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Jesus findet Muslime: 21 schicksalhafte Lebenswenden
Jesus findet Muslime: 21 schicksalhafte Lebenswenden
Jesus findet Muslime: 21 schicksalhafte Lebenswenden
Ebook309 pages4 hours

Jesus findet Muslime: 21 schicksalhafte Lebenswenden

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About this ebook

Enat lebt mit seiner Familie in Niger. Er ist einfacher Händler und ein guter Moslem, der täglich in der Moschee seine Gebete verrichtet. Als er eines Vormittags in seinem Hof sitzt, marschieren plötzlich 40 weißgewandete Männer durchs Tor. Enat weiß kaum, wie ihm geschieht, als ein hell strahlender Mann aus der Gruppe hervortritt, ihn anlächelt und ihm Brot und Wasser reicht. In diesem Moment versteht er: Jesus ist zu ihm gekommen. Und mit ihm Vergebung, Heilung und Liebe. Christiane Ratz war 2011 als Videojournalistin in Westafrika unterwegs, als ihr zum ersten Mal ehemalige Muslime begegneten, denen Jesus sich sichtbar in einem Traum oder einer Vision gezeigt hatte. Sie hörte, dass solche Offenbarungen keine Einzelfälle sind und hat sich für dieses Buchprojekt auf die Suche nach Menschen mit ähnlichen Erfahrungen gemacht. Dafür ist sie nach Afrika in muslimisch geprägte Länder am Rande der Sahara gereist. Darüber hinaus hat sie als TV-Autorin in Deutschland in den vergangenen zwei Jahren aus dem Nahen und Fernen Osten stammende, aus dem Islam konvertierte und deshalb verfolgte Christen (Pakistan, Jordanien, Türkei, Iran) interviewt. Einige dieser Geschichten sind ebenfalls in dieses Buch eingeflossen. Bewegende und beeindruckende Zeugnisse von Muslimen, die Jesus auf übernatürliche Weise begegnen – und für ihre Entscheidung für ihn einen hohen Preis zahlen.
LanguageDeutsch
PublisherBrendow, J
Release dateSep 25, 2017
ISBN9783961400102
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    Book preview

    Jesus findet Muslime - Christiane Ratz

    CHRISTIANE RATZ

    J E S U S

    F I N D E T

    MUSLIME

    21 schicksalhafte

    L e b e n s w e n d e n

    Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

    Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

    ISBN 978-3-96140-010-2

    © 2017 by Joh. Brendow & Sohn Verlag GmbH, Moers

    Einbandgestaltung: Brendow Verlag, Moers

    Titelfoto: fotolia t

    0

     

    m

    15

    Satz: Brendow Web & Print, Moers

    E-Book

    -Herstellung: Zeilenwert GmbH 2017

    www.brendow-verlag.de

    Für Amos und Priscilla

    „Gott gebe euch erleuchtete Augen des Herzens."

    Paulus

    Der Traum des agè Tuareg

    Ich lag und schlief,

    dort unter meinem weißen Zelt.

    Ich lag auf der rechten Seite,

    wo mein Herz schlägt.

    Ich sah,

    aus dem Süden kam ein Mann zu mir.

    Ich wusste es sofort:

    Es ist ER,

    ganz sicher.

    Er trägt ein Schwert,

    lang und scharf.

    Ich bin des Todes,

    ganz sicher.

    Ich habe Angst

    und springe auf.

    Werfe das Leintuch weg,

    mein Herz schlägt bis zum Hals.

    Hab’ keine Angst!

    Ich werde dich nicht töten.

    Fürchte dich nicht!

    Seine Augen versprechen mir das, ganz sicher.

    Ruhig schlägt mein Herz,

    er ist mir gut.

    So viel ist sicher.

    Jesus – ER war hier, bei mir.

    Komm wieder!

    Du Guter,

    Freundlicher!

    Besuche mich und sag’ es meinem Herzen:

    Fürchte dich nicht,

    ganz sicher.

    Nach dem Bericht der Jesus-Vision eines alten Tuareg

    Inhalt

    Cover

    Titel

    Impressum

    Widmung

    Der Traum des agè Tuareg

    Einleitung

    1 Unerwartet

    2 Im falschen Film

    3 Auf dem Wasser gehen

    4 Pink

    5 Wilde Rose – Nesrine

    6 Der Ruf

    7 Schwarzwaldluft

    8 Glücksspiel

    9 Schmetterlinge

    10 Die bunte Herde

    11 Brüllender Löwe

    12 Die Begegnung am Schwarzen Fluss

    13 The Power of Love

    14 Malika – eine Frau in der Wüste

    15 Lutte traditionelle – Der Kampf

    16 Atem holen

    17 Die Perle

    18 Der Pilot

    19 Überrascht von Freude

    20 Tageisha und der Bibelübersetzer

    21 Willkommen im Club

    Fragen, die bleiben

    Danksagungen

    Verwendete Bibelübersetzungen

    Einleitung

    Es ist einige Jahre her, dass ich davon hörte, Jesus erscheine Menschen in der muslimischen Welt in Träumen oder Visionen. Es rührte etwas an in mir, dass sich Jesus offenbar selbst aufmacht, es war eine Mischung aus Staunen, Neugierde und Ungläubigkeit. Sicher, Jesus konnte so etwas tun, aber in meiner Welt kam so etwas nicht vor, warum sollte er es dann in einer anderen tun? Biblische Geschichten gehörten schon immer zu meinem Leben, und ich zweifelte im Grunde nie an der Wahrheit der Bibel, aber vieles von dem passiert heute so auf jeden Fall nicht mehr – dachte ich. Wem in meiner Kirche war schon ein Engel erschienen und hatte laut hörbar mit ihm gesprochen? Welcher Blinde war schon sehend geworden oder welcher Querschnittsgelähmte schon vor meinen Augen aus seinem Rollstuhl aufgestanden? In aufregenden Geschichten oder Berichten hörte ich zwar davon, aber ich war nie hautnah dabei gewesen.

    Vor über zwölf Jahren hat Gott begonnen, in meinem Leben eine Geschichte zu schreiben, die mich dazu gebracht hat, den Geschichten anderer Menschen genauer zuzuhören. Ich durfte viele Menschen besuchen und sprechen und sie für Film und Fernsehen begleiten und interviewen.

    Heute sehe ich: Jesus geht Tag für Tag über diese Erde, der Heilige Geist ruft Menschen, und Gott schreibt ganz genau dieselben Geschichten, wie sie vor 2000 Jahren für uns in den Schriften der Bibel erhalten wurden.

    Muslime galten, soweit es mir bekannt war, als schwer vom Evangelium erreichbar. Ich dachte außerdem, dass Menschen in erster Linie durch Boten von der Guten Nachricht hören. Die Geschichten in diesem Buch zeigen tatsächlich, wie wichtig Botschafter der Guten Nachricht sind. Aber sie zeigen auch, dass Gott sich nicht zu schade ist, direkt Kontakt mit uns aufzunehmen. Gleich welcher Religion jemand bisher angehörte, egal wovon er bislang dachte, dass es „der Weg" sei.

    Beim Bearbeiten der vielen Gespräche sind mir Spuren seines Charakters und seines Handelns aufgefallen. Es stellte sich natürlich immer wieder die Frage: Ist es wirklich Jesus, den die Menschen gesehen haben? Ich habe meinen Interviewpartnern geglaubt, wenn die folgenden vier Punkte in ihren Berichten gegeben waren, so verschieden die Erlebnisse ansonsten auch gewesen sein mögen:

    Jesus sagte ihnen Worte (oder die Menschen sahen ein Bild), die sich genauso auch in der Bibel finden und die die Menschen zum Zeitpunkt der Traumvision unmöglich kennen konnten. Um dies herauszustellen, habe ich einige Bibeltexte in die Erzählungen eingefügt, auf die ich während meiner Arbeit an diesem Buch stieß. Von manchen Bibelworten sprachen auch meine Interviewpartner, als sie mir von ihrem Erleben berichteten.

    In Jesu Nähe fühlen sich die Menschen lebendig, gesund, geliebt und in Frieden eingehüllt. Das machte schon beim Zuhören Sehnsucht nach „mehr".

    Obwohl der Traum bei manchen Personen schon lange her war, konnten sie sich an jedes Detail darin erinnern. Einige träumen auch sonst oft, gaben aber freimütig zu, die Details normalerweise schnell wieder zu vergessen.

    Nach dem Traumerlebnis waren diese Personen nicht mehr dieselben wie zuvor. Sie hatten einen Ruf gehört, dem sie folgen mussten, und sie waren bereit, jeden Preis zu zahlen, den ihre Entscheidung für Jesus sie kosten würde. Denn jedem hat der Entschluss, Jesus nachzufolgen, vordergründig nur Schwierigkeiten eingebracht. Aber, sie waren der Liebe begegnet, und wenn sie sich entschieden hatten, sie anzunehmen, spürte ich ihnen eine tiefe Zuneigung zu Jesus ab. Ich sah sie in ihren Augen und in ihrem Handeln.

    Die in diesem Buch vorliegenden Geschichten haben mir die betreffenden Personen selbst erzählt. Einige habe ich in ihrer Heimat besucht, andere sind nach Europa geflohen, weil sie verfolgt werden. Ich habe keine genauen Ortsangaben verwendet und den Menschen Decknamen gegeben, um sie nicht unnötig einer Gefahr auszusetzen. Manche von ihnen sind gebildet, haben studiert, aber nicht wenige sind Analphabeten. Ihr Zeugnis habe ich in eine Kulisse gesetzt, die ihrem Lebensumfeld, in dem ich sie besucht und erlebt habe, entspricht. Sie soll die Wahrheit zum Leuchten bringen, das ist mein Bestreben und meine Verantwortung als Erzählerin gegenüber meinen Interviewpartnern, die mir ein unwahrscheinlich großes Vertrauen entgegengebracht haben. Ich danke ihnen, denn nur so ist es uns möglich zu erfahren, was Jesus Christus in dieser Welt tut.

    Alle diese Personen stammen nicht aus dem europäischen Kulturkreis. Ich empfinde, dass ihre Kultur, ihre Art zu denken und mit Gott zu leben, der biblischen Zeit und Kultur sehr nahesteht.

    Wie ich anfangs gesagt habe, dachte ich bis vor Kurzem: Was ich nicht kenne und erlebe, das gibt es nicht. Ha, das war einer der größten Irrtümer überhaupt.

    Jedes Land (genau wie jede Person) neigt dazu, ihre Kultur als die absolute anzusehen. Ich denke, wir sollten grundsätzlich demütig und lernbereit anderen Menschen, ihrer Geschichte und ihrer Kultur gegenübertreten. Es gibt darin so vieles zu entdecken, für uns selbst und für unseren Weg durch das Leben.

    „Viele Menschen suchen ein Ohr, das ihnen zuhört, und sie finden es unter den Christen nicht, weil diese auch dort reden, wo sie hören sollten. Wer aber seinem Bruder nicht mehr zuhören kann, der wird bald Gott nicht mehr zuhören, sondern er wird auch vor Gott immer reden … Wer nicht lange und geduldig zuhören kann, der wird am anderen immer vorbeireden und es selbst schließlich gar nicht mehr merken. Wer meint, seine Zeit sei zu kostbar, als dass er sie mit zuhören verbringen dürfte, der wird nie wirklich Zeit haben für Gott und den Bruder, sondern immer nur für sich selbst, für seine eigenen Worte und Pläne."

    Dietrich Bonhoeffer

    Ich lade Sie ein, zuzuhören.

    1 Unerwartet

    Im Zwielicht beugt sich Rücken an Rücken auf staubigen Teppichen. Jeden Morgen, solange er zurückdenken kann, weckt ihn der Ruf vom Minarett an der Ecke. Hundertfach ertönen die Gebetsrufe der Muezzine von allen Himmelsrichtungen über der Stadt und mischen sich mit den Geräuschen des neu erwachenden Tages, Hähne, bellende Hunde, ein vorbeiknatterndes Motorrad.

    Enat verbeugt sich, im Rhythmus mit seinen Söhnen und den Nachbarn. Er nimmt die Hände an die Ohren und verneigt sich gen Osten. Anschließend knien sie vornübergebeugt, drücken die Stirn auf den Boden und setzen sich wieder auf. Unablässig murmeln alle die vorgeschriebenen Gebete. Eine Wolke der Klage ist es: Allmächtiger! Wo bist du? Hörst du?

    Den Allmächtigen in der Gemeinschaft der Gläubigen anzubeten ist ihm zur zweiten Natur geworden. Er ist überzeugt: So gefällt es Gott.

    Für Enat ist Gott ein Mysterium, allgegenwärtig und doch weit weg. Äußerlich pflegt er pflichtschuldig die vorgeschriebenen Rituale, während seine Gedanken um das Frühstück kreisen.

    Eine halbe Stunde dauert das Zeremoniell, dann klopft er sich den Staub von seinem Boubou und begrüßt Raoul, seinen Freund, während sie unter dem einfachen Grasüberdach hervortreten. Die beiden Tuareg drängen sich durch zwei Dutzend Männer hindurch der Stadt zu. Der Morgen dämmert bereits. Sie sind zufrieden, das Gebet war gut besucht. Immer mehr Männer nehmen diese Pflicht heutzutage wieder ernst.

    Die Sonne schiebt sich milchig über die noch schwarze Silhouette der Stadt. Enat und Raoul treiben ihre Esel zum Markt. Raoul hat viel zu erzählen. Von Überfällen Radikaler an der Grenze, dem Dahinschlachten ganzer Dörfer, den Flüchtlingen, die sich in kleinen Booten übers Mittelmeer wagen und dass manche dabei ertrinken. Sein Freund kann etwas lesen und ergattert ab und zu eine Zeitung. Er versorgt Enat jeden Morgen mit Neuigkeiten aus aller Welt. Gestern war er allerdings beim Air Tel Shop, der Besitzer dort hat neuerdings ein Fernsehgerät vor seinem Laden aufgebaut. Schreckliche Bilder hätten sie gezeigt. Enat glaubt das nicht. Gläubige bringen doch keine Gläubigen um!?

    Freunde seiner Söhne sind auf dem Weg nach Norden. Tagelang saßen sie beieinander, redeten von nichts anderem als von Europa. Dort soll es Arbeit und eine Zukunft geben. Hier gibt es für die meisten nichts davon. Seine Söhne wären auch gerne dabei. Doch Träume sind teuer. Irgendwie ist Enat auch ein bisschen froh, dass sie ihr Fernweh mit dem Verkaufen von Wasserkanistern an Reisende stillen müssen. Oben in Agadez, am „Tor zur Welt", wie sie oft mit einem Unterton von Sehnsucht berichten. Sie haben ihr Business und verdienen ihr eigenes Geld, gerade so viel, dass sie ihm nicht auf der Tasche liegen.

    Als Enat seinen Esel hoch mit Wüstengras beladen nach Hause führt, sieht er schon von Weitem seine Frau. Ihre gemeinsame Hütte steht in einem schattigen Hof hinter einer hohen Ziegelmauer. Davor arbeitet Aima, von Kunden umringt. Sie hat eine kleine Frühstücksbäckerei: Zwischen drei Steinen rauchen krumme Holzstangen, über dem Feuer brodelt ein Topf mit heißem Fett. Breitbeinig sitzt Aima auf einer umgedrehten Kallebasse und schöpft eben fertig gewordene Hirsebällchen ab. Seine Frau ist fleißig, doch das hätte er nie zugegeben. Das Bargeld verdient sie, aber er ist der Herr im Haus. Stets treibt er sie an, lässt ihr keine Ruhe und passt auf, dass er alles fest im Griff behält. Sie könnte sonst überheblich werden.

    Er sieht die Angst in ihren Augenwinkeln, als er mit dem Esel auf sie zukommt. Schnell reicht sie ihm sein Frühstück: ein Baguette, gefüllt mit fetttriefenden Bällchen. Ihm läuft das Wasser im Mund zusammen. Als er danach greift, fallen einige davon in den roten Sand. Aima lacht hart auf und zieht ihr Kopftuch zurecht. „Kannst du nicht besser aufpassen, alter Trottel?" Er verpasst ihr eine schallende Ohrfeige und wendet sich mürrisch ab. So ist das eben zwischen ihnen.

    Enat leckt sich die Finger ab und lässt sich mit überkreuzten Beinen auf einer Matte im Schatten nieder. Daneben stellt er den kleinen Feuerkorb auf und legt ein paar glühende Kohlestückchen hinein. Er fischt nach dem abgestoßenen Teekännchen, das halb vergraben im Sand liegt, und schüttet die alten Teeblätter aus, reibt es ein wenig ab und füllt ein frisches Päckchen Tee in die Kanne. Das Cellophan und die kleine Teeschachtel lässt er einfach fallen, während er das emaillierte Kännchen auf den Kohlen zurechtrückt und ein wenig Wasser zu den Blättern gibt. Während Enat wartet, dass das Wasser zum Sieden kommt, döst er auf seiner Matte. Es ist vergleichsweise still im Hof. Zwei Ziegen rascheln im Müll, sein Esel wiehert und stupst ihn an, er will, dass Enat ihm das Futter ablädt. Doch das hat Zeit. Die Beine langmachen, einen Tee trinken und mit Raoul plaudern, wenn er später vorbeikommt, das geht vor.

    Unerwartet schreckt Enat auf, er muss tatsächlich eingenickt sein. Er fühlt ganz deutlich: Er ist nicht allein. Die Hoftür geht auf – ist es Raoul? Nein, es sind viele Männer. Er kann sie zuerst nicht richtig erkennen. Helles, gleißendes Licht bringen sie mit herein, bis in die letzten Winkel seines Hofes und seiner Seele. Der Targi rappelt sich auf. Reibt sich die Augen. Dicht gedrängt stehen groß gewachsene, weiß gekleidete Männer in seinem Hof. Mindestens dreißig oder vierzig an der Zahl, um die Hüfte breite, golden glänzende Gürtel geschlungen. Sie sehen ihn an, als würden sie ihn schon lange kennen, freundlich, und doch setzt Enats Herz einen Augenblick aus. Was wollen diese Krieger von ihm? Er ist nur ein einfacher Mann, vom Krieg und vom Kämpfen weiß er nichts. Außer dass er ständig Händel mit Aima hat. Wo steckt sie bloß, sie müsste die Männer doch auch gesehen haben, als sie an ihr vorbei den Hof betreten haben?! Er muss den Männern Tee anbieten, doch wo ist bloß der Zucker? Als Enat den Mund öffnen will, entsteht zwischen den beeindruckenden Männern eine Gasse.

    Und dort steht er. Nie wieder wird er diesen Anblick vergessen. Sein Strahlen übertrifft das seiner Begleiter bei Weitem. Hell, überirdisch weiß, wunderschön. Er strahlt Frieden und Liebe aus – so was … Enat schlägt die Augen nieder. Er schämt sich plötzlich, dass er Aima geärgert hat. Andere hässliche Szenen wollen sich vordrängen.

    „Enat, hier iss und trink!" Er streckt ihm ein Stück Brot hin und einen Becher kühles Wasser.

    „Woher kennst du meinen Namen? Enat weiß später nicht mehr, ob er es laut gefragt hat. Aber die Antwort hallt noch heute in seinem Herzen: „Ich kenne dich. Du bist mein.

    Er nimmt den Becher und trinkt, als wäre er am Verdursten.

    So erklärt er es Raoul, der kurz darauf in den Hof kommt und ihn mit Fragen löchert: „Wer waren all die vielen Männer in deinem Hof? Ich habe sie schon von Weitem gesehen, ihre Köpfe haben ein ganzes Stück über deine Hofmauer geragt."

    Er schildert Raoul jedes Detail. Den Ärger, den er schon wieder mit seiner Frau hatte. Wie ausgelaugt er sich auf einmal fühlte und dass er dachte, der Hass würde ihn noch auffressen. „Raoul, zum ersten Mal fühle ich Frieden in mir. Ich glaube, ich muss Aima sagen, dass ich sie liebe." Enat schüttelt den Kopf und kann einfach nicht mehr aufhören zu lächeln.

    Raoul reist die Augen auf und zieht den Turban vor sein Gesicht. Er erzählt ihm von einem christlichen Pastor, der jeden Sonntag laute Musik in seinem Hof macht und von Gott spricht. „Besuch ihn, vielleicht kann er dir weiterhelfen."

    So schnell Enat kann, lädt er seinen Esel ab und reitet in die Stadt. Der Esel weiß anscheinend genau, wo der Pastor wohnt. Als er ihn gefunden hat, erklärt Enat ihm aufgeregt, was an diesem Morgen passiert ist: „Jesus hat mich besucht."

    Der Pastor nickt: „Ich war wie du, Enat. Jeden Tag habe ich meine Gebete verrichtet. Ich habe hart gearbeitet und viel Geld verdient, als er mich besucht hat. Der Pastor setzt sich mit ihm hin und holt eine Bibel. Und einen Koran. Er bestätigt ihm: Der heilige Mann, der ihn besucht hat, ist Jesus. Und dass Jesus der Immanuel ist. „Gott ist mit uns. Wir sind nicht alleine.

    Sie sprechen über die Suren, die von Jesus reden, und die Bibelstellen, die das bestätigen und Enat noch mehr die Augen öffnen. Er saugt regelrecht in sich auf, was er da hört. Hat er sich jemals schon so lebendig gefühlt, je solch einen Frieden erlebt?

    Am Sonntag treibt es ihn in den Gottesdienst. Dort tanzt und singt er mit den Christen. Allen erzählt er von dem außergewöhnlichen Besuch.

    Zu Hause kann er nicht mehr aufhören, davon zu sprechen. „Der Allmächtige hat mich besucht! Jesus ist kein toter Prophet, wie sie immer sagen. Er lebt!" Aima kreischt, als wäre sie verrückt geworden. Zerrt ihn vor den Imam. Sie berufen das Gericht ein. Ihre Fragen prasseln auf ihn nieder. Was faselst du von Jesus? Niemand kann ihn sehen!

    „Ich weiß nichts über Jesus, außer, dass ich blind war und nun sehen kann. Mehr weiß ich nicht. Ich war ein Sünder, und er hat mich von meiner Sünde errettet und mich frei gemacht. Er hat mich angesehen und meiner Seele Frieden gegeben."

    Voller Wut gehen sie auf ihn los. Raoul spuckt ihm ins Gesicht: „Du hältst dich wohl für etwas Besseres? Aima ruft: „Entweder dieser Jesus oder ich.

    Enat strahlt und grüßt winkend. Unverwandt muss ich ihn ansehen. Ein bisschen, weil er Schuhe trägt, die nicht zueinanderpassen, einen wunderschönen kobaltblauen Turban um den Kopf gewickelt hat und eine Pseudo-Gucci-Sonnenbrille zu einem staubigen Boubou trägt, während er sich mit den anderen Christen im Kreis zur Musik bewegt. Aber es ist sein strahlendes, freundliches Lächeln, das mir nicht mehr aus dem Kopf geht. Obwohl ihn seine Frau und seine Freunde verlassen haben und er bitterarm ist.

    Aber: Jesus hat ihn besucht – es scheint, er hat ihn seither nicht mehr verlassen.

    So sagt es Enat wenigstens, wenn er sonntags im Gottesdienst ist und die restliche Woche vor dem Haus des Pastors aufpasst, dass keine Diebe einsteigen: Jesus ist der Immanuel.

    * nach einer wahren Begebenheit – die Namen wurden zu Enats Sicherheit geändert. Die Himmelskrieger wurden von mehreren Nachbarn gesehen.

    2 Im falschen Film

    Maraya und ihr Mann Naid haben an renommierten Hochschulen im Nahen Osten studiert und sind Künstler und Filmemacher wie ich. Vielleicht fühle ich mich deshalb besonders mit ihnen verbunden. Aber ganz bestimmt verbindet uns die Liebe zu Jesus. Ich danke ihnen, dass sie mich und meine Familien besucht haben und uns aus ihrem Leben erzählten.

    Kurz bevor sie bei uns eintrafen, sah ich mein Haus mit ganz anderen Augen. Das Paar hatte alles verloren, und ich hoffte, dass Hab und Gut, Status und Kultur an diesem Abend keine Mauern bauen würden. Ich wünschte mir mehr als alles, dass unser gemeinsamer Glaube uns allen Heimat genug bieten würde, um Liebe und Verstehen Raum in und zwischen uns zu geben.

    Wie jedes Mal, wenn mir jemand sein Herz öffnet, um mir seine Geschichte anzuvertrauen, hoffte ich, dass verletzte und empfindlich gewordene Herzen heil würden.

    Und noch mehr wünschte ich mir, dass ich beim Zuhören – und das erhoffe ich mir auch für Sie beim Lesen – Jesus sehen würde, wie er lebt, liebt und um uns leidet.

    Wir baten Maraya und Naid uns mitzunehmen in ihr altes Leben, das sie zurücklassen mussten, weil sie sich entschieden hatten, Jesus zu folgen.

    Als Kinder wurde ihnen gesagt, Allah sei der einzige Gott und Mohammed sein letzter und damit maßgeblicher Prophet.

    Maraya hielt von Kind an alle Regeln, die sie gelernt hatte, fest überzeugt, dass sie Gott so finden könnte. Doch je mehr sie suchte, desto mehr zweifelte sie. Und das am meisten an Gott, weil er nicht so antwortete, dass sie seine Antworten hörte und verstand. Sie warf innerlich alles über Bord, was mit Gott zu tun hatte. Naid tat das ebenso, doch viel leichter und rigoroser. Bitter enttäuscht von Religion und von dem, was passiert, wenn sie als Knute angewendet wird, um ein Land zu regieren, erklärten sie Gott für nicht existent. Bis zu dem Tag, als er ihnen persönlich begegnete.

    Wie es dazu kam, davon berichteten sie uns an einem warmen Sommerabend auf unserer Terrasse.

    Und Jesus sprach:

    Was willst du, dass ich dir tun soll?

    Der Blinde aber sprach zu ihm:

    Rabbuni, dass ich sehend werde.

    Und Jesus sprach zu ihm:

    Geh hin, dein Glaube hat dir geholfen.

    Und sogleich wurde er sehend und folgte ihm nach auf dem Wege.

    Markus 10,51-52

    Im Vorbeigehen hörte Naid, wie Reza sich mit einem Kunden in seinem Büro über Gott unterhielt. Sie redeten genauso wie seine Mutter und seine Schwester. Naid spürte Wut in sich aufsteigen, nur mit Mühe konnte er an sich halten. Forsch betrat er den Raum und blickte seinen Cousin durchdringend an.

    „Seid ihr etwa Christen?"

    Reza versuchte erst gar nicht, seinen neuen Glauben zu verbergen: „Durch deine Mutter habe ich Jesus gefunden. Er ist der Sohn Gottes, und durch ihn können wir direkt zu Gott kommen. Er spricht zu mir …"

    „Gott spricht zu dir? Soll das ein Witz sein?"

    Naids Augen waren schmal geworden. Er ließ Reza gar nicht erst ausreden, sondern bugsierte die Männer aus dem Büro. Er hasste die Christen. Gott …! So ein Quatsch! Es gab ihn nicht, und folglich sprach er auch nicht.

    Naid setzte sich wieder an seinen Schreibtisch, sein Blick fiel auf den Kalender. Es war Dienstag – nie würde er diesen Tag vergessen. Auch wenn er das damals natürlich noch nicht wusste.

    Es klopfte, und wieder wurde er bei seiner Arbeit unterbrochen. Der Kunde von eben steckte den Kopf zur Tür herein. Naid mochte es gar nicht, gestört zu werden. Er sprang auf und schob den Mann zurück zum Ausgang. War er nicht Pastor? Er glaubte, sich vage an so etwas erinnern zu können.

    „Ihr Besuch ist hier nicht erwünscht."

    Musste er noch unhöflicher werden, um diesem Kerl klar zu machen, was er von ihm hielt?

    „Ich habe eine Botschaft von Gott für dich."

    Eine Botschaft von Gott? Das konnte unmöglich sein! Naid packte den Mann an den Schultern und drückte ihn mit Gewalt auf den Flur zurück. „Willst du mich für dumm verkaufen? Gott spricht nicht mit den Menschen! Erzähl’ deine Märchen einem anderen!"

    Er sah nur noch rot, doch der Mann ließ sich nicht beirren. Mit einem Fuß im Büro und dem anderen im Flur, richtete er Naid die angeblich göttliche Botschaft aus: „Gott lässt dir sagen: ‚Ich möchte, dass du dich entscheidest. Deinen gesamten Besitz, deinen Erfolg, dein Büro – all das habe ich dir gegeben. Bis heute habe ich meine Hand über dich gehalten und dich beschützt. Du hast drei Tage Zeit, um dich zu entscheiden. Möchtest du meine Hilfe oder nicht?‘"

    „Raus! Raus! Sofort!"

    Naids Schreie hallten durch das Treppenhaus und wurden unterstrichen vom lauten Knall seiner Bürotür, die er dem Mann buchstäblich ins Gesicht warf. Warum konnten ihn diese Christen nicht in Ruhe lassen? Zuerst hatte seine Schwester begonnen, ihn mit diesem Jesus zu nerven. Dann hatte auch noch seine Mutter angefangen, in dasselbe Horn zu blasen. Er solle

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