Henri Nouwen - Mit Leidenschaft für das Leben: Vorwort von Anselm Grün
By Dr. Wunihald Müller and Anselm Grün
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About this ebook
Wunibald Müller ist Henri Nouwen mehrfach begegnet. Anhand seiner Erinnerungen, Aufzeichnungen und an der Wirkungsstätte in Toronto ergründet er Nouwens Motivation zu einem radikalen Leben auf der Seite der Menschen. Ob bei Universitätskollegen, französischen Ordensmännern oder Armen in Peru: Immer hat Nouwen seine Gesprächspartner verzaubert - durch seine liebevolle Barmherzigkeit, seine Offenheit und intensive Lebendigkeit. Getragen von einer tiefen Gottesbeziehung, ließ er sich von der Not der Menschen berühren. Neugierig, entschieden und immer wieder neu stellte er sich auf die Seite der armen Menschen.
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Henri Nouwen - Mit Leidenschaft für das Leben - Dr. Wunihald Müller
NAVIGATION
Buch lesen
Cover
Haupttitel
Inhalt
Bildnachweis
Über den Autor
Über das Buch
Impressum
Hinweise des Verlags
HAUPTTITEL
Wunibald Müller
Henri Nouwen – Mit Leidenschaft für das Leben
Patmos Verlag
Inhalt
Vorwort von Anselm Grün
Einleitung
TEIL I: Vom Mitgefühl über Mitleid bis zur Barmherzigkeit
Begegnung mit Henri
Von der Zärtlichkeit Gottes
Erbarmen geht über Empathie hinaus
Der Barmherzige stellt keine Fragen – er hilft
„Schmeißt ihn hinaus, er bricht mir das Herz!"
Mitleid kann peinlich sein
„Seid barmherzig, wie es auch euer Vater ist"
Kann Barmherzigkeit „zweitrangig" sein?
Unseren Blick auf das Antlitz des liebenden Gottes richten
Sich zu erbarmen ist göttlich
TEIL II: Der eine leidet, der andere leidet mit – was passiert zwischen den beiden?
Der verwundete Heiler
Die Schwäche des Hilfsbedürftigen ist auch unsere Schwäche
Barmherzigkeit tut auch dem Helfer gut, nicht nur dem Hilfsbedürftigen
Der Weg in das Schwachsein und die Nichtigkeit
Sich zu erbarmen heißt, auf gleicher Augenhöhe zu sein
Uns für andere hingeben
Gibt es falsches Mitleid und falsche Barmherzigkeit?
Der Kampfbegriff „Gutmensch" ist einer christlichen Gesellschaft unwürdig
TEIL III: Der Flamme des Ursprungs treu sein und dem Geist der Zeit gerecht werden – Nouwens ganz persönliche Spiritualität
Wenn die Fühler meiner Seele die Seele des anderen berühren
Zu viel Professionalität schafft lieblose Distanz
„Ich bin der, der für dich da ist"
Nouwens große Botschaft: Du wirst bedingungslos geliebt
Eine Seelsorge, die sich an Jesus orientiert
Zirkus statt Klerus
Der Funke muss überspringen: von Herz zu Herz
TEIL IV: Mit dem Blick für das Wesentliche in die Zukunft
Ein Klima der Barmherzigkeit
Klima der Barmherzigkeit: Die innerkirchliche Reform hat begonnen
Eine Kirche, die auf dem Felsen von Gottes Barmherzigkeit gründet
Barmherzigkeit über alles!
Beten als Herzschlag eines mitleidenden Herzens
Beten beruhigt, entschleunigt und stärkt den Sinn fürs Wesentliche
„Feier des Kusses"
Unseren Gottesdiensten fehlt oft die Wärme
Nachwort
Wichtige Daten aus Henri Nouwens Leben
Literatur
Bildnachweis
Über den Autor
Über das Buch
Impressum
Hinweise des Verlags
Vorwort von Anselm Grün
Nur zweimal durfte ich Henri Nouwen begegnen. Das erste Mal hatte Wunibald Müller ein kleines Treffen von Theologen mit Henri Nouwen in Freiburg organisiert. Wir sprachen über das geistliche Leben, über das, was uns im Tiefsten bewegt, über unsere Suche und Sehnsucht nach Gott. Zum Abschluss dieses Treffens feierte Henri mit uns im kleinen Kreis die Eucharistie. Mein Eindruck von ihm war: ein Mann, der ganz und gar präsent ist und der absolut ehrlich ist, der sein Herz vor den anderen ausbreitet und sich nicht mit abstrakten Theorien abgibt. In seiner kurzen Ansprache hat er über den Propheten Elija gesprochen, der innerlich verwirrt war, weil Gott seine Vorstellungen von ihm durcheinandergebracht hatte.
Die zweite Begegnung war die Eröffnung unseres Recollectio-Hauses vor 25 Jahren. Dr. Wunibald Müller, der Henri während seines Studiums in den USA kennengelernt hatte, hat ihn zur Eröffnung eingeladen. Nouwen hielt vor den Gästen des Recollectio-Hauses und einigen Mitbrüdern in der Kapelle eine Ansprache, die mich tief bewegt hat. Er sprach über die vier Worte Jesu beim Abendmahl: „Jesus nahm das Brot, segnete es, brach es und gab es seinen Jüngern." Ich war so berührt, dass ich am Abend diese Predigt aus dem Gedächtnis niedergeschrieben habe. Nach der Einweihung durften Abt Fidelis und ich noch gemeinsam mit Henri Nouwen und Wunibald Müller zu Abend essen. Da war sofort eine Vertrautheit da. Alle Förmlichkeit löste sich in der Begegnung mit Henri sofort auf. Und das Gespräch kreiste immer um Wesentliches: Was heißt es heute, Priester, Mönch, Christ oder ein Gottsucher zu sein?
Schon vorher hatte ich Bücher von Henri Nouwen gelesen, einmal seinen Klassiker, der ihn in Deutschland bekannt gemacht hat: Ich hörte auf die Stille. Da habe ich seine Beobachtungsgabe bewundert. Er schildert immer liebevoll und barmherzig die verschiedenen Typen von Mitbrüdern. Und ich las verschiedene Bücher über die Seelsorge. Dabei hat mich seine Auslegung der Barmherzigkeit berührt. Ihm verdanke ich den Hinweis, dass das griechische Wort für Mitleid splanchnizomai bedeutet: in den Eingeweiden ergriffen werden. Und – so meint Nouwen – die Eingeweide sind für die Griechen der Ort der verwundbaren Gefühle. Barmherzig sein heißt also, sich dort vom andern Menschen berühren lassen, wo die verwundbaren Gefühle liegen, sich vom andern verwunden lassen, mit ihm mitfühlen und mitleiden.
Papst Franziskus hat das Jahr 2016 zum Jahr der Barmherzigkeit erklärt. Henri Nouwen steht für diese Barmherzigkeit. Er musste lernen, mit sich selbst barmherzig zu sein. Denn manchmal litt er an seiner eigenen Empfindlichkeit und an seinem Bedürfnis, von Freunden genügend beachtet zu werden. Aber er verurteilte sich nie, sondern schaute mit einem barmherzigen Blick auf seine eigene menschliche Begrenztheit. Und wenn er über andere Menschen sprach oder schrieb, tat er es immer im Geist der Barmherzigkeit. Er bewertete die Menschen nicht, er sprach einfach über sie und von ihnen. Ihm war es wichtig, wie wir als diese begrenzten und verwundeten Menschen mit uns selbst und miteinander barmherzig umgehen können.
So wünsche ich im Jahr der Barmherzigkeit, dass die Erinnerungen von Wunibald Müller an seinen einstigen Lehrer den Geist der Barmherzigkeit auch in den Herzen der Leserinnen und Leser wecken. Papst Franziskus und Henri Nouwen würden sich heute sicher gut verstehen. Sie sehen mit dem gleichen Blick auf die Menschen. Wenn Papst Franziskus die Kirche auffordert, an die Ränder zu gehen und sich den Armen zuzuwenden, so hat Henri Nouwen das ganz konkret getan. Er ist zu den Behinderten in der Arche gegangen und hat sich wie jeder andere Pfleger ganz konkret auf sie eingelassen. Und er hat sie für sich selbst als Lehrer angesehen, die ihm die eigenen Behinderungen und Begrenzungen wie ein Spiegel vor Augen hielten. So wünsche ich uns allen, dass wir vom Geist der Barmherzigkeit, der in der Person von Henri Nouwen allen entgegengestrahlt hat, die ihm begegnet sind, ergreifen lassen und diesen Geist auf je eigene persönliche Weise in dieser Welt aufleuchten lassen.
P. Anselm Grün
Einleitung
Es ist Samstagvormittag im Advent. Ich befinde mich im ZDF-Gelände auf dem Lerchenberg in Mainz. Anlässlich des Heiligen Jahres der Barmherzigkeit, das Papst Franziskus vor wenigen Tagen in Rom feierlich angekündigt hat, soll ich für die Sendung Sonntags zum Thema Barmherzigkeit interviewt werden. An diesem Samstagmorgen wirkt das riesige Areal wie ausgestorben. Im Fernsehstudio werde ich herzlich begrüßt von Michaela Pilters, der Leiterin der ZDF-Redaktion Kirche und Leben kath. Wir kennen uns seit vielen Jahren. Sie hier zu sehen erwärmt mein Herz. Das anonyme ZDF-Zentrum mit seinem weithin sichtbaren Hochhaus, unzähligen weiteren Gebäuden, dem Fernsehgarten und dem Rundbau für den Sendebetrieb, in dem ich mich befinde, bekommt jetzt ein Gesicht. Dem Gefühl von Fremdheit, das mich bis jetzt beschlichen hatte, weicht ein Gefühl von Vertrautheit.
Dann bin ich im Fernsehstudio, umgeben von etwa einem Dutzend Mitarbeitern, die das Interview unter Livebedingungen aufzeichnen. Die Moderatorin Andrea Ballschuh, die bei ihrer Ankündigung bereits die Frage gestellt hatte, was es denn mit der irgendwie angestaubt und altmodisch klingenden Barmherzigkeit auf sich habe, stellt mir jetzt dieselbe Frage. Ich versuche aus der Sicht des Theologen und Psychotherapeuten aufzuzeigen, dass Barmherzigkeit für mich alles andere als antiquiert ist