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Laufen bis es knallt: Pleiten, Pech und Pannen eines Ultraläufers
Laufen bis es knallt: Pleiten, Pech und Pannen eines Ultraläufers
Laufen bis es knallt: Pleiten, Pech und Pannen eines Ultraläufers
Ebook306 pages3 hours

Laufen bis es knallt: Pleiten, Pech und Pannen eines Ultraläufers

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About this ebook

Als Joe Kelbel klar wurde, dass Fortbewegung auf zwei Beinen eine hochkomplexe Angelegenheit ist, war er schon längst auf der Marathonpiste. Seine künftigen Konkurrenten hingegen gaben sich unbequemen Laufseminaren, Kompressionsstrümpfen und Fitness-Armbändern hin.
So kommt es, dass die Pleiten, Pech und Pannen, von denen Joe in diesem Buch berichtet, sich für den normalen Läufer zunächst skurril anhören. Doch "Laufen bis es knallt" ist das zweite Buch von Joe, wo die Probleme eines Marathons oder Ultralaufes durch Joes Schreibweise und besondere Perspektive aufs Laufen zur Nebensache werden: Er schaut auf das große Ganze. Er schaut dahinter. Er schaut genau.
Von Kenia über die Philippinen, Portugal bis nach Marokko – Vielläufer, Pfundskerl und lebende Lauflegende Joe Kelbel, in der Laufszene bekannt wie ein bunter Hund, berichtet in diesem Buch über 18 Läufe aus aller Welt, unterlegt mit über 60 Bildern. Das macht Lust aufs Laufen – trotz einiger "Getränkeengpässe", "Hindernisse" und "Beschwerlichkeiten".
LanguageDeutsch
Release dateNov 20, 2017
ISBN9783946413585
Laufen bis es knallt: Pleiten, Pech und Pannen eines Ultraläufers

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    Book preview

    Laufen bis es knallt - Joe Kelbel

    glücklich

    1Mit Blaulicht durch die Ewige Stadt

    Rom-Marathon (2009)

    Was für ein herrlicher Sonntagmorgen. Grell leuchtet die Frühlingssonne über dem dunklen Grün der Pinien, dahinter die imposante Kulisse des Kolosseums, dessen hohle Fenster mit dem stechenden Frühlingsblau eines makellosen Himmels gefüllt sind.

    Ich stehe fröstelnd auf dem Balkon, genieße den Anblick. Ist es die Kühle des Morgens oder die göttliche Erhabenheit dieses Startplatzes, wo jahrhundertelang die Gladiatoren ihren Kampf antraten, der mich zittern lässt?

    Mein Blick schweift nach links, Richtung Circus Maximus, wo sich bunte Läuferpunkte auf bleichem Grün wie auf einer Ameisenstraße bewegen. Ich schließe meine Augen, die durch die grell-bunte Blütenpracht der Balkonkästen brutal gefoltert werden und warte, bis der Kaffee endlich durchgelaufen ist.

    Es ist Frühling in Rom! Der germanische Gladiator und Ultraläufer ist wieder auf Marathontour. Die gestern gekaufte Knieschiene gibt mir Sicherheit, und so springe ich fröhlich von Stufe zu Stufe, könnte glatt irgendeine Nationalhymne pfeifen. Unten angekommen reiße ich die schwere Holztür auf. Ein greller Lichtstrahl nimmt mir die Sicht. „Du ewige Stadt, ich trete an!"

    Ich schiebe meinen durch das Mainhochwasser geschwärzten Laufschuh auf die erste Stufe, da haut es mich brutal vom Sockel: Zehn, fünfzehn lautstarke Italiener mit rosa-weißen Frotteepulswärmern und rosa-weißen Stirnbändern ziehen wie die Klasse 7b der Mädchenschule an meinen germanisch-kämpferischen Auge vorbei. Ein Zucchinibauer verzieht sich sogleich in die nahen Büsche des Palatino, weil die Aufgeregtheit seine Blase überreizt, das muss Abahachi sein, dann kann ja Winnetouch nicht weit sein. Tatsächlich läuft der wie von Sinnen mit einen Affenzahn zum McDonalds-Zelt, um sich für ein rotes Cap mit gelben Buchstaben anzustellen. Dieser Tag beginnt hochnotpeinlich! Ich bekomme erste Zweifel an meinem Vorhaben den Rom-Marathon zu finishen.

    Um in den Startblock zu gelangen, muss man im Uhrzeigersinn um das Kolosseum herumgehen. Vor dem Konstantinbogen herrscht grandiose Stimmung: Eine gutgeformte Aerobic-Trainerin steht auf der Bühne und gibt den Takt für das Aufwärmprogramm vor. Unter ihr mehrere Reihen von Spinning-Fahrrädern, die von ebenso gutgebauten Hüpferinnen bearbeitet werden. Die grelle Schreierei jedoch ist grausam, dazu noch diese laute Musik, dieses Durcheinander und diese italienische Angeberei. Pacemaker versammeln sich für ein Gruppenfoto. Klasse, wie sich die bunten Luftballons vor der urigen Kulisse des Kolosseums abheben.

    Ab 8 Uhr ist Eingang zu den Startblöcken. Man tut gut daran, sich frühzeitig dorthin zu begeben, denn wie Rinder, so werden wir durch lange, mit hohen Zäunen abgesperrte Korridore getrieben.

    Im Startblock wird es schnell eng. Bunte Kleidungsstücke fliegen wie Blumensträuße über unsere Köpfe. Wortfetzen aus riesigen Lautsprechern und laute Musik machen schnell die Unterhaltung schwierig, da setzt sich die Menge auch schon in Bewegung.

    Das Feld ist so eng, dass ich oft in tiefe Schlaglöcher trete, der Boden von Rom gibt nach, ich sehe nur Schuhe und Strümpfe. Panikartig rennen männliche Läufer nach rechts, um das anscheinend letzte Grün der Stadt zu bewässern. Jede Sekunde stolpert jemand, Flüche werden ausgestoßen. Dazwischen dieses typische italienische: „MAAMAAA! oder MAARIOOO! Mehrfach gibt es „Auffahrunfälle" und Tritte in die Hacken.

    Ich stolpere weiter Richtung Circus Maximus. Bei der ersten Getränkestation, bei km 5, bricht eine Art Weltuntergang aus. Ellbogen und Fäuste bahnen sich den Weg zum allerersten Tisch. Ich bin unglücklicherweise zu nahe dran, kann nicht gegen die quer laufenden Massen angehen, die Station ist zwar mindestens 500 Meter lang, doch hier am ersten Tisch werden die Läufer zu Bestien.

    Irgendwie komme ich durch, wenn auch klatschnass. Bei km 6 fliegt ein deutscher Riese über einen querstehenden Handbiker. Mit gekonnter Rolle kommt er fast wieder auf die Füße, stark blutend und sichtlich wütend: „Arschloch, blödes!"

    Mein Knie fängt an zu rebellieren, ich lasse mich zurückfallen und genieße, wie das Läuferfeld sich langsam auflockert. Bei Km 10, ich bin schon mehr als eine Stunde unterwegs, blockiert mitten auf der engen Tiberbrücke wieder ein Handbiker die Strecke. Viele Leute sind schon am Gehen und bei km 15 schließe ich mich nach kurzem innerlichen Kampf den „Walkern" an.

    Bei km 16 frage ich einen Ordner nach der nächsten Metrostation. Das war ein Fehler, denn nun beginnt ein gänzlich anderer Marathonbericht:

    Der gelbe Ordner ruft per Funk die Sanitäter, daraufhin werde ich von vier dick-vermummten orangenfarbenen, total übergewichtigen Zivildienstleistenden eingekreist. Ich brülle laut nach einer Metrostation, da greifen diese acht fetten, orangen Spinnenarme nach mir, einige stützen, die meisten verhaften. Ich wehre mich so gut ich kann, was die Umklammerung verstärkt, mein Bein ist plötzlich schmerzfrei, doch ich kann mich nicht bewegen, eine orangene Spinne dreht mich in Silberfolie, als wäre ich Vorrat für den restlichen Winter. Das hochrote Gesicht meines Lateinlehrers erscheint mir vor meinen, um Gnade bettelnden Augen, dekliniere buoni, bene oder buona, ach was, ich hab doch nix, alles ist bene.

    Ich will nur weg hier!

    Man trägt mich auf einer Bahre zurück zu km 15 ins Sanitätszelt, wirft mich unsanft auf die Pritsche. Über mir wabert eine dicke Orange, droht mit Riesenspritze, als wolle sie mir einen Einlauf machen. Zweimal versuche ich aufzustehen, erst als ich die Spritze fotografiere, gelingt es mir auf die Beine zu kommen und Richtung Zeltausgang zu flüchten. Augenblicklich aber reißt mir jemand meine Startnummer ab. „NOME! TUO NOME!" Mein Name wird in einem riesigen Formular festgehalten. Das Zelt füllt sich, ich rette mich ans Tageslicht, da steht der Klaus und schießt Fotos von mir. Oh Mann, was für ein scheiß Tag.

    Die dicke Orange will mir einen Einlauf machen.

    Mir erscheint das hochrote Gesicht meines Lateinlehrers.

    Internationale Einigkeit unter „Schwerverletzten".

    Als ich ins Ziel humpele, habe ich meine Bestzeit um 20 Sekunden verpasst.

    Die orangene Chefin ruft mich zurück ins Zelt, ich solle mich setzen, der Krankenwagen komme gleich. Dabei will ich doch nur zur Metrostation! Frieden! Bitte!

    Mittlerweile sind alle Pritschen belegt, und ich versuche wieder zu flüchten, doch mit der Silberfolie um die Schultern bin ich zu auffällig zwischen all den fetten Orangen! Anderthalb Stunden studiere ich meine Mitleidenden und höre mir deren Krankheitsgeschichten an. Auch wenn ich kaum etwas verstehe, io capisco: Ich bin der einzig Normale hier.

    Da kommt endlich ein Krankenwagen aus dem ersten Weltkrieg. Avanti! Avanti! Wir fünf „Verletzte" werden blitzschnell reingeworfen, die Tür knallt zu. Ich klammere mich irgendwie an eine, an den Fahrzeugboden festgeschraubte Pritsche, als sich in der ersten Kurve sämtliche Schubladen an der Kabinenfront öffnen und mir zahllose Spritzen und spitze Operationsbestecke entgegenrasseln. Das Chaos wird perfekt, als Sauerstoffmasken aus den Fächern über unseren Sitzen fallen.

    Mit Höchstgeschwindigkeit geht es am Ufer des Tibers mehrfach hoch und wieder runter, weil der Fahrer nicht über die Marathonstrecke findet. Ich versuche noch letzte Fotos aus den gestreiften Fenstern zu schießen, um zu beweisen, dass hinter uns vier Polizeimotorräder und vor uns zwei Streifenwagen unsere Irrfahrt begleiten, da bremst der Krankenwagen so krass, dass meine Nase gegen die Kamera, und die gegen die Trennscheibe donnert.

    Man schiebt jemanden hinein, der bei der Geburt wohl zu wenig Sauerstoff bekam, der Quasimodo brüllt sogleich: „Crampo, Crampo", als sei das wichtig, dann rollt er mir vor die Füße, weil der Fahrer des Krankenwagens auch ein Sauerstoffproblem hat und zu schnell anfährt.

    Wir schleudern gegen die hintere Kabinenwand, während wir im Höllenspeed mit Blaulicht durch die Stadt rasen. Es gelingt mir, mich an einem Gitter hochzuziehen, um nach vorne Bilder zu schießen. Da ist die Marathonstrecke … der Piazza Venezia mit der riesigen Schreibmaschine … Tatüüüüü-Tatüüüüü-Tatüüüüü … Verrückt; wir waren doch fast wieder am Start … Es geht wieder über den Tiber … Da sehe ich die Kuppel des Vatikan … Was ist jetzt los? Wohin? Warum zurück? Ich will hier raus! Stau. Links, rechts durch die vier, fünf Reihen Autos … Tatüüüü-Tatüüüü-Tatüüüü!

    Der gleiche Weg. Wieder die Piazza Venezia. Vollbremsung. Es sieht aus, als wollen Hände helfen, doch die Hände sind kräftig, fesselnd, man zerrt uns ins Zentrallager. Als ich mich nicht auf die zugewiesene Pritsche legen will, weil ich überhaupt nicht müde bin, drücken mich wieder zwei fette Orangen in die Horizontale. Warum ist das Pflegepersonal so grausam zu mir?

    Es muss etwa km 40 sein und um mich herum sieht es aus wie nach dem Rückzug von Al Alamein: Läufer liegen zitternd oder apathisch auf den Pritschen, Ärzte wieseln mit Amputationswerkzeugen von Pritsche zu Pritsche und rufen nach Tupfern.

    Ich springe wütend auf die Beine, da werde ich umzingelt. „Inspezione! Examination!"

    Ich sage: „Nix Inspezione! Mio finalemento alla Casa! Claro?"

    Meine Silberfolie hält mich gefangen wie eine Zwangsjacke, da kommt mir die rettende Idee: Ich zücke meine Kamera und mache Bilder von den Halbtoten um mich herum. Es klickt und blitzt. Im Nu kommt der Chef angeschossen. Ich sage ihm: „Mio tuto in ordine, mio solamente alla casa, tu capito? – lasciare mio in pace! Ich will hier weg!"

    Wir einigen uns.

    Als ich ins Ziel humpele, habe ich meine Bestzeit um 20 Sekunden verpasst.

    2Der ist ja blau!

    Molsheim, Elsass, Marathon du Vignoble d‘Alsace (2010)

    Bacchus, der Gott des Weines, erschreckte ein Mädchen so fürchterlich, dass es zu Kristall erstarrte. Daraufhin seufzte der Gott, und als sein Atem den Stein berührte, färbte er sich rotblau, wie die Farbe des Weines. Den Stein nannten die Griechen amethystos, „dem Rausche entgegenwirkend, und hingen sich Amulette aus Amethyst um den Hals, um die Nachwirkungen des Weingenusses abzumildern. Sah man einen Griechen mit solch einem Amulett, ahnte man, was dieser vorhat und sagte: „Der ist ja blau! Naja, und noch ein, dem Kater vorbeugendes Mittelchen haben die Griechen erfunden: den Marathon.

    „Während eines Marathons kann ich keinen Wein trinken", so lautet die Aussage der meisten Läufer. Doch dann stehen schon bei km 2,5 die Winzer in ihren Elsässer Trachten und lassen den goldenen Wein blitzen, da wird eine Läuferleber schwach.

    Will man diese Kultur und die Heimatliebe der Elsässer beschreiben, muss man schon weit zurückgehen in der Geschichte: Als 496 die Franken die Alemannen besiegten und das linke Rheinufer zwischen Basel und der Pfalz als Herzogtum zum Fränkischen Reich gehörte, entstand der Name Elsass, von althochdeutsch ali-saz (Fremdsitz).

    Nach dem Tode Karls des Großen 814 stritten Karls drei Enkel um das Erbe ihres Großvaters. Sie teilten das Reich unter sich auf. Einer erhielt das Westfrankenreich (Frankreich), einer das Ostfrankenreich (Deutschland), und Lothar das Reich des Lothar (Elsass-Lothringen).

    Lothar erbte zwar den kleinsten Teil, aber dafür den wertvollsten, verbunden mit dem Kaisertitel. Das gefiel Karl dem Kahlen und Ludwig dem Deutschen nicht. In den Straßburger Eiden verbündeten sie sich gegen Lothar und nahmen ihm alles ab.

    Bis in die Neuzeit prügelten sich nun die Herrscher links und rechts des Rheines um das Erbe von Lothar, bis zu dem Tag, an dem der Marathon du Vignoble d´Alsace erfunden wurde.

    Im Jahr 2010 ist der große Saal des Hotel de la Monnaie in Molsheim brechend voll. In dem Gebäude hatten die Bischöfe von Straßburg ihre Münzen geprägt und nun stehen Linksrheinische und Rechtsrheinische Schlange, kämpfen um Nudeln und gefüllte Weingläser.

    Marathontag: Der Wasserkessel weckt mit lautem Pfeifen den gesamten Campingplatz auf. Aus allen Richtungen kriechen unheimliche, verkleidete Gestalten an und fragen mich nach Aspirin und Paracetamol. Schleppend zieht sich der Zombiezug zum Shuttlebus, der uns die 2 oder 3 Kilometer zum Start bringen wird.

    Plötzlich ist Start. 7:30 Uhr, alle sind weg. Also, nix wie hinterher! Beim ersten Verpflegungsstand (Km 2,5) habe ich aufgeholt. Nach dem ersten Gläschen lässt es sich schon besser plaudern, die Verkleidung ist immer der Aufhänger für ein nettes Gespräch. Die Zuschauer nennen mich Cro-Magnon, ich rufe zurück: „Je suis le Grand Manier" und tappe mit meiner Gummikeule auf die Köpfe der Zuschauer.

    Der Bruche-Kanal, der parallel zum gleichnamigen Flüsschen verläuft, stammt aus der Zeit des Sonnenkönigs, der das Elsass befestigen ließ, damit die Alemannen es nicht rückerobern können. Über diesen Kanal wurden die Steine für die Wehranlagen transportiert. Am Ufer sitzt ein Angler und raucht. Ich frage ihn, ob er auch Sport mache, da öffnet er seinen zahnlosen Mund, dass ihm beinahe seine Gitane Mais herausfällt und brüllt mir ein fröhliches „Allez-y Cron Magnon!" entgegen.

    Markant die Wallfahrtskirche Maria Altbronn bei Ergersheim. 1350 wütete hier die schwarze Pest, das Dorf ist deshalb verschwunden, geblieben ist die Kirche, und unser harter Kampf hinauf, durch die Felder.

    Scharrachbergheim. Hier stehen die Halbmarathonis und warten auf ihren Start. Ich habe noch nie einen solch begeisterten Empfang erlebt. Keuleschwingend laufe ich durch das Spalier der jubelnden Menge, links und rechts draufschlagend. Ich habe Tränen in den Augen, als Eric, der Sträfling, mir ein Weinglas entgegenhält. Ach so, es ist wieder einer der zahllosen Verpflegungsstände hier.

    Gilbert ist unter Marathonläufern fast bekannter als sein Vorbild aus Galiläa.

    Je suis le Grand Marnier.

    Mein Arzt sagt, ich solle viel trinken. Nach dem Weinmarathon erstmal ein großes Bier.

    Lothar, der Enkel Karls des Großen, erbte den schönsten Teil des Reiches.

    An der nächsten Verpflegungsstelle steht ein ganzes OP-Team und löffelt Nudelsalat. Sie bestätigen mir die grundlegende Theorie: „Man muss viel trinken während eines Marathons." Also hoch die Gläser!

    Im 30-jährigen Krieg haben die Bewohner von Marlenheim eine Kompanie der Schweden mit Wein abgefüllt und dann hinterrücks abgeschlachtet. Ich bleibe am Munsterkäse kleben.

    An der Verpflegungsstation bei km 36 ziehen mich starke Winzerhände aus dem Rennen. Ich, Vertreter einer ausgestorbenen Höhlenbewohnerrasse, werde zum Genuss edler Speisen und Getränke gezwungen. Es gibt hausgemachte Pasteten mit Wildschwein, Thunfisch, Kaninchen und Geflügel. Eine Stunde und zehn Minuten hänge ich an dieser Verpflegungsstelle, dann laufe ich grölend weiter.

    Jennifer sieht zwar gut aus, aber nur optisch, denn wir werden voraussichtlich über der 6 Stundenmarke finishen. Ich schiebe sie wortwörtlich bis zur nächsten Verpflegungsstation bei km 38 (km 37 haben wir ausgelassen, da gab es nur Wasser und Iso). Während ich meine Energiereserven mit Muscatel und Lebkuchen auffrische, zieht sie weiter und wird mit 6:02 ihren ersten Marathon finishen, weit vor mir, denn bei km 41 gibt es Crémant, und hier sammeln sich die letzten Läufer. Der Besentraktor dreht drohend in Sichtweite seine Runden, schafft es aber nicht, die schwierigen Kurven der schnurgeraden Dorfstraße zu durchbrechen. Wie ein mahnender Finger leuchtet der weiße Stuhl auf seinem Anhänger, der heilige Thron, der dem Letzten gebührt.

    Mit 6:15 Stunden sind wir nicht die letzten, die mit Purzelbaum über die Ziellinie rollen.

    „Zögern Sie zu den Winzern zu gehen, denn da geht die Verkostung weiter!", steht auf dem großen Plakat.

    3La Gran Ducale, die Großherzögliche

    Luxemburg (2013)

    Luxemburgs pittoreske Hauptstadt wird vom autofreien, tiefen Petruss-Tal zerschnitten, welches mit seinen vielen ungezählten Treppen, zahllosen Gassen, Durchgängen, Brücken, Tunnel und Höhlen an urwaldartigen Steilhängen ein hervorragendes Trailrevier bietet.

    „La Gran Ducale mit 56 km und 950 Hm ist das Glanzstück der „DKV Urban Trail Luxemburg genannten Veranstaltung, die Schlamm, Sand, Felsen, Schotter, Berge, Feld, Wald, Tunnel, Höhlen, Treppen und halbnackte Brasilianerinnen zu bieten hat.

    Wegen des verkaufsoffenen Sonntags ist der Startort dieses Jahr an der Gëlle Fra, nächste Jahr wohl wieder auf dem Knuedler. Nun, der Wilhelmsplatz wird Knuedler genannt, nicht weil der König der Niederlande und Großherzog von Luxemburg (1792-1849), der „Schlanke Billy" eine verknuedelte Biografie aufweist, sondern weil hier einst das große Franziskanerkloster stand, dessen Mönche einen Gürtel um die Kutte trugen, den man Knued nannte. Ein paar Steine des Klosters sind im Rathaus verarbeitet, Napoleon hat das Kloster geplättet.

    Und die Gëlle Fra (mit zwei Pünktchen über dem ersten e ) ist jetzt kein Mitbringsel vom 1 km entfernten Bahnhof, sondern die „Goldene Frau", die

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