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Der Golf: Wie das legendäre deutsche Auto geboren wurde. Ein fast wahrer Krimi
Der Golf: Wie das legendäre deutsche Auto geboren wurde. Ein fast wahrer Krimi
Der Golf: Wie das legendäre deutsche Auto geboren wurde. Ein fast wahrer Krimi
Ebook220 pages3 hours

Der Golf: Wie das legendäre deutsche Auto geboren wurde. Ein fast wahrer Krimi

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Der Golf ist mehr als einfach nur ein Auto, er ist eine Ikone. Als ein Meilenstein in der deutschen Nachkriegsgeschichte rettete er fast im Alleingang den VW-Konzern vor dem sicheren Ruin. Binnen kürzester Zeit wurde er zum beliebtesten Auto Deutschlands, stellte die Erfolge des legendären Käfers in den Schatten und avancierte zum Synonym für eine ganze Generation. Doch nur wenige kennen die Geschichte, die dahinter steckt, nämlich ein Wirtschaftsthriller, wie ihn das Deutschland des Kalten Krieges noch nie erlebt hatte. Wie konnten die mutlosen Entscheider n Wolfsburg, die nicht vom längst veralteten Käfer lassen wollten, von dem neuen Modell überzeugt werden? Wie stark waren ostdeutsche Ingenieure an den zentralen technischen Innovationen des Golfs beteiligt? Und wie viel Porsche steckte eigentlich im ersten Golf? Heiko Haupt verknüpft die noch weitgehend unbekannten Fakten der Golf-Entstehung mit der Lebensgeschichte der beteiligten Personen zu einem spannenden Wirtschaftskrimi im Deutschland der 1960er- und 1970er-Jahre. Nicht nur Golf-Fahrer werden dieses Buch nicht mehr aus der Hand legen können, bis die letzte Seite verschlungen ist und alle Geheimnisse gelüftet sind.
LanguageDeutsch
PublisherLago
Release dateMay 9, 2014
ISBN9783957620033
Der Golf: Wie das legendäre deutsche Auto geboren wurde. Ein fast wahrer Krimi

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    Book preview

    Der Golf - Heiko Haupt

    978-3-95761-002-7_4c_Hires.jpg36810.jpg

    Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://d-nb.de abrufbar.

    Für Fragen und Anregungen:

    golf@lago-verlag.de

    Originalausgabe

    1. Auflage 2014

    © 2014 by LAGO, ein Imprint der Münchner Verlagsgruppe GmbH,

    Nymphenburger Straße 86

    D-80636 München

    Tel.: 089 651285-0

    Fax: 089 652096

    Alle Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung und Verbreitung sowie der Übersetzung, vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme gespeichert, verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.

    Redaktion: Petra Holzmann, München

    Umschlaggestaltung: Marco Slowik, München

    Satz: Carsten Klein, München

    E-Book: Daniel Foerster, Belgern

    ISBN Print 978-3-95761-002-7

    ISBN E-Book (PDF) 978-3-95762-002-6

    ISBN E-Book (EPUB, Mobi) 978-3-95762-003-3

    Weitere Informationen zum Verlag finden Sie unter

    www.mvg-verlag.de

    Beachten Sie auch unsere weiteren Verlage unter

    www.muenchner-verlagsgruppe.de

    Inhalt

    Titel

    Impressum

    Inhalt

    Vorwort

    Prolog: Juni 1974

    Kapitel 1: Endzeit

    17. April 1968: Der Tod eines Königs

    24. Juni 1968: Hiobsbotschaft

    9. August 1968: Geräusche aus der Tiefe

    20. Juli 1969: Familienbande und Mondbesuche

    Kapitel 2: Endgültig

    2. Januar 1970: Von Formen und Intrigen

    14. April 1970: Walrosszähne

    16. Juli 1970: Der Verrat

    26. August 1970: Der Besuch der Telefonzelle

    8. April 1971: Scherbenhaufen

    13. September 1971: Der Wechsel

    Kapitel 3: Endspurt

    12. Oktober 1971: Entscheidungen

    17. Februar 1972: Die Feier des Tages

    7. April 1972: Dackelaugen

    1. Mai 1973: Simona und der Luchs

    25. November 1973: Auf der Flucht

    7. Juli 1974: Waterloo – Die letzte Schlacht

    Was danach geschah

    Was noch zu sagen wäre

    Vorwort

    Dieses Buch ist ein Roman, der auf tatsächlichen Ereignissen beruht. Aber es ist ein Roman. Das bedeutet, dass ein Großteil der beschriebenen Ereignisse so oder ähnlich tatsächlich stattgefunden hat. Allerdings nicht immer zum exakt gleichen Zeitpunkt oder in genau dieser Form.

    Die Geschichte über die Suche nach einem geeigneten VW Käfer-Nachfolger, die schließlich im VW Golf mündete, hat sich über nicht weniger als sechs Jahre hingezogen. Nachzulesen ist sie unter anderem in den Protokollen der wöchentlichen Vorstandssitzungen, die im Volkswagen-Archiv zu finden sind, in unzähligen Aufzeichnungen der Produktplanungskommission und in weiteren Dokumenten. Diese Geschichte genau so aufzuschreiben, wie sie tatsächlich abgelaufen ist, hätte bedeutet, den teils Monate und nicht selten Jahre dauernden Prozess schlichtweg zu dokumentieren; beispielsweise den, den die Form einer Rückleuchte vom ersten Entwurf bis zum endgültigen Modell durchlaufen hat. Oder darüber zu berichten, wie schier endlos über Pfennigbeträge sowie zwanzig verschiedene Vergaserentwürfe für ein bestimmtes Modell diskutiert worden war.

    Aus diesem Grund wurden bestimmte Vorgänge und Entscheidungen zusammengefasst. Das Wesentliche blieb erhalten, einige Fakten mussten entfallen. Zwar würden sich vielleicht einige wirkliche Golf-Enthusiasten an der Beschreibung des detaillierten Entscheidungsweges erfreuen, der am Ende dazu geführt hat, dass die Sitze des Golfs keine in die Lehnen integrierten Kopfstützen bekamen – doch Details wie diese würden den Rahmen dieses Buches sprengen.

    Apropos Namen: Auch hier musste sich die Realität in einigen Fällen dem Roman beugen. Die tatsächlichen Volkswagen-Lenker jener Ära haben sicher ähnliche Entscheidungen wie die Figuren in diesem Buch getroffen. Nur lässt sich heute natürlich nicht mehr feststellen, ob sie auch so gedacht und ob sie ihre Worte exakt so formuliert haben, wie es auf diesen Seiten wiedergegeben ist. Daher tragen sie auf den folgenden Seiten nicht immer ihre wahren Namen.

    Zweifelsfrei real existierende Personen sind dagegen die Mitarbeiter des Unternehmensarchivs, die das Studieren der historischen Vorstandsprotokolle und weiterer Dokumente des Volkswagen-Werks ermöglichten. Sie stellten wahre Berge von Papierordnern zur Verfügung und gewährten Einblick in die Unmengen mittlerweile elektronisch archivierten Zeugnisse jener Zeit. Vor allem aber warnten sie von Anfang an vor dem eigentlichen Problem, das ein Buch über die Entstehungsgeschichte des VW Golf darstellt: Dass nämlich der schiere Umfang der Informationen regelrecht erschlagend wirkt.

    Vor allem aus diesem Grund ist dieses Buch ein Roman geworden. Ein Roman, in dem Abteilungen wie Technische Entwicklung sowie Forschung & Entwicklung einfach zur TE zusammengefasst wurden, in dem man sich ohne viel Mühe auf ein geheimes Testgelände begibt, munter Arbeitsplätze und Verantwortlichkeiten wechselt oder sich problemlos frisch eingetroffene Designerskizzen eines Autos anschauen kann, das aus einem Wust von Entwicklungsaufträgen zum Projekt Blizzard und schließlich zum Welterfolg Golf avancierte.

    Prolog: Juni 1974

    Der Uhr lief. Henry Wolf starrte auf eine gelbe Eins, die im Bild erschien. Er wusste, was nun kam, nur wusste er nicht, wie es ausgehen würde. Zwei, drei – bei der Zehn hielt Wolf die Luft an. Die Elf registrierte er, ohne zu atmen. Jetzt wollte er nur noch die nächste Zahl sehen, mehr durften es nicht werden. Das Röhren des Motors kam näher, wurde lauter. Dann blieb der Zähler bei 12,1 Sekunden stehen. Geschafft, dachte er, während die angehaltene Luft zwischen seinen Lippen entwich und die Lunge ihre Arbeit wieder aufnahm.

    Erleichtert lehnte sich Henry Wolf zurück in die Polster seiner Wohnzimmercouch und sah weiter auf den Fernsehschirm, wo der Autotester den Wagen nun über Rüttelpisten und durch Wasserlöcher hetzte. Alles funktionierte reibungslos, keine Aussetzer, keine Probleme. Genau das hatte er erwartet und musste fast über seine eigene Anspannung lachen. Er wusste, dass alles funktionieren würde, schließlich hatten sie jedes Teil unzählige Male geprüft. Aber gerade der Beschleunigungstest war so wichtig. Nicht, weil es im Alltag irgendeine Bedeutung hatte, ob ein Auto in 12,1 oder 13,5 Sekunden aus dem Stand auf Tempo hundert beschleunigte, sondern weil die Stammtische genau diesen Wert besonders intensiv diskutieren würden.

    Außerdem wusste Wolf, dass an diesem Mittwoch die ganze Nation die Sendung verfolgte. Schließlich war diese in gleich mehrfacher Hinsicht ein Ereignis. Zum einen, weil wieder der beliebte Rainer Günzler ans Lenkrad griff. Der hatte sich eigentlich schon aus dem Moderatorenleben zurückgezogen, gab an diesem Tag aber sein Comeback, weil sein Nachfolger völlig betrunken in eine Polizeikontrolle geraten war und nun ohne Führerschein dastand.

    Und natürlich war dieser Autotest an sich eine Sensation. Zum ersten Mal wurde der neue VW Golf unter die Lupe genommen. Jenes Modell, das die schwächelnde Legende Käfer beerben und nebenbei auch noch den Weltkonzern Volkswagen retten sollte.

    Es könnte funktionieren, dachte er. Zum ersten Mal seit langer Zeit fühlte sich Henry Wolf befreit. Ein Test mit positivem Fazit vor Millionen von Fernsehzuschauern, dazu die begeisterten Rückmeldungen der Händler in den vergangenen Tagen. Vielleicht würde dieses kleine, kantige Auto wirklich das Unmögliche schaffen und das von Verlusten geplagte Unternehmen vor dem Ruin bewahren. Dann hätte sich die Mühe wirklich gelohnt. All die Jahre, in denen sie bis zur Erschöpfung schufteten, immer wieder neue Ideen ausbrüteten, sie vorantrieben – und schließlich verwarfen, um noch einmal ganz von vorne anzufangen.

    Bis eines Tages dieses eine Konzept entstand, an das sie fest glaubten. Und dann doch wieder nicht glauben mochten, weil bisher so viel schiefgegangen war. Sechs Jahre gab es dieses ewige Auf und Ab der Stimmungen. Seit dem Tag, an dem er von seiner neuen Aufgabe erfahren hatte – der Arbeit am Projekt Blizzard.

    Kapitel 1: Endzeit

    17. April 1968: Der Tod eines Königs

    Da, wo die Zukunft geplant werden sollte, lag ein Toter. Der ausgemergelte Körper des Verstorbenen ruhte auf einem weißen Mantel des Ordens der Ritter vom Heiligen Grabe. In Form einer Pyramide angeordnete Kerzen tauchten die Szenerie in ein warmes Licht. Als wäre das nicht genug der Inszenierung, unterstrich ein gutes Dutzend auf Kissen drapierter Orden die Bedeutung, die König Heinrich zu Lebzeiten hatte.

    Symbolträchtiger ging es wohl nicht, dachte Henry Wolf, als er sein Fahrrad abschloss. Warum mussten sie ihn ausgerechnet in der „Walhalla" aufbahren? Bis jetzt hatte er den Ort der Trauerfeier zwar noch nicht gesehen, aber genug von den Planungen gehört, um sich zu wundern. Kaum ein anderer Ort stand so sehr für den Fortschritt wie diese Walhalla genannte Halle. Hier wurde einigen wenigen Auserwählten präsentiert, was Designer und Ingenieure über Monate und Jahre hinweg entwickelt und ausgetüftelt hatten, wurden neue Konstruktionen und künftige Modelle erstmals vorgeführt. Nun hatten sie alles Neue beiseitegeräumt und hinter einem schwarzen Vorhang versteckt. Die Halle des Fortschritts war zu einem Symbol der Vergänglichkeit geworden. Als wolle man aller Welt sagen, dass mit dem Tod des Königs die Zukunft kein Thema mehr war.

    Ein Lachen riss Wolf aus seinen Gedanken. Während er die Tasche mit seiner Thermoskanne und der Brotdose vom Gepäckträger nahm, blickte er einer Gruppe junger Arbeiter nach, die sich gut gelaunt über ihre letzten Eroberungen unterhielten. Ein weiterer Mann ging fröhlich pfeifend an ihm vorbei.

    Es schien, als wäre er der Einzige hier, der düstere Gedanken über die Zukunft wälzte. Um ihn herum war kein Unterschied zu einem gewöhnlichen Arbeitstag festzustellen. Wie an jedem Morgen strömten Tausende zu Schichtbeginn über das Areal neben dem Bahnhof, sie kamen mit Bussen oder Zügen aus den Vororten und mit Fahrrädern aus den neu gebauten Vierteln der Stadt. Für die meisten von ihnen stellten die Arbeitsstunden nicht mehr als eine notwendige Unterbrechung ihrer Freizeit dar. Nichts, über das man sich Gedanken machte, nicht einmal dann, wenn man sich von einer Legende zu verabschieden hatte.

    Henry Wolf reihte sich in den Strom der Menschen ein, die mit eiligen Schritten die Betonstufen hinabstiegen, ging mit ihnen gemeinsam an den gefliesten Wänden des Fußgängertunnels entlang, über dem ruhig das Wasser des Mittellandkanals floss.

    Am Ende des Tunnels führten die Stufen hinauf zu den Pförtnerhäuschen und weiter ging es auf einem von gepflegten Rasenflächen und winzigen Hecken gesäumten Fußweg bis zu den Werkshallen. Obwohl er nun schon zwei Jahre hier arbeitete, erstaunte ihn der Anblick des Werkes an jedem Tag wieder. Die nicht enden wollende Front aus rotem Ziegelstein, die vier hoch aufragenden Schlote des Heizkraftwerks – nicht einschüchternd, aber mehr als eindrucksvoll.

    Erst jetzt fiel Henry auf, dass es doch einen Unterschied zu normalen Arbeitstagen gab: Fast jeder Mann trug seinen Sonntagsanzug, die Frauen ihre besten Kleider. Rund zehntausend Menschen drängten in das Werk, und es war unwahrscheinlich, dass sich später auch nur irgendwer an die Kleidung eines Einzelnen erinnern würde. Aber von König Heinrich wollte sich niemand in zerschlissener Freizeitkleidung verabschieden.

    Drinnen angelangt stutzte Henry, als jemand laut seinen Namen rief und mit wedelnden Armen auf sich aufmerksam machte. Rosi Hansen konnte einfach nicht anders. Seine Arbeitskollegin war immer in Bewegung und konnte kaum länger als ein paar Sekunden den Mund halten. Das war manchmal schwer zu ertragen, aber sie war mit einem Wesen gesegnet, das es schwer machte, sie nicht zu mögen. – Was manchen übersehen ließ, dass sie außerdem zu den klügsten Köpfen im gesamten Konzern zählte und als derzeit einziger weiblicher Ingenieur im Werk mehr als die meisten anderen von der Automobilproduktion verstand.

    Während sich die Prozession der Mitarbeiter langsam der Walhalla näherte, kam Rosi auf Henry zugestürzt, griff ihn am Ärmel des Jacketts und zog ihn mit sich. Als wäre es das Selbstverständlichste der Welt, führte sie Henry zu einem Platz weiter vorne in der Menschenschlange.

    Rosi Hansen schien an diesem Tag noch aufgeregter als sonst zu sein. „Die Nase hat einen Namen, flüsterte sie Henry ins Ohr. „Jedenfalls so was Ähnliches wie einen Namen: 411. Er schaute sie verdutzt an. Seit Monaten wurde über das derzeit größte Geheimnis des Werks getuschelt. Und obwohl das neue Auto in kaum acht Wochen vorgestellt werden sollte, wussten bisher nur wenige Eingeweihte, wie es aussah, und noch weniger, wie es denn heißen sollte.

    Henry und Rosi gehörten zu den Auserwählten, die „den Neuen schon gesehen hatten. Beide zählten zu dem Team, das die nötigen neuen Produktionsanlagen im Werk installierte. Und beide waren sich einig, dass es kaum die Mühe lohnte. Der Wagen, den sie einfach nur „die Nase nannten, würde eine Totgeburt werden. Henry zuckte bei dem Gedanken zusammen – der Begriff „Totgeburt" fühlte sich an diesem Tag am Eingang zur Halle mit dem aufgebahrten Heinrich Nordhoff unpassend an.

    Das änderte jedoch nichts an der Realität. Der Neue – der Hoffnungsträger und so lange erwartete Volkswagen – würde sang- und klanglos untergehen. Allein schon wegen der Form: Das Auto schien vor allem aus Nase zu bestehen, aus einer überlangen Motorhaube. Unter der sich allerdings kein Motor verbarg. Der saß, wie schon beim allerersten Käfer, im Heck, wurde mit Luft statt mit Wasser wie bei der immer erfolgreicheren Konkurrenz gekühlt. Hässliches Auto, veralteter Antrieb, das perfekte Rezept für einen Misserfolg. Rosi, Henry und viele andere waren sich seit Langem einig, dass etwas wirklich Neues her musste, wenn hier auch in zehn Jahren noch Menschen arbeiten sollten. Ewig würde man nicht mehr vom Erfolg der mittlerweile bereits dreißig Jahre alten Konstruktion des Käfers zehren können. Aber dieses neue Nasen-Auto dürfte nicht den erhofften neuen Schwung bringen.

    „Wieso wollen sie das Auto 411 nennen? Was soll das bedeuten?, fragte Henry. Rosi zuckte mit den Schultern. „Weiß kein Mensch. Vermutlich ist den hohen Herren mal wieder nichts eingefallen und sie haben einfach gewürfelt. Immerhin macht die 4 so etwas wie Sinn, dachte Henry. Der Neue war der Typ 4 – und damit erst das vierte Modell, das dieser Weltkonzern seit der Erfindung des Käfer genannten Typs 1 auf die Straßen brachte.

    Als Henry Wolf aufschaute, war er überrascht, als er direkt vor der Bahre stand. In das Gespräch mit Rosi vertieft, hatte die Prozession der Mitarbeiter die beiden mit sich gezogen, ohne dass er sich erinnern konnte, überhaupt einen Schritt getan zu haben. Da lag er also. Er, der einstige König Heinrich, den sie so lange schon als lebenden Toten bezeichnet hatten, war nun tatsächlich gestorben. Heinrich Nordhoff, der Mann, der aus den Nachkriegstrümmern in Wolfsburg den Volkswagen-Konzern aufgebaut und zum größten Unternehmen in der Bundesrepublik geformt hatte. Der aber im Alter zunehmend starrsinnig an Traditionen festhielt und sich dem Fortschritt weitgehend widersetzte, der die immer lauter werdenden Rufe nach einem nötigen Umdenken überhörte, weil er lieber am Käfer und dessen Verwandten festhielt. Nordhoff hatte Großes geschaffen, doch er verpasste jenen Punkt, an dem er die Arbeit Jüngeren und vor allem Gesünderen hätte überlassen sollen. Schon vor mehr als zehn Jahren begann seine lange Krankheitsgeschichte, im vergangenen Jahr erlitt er eine weitere schwere und folgenreiche Herzattacke. Zwar kehrte er noch einmal in sein Büro zurück, konnte aber kaum mehr sprechen und noch weniger hören. Nun hatte der Tod dem 69-Jährigen die Entscheidung zum Rücktritt abgenommen. Henry Wolf verneigte sich vor einem großen Mann, dem am Ende die Größe für notwendige Entscheidungen gefehlt hatte.

    Schweigend gingen Rosi und Henry zum Ausgang der Walhalla, als ein Mann auf sie zukam. „Herr Wolf? Henry Wolf? Könnte ich Sie bitte einen Moment sprechen?"

    „Sicher – obwohl ..."

    Rosi gab ihm mit einer Handbewegung zu verstehen, dass es in Ordnung sei, er wisse ja, wo er sie finde.

    „Herr Wolf, folgen Sie mir bitte."

    „Folgen? Wohin denn?"

    „Zum Hochhaus. Der Wagen wartet draußen."

    Damit hatte er nicht gerechnet. Das Hochhaus war weitgehend unbekanntes Land für Henry Wolf. Sein Reich waren die Hallen, die Produktionsanlagen. Der rechteckige Backsteinklotz am Rand des Werksgeländes galt als Heimat der Büromenschen – und des Vorstands, dessen Büros in den oberen Etagen untergebracht waren.

    „Entschuldigung, das passt jetzt eigentlich gar nicht. Ich habe hier noch einiges zu erledigen."

    „Das kann sicher noch eine Weile warten. Herr Witt bittet um Ihr Erscheinen."

    Noch eine Überraschung. Ein Besuch im Hochhaus war an sich schon ungewöhnlich. Aber dass Witt nach ihm suchen ließ, war nun die

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