Michelangelo
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Michelangelo - Max Sauerlandt
Vorwort.
Inhaltsverzeichnis
Es ist schwer, kurz zu schreiben denn man
kann in einer völligeren Art zu schreiben nicht so
leicht bei dem Wort genommen werden. Aber unsere
Zeit erfordert die Kürze, sonderlich wegen der Menge
der Schriften.
Winckelmann.
In den folgenden Bemerkungen wurde der Versuch unternommen, einige Winke für das Verständnis der Skulpturen und Malereien Michelangelos zu geben. Eine Biographie zu schreiben war weder Aufgabe noch Absicht. Die architektonischen Werke mußten ganz außer Betracht bleiben. Alles rein historische ist, soweit es anging, in die Anmerkungen am Schlüsse des Bändchens verarbeitet, die somit in höherem Grade als bei den früher erschienenen Bänden dieser Serie, eine wesentliche Ergänzung der Vorbemerkungen bilden.
Literaturnachweis: Außer den in den wissenschaftlichen Zeitschriften erschienenen Aufsätzen und der älteren Literatur über Michelangelo wurden hauptsächlich die folgenden Werke benutzt: Wilh. Bode, florentiner Bildhauer der Renaissance. Berlin 1902. Carl Justi, Michelangelo. Beiträge zur Erklärung der Werke und des Menschen. Leipzig 1903. Derselbe, Michelangelo. Neue Beiträge zur Erklärung seiner Werke. Berlin 1909. Hans Mackowski, Michelangelo. Berlin 1908. Ernst Steinmann, Das Geheimnis der Medicigräber. Leipzig 1907, Henry Thode, Michelangelo. Kritische Untersuchungen über seine Werke. 2 Bde. Berlin 1908.
Kapitel 0.
Je höher ein Mensch, desto mehr steht
er unter dem Einfluß der Dämonen, und
er muß nur immer aufpassen, daß sein
leitender Wille nicht auf Abwege gerate.
Goethe zu Eckermann, 24. März 1829.
In den letzten Jahren seines Lebens hat Goethe den Begriff des Dämonischen zur Bezeichnung jenes Rätselhaft-Unerklärlichen umgeprägt, das überall in der Natur den letzten Grund des Seins und Wirkens zu bilden scheint und sich »durch Verstand und Vernunft nicht aufzulösen«, so seltsam »nur in Widersprüchen manifestiert«.
Mehrfach fällt das Wort in den rhapsodischen Bemerkungen der Eckermannschen Gespräche, ohne daß es dabei zu einer eindeutigen Bestimmung des Begriffsinhaltes käme, kommen könnte.
Raffael und Mozart, hören wir wieder und wieder, Shakespeare und Napoleon in der zur Nacheiferung lockenden Unerreichbarkeit ihrer Leistungen waren dämonische Naturen. Aber auch Friedrich und Peter der Große. Und Carl August, versichert Goethe, war eine dämonische Natur von unbegrenztem Wirkensdrang, wie denn das dämonische Naturell sich ganz vorzugsweise »in einer durchaus positiven Tatkraft äußert«.
Doch dieses Element übermenschlicher Schöpferkraft bezeichnet nur die Sonnenseite der Erscheinung, der eine dunkle Nachtseite entspricht. Auch die dumpfe Stimmung ratloser Passivität, tatloser Abspannung wird als eine Äußerung des dämonischen Temperamentes empfunden, wenn von dem Dämon der Hypochondrie und von dem retardierenden Einfluß der Dämonen die Rede ist.
Alles Worte für Dinge, die sich klarer Bezeichnung entziehen, Bilder für die Gestaltlosigkeit außerordentlicher Seelenzustände, suggestive Personifikationen der lebendigen Kräfte, des »großen Angeborenen der Natur«, das wir in diesen Menschen wirksam spüren.
Merkwürdig, daß sich bei der Verhandlung dieses Themas nie Michelangelos Name auf Goethes Lippen gedrängt hat! Ein Zeichen mehr dafür, wie sehr er ihm entfremdet war nach der einen heißen Begegnung im Jahre sechsundachtzig, wo des Meisters innere Sicherheit und Männlichkeit, seine Großheit ihm über allen Ausdruck zu gehen schien, wo ihm nicht einmal die Natur auf Michelangelo schmecken wollte, weil er daran verzweifelte, sie mit so großen Augen wie jener sehen zu können.
Kein Zweifel jedoch, der Goethische Begriff bezeichnet am schlagendsten das besondere Naturell des Menschen und des Künstlers, er ist die treffendste Übertragung des italienischen Wortes »terribile«, mit dem schon die Zeitgenossen das Wesen Michelangelos und seiner Kunst am ehesten charakterisieren zu können glaubten.
Im Goethischen Sinne des Wortes war Michelangelo eine dämonische Natur erster Ordnung, ja er erscheint uns als die vollkommenste Inkarnation des Dämonischen, überall sich, wie das Dämonische selbst, in Widersprüchen manifestierend.
Kapitel 1.
In Italien ist in der neueren Epoche der Geschichte der Mensch nach Jahrhunderten geistigen Traumlebens zuerst wieder zum vollen Bewußtsein seiner selbst und damit zu dem Vermögen objektiver Betrachtung und Darstellung der Erscheinungswelt erwacht.
Doch wird die Bedeutung dieses Abschnittes der Geschichte Italiens für die Geistesgeschichte Europas gewiß nicht nur durch die nackte Priorität des Geschehens bestimmt, sie beruht vielmehr auf der Unbeirrbarkeit und Konsequenz, auf der Bewußtheit, mit der die Selbstbefreiung der geistigen Persönlichkeit sich hier vollzieht, auf der Reinheit, mit der