Tagebuch der Danmark-Expedition 1906-1908
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Die Bekanntschaft mit der überwältigenden Natur Grönlands, ihrer Schönheit, aber auch Härte, ihren wissenschaftlichen Problemen hat einen bleibenden Einfluß auf Wegener gehabt. Seine Tagebücher zeigen, wie tief er die Romantik der Schlittenreisen in der Winternacht und die großartigen Landschaftsbilder im hohen Norden genossen hat und dabei Erfahrungen sammelte, um sie auf späteren Expeditionen in Polargebiete anzuwenden. Sie vermitteln ein lebhaftes Bild von Wegeners Leben in Grönland.
Alfred Wegener
Alfred Wegener wurde 1880 als Sohn eines märkischen Geistlichen in Berlin geboren. Er studierte Astronomie, Physik und Meteorologie in Heidelberg, Berlin und Innsbruck. Schon als Student trieb es ihn, seine Wissenschaft praktisch im Freien zu erproben. Mit Ballonfahrten fing es an; 1906-08 nahm er als Meteorologe an der dänischen Grönlandexpedition von Mylius-Erichsen teil; 1912-13 durchquerte er Grönland zusammen mit Hauptmann Koch. Daneben veröffentlichte er schon Anfang 1912 den ersten Entwurf seiner Verschiebungstheorie der Kontinente. Im Herbst 1913 heiratete er Else Koppen, die Tochter des Meteorologen der Deutschen Seewarte in Hamburg, und ließ sich als Privatdozent in Marburg nieder. 1914 wurde er Soldat und war ab 1916 Leiter mehrerer militärischer Wetterwarten. 1919 wurde er Nachfolger seines Schwiegervaters in Hamburg, 1924 Professor für Meteorologie in Graz. 1930 zog er als Leiter einer großen deutschen Expedition noch einmal nach Grönland, wo er den unerhörten Anstrengungen einer Schlittenreise von Station Eismitte, 400 km vom Rande des Inlandeises entfernt, zur Weststation erlag. Im ewigen Eis hat ihm sein Inuit-Begleiter das Grab gegraben.
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Tagebuch der Danmark-Expedition 1906-1908 - Alfred Wegener
Wichtige Routen und Stationen von Grönland-Expeditionen
Vorwort
Im Jahre 1906 erfuhr der damals 26jährige Alfred Wegener, daß eine dänische Expedition für zwei Jahre nach Nordostgrönland gehen wollte. Kurz entschlossen fuhr er nach Kopenhagen, bot dem Leiter der Unternehmung, dem Schriftsteller Mylius-Erichsen, an, als Meteorologe mitzugehen und wurde angenommen. Das Hauptziel der Reise war die Kartographierung der Küste von Kap Bismarck (77 Grad nördlicher Breite), bis wohin die deutsche Germania-Expedition im Jahre 1870 von Süden her vorgedrungen war, bis Kap Bridgman (83 Grad nördlicher Breite), das der Amerikaner Peary 1900 von Norden her erreicht hatte. Das Expeditionsschiff, die »Danmark«, sollte versuchen, durch das Eis der Grönlandsee bis Kap Bismarck vorzudringen und dort eine Station zu errichten, an der meteorologische und hydrologische Beobachtungen sowie botanische, zoologische, geologische, glaziologische und ethnographische Untersuchungen gemacht werden sollten. Von dort aus waren Schlittenreisen nach Norden und, wenn möglich, auch ins Innere Grönlands geplant. Neben den beiden Kartographen, den Premierleutnants Koch und Hagen, nahmen außer Wegener noch fünf Wissenschaftler und zwei Kunstmaler teil, die alle während der Überfahrt neben den Seeleuten als Leichtmatrosen arbeiteten.
Als Alfred Wegener hochbefriedigt von seinen Abmachungen aus Kopenhagen zurückkehrte und seinen Eltern seine Absicht mitteilte, an einer Grönlandexpedition teilzunehmen, machte sein Vater kein Hehl aus seinem Entsetzen über diesen Entschluß. Der alte Philologe hatte schon mit Unwillen von den wagemutigen Ballonfahrten seiner Söhne gehört. War Kurt doch sogar einmal über die Nordsee nach England geflogen! Seiner Meinung nach war es Zeit, daß die beiden sich nach einer pensionsberechtigten Stelle umsahen und einen Hausstand gründeten, statt auf Forschungsreisen zu gehen. Als er aber einsah, daß er Alfred nicht von seinem Entschluß abbringen konnte, half er ihm, so gut er konnte, die finanziellen Schwierigkeiten bei der Beschaffung der wissenschaftlichen und persönlichen Ausrüstung durch Vorschüsse zu überwinden. Das Nicht verstehen blieb.
Wegener wollte in Grönland die Atmosphäre mit Drachen und Ballons erforschen, wie er es in Lindenberg gelernt hatte, und wandte sich um Überlassung der nötigen Geräte und Instrumente an die zuständigen Institute. Er hatte während seiner Assistentenzeit am Aeronautischen Observatorium eine Anzahl Aufsätze über Erscheinungen in den oberen Luftschichten veröffentlicht und war daher in meteorologischen Fachkreisen kein Unbekannter mehr. So schrieb er auch an den Leiter der Drachenstation in Großborstel bei Hamburg, Professor Dr. Koppen:
Lindenberg, den 28. März 1906
Hochverehrter Herr Professor!
Ich werde an der Polarexpedition von Mylius-Erichsen (nach Ostgrönland) als Meteorologe und Physiker teilnehmen und beabsichtige, dort auch Drachen- und Ballonaufstiege auszuführen. Bei der Kürze der Zeit (die Expedition bricht Ende Juni von Kopenhagen auf) und der Knappheit der Mittel ist es mir aber nur dann möglich, dies Programm durchzuführen, wenn ich von seiten der hier in Frage kommenden Institute eine weitgehende Unterstützung finde. Ich erlaube mir daher die Anfrage, ob Sie geneigt wären, mir einige Drachen Ihres Systems gegen eine billige Bezahlung zu überlassen oder neu zu bauen. In betreff des Baues einer Drachenwinde … sowie über das ganze Arbeitsprogramm hoffe ich mir Ihren Rat noch persönlich einholen zu können.
Indem ich Sie bitte, diese Belästigung meinem lebhaften Wunsche, das aerologische Programm der Expedition zu einem befriedigenden Ende zu führen, zugute halten wollen, bin ich in vorzüglicher Hochachtung
Ihr sehr ergebener
Dr. A. Wegener
Dieser Brief rief die ganze stets wache Hilfsbereitschaft des alten Gelehrten für den jungen Wissenschaftler auf, der hier der Meteorologie ganz neue Gebiete erschließen wollte. Er leitete eine jahrzehntelange Zusammenarbeit und Freundschaft zwischen dem 60 jährigen und dem um 35 Jahre Jüngeren ein, den es hinaustrieb ins Neue, Unbekannte.
Die Bekanntschaft mit der Natur Grönlands, ihrer Schönheit, ihrer Härte, ihren wissenschaftlichen Problemen hat einen bleibenden Einfluß auf Alfred Wegener gehabt. Seine Tagebücher zeigen, wie tief er die Romantik der Schlittenreisen in der Winternacht und die großartigen Landschaftsbilder im hohen Norden genossen hat, dabei immer darauf bedacht, Erfahrungen zu sammeln und die Technik des Reisens in Polargebieten zu erlernen, um sie auf späteren Expeditionen zu verwerten. Sie geben ein lebhaftes Bild seines Lebens in Grönland.
Nach der Rückkehr aus Grönland bearbeitete Alfred Wegener mit einigen Mitarbeitern in den nächsten drei Jahren die Ergebnisse seiner Beobachtungen, die in den Meddelelser om Grönland erschienen: Danmark-Ekspeditionen til Grönlands Nordöstkyst 1906-1908, Bd. 2.
Else Wegener
Alfred Wegener im Jahr 1906
AUS ALFRED WEGENERS TAGEBUCH AUF DER
DANMARK-EXPEDITION 1906-1908
24. Juni 1906. Die Abfahrt aus Kopenhagen fand unter nicht endenwollendem Jubel der Zuschauer statt. Ob man auch so jubeln wird, wenn wir zurückkommen? Meine Eltern standen in dem dichten Menschenknäuel auf der Langelinje. Gesehen habe ich sie nicht mehr. Ich teile die Kajüte mit Premierleutnant Koch, dem Kartographen, der gut Deutsch spricht. Meine Unkenntnis der dänischen Sprache ist doch sehr lästig. Ich verstehe einstweilen von der Unterhaltung kein Wort und sitze dabei wie ein Tauber. Auch das ganze Leben an Bord wird dadurch erschwert … – Alles ist nun in Wachen eingeteilt, sowohl Seeleute wie Wissenschaftler. Ich gehöre mit Koch zur zweiten Wache. Wir haben immer vier Stunden Wache, vier Stunden Freizeit. Während der Wache müssen wir körperlich stramm arbeiten, so daß man am besten tut, die Freiwache zum Schlafen zu verwenden.
8. Juli. Ich bin sehr erfreut darüber, daß ich gar nicht seekrank werde. In der ersten Zeit fühlte ich mich dauernd etwas unbehaglich, habe aber niemals eine Wache oder eine Mahlzeit zu versäumen brauchen. Und dabei arbeitet das Schiff so, daß wirklich alles, was nicht niet- und nagelfest ist, durcheinanderpurzelt. Die Mahlzeiten werden meist freihändig, nicht am Tisch eingenommen. Jetzt verursachen mir auch die heftigsten Bewegungen des Schiffes nicht die Spur mehr von Unbehagen.
11. Juli. Ich muß jetzt beginnen, meine Mitarbeiter mit den meteorologischen Instrumenten bekanntzumachen. Gestern habe ich Peter Freuchen (Medizinstudent) das Anemometer gezeigt und mit