Der Bürgerkrieg in Frankreich
By Karl Marx
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Aus dem Buch:
"Wir haben uns nicht über die Lebensfähigkeit des zweiten Kaiserreichs getäuscht. Wir hatten auch nicht unrecht in unsrer Befürchtung, der deutsche Krieg werde "seinen streng defensiven Charakter verlieren und in einen Krieg gegen das französische Volk ausarten". Der Verteidigungskrieg endete in der Tat mit der Ergebung Louis-Napoleons, der Kapitulation von Sedan und der Proklamation der Republik in Paris. Aber schon lange vor diesen Ereignissen, schon in demselben Augenblick, wo die gänzliche Fäulnis der bonapartistischen Waffen zur Gewißheit wurde, entschloß sich die preußische Militärkamarilla zur Eroberung."
Karl Marx (1818-1883) war ein deutscher Philosoph, Ökonom, Gesellschaftstheoretiker, politischer Journalist, Protagonist der Arbeiterbewegung sowie Kritiker der bürgerlichen Gesellschaft und der Religion. Zusammen mit Friedrich Engels wurde er zum einflussreichsten Theoretiker des Sozialismus und Kommunismus. Bis heute werden seine Theorien kontrovers diskutiert.
Karl Marx
Karl Marx (1818-1883) was Prussian-born philosopher, economist, political theorist, sociologist, journalist, and revolutionary socialist. His collaborated with Friedrich Engels in writing The Communist Manifesto (1848). Expelled from Prussia in the same year, Marx took up residence first in Paris and then in London where, in 1867, he published his magnum opus Capital.
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Der Bürgerkrieg in Frankreich - Karl Marx
Karl Marx
Der Bürgerkrieg in Frankreich
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musaicumbooks@okpublishing.info
2017 OK Publishing
ISBN 978-80-272-2775-4
Inhaltsverzeichnis
Einleitung [zur Ausgabe von 1891]
Erste Adresse des Generalrats über den Deutsch-Französischen Krieg
Zweite Adresse des Generalrats über den Deutsch-Französischen Krieg
Adresse des Generalrats der Internationalen Arbeiterassoziation
I
II
III
IV
Beilagen
Einleitung [zur Ausgabe von 1891]
Inhaltsverzeichnis
Die Aufforderung, die Adresse des internationalen Generalrats über den »Bürgerkrieg in Frankreich« neu herauszugeben und mit einer Einleitung zu begleiten, kam mir unerwartet. Ich kann daher hier nur kurz die wesentlichsten Punkte berühren.
Ich schicke der obigen längern Arbeit die beiden kürzern Ansprachen des Generalrats über den Deutsch-Französischen Krieg voraus. Einmal, weil auf die zweite, die selbst ohne die erste nicht durchweg verständlich, im »Bürgerkrieg« verwiesen wird. Dann aber, weil diese beiden ebenfalls von Marx verfaßten Ansprachen nicht minder als der »Bürgerkrieg« hervorragende Probestücke sind von der wunderbaren, zuerst im »18. Brumaire des Louis Bonaparte« bewährten Gabe des Verfassers, den Charakter, die Tragweite und die notwendigen Folgen großer geschichtlicher Ereignisse klar zu erfassen, zur Zeit, wo diese Ereignisse sich noch vor unsern Augen abspielen oder erst eben vollendet sind. Und endlich, weil wir in Deutschland noch heute unter den von Marx vorausgesagten Folgen jener Ereignisse zu leiden haben.
Oder ist es nicht eingetroffen, was die erste Ansprache sagt, daß, wenn der Verteidigungskrieg Deutschlands gegen Louis Bonaparte ausarte in einen Eroberungskrieg gegen das französische Volk, alles Unglück, das auf Deutschland fiel nach den sogenannten Befreiungskriegen, wieder aufleben werde mit erneuter Heftigkeit? Haben wir nicht weitere zwanzig Jahre Bismarckherrschaft gehabt, statt der Demagogenverfolgungen das Ausnahmegesetz und die Sozialistenhetze, mit derselben Polizeiwillkür, mit buchstäblich derselben haarsträubenden Gesetzauslegung?
Und hat sich nicht buchstäblich bewährt die Voraussage, daß die Annexion Elsaß-Lothringens »Frankreich in die Arme Rußlands hineinzwingen« werde, und daß nach dieser Annexion Deutschland entweder der offenkundige Knecht Rußlands werden oder sich nach kurzer Rast zu einem neuen Krieg rüsten müsse, und zwar »zu einem Racenkrieg gegen die verbündeten Racen der Slawen und Romanen«? Hat nicht die Annexion der französischen Provinzen Frankreich in die Arme Rußlands getrieben? Hat nicht Bismarck volle zwanzig Jahre vergebens um die Gunst des Zaren gebuhlt, gebuhlt mit Diensten noch niedriger, als sie das kleine Preußen, ehe es »erste Großmacht Europas« geworden, dem heiligen Rußland zu Füßen zu legen gewohnt war? Und hängt nicht noch tagtäglich über unserm Haupte das Damoklesschwert eines Kriegs, an dessen erstem Tag alle verbrieften Fürstenbündnisse zerstieben werden wie Spreu, eines Kriegs, von dem nichts gewiß ist als die absolute Ungewißheit seines Ausgangs, eines Racenkriegs, der ganz Europa der Verheerung durch fünfzehn oder zwanzig Millionen Bewaffneter unterwirft, und der nur deswegen nicht schon wütet, weil selbst dem stärksten der großen Militärstaaten vor der totalen Unberechenbarkeit des Endresultats bangt?
Um so mehr ist es Pflicht, diese halbvergeßnen glänzenden Belege der Fernsicht der internationalen Arbeiterpolitik von 1870 den deutschen Arbeitern wieder zugänglich zu machen.
Was von diesen beiden Ansprachen, gilt auch von der über den »Bürgerkrieg in Frankreich«. Am 28. Mai erlagen die letzten Kommunekämpfer der Übermacht auf den Abhängen von Belleville, und schon zwei Tage später, am 30., las Marx dem Generalrat die Arbeit vor, worin die geschichtliche Bedeutung der Pariser Kommune in kurzen, kräftigen, aber so scharfen und vor allem so wahren Zügen dargestellt ist, wie dies in der gesamten massenhaften Literatur über den Gegenstand nie wieder erreicht worden.
Dank der ökonomischen und politischen Entwicklung Frankreichs seit 1789 ist Paris seit fünfzig Jahren in die Lage versetzt, daß dort keine Revolution ausbrechen konnte, die nicht einen proletarischen Charakter annahm, derart, daß das Proletariat, das den Sieg mit seinem Blut erkauft, mit eignen Forderungen nach dem Sieg auftrat. Diese Forderungen waren mehr oder weniger unklar und selbst verworren, je nach dem jedesmaligen Entwicklungsstand der Pariser Arbeiter; aber schließlich liefen sie alle hinaus auf Beseitigung des Klassengegensatzes zwischen Kapitalisten und Arbeitern. Wie das geschehn sollte, das wußte man freilich nicht. Aber die Forderung selbst, so unbestimmt sie auch noch gehalten war, enthielt eine Gefahr für die bestehende Gesellschaftsordnung; die Arbeiter, die sie stellten, waren noch bewaffnet; für die am Staatsruder befindlichen Bourgeois war daher Entwaffnung der Arbeiter erstes Gebot. Daher nach jeder durch die Arbeiter erkämpften Revolution ein neuer Kampf, der mit der Niederlage der Arbeiter endigt.
Das geschah zum erstenmal 1848. Die liberalen Bourgeois der parlamentarischen Opposition hielten Reformbankette ab zur Durchsetzung der Wahlreform, die ihrer Partei die Herrschaft sichern sollte. Im Kampf mit der Regierung mehr und mehr gezwungen, ans Volk zu appellieren, mußten sie den radikalen und republikanischen Schichten der Bourgeoisie und des Kleinbürgertums allmählich den Vortritt gestatten. Aber hinter diesen standen die revolutionären Arbeiter, und diese hatten seit 1830 weit mehr politische Selbständigkeit sich angeeignet, als die Bourgeois und selbst die Republikaner ahnten. Im Moment der Krisis zwischen Regierung und Opposition eröffneten die Arbeiter den Straßenkampf; Louis-Philippe verschwand, die Wahlreform mit ihm, an ihrer Stelle erstand die Republik, und zwar eine von den siegreichen Arbeitern selbst als »soziale« bezeichnete Republik. Was unter dieser sozialen Republik zu verstehn sei, darüber war aber niemand im klaren, auch die Arbeiter selbst nicht. Aber sie hatten jetzt Waffen und waren eine Macht im Staat. Sobald daher die am Ruder befindlichen Bourgeoisrepublikaner einigermaßen festen Boden unter den Füßen spürten, war ihr erstes Ziel, die Arbeiter zu entwaffnen. Dies geschah, indem man sie durch direkten Wortbruch, durch offnen Hohn und den Versuch, die Unbeschäftigten in eine entlegne Provinz zu verbannen, in den Aufstand vom Juni 1848 hineinjagte. Die Regierung hatte für eine erdrückende Übermacht gesorgt. Nach fünftägigem heroischem Kampf erlagen die Arbeiter. Und jetzt folgte ein Blutbad unter den wehrlosen Gefangnen, wie ein gleiches nicht gesehen worden seit den Tagen der Bürgerkriege, die den Untergang der römischen Republik einleiteten. Es war das erste Mal, daß die Bourgeoisie zeigte, zu welcher wahnsinnigen Grausamkeit der Rache sie aufgestachelt wird, sobald das Proletariat es wagt, ihr gegenüber als aparte Klasse mit eignen Interessen und Forderungen aufzutreten. Und doch war 1848 noch ein Kinderspiel gegen ihr Wüten von 1871.
Die Strafe folgte auf dem Fuß. Konnte das Proletariat noch nicht Frankreich regieren, so konnte die Bourgeoisie es schon nicht mehr. Wenigstens damals nicht, wo sie der Mehrzahl nach noch monarchisch gesinnt und in drei dynastische Parteien und eine vierte republikanische gespalten war. Ihre innern Zänkereien erlaubten dem Abenteurer Louis Bonaparte, alle Machtposten – Armee, Polizei, Verwaltungsmaschinerie – in Besitz zu nehmen und am 2. Dezember 1851 die letzte feste Burg der Bourgeoisie, die Nationalversammlung, zu sprengen. Das zweite Kaiserreich begann die Ausbeutung Frankreichs durch eine Bande politischer und finanzieller Abenteurer, aber zugleich auch eine industrielle Entwicklung, wie sie unter dem engherzigen und ängstlichen System Louis-Philippes, bei der ausschließlichen Herrschaft eines nur kleinen Teils der großen Bourgeoisie, nie möglich war. Louis Bonaparte nahm den Kapitalisten ihre politische Macht unter dem Vorwand, sie, die Bourgeois, gegen die Arbeiter zu schützen, und wiederum die Arbeiter gegen sie; aber dafür begünstigte seine Herrschaft die Spekulation und die industrielle Tätigkeit, kurz, den Aufschwung und die Bereicherung der gesamten Bourgeoisie in bisher unerhörtem Maß. In noch weit größerm Maß allerdings entwickelte sich die Korruption und der Massendiebstahl, die sich um den kaiserlichen Hof gruppierten und von dieser Bereicherung ihre starken Prozente zogen.
Aber das zweite Kaiserreich, das war der Appell an den französischen Chauvinismus, das war die Rückforderung der 1814 verlernen Grenzen des ersten Kaiserreichs, mindestens derjenigen der ersten Republik. Ein französisches Kaiserreich in den Grenzen der alten Monarchie, ja sogar in den noch mehr beschnittenen von 1815, das war auf die Dauer eine Unmöglichkeit. Daher die Notwendigkeit zeitweiliger Kriege und Grenzerweiterungen. Aber keine Grenzerweiterung blendete so sehr die Phantasie französischer Chauvinisten wie die des deutschen linken Rheinufers. Eine Quadratmeile am Rhein galt mehr bei ihnen als zehn in den Alpen oder sonstwo. Gegeben das zweite