Immer auf der Flucht
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Britta Stockholm
Britta Stockholm wird kurz vor Beginn des II. Weltkrieges in Braunsberg bei Königsberg/Ostpreußen geboren. Über Irrwege erreicht sie einen Kurort in Hessen, in dem sie aufwächst. Weitere Stationen im In- und Ausland folgen.
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Book preview
Immer auf der Flucht - Britta Stockholm
Inhaltsverzeichnis
Aufbruch
Braunsberg
Situation Ostpreußen
Nach Heiligenbeil
Nach Rosenberg
Pillau weiter Gotenhafen
Lazarettschiff
Schönes Ostpreußen
Kloster Kindergarten
Sommerfrische Narmeln
Bäckerei Alshuth
Lebertran
Klaus in Königsberg
Urgroßmutter
Elisabeth
Hausschlachtung
Rettung vor der See
Die neue Heimat?
Heide in Holstein
Freund Axel
Erneuter Aufbruch
Schönes Hessenland
Unterkunft mit Sternenhimmel
Traumhaus
Kriegsende, der „Ami" kommt
Vati frei
Erleuchtete Villen
Oma lebt
Kartoffelernte
Krabbeltiere
Schäume sind Träume
Wasser, oder die Sache mit dem Plop
Silberne Erleuchtung
Unerwarteter Anschlag
Zentrifugal
Schulstreiche
Deutschunterricht
Horst kann es nicht lassen
Schöne Geschichte
Ist das Kunst, oder kann das weg?
*
Eli verschwunden
Klettergarten
Propeller
Sammelleidenschaften
Abkapseln
Komisches Ding
Von Schirmen und anderem
Auf dem Holzweg
Späte Jahre
Aufbruch
Braunsberga, 12. Februar 1945, ein Offizier der Organisation Todtb lässt die Nachricht verbreiten, dass Braunsberg bis 12:00 Uhr des kommenden Tages geräumt sein muss. Ältere und schwächelnde Personen sollen ins nahe gelegene Kloster verbracht werden. Hier würde für sie gesorgt.
Das Gegenteil der sonst üblichen Durchhalte-Parolen und Befehle, welche Erich Kochc für Ostpreußen immer in die Welt setzt.
*
Seliger Straße 3, 13. Februar 1945, kurz nach Mitternacht: Die Geschehnisse schweben vor meinem geistigen Auge, als würden sie in diesem Moment passieren. Gut fünfeinhalb Jahre wachse ich hier auf, als meine knapp zweijährige Schwester Elisabeth, Eli genannt und ich, mitten in der Nacht aus dem Bett gezerrt werden. In aller Hast zieht man uns beide an, jeweils die doppelte, dreifache Ausstattung. Was das jetzt soll? Mir bleibt es vorerst verborgen, doch dass das kein Spiel ist, begreife ich umgehend. In unserem Haus schwirren plötzlich einige Verwandte umher. Tanten und ein Onkel, dazu meine Großmutter und Urgroßmutter, welche beide generell mit uns leben.
Eine schreckliche Hektik breitet sich im Haus aus. Alle weinen, ich verstehe meine kleine Welt nicht mehr. Eingeprömmstd wie ich bin, wird mir zum Überfluss ein voller Rucksack umgehängt. Vollgestopft mit ich weiß nicht was, zieht er mich so nach hinten, dass ich umzukippen drohe. Die kleine Eli steckt man in den Kinderwagen aus Korbgeflecht. Meine Mutter trägt in jeder Hand übervolle Taschen und ebenfalls einen olivfarbenen Rucksack umgeschnallt. Bei meinem Onkel und den Tanten sieht es ähnlich beschwerlich aus.
Mein Vater, als Soldat in Russland eingesetzt, wurde arg verwundet. Etliche Beineinschüsse führen nun dazu, dass man ihn mit anderen Kameraden zu einem Lazarettschiff bringen will, soll die Verwundeten in Krankenhäuser sicherer Regionen transportieren. Mein Vater kann, in diesem Fall zu unserem Glück, sehr bestimmend sein. Er will unbedingt, wohl wissend, wie verheerend es demnächst in der Heimat werden würde, seine Familie in Sicherheit bringen. Ohne meine Familie reise ich nicht weiter!
Soll er immer gerufen haben. So überredete er die jungen Sanitäter, an unserer alten Haustür anzuhalten. Durch Braunsberg fuhren sie sowieso in diesem Fall. Mein Vater überbringt uns die Nachricht, dass er und die anderen verwundeten Soldaten mit letztem Schiff¹ aus dem heftig umkämpften, ostpreußischen Gebiet, Richtung Holstein in Krankenhäuser verbracht werden. Ohne uns will er nicht weiter, so sein Tenor. Wir mögen zu dem Schiff in die Danziger Buchte kommen und erhalten von ihm genaue Details über den Verlauf des Weges. Schneller gesagt als getan. Deswegen also dieser Aufstand und die Eile.
Wem die Geschichte um Ostpreußenf nicht so geläufig, hier ein kurzer Abriss zum besseren Verständnis meiner Anekdoten:
Ostpreußen, im Besonderen die Region um Königsbergg, Heiligenbeilh, Braunsberg, wird in diesen Kriegswochen stark umkämpft. Hier finden die letzten Kampfhandlungen bis zum Ende des Krieges statt. Die Einwohner hält man bis zur letzten Stunde hin, in ihrer Heimat zu verbleiben, sonst würde mit ihnen kurzer Prozess gemacht
. Russische Soldaten haben die Deutschen eingekesselt, nur ein schmaler Korridor zwischen der russischen Armee und der Frischen Nehrungi bleibt bis zu diesen Tagen übrig.
Der Winter 1944/45 besonders streng, das Haffj bildet eine durchgehend geschlossene, trügerische Eisdecke. Eine schmale Fahrrinne von Elbingk bis Königsberg wird mit Eisbrechern freigehalten. Seit Ende Januar ist der Landweg für Flüchtlingstrecks abgeriegelt und lediglich über die vorgelagerte, schmale Frische Nehrung kann der andere Teil des Deutschen Reiches erlangt werden. Oder, ja, oder man erreicht eines der Schiffe die als Flüchtlings- und Verwundeten-Transporter ab Ende Januar auf Befehl von Admiral Dönitzl eingesetzt werden.
Viele hiervon stellt man allerdings nur für verwundete Soldaten bereit. Einem dieser Rot-Kreuz-Transporter, der Wilhelm Gustloff
, widerfuhr eines der größten Schiffsunglücke der Menschheit. Torpediert von einem russischen U-Boot,