Taras düsteres Geheimnis: Gaslicht 45
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Harold Kent war ein Mann, dem ich einen Mord unter Umständen zutraute. Ich wußte, daß er mich haßte, weil ich indirekt Monicas Flucht ermöglicht hatte und seinen Einfluß auf Jackie verhinderte. Sehr sonderbar, daß er die drei Häuser, die ihm seine drei Ehefrauen hinterlassen hatten, verkauft hatte, um das Geld in seine Geschäfte zu stecken! Trotzdem, mehr als Mutmaßungen und Verdachtsmomente hatte ich nicht, es mangelte mir an schlagkräftigen Beweisen. Ich wußte nur eines sicher, nämlich, daß ich in Lebensgefahr schwebte!
Der Bus rumpelte über die texanische Landesgrenze nach New Mexico hinein, die landschaftliche Szenerie jedoch blieb unverändert: Soweit das Auge reichte flaches Grasland. Eine einsame Ölpumpe hob sich bizarr von dem öden Hintergrund ab und glich einem riesigen stählernen Geier, der den Boden mit seinem scharfen Schnabel bearbeitete.
Ich machte mir Gedanken über meine Situation und fragte mich, ob es gescheit gewesen war, einen zwar ziemlich langweiligen, aber doch sicheren Job als Sachbearbeiterin bei einer renommierten Versicherungsgesellschaft aufzugeben, um in diese abgelegene Gegend zu reisen und die Erziehung eines mir völlig fremden Kindes zu übernehmen. Diese Reise verdankte ich der Empfehlung eines jungen Mädchens, das ich während eines einwöchigen Urlaubs flüchtig kennengelernt hatte.
Es war ein besonderer Urlaub gewesen, ich hatte sozusagen meine Entlassung aus dem Waisenhaus gefeiert, in dem seit meinem achten Lebensjahr gelebt hatte, nachdem meine Mutter gestorben war.
Unsere Begegnung war wie eine Fügung des Schicksals gewesen. Weder sie noch ich waren je zuvor in Lake Lahon gewesen. Sie hatte ihr »Klein-Texas«, wie sie ihre Heimatstadt in New Mexico nannte,
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Taras düsteres Geheimnis - Georgia Shewmake
Gaslicht
– 45 –
Taras düsteres Geheimnis
Eine Frau, unberechenbar und gefährlich wie ein Vulkan
Georgia Shewmake
Harold Kent war ein Mann, dem ich einen Mord unter Umständen zutraute. Ich wußte, daß er mich haßte, weil ich indirekt Monicas Flucht ermöglicht hatte und seinen Einfluß auf Jackie verhinderte. Sehr sonderbar, daß er die drei Häuser, die ihm seine drei Ehefrauen hinterlassen hatten, verkauft hatte, um das Geld in seine Geschäfte zu stecken! Trotzdem, mehr als Mutmaßungen und Verdachtsmomente hatte ich nicht, es mangelte mir an schlagkräftigen Beweisen. Ich wußte nur eines sicher, nämlich, daß ich in Lebensgefahr schwebte!
Der Bus rumpelte über die texanische Landesgrenze nach New Mexico hinein, die landschaftliche Szenerie jedoch blieb unverändert: Soweit das Auge reichte flaches Grasland. Eine einsame Ölpumpe hob sich bizarr von dem öden Hintergrund ab und glich einem riesigen stählernen Geier, der den Boden mit seinem scharfen Schnabel bearbeitete.
Ich machte mir Gedanken über meine Situation und fragte mich, ob es gescheit gewesen war, einen zwar ziemlich langweiligen, aber doch sicheren Job als Sachbearbeiterin bei einer renommierten Versicherungsgesellschaft aufzugeben, um in diese abgelegene Gegend zu reisen und die Erziehung eines mir völlig fremden Kindes zu übernehmen. Diese Reise verdankte ich der Empfehlung eines jungen Mädchens, das ich während eines einwöchigen Urlaubs flüchtig kennengelernt hatte.
Es war ein besonderer Urlaub gewesen, ich hatte sozusagen meine Entlassung aus dem Waisenhaus gefeiert, in dem seit meinem achten Lebensjahr gelebt hatte, nachdem meine Mutter gestorben war.
Unsere Begegnung war wie eine Fügung des Schicksals gewesen. Weder sie noch ich waren je zuvor in Lake Lahon gewesen. Sie hatte ihr »Klein-Texas«, wie sie ihre Heimatstadt in New Mexico nannte, spontan verlassen und hatte sich in den nächstbesten Bus gesetzt, um sich einen lang verdienten Urlaub zu gönnen. Ich hatte mich zu dieser Urlaubswoche entschlossen, bevor ich auf Jobjagd gehen wollte.
Wir hatten uns während dieser einen Woche angefreundet. Monica hatte mir wenig von sich erzählt und fast nur von Jackie gesprochen. Jackies Mutter, Monicas Schwester, war kurz nach der Geburt des Kindes gestorben. Wenig später war Monica in das Haus ihres Schwagers gezogen, in dem noch eine Haushälterin und andere Verwandte lebten. Monica hatte sich bemüht, dem Kind die Mutter zu ersetzen.
Während der folgenden zwei Jahre hatten wir uns häufig geschrieben, und als dann der Brief kam, in dem sie mich bat, zu ihr zu kommen und ihr zu helfen, die kleine Jackie großzuziehen und dafür sogar ein kleines Gehalt zu beziehen, war ich überwältigt. Denn ich sehnte mich danach, in einer großen Familie zu leben.
Ich lehnte den Kopf an die Rückenlehne meines Sitzes und schloß die Augen. Die Busfahrt war lang und ermüdend. Irgendwann mußte ich eingeschlafen sein, denn ich schreckte jäh hoch, als der Bus sein Tempo verlangsamte und auf eine unscheinbare Haltestelle zurollte: Mein Ziel war erreicht.
Unschlüssig stand ich auf dem Bürgersteig. Zu beiden Seiten der Hauptstraße erstreckten sich Häuserreihen, meist lieblos zusammengekleisterte Blech- und Bretterbuden, die vermutlich im Zuge des Ölfiebers entstanden waren, das dem Städtchen zu unerwartetem Aufschwung verholfen hatte. Einige wenige feste Bauten aus Stein nahmen sich richtig modern dagegen aus. Außerdem gab es verschiedene Läden, einen Holzplatz, Baumaschinenvertretungen, Kesselbetriebe, Erfrischungsstände, Friseure und Spielhallen.
Monica hatte nicht geschrieben, wer zur Busstation kommen würde. Ich setzte meinen Koffer auf dem Bürgersteig ab. Das große Gepäck hatte ich aufgegeben. Es konnte nicht vor ein oder zwei Tagen ankommen. Als die goldene Nachmittagssonne mich wohlig erwärmte, freute ich mich auf die Ankunft in dem großen Herrenhaus, das Monica mir flüchtig in ihrem Brief beschrieben hatte – und natürlich auf das Wiedersehen mit meiner Freundin.
Nachdem ich eine Zeitlang geduldig gewartet hatte, kehrte ich zum Fahrkartenschalter zurück und fragte die Angestellte, ob für mich eine Nachricht hinterlegt worden war.
»Nein, Miß Terence«, antwortete sie, »ich weiß von keiner Nachricht. Erwarten Sie denn, abgeholt zu werden?«
»Ja, Monica Winslow oder jemand von den Rebellars wollte zur Busstation kommen.«
Überrascht sah ich, wie ihre Augen sich erschrocken weiteten, und dann bekreuzigte sich die Frau. »La Casa de la Desierto!« rief sie. »Nein, nein, von denen ist noch keiner hier gewesen!«
Sie entfernte sich eiligst. Bei der Snackbar redete sie in Spanisch auf das junge Mädchen ein, das hinter dem Tresen stand. Ich konnte mit meinem dürftigen Schulspanisch kein Wort verstehen. Da aber das junge Mädchen mehrmals in meine Richtung schaute, wußte ich, daß man über mich klatschte. Das machte mich schrecklich unsicher.
In dieser ungemütlichen Situation klopfte mir jemand auf die Schulter. Ich fuhr herum und starrte direkt in Monicas Gesicht. Sie sah unwahrscheinlich gut aus in ihrem roten Seidenkleid mit dem dazu passenden Stirnband, das ihre langen rabenschwarzen Haare wundervoll zur Geltung brachte. Hinter ihrem Rock versteckte sich ein kleines, etwa neunjähriges Mädchen mit glänzend schwarzem Haar, das offen und glatt bis auf die Schultern fiel.
»Jane, schön wie immer!« begrüßte mich Monica strahlend. »Bin ich froh, daß du gekommen bist! Ich hatte schon befürchtet, du würdest es dir anders überlegen und mich im letzten Moment sitzenlassen!«
»Nun, und ich hatte schon befürchtet, an der falschen Station ausgestiegen zu sein, denn als ich die Frau am Fahrkartenschalter fragte, ob für mich eine Nachricht hinterlassen worden war, reagierte sie sehr seltsam.«
»Ach, darauf mußt du nichts geben.« Monica sah mich prüfend von Kopf bis Fuß an und musterte längere Zeit mein windzerzaustes dunkelblondes Haar. »Wie ist’s dir denn so ergangen?«
»Es geht so. Ein bißchen angeödet.«
»Bist du nicht aufregenden Männern begegnet in dieser Versicherungsgesellschaft?«
»Aufregende Männer? Es hat keine gegeben!«
»Ach, ich würde alles darum geben, um in der Stadt leben zu können! Und du tust so, als wäre das eine ganz alltägliche Sache!«
»Zuerst dachte ich natürlich auch, nach dem Waisenhaus hätte ich mit der Stadt das große Los gezogen, aber mit der Zeit gewöhnt man sich an alles, Monica. Das ist eine Frage der Routine!«
»Für mich würde das nie zur Routine werden. Versetz’ dich mal in meine Lage. Ich bin sechsundzwanzig Jahre alt und versauere hier in der Wüste. Diese Situation rechtfertigt jede noch so drastische Aktion, meinst du nicht?«
Wenig später standen wir vor einem knallgelben Wagen der Mittelklasse.
»Ach ja«, sagte Monica plötzlich und deutete auf das kleine Mädchen, »das ist Jackie. Sie spricht nicht gerade viel.« Dann beugte sie sich zu Jackie herunter. »Und das, Jackie, ist Jane Terence, meine Freundin, von der ich dir schon so viel erzählt habe. Sie wird von nun an für dich sorgen, und du mußt ihr gehorchen, ja?«
»Ich freue mich, dich kennenzulernen, Jackie«, sagte ich, bekam aber keine Antwort, nur ein paar dunkle Augen starrten mich lange an.
»Sie braucht etwas Zeit, um sich an dich zu gewöhnen«, erklärte Monica. »Ach, Jane, es tut mir leid, daß es gerade heute sein muß, aber ich habe hier in der Stadt noch etwas zu erledigen. Ich werde später nachkommen. Jemand nimmt mich schon mit. Du kannst doch fahren, oder?«
»Ja«, sagte ich.
»Dann fahr die Hauptstraße hinunter und halte dich auf der Highway links, bis du an das Haus der de la Torres kommst. Du kannst es gar nicht verpassen, es ist das einzige Haus, das an der Straße liegt. Danach bieg nach rechts in die kleine Nebenstraße ein. Die führt direkt zur Casa de la Desierto. Das bedeutet ›Haus in der Wüste‹. Es ist ein altes spanisches Herrenhaus, das einzige wirklich große Haus, das an der Straße liegt, von hier aus etwa fünfzig Meilen entfernt… mindestens. Tja, jetzt muß ich mich aber sputen. Ich seh dich dann später, okay?« Sie streckte ihren Kopf durch das heruntergekurbelte Fenster der Fahrertür, nachdem ich hinter dem Steuer Platz genommen hatte. »Oh, Jane, du mußt wissen, daß ich dir das hoch anrechne. Du ahnst ja nicht, welchen Gefallen du mir tust.«
»Ich bin gern gekommen«, meinte ich.
»Das macht mich froh. Du wirst deinen Job sehr interessant finden.«
Mir kam dieser Abschied allmählich ziemlich lang und übersteigert vor, immerhin sahen wir uns doch in ein paar Stunden wieder!
Monica winkte zum Abschied und warf Jackie eine Kußhand zu. Dann sah sie unserem Wagen ernst nach.
*
Während der Fahrt warf ich hin und wieder einen Blick auf Jackie, die apathisch auf ihrem Sitz hockte. Mehrfach hatte ich versucht, eine kleine Unterhaltung in Gang zu bringen, allerdings ergebnislos. Jackie war ein bildhübsches Mädchen, zur gleichen Zeit aber so reserviert und verschlossen, daß man einfach Mitleid mit ihr haben mußte. Wie ihr Vater wohl war? Bestimmt hatte er seine Tochter sträflich vernachlässigt. Warum sonst wäre sie so unsicher und eingeschüchtert gewesen? Was war er wohl für ein Typ? Und warum hatte die Frau an der Busstation so merkwürdig reagiert, als ich die Rebellars erwähnte? Was war los mit dem »Haus in der Wüste«?
Auf der linken Straßenseite tauchten jetzt die Umrisse eines großen Hauses mit vielen kleinen Türmchen auf, eine mächtige graue Silhouette, die beim Näherkommen erkennen ließ, daß das Haus dringend einen neuen Anstrich gebraucht hätte. Die Sonne ging im Westen unter und schien sich fast hinter dem alten Gemäuer zu verstecken.
Als wir uns dem Haus näherten, entdeckte ich, daß es nicht direkt an der Straße lag, sondern recht weit davon entfernt. Ich überlegte, ob ich