Pia, von Beruf Rettungshund: Meine aufregendsten Einsätze
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About this ebook
Ich bin zum Einsatz als Trümmersuchhund im Erdbebengebiet um Fukushima nach Tokio geflogen, habe Vermisste gesucht und Lebensmüde gerettet.
Tag und Nacht stehen wir Rettungsteams auf Abruf bereit, um uns auf den Weg zu machen zu unseren spannenden Einsätzen im Kampf gegen die Zeit und für das Überleben.
Und das ist unsere Geschichte.
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Book preview
Pia, von Beruf Rettungshund - Stephan Heinz
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://d-nb.de abrufbar.
Für Fragen und Anregungen:
pia@mvg-verlag.de
1. Auflage 2013
© 2013 by mvg Verlag,
ein Imprint der Münchner Verlagsgruppe GmbH,
Nymphenburger Straße 86
D-80636 München
Tel.: 089 651285-0
Fax: 089 652096
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Zum Schutz der Persönlichkeit der Gesuchten wurden einige Namen und Orte im Buch verändert.
Redaktion: Birgit Walter, Augsburg
Umschlaggestaltung: Pamela Machleidt, München
Umschlagabbildungen: Mit freundlicher Genehmigung von: Peter Ring (Vorderseite) und Detlef Schneider (Rückseite)
Bilder Innenteil: Mit freundlicher Genehmigung von: Detlef Schneider und THW, Willi Willig (S. 4 unten) und Heike Müller (S. 8)
Satz: Carsten Klein, München
E-Book: Grafikstudio Foerster, Belgern
ISBN Print 978-3-86882-461-2
ISBN E-Book (PDF) 978-3-86415-495-9
ISBN E-Book (EPUB, Mobi) 978-3-86415-496-6
Weitere Informationen zum Verlag finden Sie unter
www.mvg-verlag.de
Beachten Sie auch unsere weiteren Verlage unter
www.muenchner-verlagsgruppe.de
Inhaltsverzeichnis
15613.jpgTitel
Impressum
Inhaltsverzeichnis
Kapitel 1 Wer ich bin, was ich mag und wie ich in Japan den Höhepunkt meiner Karriere erlebte
Kapitel 2 Wie mich der Bundesinnenminister kraulte, wie Stephan mich aussuchte und wie ich Rettungshund geworden bin
Kapitel 3 Warum die meisten Rettungshunde nie einen Menschen retten und wie ich das Glück hatte, einen Vermissten lebend zu finden
Kapitel 4 Wie mich mein Rettungshundbellen zur Schauspielerin machte
Kapitel 5 Wie ich einmal zu spät kam
Kapitel 6 Wie ich half, einen Selbstmord zu verhindern
Kapitel 7 Wie ich einen Nackten im Wald suchte
Kapitel 8 Die alte Frau aus dem Harz, die spazieren ging und nie wieder auftauchte
Kapitel 9 Die »Europameisterschaft« der Rettungshunde in Tschechien
Kapitel 10 Der Teenager, der auf Inlineskates in die Nacht fuhr und verschwand
Kapitel 11 Mantrailer – meine neuen Schnüffelkollegen
Kapitel 12 Verschollen im Stollen
Kapitel 13 Wie ich einen Drogenspürhund traf und im Fernsehstudio einen Vermissten suchte
Kapitel 14 Linus und Minx – meine Geschwister und Nachfolger
Kapitel 15 Rettungshundezukunft
Nachruf
Danksagung von Stephan Heinz
Rettungshundeführende Organisationen (Kontakt über die Internetseiten)
Kapitel 1
Wer ich bin, was ich mag und wie ich in Japan den Höhepunkt meiner Karriere erlebte
12034.pngBequemer geht es nicht. Meine Augen sind geschlossen, und ich döse. Lang ausgestreckt, auf dem Kabinenboden, vor den Notausgängen. Meinen Kopf habe ich auf das kleine Kissen gebettet, das die Stewardess mir gebracht hat, denn natürlich will ich sofort das Geschehen verfolgen, wenn ich nach einem Nickerchen die Augen öffne. Bin schließlich ein Kontrollfreak. Wasser ist mir auch schon serviert worden. Zuerst Wasser mit Kohlensäure, igitt! Das kribbelt auf der Zunge, das ist nur was für Menschen. Also haben wir es der Stewardess zurückgegeben und neues bestellt. Stewardessen scheinen in derselben Liga zu spielen wie ich, auch wenn sie zwei Beine weniger haben. Sie erhalten Anweisungen, die sie befolgen müssen und wenn sie etwas nicht richtig machen, dürfen sie korrigiert werden. Oder habe ich das falsch verstanden? Ich studiere das menschliche Verhalten ja schon seit meiner Geburt, doch Überraschungen erlebe ich immer wieder. Hunde sind eben viel berechenbarer als Menschen. Jedenfalls steht nun Wasser ohne Kohlensäure vor mir. Es ist nur ein kleiner Napf, denn wir müssen ja noch längere Zeit in diesem engen, schmalen Raum verbringen, und es scheint keine Aussicht auf eine »Freilufttoilette« zu geben. Also lieber wenig trinken.
Übrigens, mein Name ist Pia. Und »wir«, das sind mein Chef Stephan und ich. Ich nenne ihn Chef, weil »Herrchen« für mich unpassend klingt. Ich möchte ja auch nicht als »Hundchen« bezeichnet werden. Hoffentlich denkt jetzt keiner, ich sei kompliziert! Ich bin eine ganz normale Hündin, etwa menschenkniehoch mit schwarzem, glänzendem Fell. Meine Rasse wird von euch als Labrador bezeichnet und viele denken, wir sähen besonders »süß« aus. Na wenn ihr meint … Mir ist die Optik nicht so wichtig. Ihr seht besser in Farbe, ich sehe besser auf Entfernung. Mein größtes Kapital liegt ohnehin unterhalb der Augen. Es ist dunkel, immer ein wenig feucht und kalt und hat zwei Löcher. Meine Nase zerlegt das, was Menschen als Geruch bezeichnen, in zahllose Duftmoleküle, die mein Riechhirn mit Informationen versorgen. Dieser Bereich des Gehirns ist bei Hunden fünfmal so groß wie beim Menschen. Anders gesagt: Hundenasen können Gerüche etwa tausendmal besser wahrnehmen als Menschennasen. Also kann mir nicht einmal ein Parfümtester etwas vormachen …
Wäre ich nicht unterwegs, würde ich an einem Samstagnachmittag wie diesem mit meiner Familie einen Ausflug machen oder im Garten Ball spielen. Oder – und das ist der Teil, der an meinem Hundeleben außergewöhnlich ist – ich würde mich fortbilden. Nein, ich bin kein Hund, der Blinden den Weg weist, wie ihr jetzt vielleicht denkt. Meine Aufgabe ist es, verschwundene Menschen zu finden und sie zu retten. Dafür braucht Hund nicht nur die erwähnte gute Nase, sondern muss auch ständig trainieren. Fitnessstudios für Hunde wie mich liegen normalerweise unter freiem Himmel. Meistens sind es spezielle Übungsgelände, manchmal aber auch Gelände, die uns zwischen zwei Abrissphasen für ein paar Tage oder sogar Wochen zur Verfügung gestellt werden. Meinem Chef gefällt die letzte Abrissphase am besten: Wenn ein Gebäude – Originalton Stephan – »gerade komplett kaputt geschmissen worden ist und die Trümmer kreuz und quer übereinander liegen«. Dann herrschten fast die gleichen Bedingungen wie nach einem Erdbeben oder einer Gasexplosion, sagt er. Mein Chef und ich haben viel Spaß beim Training, aber wir machen das selbstverständlich nicht zum Vergnügen, sondern proben für den Ernstfall. Womit wir wieder bei unserer aktuellen Lage sind, denn dies ist ein Ernstfall. Der größte anzunehmende überhaupt – ein Einsatz im Ausland. In Japan, am anderen Ende der Welt hat die Erde gebebt. Im Fernsehen sagen sie: So schlimm wie lange nicht mehr.
Ich bin zwar schon acht Jahre alt, also im besten Rettungshundealter, aber in einem Flugzeug war ich noch nie. Und nun geht es gleich bis nach Tokio! Das scheint viel weiter weg zu sein als Mallorca oder Teneriffa, wo die Hunde aus der Nachbarschaft mit ihren Familien Urlaub machen. Angst habe ich aber keine. Wenn Stephan, mein Chef, bei mir ist, habe ich eigentlich nie Angst – egal, ob es um mich herum blitzt, donnert oder knallt. Wenn er entspannt ist, bin ich es auch. »Normalerweise dürfen Hunde das nicht«, sagt Stephan, während er sich zu mir hinunterbeugt und meinen Nacken krault. Er weiß genau, dass ich nicht sprechen kann wie er, und trotzdem unterhält er sich oft mit mir. Ich blicke ihn fragend an, obwohl ich schon ahne, worauf er hinauswill. Schließlich kennt niemand Stephan besser als ich. Und mich kennt niemand besser als Stephan. »Wenn du nicht deinen VIP-Status hättest, könntest du hier nicht so lässig liegen«, erklärt er und zwinkert mir zu. »Du müsstest in deiner Transportbox im Frachtraum reisen. Und nach der Landung würden dich die Japaner mindestens zwei Wochen lang in Quarantäne stecken.« Allein in meiner Box zu sein, gefällt mir nicht besonders gut. Und wenn dann auch noch jemand seine Hand durch die Stäbe streckt, weil er meint, er müsse mich streicheln, dann werde ich bissig. Rettungshund hin oder her – das darf nur Stephan. Nicht umsonst hat mein Chef vier Sticker mit Stoppschildern an die Box geklebt – zwei oben für die Erwachsenen, zwei unten für Kinder. Ich mag Kinder, doch wenn Eltern ihnen vermitteln, Labradore seien so was wie lebendige Teddybären, dann können sie ganz schön nerven. Und überhaupt: Warum gehen so viele Menschen davon aus, dass Hunde zu jeder Zeit gerne gestreichelt werden? Bevor zwei Menschen sich untereinander streicheln, müssen sie sich doch auch erst mal näherkommen und den richtigen Augenblick erwischen …
In Quarantäne gesteckt zu werden, erscheint mir allerdings fast noch schlimmer, als Streicheleinheiten aufgezwungen zu bekommen. Qua-ran-tä-ne – allein das Wort klingt wie abgelaufenes Trockenfutter! Wie ich gehört habe, lebt Hund dabei allein in einem Raum, darf nicht mit anderen spielen, bekommt merkwürdige Dinge zu fressen und langweilt sich zu Tode. Wie schrecklich! Da bin ich lieber bei meinem Chef und weiß, was mich erwartet. Wo Stephan mit mir hingeht, gibt es keine Quarantäne. Dafür jede Menge Freiheit und Abenteuer. Wir haben schon viel zusammen erlebt, und mein Instinkt sagt mir, dass die Reise nach Japan ein neuer Höhepunkt unserer Karriere werden könnte.
Der Flughafen, von dem wir vor gestartet sind, heißt Frankfurt-Hahn, liegt aber nicht in Frankfurt, sondern in einer hügeligen Gegend, in der viel weniger Menschen und noch viel weniger Hunde leben. Die Fahrt dorthin war relativ kurz, also scheint der Flughafen in der Nähe des Hauses in Lahnstein zu liegen, in dem wir – Stephan, Anne, mein Bruder Linus, der Kater Lutz und ich – wohnen. Linus stammt zwar von einem anderen Züchter, ich nenne ihn aber trotzdem Bruder, weil wir in der gleichen Familie leben. Gestern hat Stephan eine Notfall-SMS erhalten, und obwohl er sicher insgeheim damit gerechnet hat, spürte ich, wie aufgeregt er war. Wenn irgendwo auf der Welt eine Katastrophe passiert, kann es nämlich immer sein, dass Stephan und ich gerufen werden, um den Menschen zu helfen. Auf Stephans Fernseher liefen seit gestern pausenlos Sondersendungen über Japan. Überall eingestürzte und überflutete Häuser. Und Autos, die im plötzlich im Meer schwimmen wie die Gummibälle, die Stephan mir manchmal zum Apportieren in den See wirft. »Da müssen wir hin, Pia«, hat Stephan zu mir gesagt und dabei mit seinen Fingernägeln gespielt. Das macht er immer, wenn er aufgeregt ist. Ich beobachte genau, wie Stephan sich im Alltag verhält: Wie er steht, sitzt, läuft – und wie sich seine Stimme anhört. Sobald sich etwas ändert, fällt es mir auf.
Mit Nachnamen heißt Stephan so wie manche Zweibeiner mit Vornamen: Heinz. Er arbeitet beim Technischen Hilfswerk, von den meisten Menschen kurz THW genannt, im Büro. Und in seiner Freizeit ist er Gruppenführer der Biologischen Ortung. So wird in der THW-Sprache die Rettungshundestaffel genannt. Wenn Stephan nicht arbeitet, sind wir fast immer zusammen unterwegs. Meistens sind auch noch Anne und Linus dabei. Linus ist von Anne ebenfalls als Rettungshund ausgebildet worden. Er schnüffelt aber nicht für das THW, sondern für die Freiwillige Feuerwehr, und wenn er groß ist, würde er auch gerne mal im Ausland arbeiten.
Jedes Wochenende treffen Stephan und ich uns mit anderen Rettungshundeteams und üben, wie man Menschen findet, die sich verlaufen haben oder verschüttet worden sind. Wenn Stephan bei einer Bank, als Lehrer oder als Maler arbeiten würde, müsste er sich die Zeit für sein Hobby noch besser einteilen. Als Rettungshundeführer muss er nämlich permanent erreichbar und von einer Minute auf die andere einsatzbereit sein. Stephans Handy und sein Piepser sind immer eingeschaltet – das ganze Jahr über, jeden Tag, jede Minute, egal, ob Weihnachten oder Ostern ist, ob Stephan schläft oder einen Arzttermin hat »Wie bei einem Herzschrittmacher«, sagt Stephan, »den kannst du auch nicht ablegen oder zwischendurch ausschalten.« Einsätze