auf den Größeren hinweisen

    Ich bin nicht der Erlöser, stellt Johannes der Täufer klar. Ich weise nur auf den Kommenden hin.

    Viel Unheil in unserer Welt kommt daher, dass Menschen es anders machen: Sie nehmen – bewusst oder unbewusst – eine Erlöser-Rolle ein oder lassen sich eine solche Rolle zuweisen: Immer wieder sind Herrscher mit diesem Anspruch aufgetreten: Ich bringe die Welt in Ordnung. Meist haben sie nicht das Heil, sondern unermessliches Elend gebracht – die NS-Zeit ist ein Beispiel.

    Auch im Alltag gibt es Erlöser-Rollen: Endlich kommt ein neuer Chef. Riesenerwartungen entstehen: Jetzt wird alles besser. Aber dann ist die Enttäuschung umso größer. Man erkennt: Er kocht auch nur mit Wasser.

    Verliebte haben oft das Bild: Der andere schenkt mir genau das, wonach ich mich schon so lange gesehnt habe. Mit ihm ist alles schön; ohne ihn ist alles nichts. Er ist mein Ein und Alles. Solche Projektionen sind ganz normal. Aber sie müssen im Lauf der Zeit abgebaut werden: Du kannst nicht die Erfüllung all meiner Sehnsüchte sein. In manchem kannst du mich ergänzen, in anderem nicht.

    Manchmal wird auch ein Kind in die Erlöser-Rolle gedrängt – etwa wenn der Partner gestorben ist oder sich getrennt hat. Der zurückgebliebene Elternteil vermittelt die Botschaft: Jetzt habe ich nur noch dich. Du bist mein Ein und Alles. Jetzt enttäusche du mich nicht. Oder es kann sein, dass ein Elternteil den Eindruck hat: In meinem Leben ist alles schief gelaufen. Aber aus meinem Kind muss etwas werden. Im Klartext heißt das: Mein Kind soll mein Lebenserfüller sein, mein Erlöser gewissermaßen. Von ihm hängt mein Heil ab. Welch ein Druck wird da aufgebaut!

    Wie Johannes der Täufer brauchen wir das Bewusstsein: Ich bin nicht der Erlöser. Wo mich jemand in eine Erlöser-Rolle drängen will, tue ich gut daran, mich dagegen zu wehren. Meine Aufgabe ist es nur, wie Johannes auf den Erlöser hinzuweisen – nicht mehr und nicht weniger.

    HELMUT GABEL

    Wachse, Jesus, wachse in mir – in meinem Geist, in meinem Herzen, in meiner Vorstellung, in meinen Sinnen. Wachse in mir mit deiner Gnade, deinem Licht und deinem Frieden.

    Donnerstag, 5. Januar

    Lukas 3,21–38

    Unnachahmliche Liebeserklärung

    Jeder Mensch möchte gefallen. Jeder und jede möchte wahrgenommen und wertgeschätzt werden. Das Herz tut sich auf, wenn wir spüren, dass jemand uns mag, nicht nur äußerlich, sondern weil wir auch innerlich tiefer erkannt werden. Wenn daraus sogar Liebe entsteht, sehen wir die Welt plötzlich anders, in neuem Licht, mit neuen Augen. Heute spricht Gott über Jesus in der Taufe die unnachahmliche Liebeserklärung: »Du bist mein lieber Sohn, an dem ich Wohlgefallen habe.«

    Ob wir es glauben oder nicht, auch über uns hat Gott in der Taufe gesprochen: »Du bist mein geliebter Sohn, meine geliebte Tochter, an dir habe ich Gefallen.« Ja, indem der Sohn Gottes Mensch geworden ist, einer, der sich in die Reihe stellt zusammen mit dem ganzen Volk, spricht Gott über jeden Menschen: Du bist von mir gewollt, du gefällst mir.

    Das unterstreicht der Text über das verborgene Leben Jesu bei seinen Eltern. Man hielt ihn für den Sohn Josefs. Nichts an ihm war auffällig. Ein normaler Mensch in einer Handwerkerfamilie in dem eher verrufenen Nest Nazaret. Auch seine Vorfahren waren normale Menschen bis zurück zu Adam, dem Ersten, aus Erde geformt und von Gottes Atem lebendig gemacht. Deshalb ist mit der Liebeserklärung Gottes jeder Mensch gemeint von Adam an. Das gilt bis heute, für mich selbst und für alle, die mir begegnen, ob sie im Rampenlicht der Öffentlichkeit stehen oder verborgen ihr Leben fristen. Ich bin von Gott angesehen und habe durch ihn Ansehen. Wie all die anderen, auch die Unansehnlichen, Ungeliebten, Fremden, Andersartigen und Anstößigen. Jesus zeigt es uns.

    Dieses Bild vom Menschen hat die Kraft, die Welt zu verändern. Wenn wir uns nur dieser unantastbaren Menschenwürde eines Jeden immer und überall bewusst wären! Das neue Jahr könnte dann wirklich neu werden.

    FRANZ-JOSEF BODE

    Gott, du Vater aller Menschen, wir gefallen dir. Du hast uns aus Liebe nach deinem Bild geschaffen. Lass uns erkennen, dass alle Menschen unsere Schwestern und Brüder sind. Der Geist Jesu Christi, deines Sohnes, möge uns daran täglich erinnern, damit wir so die Welt mit verwandeln helfen.

    Freitag, 6. Januar (Epiphanias)

    Lukas 4,1–13

    … und führe uns nicht in Versuchung

    »… und führe uns nicht in Versuchung«. Das ist einer der spannendsten Sätze im Vaterunser. Hier geht es nicht um die zarteste Versuchung, seit es Schokolade gibt, auch nicht um irgendeine lüsterne Versuchlichkeit. Es geht um die Versuchung, etwas zu Gott zu machen, das nicht Gott ist. Das kann der Konsum sein, der sich zu sehr breit macht und uns in immer größere Zwänge treibt. Es kann die Versuchung sein, vor Dingen, die ich haben will, vor Menschen, die ich vergöttere, oder vor Sehnsüchten, die mich nicht loslassen, in die Knie zu gehen. Wo Gott nicht mehr die erste Stelle einnimmt, da nehmen Dinge oder Menschen die erste Stelle ein und machen unfrei. Die letzte Versuchung ist die, Gott zu missbrauchen. Dann will ich ihn benutzen, dann will ich seine Worte überprüfen oder seinen Willen für meinen einsetzen. Dafür zitiert der Teufel sogar die Worte Gottes selbst.

    Vor all diesen Versuchungen soll Gott uns bewahren. Dass Jesus sich ihnen aussetzt als Mensch, zeigt, wie tief er als Gott mit uns solidarisch ist und uns selbst in den Abgründigkeiten unseres verschlagenen Geistes noch begegnen will.

    Die Kirche feiert heute das Fest der Erscheinung des Herrn. Wir denken an drei aus der Fremde kommende suchende Menschen auf dem Weg zu Jesus. Sie gehen nicht mehr vor irgendwem oder irgendetwas in die Knie, sondern nur noch vor diesem menschgewordenen Gott. Sie legen ihr Gold, ihre kostbare Habe, ab. Sie bringen Weihrauch, weil sie nicht mehr Gott spielen, sondern ihm dienen wollen. Sie bringen Myrrhe als Zeichen der liebenden Hingabe. Sie haben auf ihre Weise die Grundversuchungen des Lebens überwunden, fasziniert von diesem Kind. Das ist der »andere Weg« (Mt 2,12), auf dem die Drei heimkehren in ihr Land mit immer festerem Schritt. Wer ihnen folgt, wird dem Leben mit seinen vielen Versuchungen gewachsen.

    FRANZ-JOSEF BODE

    Gott, du hast uns deinen Sohn gesandt, damit die Suchenden in ihm dich finden. Lass uns auf dem Weg zu dir bleiben, immer neu nach dir suchen und dich mehr und mehr zu unserem Ein und Alles machen, damit niemand anderes als du Macht über uns gewinnt.

    Samstag, 7. Januar

    Lukas 4,14–21

    Heute schon geliebt?

    Ein weit verbreiteter Slogan lautet: »Heute schon gelebt?« Was Lukas mit seiner Frohen Botschaft herausfordern will, geht tiefer. Heute schon gelebt durch Liebe? Heute schon geliebt?

    Jesus tritt zum ersten Mal in seiner Heimatstadt Nazaret auf und provoziert von Anfang an. Denn er legt die aufgeschlagene Stelle aus dem Buch Jesaja unzweideutig auf seine Person hin aus. Er ist die Erfüllung des Prophetenwortes, hier und heute in Nazaret, mitten unter den aus Gewohnheit sich einfindenden Menschen.

    Wer behauptet, mit dem Geist Gottes gesalbt zu sein, der kann sich auf dieser Würde nicht ausruhen. Der ist gesandt zu Armen, Gefangenen, Blinden, Zerschlagenen und Sündern. Das bedeutet in der Konsequenz: Wer beansprucht, Christ zu sein, das heißt Gesalbter mit dem Geist Gottes wie Christus, der ist auch heute gesandt zu den Habenichtsen und Bedürftigen an Leib und Seele, zu den vielfältig von sich selbst oder dem Konsum Gefangenen, zu den Perspektivlosen und Schwarzsehern oder mit blinden Flecken Behafteten, zu den Niedergeschlagenen und an den Rand Geratenen, zu all denen, die eine neue Chance, ein Gnadenjahr, für ihr Leben brauchen. So sieht Jesus seine Mission als Messias. So will er Kirche, gleich welcher Konfession. So will er die Seinen, die sich Christen nennen. In den Anstrengungen des Heute sollen sie leben, nicht im Nachtrauern um ein vermeintlich besseres Gestern und nicht in Schwärmerei von einem sorgenfreien Morgen.

    Deshalb hält der Beifall für Jesu Lebensprogramm nur sehr kurz. Schon bald kommt es zum Konflikt. Wer sich dem Heute mit all den Herausforderungen des oft widerständigen Alltags und den Beanspruchungen durch Menschen stellt, eckt an. Aber er erfährt darin auch, dass Christus, der Gesalbte und Menschenliebhaber, in ihm lebt und wirkt. Heute schon geliebt?

    FRANZ-JOSEF BODE

    Herr Jesus Christus, du hast uns, die wir uns nach dir benennen, gesandt zu denen, die unsere Zuwendung, Barmherzigkeit und Liebe brauchen. Lass uns Augen und Ohren, Herzen und Hände für sie öffnen, damit sich heute dein Wort und dein Wille erfüllen.

    Sonntag, 8. Januar

    Psalm 72

    Wenn Menschen königlich herrschen

    Jesus war ein geistlicher König. Die Mächtigen dieser Erde hatte er gegen sich, und zwar weltliche wie geistliche. Herodes ließ die kleinen Kinder töten in der Hoffnung, das Leben des neu geborenen Königs der Juden mit auszulöschen. Pontius Pilatus verurteilte Jesus zum Tod. Wobei er ihn vorher noch fragt: »Bist du der König der Juden?« Und Jesus antwortet: »Du sagst es.« Wie Jesus wohl gehandelt hätte, wenn er sein Amt politisch verstanden hätte? Wie er wohl gehandelt hätte, wenn er das ganz normale Alltagsgeschäft eines Herrschers zu bewältigen gehabt hätte?

    Der Beter des 72. Psalms wendet sich an die Könige Israels. Wahrscheinlich wurde der Psalm bei ihrer Amtseinführung in Jerusalem gesungen. Mit ebenso großer Wahrscheinlichkeit haben die jeweiligen Amtsträger die in sie gesetzten Hoffnungen nicht erfüllt. Trotzdem leben die alten Hoffnungen bei jedem neuen Machthaber wieder auf. Es geht eben um mehr. Weniger um die jeweilige Person des Herrschers geht es als um sein Amt.

    Und weniger um den einzelnen König geht es als um die Aufgabe, die ihm übertragen wird. Und diese Aufgabe wird – so irdisch sie auch sein mag – eben doch in enger Verbindung zu Gott gesehen. So wie die Armen und Unterdrückten zu Gott schreien und auf seinen Beistand hoffen können, so sollen die Armen auch bei den irdischen Königen Schutz finden und Recht und Gerechtigkeit erfahren. Das entspricht der heutigen Vorstellung: Der Wert einer Gesellschaft wird daran gemessen, wie sie mit ihren schwächsten Gliedern umgeht. Wobei mich zweierlei seltsam berührt. Zum einen Vers 14 mit seiner Bemerkung »denn kostbar ist ihr Blut in seinen Augen«. Was wäre nicht alles gewonnen, wenn irdische Herrscher sich an diesem kleinen Sätzchen orientieren würden. Und zum anderen Vers 11 mit seinem Hinweis: »Ihm sollen huldigen alle Könige.« Unvorstellbar in einer Zeit, in der Machtkämpfe die Welt erschüttern.

    EVA BÖHME

    Vater unser, Herr über die Welt und über das Nichts; Gott für die Welt und gegen das Nichts, dein Wille geschehe wie im Himmel so auf Erden, damit dein Friede, deine Freiheit und dein Recht zu herrschen beginnen.

    Montag, 9. Januar

    Lukas 4,22–30

    »Der Prophet gilt nichts im eigenen Land«

    Jesus zieht durch Galiläa. Er wird bewundert, verehrt, geliebt. Viele ziehen ihm hinterher und sehen staunend auf seine Wunder. Aber da gibt es auch noch eine andere Seite: Die Menschen in seiner Heimatstadt kennen Jesus seit seiner Geburt. Sie kennen seine Familie, seine Kindheit. Sie wissen, wer er ist – zumindest glauben sie das. Ihr vermeintliches Wissen hat bei ihnen ein Bild von Jesus erzeugt, an dem sie festhalten. Diese »Tendenz zur Beharrung« ist ein menschliches Phänomen, von dem sich niemand freisprechen kann. In manchen Situationen ist es auch durchaus hilfreich, am einmal gewonnenen Eindruck festzuhalten. Aber in anderen Situationen erweist es sich als tückisch, wenn wir uns an unsere Vor-Urteile klammern. Denn sie machen uns blind für andere Aspekte und unfähig, Neues zu erkennen. Und wir vergessen, dass wir mit unseren eingeschränkten Fähigkeiten immer nur einen Zipfel der Wirklichkeit erhaschen können. Wie bei einem Eisberg, von dem immer nur etwa 10–15 % über Wasser sichtbar sind. Der Rest ist unter der Oberfläche verborgen. – Was passiert, wenn sich etwas ereignet, was nicht zu unserem Bild von dem anderen passt? Reagieren wir dann ähnlich sauer wie die Menschen in der Synagoge?

    Jesus kann in seiner Heimatstadt nichts bewirken, weil die Menschen so an ihrem Bild von ihm kleben, dass sie nichts Abweichendes akzeptieren wollen. – Wie geht es uns? Gerade wenn wir schon lange Christen sind, ist die Gefahr da, dass wir »alles schon kennen«. Sicher: Dinge wiederholen sich, auch Erfahrungen mit Gott – aber merken wir eigentlich, wie kreativ Gott mit uns umgeht? Er lässt sich immer Neues einfallen. Nehmen wir das wahr? Wo müssen wir neu lernen, genauer hinzusehen?

    CLAUDIA KOLTER

    Herr, mein Gott, wir danken dir, dass du uns in all unserer Schwachheit und Blindheit immer wieder neu anrühren willst. Öffne uns die Augen, wenn wir sie mit unserem »Wissen« und unseren Vor-Urteilen zugeklebt haben. Danke, Herr, dass du uns nicht aufgibst, sondern jeden Tag neu mit deiner Liebe beschenken willst.

    Dienstag, 10. Januar

    Lukas 4,32–37

    Stärke und Macht

    Jesus kann leise agieren, wenn er Aussätzige heilt und ihnen gebietet, niemandem davon zu erzählen außer den Priestern (Lk 5,14) – er kann aber auch ganz anders. In unserem heutigen Text tritt er machtvoll auf, gebieterisch, beinahe autoritär. So bedrohlich das sein kann, wenn Menschen so auftreten – bei Jesus finde ich das toll. Wenn die Stürme des Lebens um mich herum toben und mich wegzupusten drohen, wenn ich im Chaos versinke oder um mein Leben fürchte – wenn Jesus auf mich zukommt, meine Dämonen kraft- und machtvoll anherrscht und ihnen befiehlt abzuhauen, dann darf ich befreit aufatmen. Ich darf mich gerade aufrichten und nach vorne schauen. Ich darf mein Leben wieder tatkräftig in die Hand nehmen. Manchmal brauchen wir das: Jemand tritt zu uns, wenn wir mutlos, verzagt, deprimiert und kraftlos sind und keinen Ausweg sehen, und dann schüttelt er uns und reißt uns mit lauter Stimme aus unseren trüben Gedanken. Da ist manchmal Lautstärke angesagt, kein sanftes Säuseln.

    Jesus weiß genau, was ich gerade brauche. Niemand kennt uns besser als er. Er sorgt für mich so, dass ich wach werde, nach vorne (und nach oben!) blicken und mutig vorwärts gehen kann. Wenn wir eine solche Befreiung erleben, können wir auch davon erzählen wie die Leute im Text (V. 36f). Wir können Gott dankbar sein und anderen Menschen damit Mut machen, sich ebenfalls an ihn zu wenden. So tragen wir die Frohe Botschaft auch in Phasen unseres Lebens weiter, in denen uns ein leichtes Lob vielleicht schwerer über die Lippen kommt. Manchmal ist das glaubwürdiger als ein Lob in guten Zeiten, weil es uns und anderen zeigt, dass Gott auch in Krisen trägt.

    CLAUDIA KOLTER

    Herr, mein Gott, du bist Herr über die ganze Welt. Niemand und nichts kann uns aus deiner Hand reißen. Nicht Hölle, noch Tod, noch Teufel. Hab Dank dafür! Hilf uns, wenn wir in unserem Leben nicht ein noch aus wissen. Halte uns fest an deiner Hand, vertreibe unsere Dämonen und schenke uns Leben. Jetzt und in Ewigkeit.

    Mittwoch, 11. Januar

    Lukas 4,38–44

    »Kommt her zu mir alle, die ihr mühselig und beladen seid!«

    Jesus kommt nicht zur Ruhe. Nach einem langen erfüllten Tag will er zu Simon gehen und freut sich vielleicht schon auf einen entspannten Abend. Doch als er das Haus betritt, findet er Simons Schwiegermutter schwer krank vor und sieht sich umringt von Menschen, die ihn um Heilung für sie bitten. Was empfindet Jesus? Wir wissen es nicht. Getan hat er jedenfalls das, was die anderen von ihm erbeten haben: Er hat die Frau geheilt. Und sie hat sich erkenntlich gezeigt, indem sie Jesus und den anderen gedient hat. Aber damit nicht genug, nach Sonnenuntergang kommen viele andere noch dazu, die ihm ihre Kranken bringen. Auch am Abend hat Jesus also noch keine Ruhe.

    Anscheinend braucht Jesus als Mensch auch manchmal Stille. Die nimmt er sich, indem er am nächsten Morgen an einen einsamen Ort geht. Doch selbst hier ist er nicht lange für sich. Die Menschen haben nach ihm gesucht und sind ihm hinterhergeeilt. Was bislang gut war, wenn es um Heilung ging, und bei ihm auf offene Ohren und Hände gestoßen ist, verkehrt sich jetzt ins Gegenteil. Jetzt nämlich geht es den Menschen darum, Jesus festzuhalten und für ihre Zwecke einzuspannen. Aber Jesus ist nicht dazu da, sich für meine Ziele einspannen zu lassen. Jesus herrscht über die ganze Welt und will in seiner grenzenlosen Liebe allen Menschen Rettung und Heilung bringen.

    Wir dürfen jederzeit zu ihm kommen und ihm unsere Nöte und Sorgen klagen und Heilung von ihm erbitten. Auch nach einem langen Tag, auch zum hundertsten Mal. »Kommet her zu mir alle, die ihr mühselig und beladen seid« – das gilt jeden Tag neu. Aber Jesus lässt sich nicht an die Leine nehmen, nicht einsperren, nicht vor unseren Karren spannen. Er bleibt souverän und in seinen Entscheidungen frei.

    CLAUDIA KOLTER

    Herr, mein Gott, vielen Dank, dass du immer ein offenes Ohr für mich hast! Danke, dass ich jederzeit zu dir kommen und dir sagen kann, was mich bewegt! Ich brauche keine Angst zu haben, dass ich dir auf die Nerven gehe und du dich von mir abwendest.

    Donnerstag, 12. Januar

    Lukas 5,1–11

    »Fürchte dich nicht!«

    Ist das die richtige Überschrift für die Geschichte von der Berufung des Petrus? Sollte sie nicht eher heißen: »Mit Jesus zum Erfolg«? Läuft die Erzählung nicht darauf hinaus: Das Boot – überquellend voll mit Fischen? Auslegungen, die die Betonung so setzten, haben mich lange den Satz »Fürchte dich nicht!« kaum wahrnehmen lassen. Inzwischen ist er für mich zum Schlüssel für diese Geschichte geworden.

    »Fürchte dich nicht!« Was hat Petrus denn so erschreckt? »Herr, gehe von mir hinaus. Ich bin ein sündiger Mensch.« Dieser Schrecken, die Erkenntnis seiner selbst im Licht der Begegnung mit Jesus hat ihn erfasst. Erschöpft, müde war er gewesen, als Jesus in sein Boot einstieg und ihn bat, ein wenig auf den See hinauszufahren. Die Worte, die Petrus dann hörte, durchdrangen seine Müdigkeit, sie erreichten sein Herz, sie gewannen sein Zutrauen. Als Jesus ihn dann aufforderte, noch einmal hinauszufahren – dahin, wo es tief ist, und noch einmal die Netze auszuwerfen, widersprach das all seiner Berufserfahrung. Aber er tat es. »Auf dein Wort«, sagte er. Und dann diese Fülle! Es war die Fülle der Güte, die ihm von Jesus entgegenkam, die ihn überwältigte und auf die Knie warf. »Fürchte dich nicht!« Das ist die Antwort Jesu an Petrus, der sich ihm gegenüber als schwacher, fehlbarer Mensch erkennt.

    Ihm, der sich so erkennt im Angesicht der überquellenden Güte Gottes, sagt Jesus: »Von nun an wirst du Menschen fangen.« Ihm, der die Nacht der Vergeblichkeit kennt, ihm, der bereit ist, noch einmal hinauszufahren, die Arbeit und Mühe noch einmal auf sich zu nehmen, ihm, der die Fülle des Segens erlebt hat, ihm sagt Jesus nicht: »Von nun an wirst du immer erfolgreich sein.« Er sagt: »Fürchte dich nicht.«

    ELSBETH SÜSSEBECKER

    Gott, in deiner Treue hast du bis heute Menschen berufen, die die Botschaft von deiner Liebe weitergetragen und bezeugt haben. Dafür danken wir dir. Lass uns wie sie auf dein Wort vertrauen: »Fürchte dich nicht!«

    Freitag, 13. Januar

    Lukas 5,12–16

    Keine Berührungsängste

    »Das habe ich noch nie erlebt. Er hatte keine Angst vor mir. Er umarmte mich ohne Zögern, fest, ohne ein Wort zu sagen. Ich kam mir vor wie im Paradies.« So berichtet der 53-jährige Riva von seiner Begegnung mit Papst Franziskus bei einer Generalaudienz in Rom. Riva leidet seit seiner Kindheit an einer erblichen, aber nicht ansteckenden Krankheit. Sein ganzer Körper, sein Gesicht, seine Kopfhaut sind bedeckt mit Beulen. Er ist es gewohnt, dass Menschen vor ihm zurückweichen, vor ihm Angst haben. Aber Papst Franziskus war auf dem Petersplatz geradezu auf ihn zugegangen, um ihn, gerade ihn, zu umarmen. Es wird nicht erzählt, dass die Beulen verschwanden. Er hatte sich wie im Paradies gefühlt und dieses Gefühl ist geblieben.

    Für mich hat sich dieser Bericht unmittelbar verbunden mit der Begegnung Jesu mit dem Aussätzigen, von der Lukas erzählt. Was der Papst tat, war ungewöhnlich. Was Jesus tat, war in seiner Zeit unerhört. Er durchbrach den Bannkreis der Ächtung, der jeden Aussätzigen umgab. Aussätzig zu sein bedeutete nicht nur, unter der furchtbar zerstörerischen Krankheit zu leiden. Es bedeutete, ausgeschlossen zu sein aus der Familie, aus Dorf- und Gottesdienstgemeinschaft, ausgestoßen von Menschen und Gott. Es bedeutete nicht nur selbst unrein zu sein, sondern auch andere unrein zu machen. Deshalb: Keine Berührung! Jesus aber streckte die Hand aus nach dem, der es gewagt hatte, in seine Nähe zu kommen. Er rührte ihn an. Er sagte: »Ich will, sei rein.«

    Jesus ging es nicht darum zu zeigen, dass er über dem mosaischen Gesetz stand. Es ging ihm um den Menschen. Er schickte ihn zur priesterlichen Behörde, damit er wieder aufgenommen wurde in die menschliche Gemeinschaft. Jesus folgte in seinem Handeln dem höchsten aller Gebote, dem Gebot der Liebe. Sein Umgang mit Kranken, Ausgegrenzten, ja, Geächteten lässt uns bis heute darauf vertrauen, dass die Arme der Liebe Gottes weit ausgebreitet sind. Das kann uns ermutigen, uns den Ausgrenzungen unserer Zeit zu widersetzen.

    ELSBETH SÜSSEBECKER

    Gott, führe uns aus der Enge in die Weite, aus Misstrauen zum Zutrauen.

    Samstag, 14. Januar

    Lukas 5,17–26

    »Deine Sünden sind dir vergeben«

    Alle drei, Matthäus, Markus und Lukas erzählen diese Geschichte, jeder etwas anders. Lukas weist gleich am Anfang darauf hin, dass unter den Zuhörern Jesu Hüter von Schrift und Gesetz waren. Wie Markus erzählt er davon, wie einige Männer alles daran setzen, einen Gelähmten zu Jesus zu bringen und beinah am Gedränge daran scheitern. Schließlich lassen sie ihn durch das Dach vor die Füße Jesu herab. Auf diese Männer richtet sich Jesu Blick als erstes: Er sieht ihren Glauben. Sie vertrauen darauf, dass das Leiden ihres kranken Freundes heilbar ist, heilbar durch Jesus. Und Jesus wendet sich dem Gelähmten zu. Er sagt: »Mensch, deine Sünden sind dir vergeben.«

    Jesus hat sie alle im Blick, die da um ihn sitzen oder stehen, auch die Schriftgelehrten und Gesetzeshüter. Er spürt ihren Unmut, wie sie urteilen: Gotteslästerung. »Wer kann Sünden vergeben als allein Gott.« Und wenn Sündenvergebung, dann nach festen Regeln, und über die wachen sie. Jesus lässt sich nicht beirren. Ja, so verstehe ich ihn: Schuld und Krankheit gehören zum menschlichen Leben. Doch der, der alles Leben schenkt, will nicht, dass Krankheit und Schuld es in Fesseln legen. Sünde kann vergeben, Krankheit kann geheilt werden. Leben darf sich speisen und gestalten aus der schöpferischen und heilenden Kraft der Liebe Gottes. Jesus sagt dem Gelähmten: »Deine Sünden sind dir vergeben«, und er sagt ihm: »Steh auf, nimm dein Bett und geh heim.«

    Es wird beklagt, dass wir Christen die Gabe der Heilung verloren haben. Haben wir das? Jesus hat uns gelehrt zu beten: »Vergib uns unsere Schuld wie auch wir vergeben unsern Schuldigern.« Das steht für uns jeden Tag offen: Heilung zu erbitten und zu erfahren und Heilung zu bewirken, selbst dann, wenn eine Krankheit bleibt.

    ELSBETH SÜSSEBECKER

    Gott, dir sei Dank, dass nichts uns von deiner Liebe trennen kann – nicht Schuld, nicht Krankheit, nicht Tod.

    Sonntag, 15. Januar

    Psalm 4

    Gebet gegen die Vereinzelung

    »Ich bin mir keiner Schuld bewusst.« Mancher hat sich das schon am Abend gesagt und sich gefragt, warum er trotzdem so verwundet aus dem Tag herausgeht. Sich keiner Schuld bewusst zu sein und unbeschadet zu bleiben, das geht oft nicht zusammen. Immer häufiger gibt es auch in unserer Gesellschaft Menschen, die wissen, was es heißt, Feinde zu haben, sich nicht wehren zu können, niemanden zu haben, der sich für einen einsetzt.

    Wobei das mit dem Recht haben so eine Sache ist. Oft zitiert wird der Ausspruch »Recht haben oder leben«. Und da ist ja auch etwas dran. Manchmal ist es einfach sinnvoll, nicht länger zu kämpfen, auch nicht um das eigene Recht. Manchmal ist es einfach lebensdienlicher, Ungeklärtes ungeklärt sein zu lassen und sich dahin zu wenden, wo sich eine Entwicklungsmöglichkeit auftut.

    Nur, nehmen wir einmal an: Der Mann oder die Frau, die den Psalm ursprünglich gebetet hat, ist tatsächlich unschuldig. Er oder sie hat Feinde, gegen deren Lügen sie sich nicht zur Wehr setzen kann. Die Gefahr ist groß, das sie verzweifelt, sich aufgibt und früher oder später apathisch oder ganz einfach depressiv wird.

    Der Beter des 4. Psalms wählt einen anderen Weg. In der Situation der Vereinzelung und Vereinsamung intensiviert er seine Beziehung zu Gott. Nicht zu irgendeinem Gott, sondern zu dem Gott, der ihm zur Seite steht, ja, an seiner Seite steht. Was dadurch geschieht? Die Seele tritt aus ihrer Vereinzelung heraus. Der innere Mensch atmet Frieden und findet zur Ruhe. Weshalb der Psalm nach der Tradition auch am Abend gebetet wird und der letzte Vers, von Kurt Marti übersetzt, sich so liest: In Frieden schlaf ich, sobald ich mich niederlege. Denn wie einsam ich auch sein mag: Du (Gott) lässt mich sicher wohnen.

    EVA BÖHME

    Wunderbarer Gott, wie groß ist mein Wunsch, unbeschadet aus diesem Tag hervorzugehen. Dir sage ich meinen Wunsch und bitte: Was auch immer kommen mag: Steh mir bei.

    Montag, 16. Januar

    Lukas 5,27–32

    Darf der das?

    Mahlgemeinschaft – Jesus predigte mit Vollmacht und erregte dadurch Aufsehen; das ist den Leserinnen und Lesern des Lukasevangeliums schon bekannt, wenn sie in ihrer Lektüre bei der Geschichte von der Berufung des Levi angelangt sind. Jesus heilte in der Kraft Gottes und zog kranke Menschen in besonderer Weise an; auch das ist ihnen schon bekannt. Und dass die Sündenvergebung sowohl in Jesu Verkündigung als auch bei seinen Heilungen eine entscheidende Rolle spielte, auch das wissen sie bereits. Jetzt aber tut sich eine neue Dimension auf. Konnte man bisher annehmen, dass sich Jesus an grundlegende Ordnungen, wie sie für einen frommen Juden gültig waren, halten würde, so wird man in seiner Begegnung mit dem Zöllner Levi eines Besseren belehrt – oder eines Schlimmeren!?

    Jetzt fallen sozusagen die letzten Schranken. Nicht nur, dass Jesus einen Zöllner in seine Nachfolge beruft, einen Menschen also mit einem unehrenhaften Beruf, der immer neu sich an Gottes Weisungen versündigte, Jesus lässt sich vielmehr von Levi einladen, setzt sich mit ihm und seinesgleichen sogar an einen Tisch und hält mit ihnen Mahlgemeinschaft. Unerhört ist das und unsittlich, jedenfalls in den Augen der Hüter des Glaubens, als welche sich die Pharisäer und ihre Schriftgelehrten verstanden haben.

    Darf der das und dürfen seine Jünger das, sich gemein machen mit Zöllnern und Sündern? Geht das nicht zu weit? Jesus wehrt diese Fragen nicht ab; er beantwortet sie vielmehr, indem er auf das Ziel seiner Sendung durch Gott verweist: Sünder soll er rufen, dass sie Buße tun, also sich Gott wieder zuwenden. Wie anders aber kann man Menschen für Gott gewinnen, als indem man ihnen Gemeinschaft anbietet, anstatt sich von ihnen abzugrenzen. Jesus lässt sich zu Tisch bitten und hält Mahlgemeinschaft mit denen, die fern sind vom Reich Gottes. Wenn das nicht ein Beweis dafür ist, dass das Reich Gottes mit ihm nahe herbeigekommen ist!

    GÜNTER KNOLL

    Jesus Christus, Dank sei dir, dass du Gott so nahe gebracht hast und sich niemand von seinem Reich ausgeschlossen fühlen muss. Lass uns Mahlgemeinschaft feiern mit dir und mit allen, die du gerufen hast.

    Dienstag, 17. Januar

    Lukas 5,33–39

    Alles zu seiner Zeit

    Fasten – ist das ein guter Brauch? Nachdem es in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts ganz in den Hintergrund getreten, ja, beinahe verschwunden war, erlebt es gerade wieder eine Blütezeit. Viele Menschen fasten aus den unterschiedlichsten Gründen, und sie empfinden es trotz des Verzichts, der damit verbunden ist, als eine Wohltat für sich.

    Jesus wird in unserer Szene um eine Stellungnahme zum Fasten gebeten. Grund dafür ist die unterschiedliche Praxis von ihm selbst und seinem Jünger-Kreis gegenüber dem Jünger-Kreis des Täufers Johannes und den Pharisäer-Jüngern. Diese fasten und verbinden damit bestimmte Gebetsübungen, während Jesus mit seinen Jüngern sich dieser Sitte enthält. Warum? Jesu Antwort ist deutlich: Alles hat seine Zeit, auch das Fasten. Es kommt darauf an zu erkennen, was jetzt an der Zeit ist. Dabei bringt Jesus sich selbst und sein Kommen in diese Welt ins Spiel. Er tut es im Bild der Hochzeit, einer zu seiner Zeit verbreiteten Vorstellung für die messianische Heilszeit. Wenn der Messias da ist, dann ist Freudenzeit angesagt, dann muss gefeiert werden; das Fasten und andere Bußübungen braucht es da nicht. Vorher und nachher mag es angebracht sein, nicht aber in seiner Gegenwart. Wer Jesus als den erwarteten Messias ansieht – und das tun seine Jünger –, der wird nicht fasten, solange er da ist. Fasten tun diejenigen, die auf ihn warten als den Kommenden und als den Wiederkommenden.

    Freilich, Jesus als Messias zerbricht althergebrachte Vorstellungen. Mit ihm kommt so viel Neues, dass man aufpassen muss, dass man nicht meint, man könnte ihn in den althergebrachten Kategorien und Bräuchen fassen. Das Neue verlangt nach neuen Gefäßen: Neuen Wein soll man in neue Schläuche füllen, sonst verdirbt alles. Ob da alle mitmachen? Man muss immer auch mit denen rechnen, die lieber alles beim Alten lassen und dabei bleiben: Der alte Wein ist besser. Aber Widerstände sind zum Überwinden da.

    GÜNTER KNOLL

    Jesus Christus, du machst alles neu. Hol uns heraus aus Erstarrung und krampfhaftem Festhalten am Althergebrachten. Gib uns den Mut zum Aufbruch ins Neue.

    Mittwoch, 18. Januar

    Lukas 6,1–11

    Gott ehren am Sabbat

    Der Sabbat – Zielpunkt der Schöpfung, von Gott gesegnet und geheiligt. Damit ist die Voraussetzung benannt, unter der man diese zwei kleinen Geschichten von Jesu Wirken am Sabbat verstehen muss. Es geht in beiden Fällen um die Frage, was an diesem heiligen Tag erlaubt ist; es geht aber in einem tieferen Sinn um die Frage: Was will Gott von den Menschen, wenn er ihnen seinen Sohn, Jesus Christus, in die Welt sendet?

    Die erste Antwort lautet: Er will ihren Hunger stillen. »Es geschah an einem Sabbat«, so beginnen beide Geschichten. Hätten sich die Geschehnisse an einem anderen Tag ereignet, wäre kein Problem entstanden; so aber geht es ums Ganze der Sendung Jesu. Erlaubt Jesus seinen Jüngern, dass sie am Sabbat ihren

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