Die Psychologie der Zeugen Jehovas
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Erkennbar ist dies aber erst von außen - solange man drin ist, ist es nicht zu sehen.
Dieser Lebensbericht gewährt tiefen Einblick in die Welt der Zeugen Jehovas, beleuchtet die Hintergründe ihrer Aktionen und die Wirkung auf die Psyche des einzelnen.
Dieses Werk ist speziell den Hineingeborenen gewidmet und zeigt auf, was es für ein Kind heißt, "als Zeuge Jehovas erzogen" zu werden. Es macht deutlich, wie das Glaubensgebäude der Organisation die natürliche Individualität - besonders bei Kindern - grundlegend und nachhaltig verzerrt und stört. Es zeigt aber auch, dass TROTZ ALLEM angerichteten Schaden des Menschen innerer Kern durch NICHTS zerstört werden kann ... und schenkt damit jedem Aussteiger (besonders hineingeborenen) sowohl Mut als auch Hoffnung, wieder zu sich selbst zu finden.
Silvia Lackner
Silvia Lackner, gebürtige Wienerin (1969), wurde in die Organisation der Zeugen Jehovas hineingeboren. Sie war bis zu ihrem Ausstieg mit 33 Jahren vollkommen überzeugt vom Wahrheitsgehalt der Lehre und Lebensweise der Zeugen und lebte bei maximaler Selbstreduktion ausschließlich für "Jehova" und seine Organisation. Nach ihrem Ausstieg begann sie mit Bewusstseinsforschung und begann Abläufe und Mechanismen innerhalb der Organisation der Zeugen Jehovas zu analysieren und zu verstehen. Sie beschritt den Weg der Selbsterkenntnis und fand heraus, dass Selbstverwirklichung ein tragender Inhalt des Mensch-Seins ist. Ihrer Erkenntnis nach hängt tiefe Erfüllung und Glücklichsein von dem Maß ab, mit dem wir uns erlauben, SELBST zu sein, also zu leben was man tatsächlich ist. Sie machte den Weg der Selbstverwirklichung zu ihrem Ziel, und in der Erforschung der Erfolgsfaktoren erkannte sie, dass erfolgreiche Selbstverwirklichung einen logischen Aufbau hat: 1. Selbstachtung, 2. Selbstwert, 3. Selbstvertrauen, 4. Selbstliebe, 5. Selbstverwirklichung. In ihrer Buchreihe beschreibt sie die einzelnen Faktoren aus der Sicht eines Menschen, der durch Lehre und Leben der Organisation der Zeugen Jehovas geprägt wurde.
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Book preview
Die Psychologie der Zeugen Jehovas - Silvia Lackner
WIDMUNG und DANKSAGUNG
Dieses Buch ist all jenen gewidmet,
die in die Organisation der Zeugen Jehovas
hinein geboren wurden
und den Wunsch haben, sich daraus zu befreien.
Und es ist allen gewidmet,
die in Betracht ziehen, ihre Kinder in dieser Organisation
zu „treuen und ergebenen Dienern Jehovas" zu erziehen.
Meine Danksagung gilt besonders
meinem Geliebten und Ehemann,
der mich großartig bei Schreiben dieses Buches
unterstützt hat.
Ich bedanke mich von Herzen bei allen,
die sich meiner beiden Kinder liebevoll angenommen
und sie mit Rat und Tat unterstützt haben,
und besonders bei meiner ersten Schwiegermutter,
die immer und jederzeit für meine Kinder da war.
Und ich bedanke mich aufrichtig bei meiner Mama,
weil sie in jeder Situation ihr Bestes gegeben hat
und wenn’s drauf ankam
stets zu übermenschlichen Taten bereit war.
INHALTSVERZEICHNIS
Widmung
Einleitung
Kapitel 1 – Der Beginn
Kapitel 2 – Erziehung und Prägung
Kapitel 3 – Das Ereignis
Kapitel 4 – Die Folgen
Kapitel 5 – Die erste große Liebe
Kapitel 6 – Familie
Kapitel 7 – Der Ausstieg
Kapitel 8 – Die Welt
Kapitel 9 – Psychologisch betrachtet
Kapitel 10 – Der magische Aspekt
Kapitel 11 – Das wahre Leben
Epilog
Anhang: Organisationsstruktur, Lehren & Leben der ZJ
EINLEITUNG
Jeder Mensch wird in eine Art Überzeugungssystem und Glaubenstradition hinein geboren.
Die Einstellung und Ansichten der Eltern werden zu einem Großteil automatisch auch zur eigenen Lebensart gemacht.
Im Zuge des Heranwachsens und Sich-selbst-Kennenlernens sowie durch Vergleichsmöglichkeiten mit andersartigen Überzeugungsstrukturen verändert sich das erworbene Weltbild nach und nach und passt sich dem eigenen Wesen an. Im Normalfall sind sie sich im Grunde ihrer selbst sicher, sie kennen ihre Eigenheiten und prägen ihr Leben selbst aktiv durch Wertvorstellungen, die sie sich selbst erarbeitet haben. Sie orientieren sich ziemlich schnell neu, wenn die Stagnation eines eingeschlagenen Weges bemerkt wird. Auch sind sie mehr oder weniger offen für Erlebnisse außerhalb ihres bisherigen Erfahrungsspektrums, denn sie haben ihre Fähigkeit im Laufe der Zeit wiederholt geübt, ihr eigenes Schicksal in die Hand zu nehmen und daraus etwas zu machen (Macht).
Bei Menschen, die in die Organisation der Zeugen Jehovas hinein geboren werden, ist dies anders.
Vom Augenblick ihrer Geburt an werden solche zu einem idealen „Diener Gottes" geformt. Ihrer individuellen Persönlichkeit wird keine Chance gegeben, sich zu entwickeln. Jeder Ansatz von Individualität wird nach Konformität dem (vorgegebenen) Glaubensgebäude entsprechend geprüft und entweder bis zur Verkümmerung dessen bekämpft oder aber übermäßig gelobt und bestärkt.
Ein Sich-selbst-Kennenlernen – Wer bin ich? Wie bin ich? Was sind meine natürlichen Begabungen? – ist nicht möglich, denn ein Kind darf nur ganz, ganz selten sein wie es ist. Von Anfang an wird ihm ein sehr verzerrtes Bild von seiner wahren Natur, seinem Selbst, vermittelt. Fatalerweise wird dieses schnell zum Selbstverständnis.
Außerdem wird es zur Passivität erzogen, was eigene Entscheidungen, spontanes Handeln und selbstbestimmtes Denken betrifft – davor hat es stets zu prüfen, ob solches auch „im Sinne Jehovas ist. Weil Kindern solch Abstimmungsverhalten fremd ist, müssen sie oft „gezüchtigt
werden („die Rute der Zucht" ist es, die ein Kind am richtigen Weg hält, so die Überzeugung der Zeugen Jehovas.) Zu meiner Kindeszeit hieß dies verbale und oft auch buchstäbliche Prügel, mit Kochlöffel, Teppichklopfer und jeder Art von Stangen, die in solchen Situationen greifbar waren. Das war bei den allermeisten Familien damals üblich, es gab nur wenige Ausnahmen.
In der Zwischenzeit ist diese Art von Züchtigung (durch einige Gerichtsfälle wegen Kindesmisshandlung) glücklicherweise etwas entschärft.
Nachdem die Rute der Zucht sein Werk vollbracht hat, wird dem Kind erklärt, dass sein Verhalten absolut unakzeptabel ist, weil es Jehova missfällt. Es wäre auch äußerst respektlos Jehova gegenüber, diese Tat ungestraft durchgehen zu lassen, weshalb diese Fehltritte die Eltern zwingen, Züchtigungsmaßnahmen zu setzen. Die Eltern könnten gar nicht anders, wenn sie sich vor Jehova nicht schuldig machen wollen.
Ist das Kind dann verbal oder körperlich „weich geklopft", ist es für solcherlei Erklärungen wesentlich aufnahmebereiter und es prägt sich tiefer ein als wenn die Erklärungen vor der Züchtigungsmaßnahme erfolgt – so war die allgemeine Erziehungsrichtung zu meiner Kindheitszeit.
Sehr früh also lernt das Kind, sich schuldig zu fühlen, und sehr schnell sind Schuldgefühle tief eingeprägtes Verhaltensmuster. Es entsteht in den ersten Lebensjahren auch eine Art Dauer-Unsicherheit, weil für das Kind nicht abzuschätzen ist, welches Verhalten nun gutgeheißen und welches bestraft wird. Zu unnatürlich für das kindliche Gemüt sind die Regeln.
Zeugen Jehovas sind grundsätzlich Opfer der Umstände; Für sie sind Schwierigkeiten, besonders mit „Weltmenschen", jedes Mal aufs Neue die Bestätigung dafür, dass sie am richtigen Weg sind (denn nur die wahren Diener Gottes werden schlecht behandelt, verfolgt, abgelehnt etc.). Das wird dem Kind sehr intensiv durch Erfahrungsberichte anderer vermittelt und es selbst erlebt es im Umgang mit anderen immer wieder.
Von ganz klein an wird das Kind dazu angehalten, nur mit Gleichgläubigen Umgang zu haben, alle anderen sind „böse, „gefährlich
, „unter dem Einfluss des Teufels und seiner Dämonen und eindeutig „schlechter Umgang
, weshalb diese zu der von Gott bestimmten Zeit (so sie bis dahin nicht den wahren Glauben angenommen haben) vernichtet werden. Infolge dessen sei ein Zusammensein mit diesen „Weltmenschen" nur aufs Allernötigste zu reduzieren.
Es gibt deshalb keinen bis wenig Kontakte zur Außenwelt, wodurch dem Kind u.a. jegliche Vergleichsmöglichkeit zwischen den Lebensarten von Zeugen Jehovas und Nicht-Zeugen-Jehovas verwehrt wird.
Die Andersartigkeit und die Nicht-Zugehörigkeit fallen schon früh auf. Manche Kinder beginnen, ein Doppelleben zu führen, was früher oder später zu großer innerer Zerrissenheit führt. Andere wiederum ziehen sich von ihren Mitmenschen zurück und meiden zwischenmenschliche Interaktion so gut sie können, weil sie sich überfordert fühlen bzw. der Spott und die Ablehnung der anderen nicht ertragen. Wer nicht Revoluzzerblut in sich hat (und dadurch zum „Problemkind" wird), durchleben die Schulzeit und generell Kontakt zu anderen generell als eindeutiger Außenseiter. Beides führt in seiner Art zu Einsamkeit, die einem Nicht-Zeuge-Jehovas fremd ist.
Jeder Hineingeborene geht anders damit um, die einen beginnen irgendwann zu rebellieren, die anderen werden depressiv, wieder andere apathisch, oder aber fanatisch, das gesteigert werden kann bis zur absoluten Selbstaufgabe.
Ein Hineingeborener sieht selten reale Chance, auszubrechen, weil er einerseits das „Draußen" nicht kennt (doch, korrigiere: als böse, gefährlich, vernichtenswert, teuflisch und dämonisch kennt, doch wer begibt sich schon gerne in eine Todeszone?). Andererseits bedeutet ein Ausbrechen den Verlust alles Bekannten und Vertrauten. Der Kontakt zu allen Freunden (die in manchen Fällen ausnahmslos Zeugen Jehovas sind) wird abgebrochen (wer weiterhin Kontakt zu einem Ausgeschlossenen pflegt, droht ebenfalls ausgeschlossen zu werden.
Zu meiner Jugendzeit gab’s noch den „Bezeichneten", ich weiß nicht, ob es das heute noch gibt: Ein Bezeichneter ist ein Zeuge Jehovas, der verurteilenswerte Handlungen pflegt und dies trotz mehrmaliger Zurechtweisung (in manchen Fällen auch öffentlich, vor allen) nicht aufzugeben bereit ist. Einem solchen wurde eine gewisse Zeit lang die Gelegenheit eingeräumt, diese Angelegenheit zu korrigieren, ansonsten wird er ausgeschlossen.)
Die Organisation hält jeden dazu an, den Kontakt zu einem ausgeschlossenen Familienmitglied abzubrechen; die meisten Familien halten sich daran, weil dadurch das Ansehen der Versammlung und der Familie selbst gewahrt bleibt. Nur wenige ignorieren diese Weisung.
Und damit sitzt ein Hineingeborener, der aussteigt, in einer völlig fremden, ihm feindlich gesinnten und tödlichen Umgebung (so empfindet er es) ... und ist anfangs wirklich völlig allein.
Ein solcher erlebt im Sinne des Wortes eine Neugeburt.
Wir werden unsere Reise - vom Hineingeboren-Werden bis zum Ausstieg und danach - immer