Hör, was ich Dir sagen will: Keine Erziehung ohne Beziehung - Hunde einfach besser verstehen
By Tina Wessig
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Tina Wessig
Tina Wessig (51) ist Autorin und Hundetrainerin: "Geschrieben habe ich eigentlich schon immer. Mit 14 Jahren war ich Österreichs jüngste Journalistin und hatte meine eigene Glosse in einer angesagten Jugendzeitschrift. Nach so aufregenden wie aufreibenden Jahrzehnten in der Tages-, Wochen- und Monatspresse konzentriere ich mich heute ganz auf das Schreiben meiner Bücher über Hundeausbildung aus Trainersicht." Tina Wessig ist Kursleiter für Welpen, Junghunde & Unterordnung des Österreichischen Gebrauchshundesport-Verbandes und Trainer für Unterordnung des Österreichischen Kynologenverbandes, Prüfungsleiter sowie Obedience-Prüfungsleiter.
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Hör, was ich Dir sagen will - Tina Wessig
Zur Person: Tina Wessig (48) ist Journalistin, Autorin und Hundetrainerin. Sie ist Kursleiter für Welpen, Junghunde & Unterordnung des Österreichischen Gebrauchshundesport-Verbandes und Trainer für Unterordnung des Österreichischen Kynologenverbandes, Prüfungsleiter sowie Obedience-Prüfungsleiter.
Kontakt:
wessig@aon.at
www.tina-wessig.at
https://tina-wessig.blogspot.co.at
WIDMUNG:
Ich widme dieses Buch meinem Mann Michael, der mit seinem wahrhaft unerschütterlichen Enthusiasmus und voll positiver Kraft meinen Weg im Hundesport und in der Hundeausbildung begleitet, stets als guter, mitunter auch kritischer Beobachter fungiert und mich jederzeit aus vollem Herzen unterstützt. Des Weiteren widme ich das Buch all jenen Hundemenschen, die auf ihrem Weg schon viel gelernt haben, trotzdem aber das eine oder andere Problem haben, das es zu lösen gilt. Probleme im Umgang mit Hunden werden nicht weniger, wenn man sie ignoriert, aber schon eine winzige Änderung Ihres Verhaltens kann eine massive Veränderung im Verhalten des Hundes mit sich bringen. Es einfach auszuprobieren hat noch nie geschadet – daher: Viel Freude bei Ihrem neuen, modernen, liebevoll-konsequenten Umgang mit Ihrem „besten Freund".
Danksagung: Ich danke meinem Mann Michael für seinen stets aufmunternden Pioniergeist, für Unterstützung und Zuversicht, meinen Eltern für Liebe, Lob und Lektorat und meinem Hunderudel Dusty, Scully, Chica und Giovanni für ihr Dasein als liebevolle Lehrmeister.
INHALT
TEIL 1
Die Dramaqueen
Der Kontrollfreak
Die falsche Paarung
Leckerli, nein danke
Belohnung & Strafe
Richtige Ausstattung
Spielen, aber richtig
Unsauberkeit
Der Leinenruck
Kommando Nein
Ich hab‘ Dich lieb!
Problem Anspringen
Der wilde Goldie
Mitleid ist keine Hilfe
Richtige Begegnungen
Der Hund im Garten
Problem Jagen
Betteln bei Tisch
Der Clicker
Halsband oder Brustgeschirr
Hierarchie
Ignoranz und Desinteresse
Vom Sinn des Trainings
TEIL 2
Ein Welpe zieht ein
Der richtige Welpenkurs
Wie lernt der Hund?
Die Läufigkeit der Hündin
Stress bei Hunden
Angst, Furcht & Phobie
Erste Hilfe beim Hund
Faktoren der Aggression
Die wichtigsten Impfungen
Krank durch Zecken
Gelenkserkrankungen
Im Restaurant
Magen-Darm-Erkrankungen
VORWORT:
Nach meinem ersten Buch mit dem Titel „Die Welt mit seinen Augen sehen. Vom Hundeliebhaber zum Hundeversteher" soll dies die konsequente Fortsetzung sein. Denn noch immer gibt es zahlreiche Missverständnisse, die das Zusammenleben von Hund und Mensch mitunter erschweren, wenn nicht sogar belasten. Dabei ist es so einfach, dem Wesen Hund jenen Raum zu geben, den es verdient, ohne es zu vermenschlichen.
Viele Bedürfnisse unserer Haushunde werden schlicht und einfach nicht oder zu wenig von den Menschen erkannt und schon gar nicht erfüllt. Ich bin als Journalistin und Hundetrainerin mit diversen Kontroversen vertraut, die im Training auftreten und kann oft einfache Lösungen anbieten, die das Leben harmonischer und zufriedener machen. Dabei bin ich aber demütig genug, zuzugeben, dass man das Wesen Hund wohl niemals vollends verstehen wird, aber grundsätzliche Unstimmigkeiten in Sachen Führung und Konsequenz sind leicht auszumerzen.
Hunde sind und bleiben unsere liebsten Begleiter. Trotzdem ist das, was sie wollen meist meilenweit entfernt von dem, was wir wollen. Der Versuch einer Annäherung.
-1-
Die Dramaqueen
Bei Brandy verhielt es sich, wie so oft: Eine Familie mit Kindern schafft sich einen Hund an, einen lieben, knuffigen Babyhund, der Hund wächst - und wächst dabei allen über den Kopf! Noch dazu, ohne dass es jemand bemerken würde. Brandy kam zu mir in den Welpenkurs: ein Maremmano abruzzese, ein Herdenschutzhund, der um die 50 Kilo bekommt, wenn er ausgewachsen ist. Zugegeben, Brandy war ein süßer Kerl, aber schon früh zeigte er sehr „selbstständiges Verhalten. Liefen zum Beispiel alle Kleinen durch einen Tunnel, so entschied Brandy für sich, dass dieser wohl „gefährlich
sei und man daher ja keine Pfote hineinsetzt. Ich beobachtete das Treiben eine Zeitlang.
Ziel meines Kurses war ja, den Kleinen das Selbstvertrauen zu vermitteln, das sie zur Charakterbildung brauchen. Alle kleinen Zwerge benützten also unsere Spielgeräte ohne viel Aufhebens, liefen über Wackelbretter und Hängebrücken - und durch den besagten Tunnel. Vor allem, wenn am anderen Ende der Besitzer mit einem Leckerli wartete.
Brandy spielte wenig mit der Gruppe und mied die Geräte. Was grundsätzlich kein Problem ist bei einem Hund, der den Welpenplatz noch nicht gut kennt, schließlich sind all die Eindrücke der bunten, wackelnden und flatternden Geräte eine große Nummer für so ein kleines Hundegehirn. Wenn ein Teilnehmer aber bereits mehrfach anwesend war, beobachte ich mit einem gewissen Stolz, wie er immer mutiger wird. Nicht so bei Brandy.
Nun ist dem Kleinen daraus aber noch kein Vorwurf zu machen, handelt es sich doch um eine Rasse, die aufgrund ihrer Eigenschaften zu Vorsicht und Umsicht gezüchtet wurde, behütete sie doch - rein geschichtlich gesehen - ihre Herde über weite Strecken alleine in den abgelegenen Regionen Italiens. Irgendwann wollte ich aber dann doch wissen, was in dem kleinen Hundekopf vor sich ging und führte Brandy - angeleint und seelenruhig - zum Tunnel. Er schaltete freilich sofort auf Abwehr, riss an der Leine und führte sich auf wie eine Diva. Ich hockte mich hin, ließ den Kleinen sein Programm abspulen und wartete.
Kurz hielten alle menschlichen Teilnehmer des Kurses inne, ich wette sogar, in dem einen oder anderen Kopf regte sich Widerspruch. Doch zu dem Zeitpunkt war mir schon klar, dass der Hund noch nicht ausreichend die Erfahrung gemacht hatte, dem Menschen zu vertrauen. Und seien wir bitte ehrlich: Herdenschutzhund hin oder her. Wir wollen hier einen Hund ausbilden und ins Leben begleiten, der eben nicht ganz alleine in den Abruzzen seine Arbeit verrichtet, sondern der sich vertrauensvoll seinen Menschen anschließen soll. Hat man sich denn schon einmal entschlossen, einen Hund mit speziellen Eigenschaften und Fähigkeiten zu sich zu nehmen, so liegt es an uns, diese so sensibel zu modifizieren, dass er sich später in unserem Alltag als souveräner Begleiter zeigt. Das erwarten unsere Kursteilnehmer von uns, selbst dann, wenn sie es zu diesem frühen Zeitpunkt noch gar nicht wissen. Um es kurz zu machen: Es entstand wieder einmal einer dieser „Magic Moments", wie ich sie nenne: Der Hund hielt inne, kam wieder im Hier und Jetzt an, entspannte sich und lief wie erwartet durch den Tunnel zu seiner Besitzerin, die den Kleinen mit viel Lob und Leckerlis in Empfang nahm.
Nun wird es sicher einige Kollegen unter den Trainern geben, die meiner Ansicht aufs Entschiedenste widersprechen. Man möge doch Welpen die Welt selbst erkunden lassen und sie zu nichts zwingen. Und hier ist meine Gegenthese: Ich habe den Hund zu keinem Zeitpunkt zu etwas gezwungen, ich habe nur für einen kurzen Moment seine Gegenwehr ignoriert. Und schon konnte Brandy aus eigenem Antrieb eine zuvor unerreichbar scheinende Etappe auf dem Weg ins Erwachsenwerden zurücklegen.
Ähnliche Erfahrungen habe ich auch mit Welpen auf dem „Steg" gemacht: Dieser wies auf einer Seite eine Rampe als Aufstiegshilfe auf, auf der anderen Seite befanden sich aber Stufen.
Lernerfahrung für den Kleinen: Es kostet nicht den Kopf zu vertrauen. Lernerfahrung für den Menschen: Geduld und Kontinuität in der Hundeausbildung sind einfach unverzichtbare Elemente.
Diese waren noch dazu aus Gitter - und da konnte man durchsehen bis auf den Boden! Die Rampe hinaufzukraxeln stellte für keinen Hund je ein Hindernis dar, die Stiegen jedoch verleiteten immer wieder zu Zögern und Zaudern. Lange beobachtete ich Hunde an exakt dieser Stelle und hielt mich an mein erlerntes Wissen, den Hund in diesem Alter zu nichts zu zwingen. Irgendwann aber packte ich den sprichwörtlichen Stier bei den Hörnern und stellte gleichmütig - das ist wichtig, damit man beim Hund nicht selber einen zaudernden Eindruck erweckt - das Vorderpfötchen eines zögernden Welpen auf die erste Treppenstufe - die zweite folgte im Handumdrehen von alleine und schließlich stieg der Hund langsam und interessiert schnüffelnd von dem Welpensteg ab. Bei der nächsten Runde war das vermeintliche Hindernis keines mehr und andere Welpen schlossen sich im Nu dem Vorbild an.
Lernerfahrung für den Trainer: Manchmal ist es (mit sensibler Hand!) durchaus möglich, einem Hund etwas zu zeigen, was er sich selber noch gar nicht zutraut.
-2-
Der Kontrollfreak
Um es vorwegzunehmen: Ja, ich habe auch einen zuhause. Meine Irish Terrier-Hündin Scully ist wie ein Schatten, begleitet mich auf jedem erdenklichen Weg durchs Haus, legt sich hinter mich, wenn ich mich setze, steht auf, wenn ich aufstehe und wartet geduldig vor verschlossenen Türen, die hin und wieder im Leben eben sein müssen. Aber: Sie wartet. Geduldig. Sie wird dabei nicht hektisch, nicht hysterisch, sie trommelt nicht gegen das Holz und schreit dabei nicht wie am Spieß. Das nämlich wäre krankhaft-kontrollierendes Verhalten, das es auszumerzen gelte.
Ein junges Paar, das ich im Junghundekurs unterrichtete, erzählte von seiner kleinen Cocker Spaniel-Hündin: Im Lokal unter dem Tisch mache sie Terror – also nehme man sie auf die Bank. Im Schlafzimmer mache sie ebenfalls Terror, also nehme man sie ins Bett. Dabei lachten die beiden und mir war klar, dass das sympathische Hundemädchen an der hübschen Designer-Leine in ein wahrlich genüssliches Leben startete. Sie wurde verwöhnt nach Strich und Faden und jeder Widerspruch meinerseits war zwecklos. Dieser Hund sollte nichts Anderes werden als Begleiterin und Püppchen zum Liebhaben.
Da könnte ich als Trainer natürlich jetzt mein ganzes Wissen über Führung und Hierarchie auspacken, aber ehrlich gesagt: Es würde nicht fruchten. Die beiden wollten einen Hund nach Kindchen-Schema als Babyersatz - und so lange es dem Hund dabei gut geht und er noch einigermaßen Hund sein