Unter Tränen sagte sie JA: Kurfürstenklinik 53 – Arztroman
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Die "Kurfürstenklinik" ist eine Arztromanserie, die das gewisse Etwas hat und medizinisch in jeder Hinsicht seriös recherchiert ist.
Nina Kayser-Darius ist eine besonders erfolgreiche Schriftstellerin für das Genre Arztroman, das in der Klinik angesiedelt ist. 100 populäre Titel über die Kurfürstenklinik sprechen für sich.
»Es tut mir leid, Natalie«, sagte Dr. Eberhard Scholz, »aber ich kann dir nichts anderes sagen als der Röntgenologe. Du hast einen Hirntumor – genauer gesagt: ein Hämangiom. Das ist ein Tumor, der, um es vereinfacht auszudrücken, aus Blutgerinnseln besteht. Ein Hämangiom ist in der Regel schwer zu operieren.«
Die blonde junge Frau, die im Sprechzimmer des grauhaarigen Arztes saß, antwortete nicht. Man hätte glauben können, daß seine Worte gar nicht bis zu ihr durchgedrungen waren – wäre nicht dieser Ausdruck namenlosen Schreckens in ihren Augen gewesen.
»Natalie?« fragte Dr. Scholz behutsam. Er kannte Natalie Schürmann, seit sie ein Teenager gewesen war, und er mochte sie gern. Er hatte sie in eine röntgenologische Fachpraxis geschickt, weil sie ständig über Kopfschmerzen geklagt hatte – und nun lagen die Aufnahmen vor. Er hätte viel darum gegeben, wenn er ihr eine bessere Nachricht hätte überbringen können.
»Ist der Tumor bösartig?« fragte sie tonlos.
»Nein, aber ein Hämangiom kann platzen – und die Folgen sind ähnlich wie bei einem Schlaganfall«, antwortete er beherrscht. »Du solltest dich an einen Spezialisten wenden, Natalie, und mit ihm noch einmal über deine Situation reden. Vielleicht beurteilt ein anderer Arzt deine Chancen bei einer Operation besser als ich.«
Sie stand unvermittelt auf, das Gesicht starr und bleich. Jedes Leben schien daraus gewichen zu sein. »Danke, Herr Dr. Scholz«, sagte sie abwesend. »Ich möchte jetzt gern gehen, wenn wir sonst nichts zu besprechen haben.«
»Natalie«, sagte er beschwörend, »bleib noch hier, du bist ja ganz durcheinander. Rede mit mir, stell mir Fragen – ich werde versuchen,
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Kurfürstenklinik
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Unter Tränen sagte sie JA - Nina Kayser-Darius
Die Kurfürstenklinik
– 53–
Unter Tränen sagte sie JA
Ein Patientenschicksal, das alle berührte
Nina Kayser-Darius
»Es tut mir leid, Natalie«, sagte Dr. Eberhard Scholz, »aber ich kann dir nichts anderes sagen als der Röntgenologe. Du hast einen Hirntumor – genauer gesagt: ein Hämangiom. Das ist ein Tumor, der, um es vereinfacht auszudrücken, aus Blutgerinnseln besteht. Ein Hämangiom ist in der Regel schwer zu operieren.«
Die blonde junge Frau, die im Sprechzimmer des grauhaarigen Arztes saß, antwortete nicht. Man hätte glauben können, daß seine Worte gar nicht bis zu ihr durchgedrungen waren – wäre nicht dieser Ausdruck namenlosen Schreckens in ihren Augen gewesen.
»Natalie?« fragte Dr. Scholz behutsam. Er kannte Natalie Schürmann, seit sie ein Teenager gewesen war, und er mochte sie gern. Er hatte sie in eine röntgenologische Fachpraxis geschickt, weil sie ständig über Kopfschmerzen geklagt hatte – und nun lagen die Aufnahmen vor. Er hätte viel darum gegeben, wenn er ihr eine bessere Nachricht hätte überbringen können.
»Ist der Tumor bösartig?« fragte sie tonlos.
»Nein, aber ein Hämangiom kann platzen – und die Folgen sind ähnlich wie bei einem Schlaganfall«, antwortete er beherrscht. »Du solltest dich an einen Spezialisten wenden, Natalie, und mit ihm noch einmal über deine Situation reden. Vielleicht beurteilt ein anderer Arzt deine Chancen bei einer Operation besser als ich.«
Sie stand unvermittelt auf, das Gesicht starr und bleich. Jedes Leben schien daraus gewichen zu sein. »Danke, Herr Dr. Scholz«, sagte sie abwesend. »Ich möchte jetzt gern gehen, wenn wir sonst nichts zu besprechen haben.«
»Natalie«, sagte er beschwörend, »bleib noch hier, du bist ja ganz durcheinander. Rede mit mir, stell mir Fragen – ich werde versuchen, dir zu helfen, so gut ich kann.«
Zum ersten Mal, seit er ihr gesagt hatte, woran sie litt, sah sie ihm direkt in die Augen. Sie ließ ein kurzes Lachen hören – es klang so schrecklich, daß der Arzt unwillkürlich zusammenzuckte. »Helfen?« fragte sie mit heiserer Stimme. »Ich bin am Ende, mit achtundzwanzig Jahren, das haben Sie mir doch gerade eben gesagt – oder nicht? Ich kann mich operieren lassen unter größten Risiken oder ich kann warten, daß dieses Ding in meinem Kopf platzt!«
Er wollte etwas einwenden, doch sie ließ ihn nicht zu Wort kommen. Fast überstürzt sprach sie weiter. »Und ich habe eine kleine Tochter von vier Jahren, die ganz allein ist, wenn ich nicht mehr da bin. Zu ihrem Vater habe ich keinerlei Kontakt mehr, ich weiß nicht einmal, wo er sich aufhält. Was soll aus Ann Kathrin werden ohne mich – können Sie mir das mal sagen?«
»Natalie, so hör mir doch zu! Ich habe dir gesagt, was ich denke, aber das heißt doch nicht, daß eine solche Operation tatsächlich mißlingen muß! Geh zu einem Neurochirurgen, der ist der Facharzt in diesem Fall.«
»Sie behandeln mich schon mein ganzes Leben lang, und bisher hatten Sie immer Recht mit Ihren Diagnosen«, sagte sie. Jetzt klang sie verzweifelt, müde. »Warum soll ich mich damit quälen, mir diese trostlose Diagnose noch von einem anderen Arzt bestätigen zu lassen? Es ist doch so, Herr Doktor: Ich müßte schon sehr großes Glück haben, damit die Operation gelingt – oder etwa nicht?«
»Doch«, gab er niedergeschlagen zu. »Die Aussichten sind leider überhaupt nicht gut, wenn ich die Aufnahmen richtig interpretiere.«
»Na, also«, sagte sie. »Ich werde mich jetzt nicht operieren lassen und mein Leben riskieren, lieber sterbe ich später, Herr Dr. Scholz! Aber jetzt im Augenblick will ich noch für Ann Kathrin da sein, so lange es eben geht.«
Für einige Sekunden war es sehr still in dem kleinen Sprechzimmer. Schwach drang der Straßenlärm von draußen herein, aber das Geräusch wirkte, als käme es aus einer anderen Welt. Hier in diesem Raum, in diesem altmodischen Sprechzimmer, das sich in langen Jahren kaum verändert hatte bis auf die neuen Geräte, die angeschafft worden waren, schien die Zeit stehen geblieben zu sein.
»Auf Wiedersehen, Herr Doktor«, sagte Natalie schließlich und hielt ihrem alten Hausarzt die Hand hin. »Ich möchte jetzt gehen und nachdenken.«
»Wirst du mir versprechen, dich wieder an mich zu wenden, wenn du Hilfe brauchst? Oder wenn du reden möchtest? Ich bin jederzeit für dich da, Natalie, und ich möchte, daß du das nicht vergißt.«
Sie nickte wortlos und wandte sich zum Gehen.
»Willst du die Aufnahmen nicht mitnehmen?« fragte er. »Vielleicht überlegst du es dir anders, wegen des Neurochirurgen, meine ich. Dann solltest du die Aufnahmen vorlegen können.«
Sie zögerte, schüttelte dann aber entschieden den Kopf. »Nein, ich lasse sie hier. Sie sind bei Ihnen am besten aufgehoben, denke ich. Auf Wiedersehen, Herr Dr. Scholz.« Nach diesen Worten und einem letzten kurzen Nicken in seine Richtung verließ sie das Sprechzimmer.
Er sah ihr lange nach, gedankenverloren, und kehrte erst in die Gegenwart zurück, als seine Sprechstundenhilfe in der Tür erschien, sich räusperte, als er auch dann nicht reagierte und ihn fragte, ob sie den nächsten Patienten zu ihm schicken könne.
*
»Wieso holst du mich heute vom Kindergarten ab, Onkel Clemens?« fragte Ann Kathrin, als sie an der Hand von Clemens Theyenthal über die Straße hüpfte. »Wo ist Mami?«
»Sie hat angerufen, daß sie sich ein bißchen verspätet, Kati. Und da dachte ich, es wäre doch nett, wenn wir beide diese Gelegenheit nutzen und vielleicht heimlich noch ein Eis essen – was hältst du davon?«
»O ja, o ja!« Die Kleine hüpfte noch schneller und strahlte über das ganze Gesicht. »Ich will nur Banane und Erdbeere. Und Pistazie!«
Clemens lachte. »Nur? Hast du wirklich ›nur‹ gesagt?«
»Ach, bitte Onkel Clemens! Es ist schon so lange her, daß ich ein Eis essen durfte.«
»Na, schön. Wenn deine Mami das erfährt, wird sie sicher mit uns schimpfen, aber ich riskiere es.«
Die Eisdiele lag auf dem Weg zu seinem Wagen. Ann Kathrin bekam ihr großes Eis, dem sie sofort mit ihrer kleinen Zunge energisch zu Leibe rückte. Vor Clemens’ erstaunten Augen wurde die Portion in Windeseile kleiner. Er selbst aß ein Schokoladeneis, das ungefähr halb so groß war wie Ann Kathrins – dennoch brauchte er viel länger, um es aufzuessen.
Clemens war ein großgewachsener Mann von fünfunddreißig Jahren mit einem sehr sympathischen Gesicht. Er sah nicht im eigentlichem Sinne gut aus, aber seine Züge waren angenehm, die Augen freundlich und klug, der Mund sensibel. Seine dunklen Haare waren dicht und wellig, und seine braunen Augen hatten einen leichten Stich ins Grünliche. Sie gaben seinem Gesicht das ›gewisse Etwas‹, von dem sich viele Frauen angezogen fühlten. Er besaß eine kleine Werbeagentur, die sich innerhalb weniger Jahre einen ausgezeichneten Namen gemacht hatte.
Im Wagen plauderte die Kleine vergnügt vor sich hin, erzählte ihm von den großen und kleinen Ereignissen im Kindergarten und schien gar nicht zu bemerken, daß seine Antworten recht einsilbig waren. Tatsächlich war Clemens mit den Gedanken bei Ann Kathrins Mutter Natalie, die ihn vorhin mit einer ganz merkwürdigen Stimme angerufen hatte, um ihn zu bitten, ihre