Discover millions of ebooks, audiobooks, and so much more with a free trial

Only $11.99/month after trial. Cancel anytime.

Ins Herz der Dinge lauschen - Vom Erwachen der Liebe: Über MDMA und LSD: Die unerwünschte Psychotherapie
Ins Herz der Dinge lauschen - Vom Erwachen der Liebe: Über MDMA und LSD: Die unerwünschte Psychotherapie
Ins Herz der Dinge lauschen - Vom Erwachen der Liebe: Über MDMA und LSD: Die unerwünschte Psychotherapie
Ebook479 pages5 hours

Ins Herz der Dinge lauschen - Vom Erwachen der Liebe: Über MDMA und LSD: Die unerwünschte Psychotherapie

Rating: 0 out of 5 stars

()

Read preview

About this ebook

Das vorliegende Buch berichtet über die Erfahrungen der psycholytischen Therapie. Das Thema ist hochaktuell und eröffnet in der Psychotherapie neue Perspektiven. Samuel Widmer verfügt in seiner eigenen therapeutischen Praxis wohl über die europaweit reichste Erfahrung mit dem Einsatz bestimmter Drogen in der Psychotherapie.
Dieses Buch ist ein Meilenstein in der Entwicklung einer Psychotherapie, die ohne falsche Scheuklappen alle Möglichkeiten nutzt, den Menschen auf ihrem Weg zu ihrem innersten Selbst zu helfen. Ein Buch für Herz und Kopf. Das einzige Buch, das den Umgang mit psychoaktiven Substanzen in der Psychotherapie auf eindrückliche Art aufzeigt.

Das Thema ist hochaktuell und eröffnet in der Psychotherapie neue Perspektiven!
LanguageDeutsch
Release dateFeb 16, 2017
ISBN9783037885284
Ins Herz der Dinge lauschen - Vom Erwachen der Liebe: Über MDMA und LSD: Die unerwünschte Psychotherapie

Related to Ins Herz der Dinge lauschen - Vom Erwachen der Liebe

Related ebooks

Psychology For You

View More

Related articles

Reviews for Ins Herz der Dinge lauschen - Vom Erwachen der Liebe

Rating: 0 out of 5 stars
0 ratings

0 ratings0 reviews

What did you think?

Tap to rate

Review must be at least 10 words

    Book preview

    Ins Herz der Dinge lauschen - Vom Erwachen der Liebe - Samuel Widmer

    Gibran

    I. TEIL

    DIE UNERWÜNSCHTE PSYCHOTHERAPIE

    1. KAPITEL

    ANSTELLE EINES VORWORTES

    Soll man, soll ich ein Buch schreiben? Diese Frage hat mich lange beschäftigt, als ich mich bereits dazu gedrängt fühlte und bevor ich dann tatsächlich damit begonnen habe. Alles ist doch schon gesagt worden, speziell zu meinem Thema, der Selbstentdeckung und ihren Wegen! Genützt hat es nichts oder nicht viel, wenn ich die Welt betrachte, und letztlich gibt es dazu ohnehin nichts mitzuteilen, kann es gar nicht ausgedrückt werden. Diese Gedanken trug ich lange in meinem Kopf herum und die entsprechenden Gefühle in meinem Herzen.

    Trotzdem habe ich mich schliesslich entschieden, meine Einsichten niederzuschreiben. Zwar habe ich wirklich nichts anzubieten, was nicht schon von anderen übermittelt worden wäre; zuletzt fand ich aber, dass ich das schon Gesagte und das Unsagbare noch einmal auf meine ganz persönliche Weise, in meiner höchst eigenen Sprache beschreiben kann, und dies ist möglicherweise in zweierlei Hinsicht nützlich.

    Einmal dient es meiner eigenen persönlichen Weiterentwicklung, ist es für mich selbst von grosser Bedeutung, diesen Schritt zu tun: Öffentlich auszusprechen, was ich auf meinem Weg nach innen gesehen und entdeckt habe, dafür Formulierungen zu finden, das Ringen mit der Sprache aufzunehmen; zweitens wurden eine ganze Reihe von Büchern für mich auf diesem Pfad zu Mosaiksteinchen, die sich allmählich in das Gesamtbild meines sich entfaltenden Bewusstseins einfügten. Die Tatsache, dass immer wieder ein anderer das immer Gleiche in seiner ihm eigenen Art formulierte, liess mich immer wieder einen neuen Aspekt davon begreifen.

    So beginne ich denn damit und hoffe, dass es für andere zur Hilfe werden wird.

    Ein Traum, den ich hatte, überzeugte mich vollends, mit dem Schreiben des Manuskripts anzufangen:

    Ich stand in einem Garten, möglicherweise bei meinem Elternhaus, inmitten eines abgeernteten Herbstbeetes voller vertrockneter Kohlstrünke und schaute zu einem Fenster im ersten Stockwerk hoch. Von dort drang wunderschöne Gitarrenmusik herüber, welche mich fesselte.

    In einem nächsten Bild standen die Musiker, es waren vier junge Popmusiker, bei mir im Garten. Einer war eindeutig der Leader und Macher der Gruppe; den anderen sah man an, dass sie auf ihn ausgerichtet, aber ausserordentlich seriöse Mitarbeiter waren. Es herrschte eine liebevolle Stimmung zwischen ihnen, eine gute Arbeitsstimmung, und sie waren sehr stolz darauf, wirklich gute Musik zu machen und zeigten mir ein altmodisches fast schon verstaubtes Ablagesystem, in dem bereits vierzehn LP’s und siebenundzwanzig Singles gespeichert waren. Ich war erstaunt, dass sie noch nichts von ihrer Musik veröffentlicht hatten und auf ich-weiss-nicht-was warteten. Ich machte den Leader darauf aufmerksam, dass diese Musik, auch wenn sie wirklich wertvoll sei und Erfolg haben könnte, in einem späteren Zeitpunkt, vor allem was die Entwicklung der Aufnahme- und der Spieltechnik, aber auch des Sounds betreffe, veraltet und damit bedeutungslos sein werde. Der Leader lachte nur stolz, räumte alles wieder weg und meinte: Unsere Musik ist von bleibendem Wert.

    In einem letzten Bild war ich in völliger Dunkelheit, wahrscheinlich in einem Zimmer, und hörte einem Gespräch zweier Menschen zu, die sich offenbar im Nebenzimmer befanden. Sie sprachen über jemanden, der unfähig sei, sich auszudrücken, obwohl bei ihm alle Anlagen vorhanden seien. Er hätte etwas zu sagen, auch sein Ausdruck sei nicht blockiert; er müsste sich einfach äussern, aber das tue er eben nicht.

    Beginnen wir mit einer Geschichte, einer Grenzgeschichte:

    Ich habe gehört, irgendwo, ich weiss nicht in welchem Land, sollen einmal zwei Männer, die sich nicht kannten und die nichts miteinander zu tun hatten, gleichzeitig an die Landesgrenze gekommen sein, die sie überschreiten wollten. Der eine wirkte in jeder Hinsicht gepanzert; schon sein Körper war wohlgenährt, untersetzt, bullig, und darüber trug er eine Menge warmer, gut gefütterter Kleider, die ihn gegen die Kälte schützten. Aber damit nicht genug, er soll auch verschiedene Waffen getragen und vielerlei Gepäck bei sich gehabt haben. Letzteres trug er natürlich nicht selbst. Das wurde von einem Diener getragen, der weiter keine Bedeutung hatte und dem keine Beachtung geschenkt wurde. Die Zöllner, die die Grenze bewachten, waren selbst in Uniformen gekleidet und ebenfalls gut bewaffnet. Sie erkannten diesen ersten Mann bald als ihresgleichen und liessen ihn ohne Schwierigkeiten durch.

    Der andere soll von weniger auffälligem Habitus gewesen sein; er hat – so die Geschichte – auch weniger Kleider getragen und soll ausserdem ohne Waffen, ohne Gepäck, mit nichts dahergekommen sein. Auf diese Weise fiel er den Wächtern an der Grenze als äusserst verdächtig auf; sie erkannten ihn nicht als ihresgleichen.

    Sie untersuchten und befragten ihn lange und wiesen ihn, da er sich nicht weiter ausweisen konnte, schliesslich in aller Höflichkeit zurück.

    Mein Buch handelt, ganz allgemein gesprochen, vom Weg nach innen, von der Selbsterkenntnis, Selbstfindung oder wie du es immer nennen magst. Es handelt von einem der vielen Wege, die man – will man sich selbst kennen lernen – beschreiten kann: Der Psychotherapie. Diese ist in ihren vielen Ausprägungen heute wohl die häufigst gewählte Möglichkeit in der westlichen Welt, um diesem Ziel näher zu kommen.

    Die Beschreibung des Wegs nach innen, die ich in diesem Buch gebe, entspricht dem, was ich auf meiner eigenen Reise, bei mir selbst und meinen Klienten bisher gesehen habe. Vieles habe ich direkt gefunden, vieles ist durch die Einsichten anderer inspiriert, die sie mir direkt, in Büchern, Vorträgen etc. vermittelt haben. Was ich bis jetzt erkannt habe, entspricht nicht der ganzen Wahrheit; ich erkenne noch unscharf, werde immer im Wachsen begriffen sein wie jeder andere auch. Meine Sicht entspricht dem, was ein Teil eines Hologramms beinhaltet. Es zeigt zwar das ganze Bild, enthält die ganze Information, aber unscharf, weil eben nur ein Teil des Hologramms abgebildet wird. Meine Sicht ist keine persönliche Sicht; wenn ich schaue oder wenn du schaust, werden wir das Gleiche sehen, wie es das folgende Bild, das ich irgendwo, irgendwann einmal aufgenommen habe, gut ausdrückt. Aber jeder hat seine persönliche Art und Weise, es zu beschreiben; jeder wird es anders benennen, ihm eine andere Form, eine andere Sprache verleihen, und das ist gut so. Denn die Form des Ausdrucks ist nicht das Geschaute und wird gerne mit ihr verwechselt. Deshalb ist es gut, die Beschreibung in immer neuen, anderen Übersetzungen kennen zu lernen, von denen jede etwas für sich hat und von denen doch keine das Ganze je vollends erfasst. Für einen Therapeuten ist es wichtig, viele Sprachen zu beherrschen und jede in die andere übersetzen zu können. Die Wahrheit lässt sich in jeder Sprache ausdrücken. Den einen erreicht man eher religiös, den andern physikalisch, den dritten psychologisch, den vierten mystisch und den nächsten esoterisch oder energetisch, um es so auszudrücken.

    Die Abbildung 1 zeigt verschiedene Persönlichkeiten als Gipfel dargestellt. Was über der Horizontalen liegt, entspricht dem Bewussten, was darunter liegt, dem Unbewussten. Ahnlich gelagerte Persönlichkeiten, Seelenverwandte, die sich sehr nahe stehen, überschneiden sich bereits im Bereich des Bewussten, weiter auseinander stehende Persönlichkeiten decken sich erst im unbewussten Bereich und haben vielleicht deshalb das Gefühl, überhaupt nichts gemeinsam zu haben. Trotzdem stimmt das nicht! Die Gipfel können noch so weit auseinander stehen, da sie in der Tiefe ins Unendliche reichen, überschneiden sie sich irgendwo auf jeden Fall und die Fläche, die sich deckt, ist letztlich unendlich viel grösser als jene, die sich nicht deckt, so dass diese als Produkt andersartiger Konditionierung vernachlässigt werden kann. Sobald noch so entfernt stehende, verschieden geartete Persönlichkeiten in ihre Tiefe einzudringen beginnen, das heisst, die Horizontale nach unten ins Unendliche verschieben, werden sie das Gemeinsame entdecken, das uns alle vereint.

    Wir finden zum Beispiel bei zwei verschiedenen Angstneurotikern sowohl im Bereich des Bewussten wie im Bereich des persönlichen Unbewussten grosse Ähnlichkeiten; sie haben oft eine ähnliche Geschichte, eine ähnliche Lebenssituation, ähnliche Persönlichkeitsstrukturen. Das Gleiche gilt für Depressive oder Zwangsneurotiker etc.. Zwei Angstneurotiker oder zwei Depressive würden also in der Abbildung 1 sehr nahe beieinander stehen und sich sowohl im Bereich des Bewussten wie des persönlichen Unbewussten bereits überdecken. Dagegen würde aber ein Angstneurotiker und ein Depressiver in diesen Anteilen wenig Gemeinsames aufweisen. Sie würden in der Abbildung 1 weit auseinander stehen, aber in ihrem tieferen Selbst, im Bereich des kollektiven Unbewussten würden sie sich wiederum identisch erweisen – wie alle anderen auch.

    Dieses Buch handelt nicht in erster Linie von einer bestimmten Psychotherapierichtung; es versucht im Gegenteil die enorme Zersplitterung und Herzlosigkeit in der Psychologie und Psychiatrie zu überbrücken. Es geht nicht um ein neues Konzept, eine neue Methode, sondern gerade um die Integration aller Richtungen, aller Teile. Es geht um eine ganzheitliche Psychologie, die viel zu tun hat mit der ewigen Philosophie (Philosophia perennis), mit echter religio, mit wahrer Esoterik, mit dem Weg des Lebens und des Herzens überhaupt.

    Mein Buch handelt von der verbotenen Psychotherapie. Einerseits geht es dabei um die psycholytische Therapie, also jene Psychotherapie, die mit Einsatz von empathogenen und psychedelischen Substanzen, vor allem mit MDMA und LSD arbeitet, wie ich sie im dritten Teil dieses Buches ausführlich beschreiben werde, andererseits aber um die Psychotherapie überhaupt, die zwar in unserer Welt einen breiten Platz einnimmt und zugewiesen bekommen hat, die aber nach wie vor unerwünscht ist, wenn sie wirklich in die Tiefe echter Einsicht vordringen will. Sie ist unerwünscht, weil sie den Institutionen der Macht und allen rigiden staatlichen und privaten Strukturen abhold ist, weil sie vom Festgefügten zur Bewegung, von den Begrenzungen zur Freiheit führt.

    Es gibt eine erlaubte und eine verbotene Psychotherapie, erlaubt und verboten von den ungeschriebenen Gesetzen unseres normierten Denkens. Der erlaubte Pfad ist keine Psychotherapie, kein Weg der Selbstentdeckung. Er beschäftigt sich mit Anpassung, mit Wiedereingliederung, mit Unterdrückung und schwarzer Pädagogik. Erlaubt ist, an der Oberfläche etwas zu kratzen, die Oberfläche neu zu arrangieren, wenn sie unlebbar geworden ist, vor allem wenn damit das Ziel gesellschaftlichen Funktionierens erreicht werden kann. Verboten ist das Aufdecken, das Bewusstmachen; verboten ist die Wahrheit, sei es die höchstpersönliche oder jene in unseren Beziehungen oder in unseren sozialen Gegebenheiten. Verboten ist zu wissen, wer wir sind, was wir sind; verboten ist die Liebe, diese unergründliche Kraft, welche alle Grenzen zerstört. Verbieten tun wir uns alle gegenseitig – oder doch die meisten von uns – mit unserer Angst, unserer Beschränktheit, unserer Enge und unseren besitzergreifenden Energien. Richtige Psychotherapie befasst sich mit dem, was wirklich ist; es darf wirklich echt werden. Auch in Grenzen; jeder muss die Verantwortung für sich selbst übernehmen. Aber Wut darf Wut sein, Trauer darf sich selbst sein, Glück auch und Liebe erst recht. Warum denn nicht! Die angepasste Psychotherapie lässt von alledem nichts zu, sie verhindert es mit allen Mitteln: Mit netten Spielen, mit Rationalisierungen, wenn nötig mit sanftem Druck, und wenn es einer wirklich nicht verstehen will, dass man nicht echt werden darf, bleibt immer noch die pharmakologische Behandlung oder gar die psychiatrische Klinik. Echte Gefühle, das ist viel zu gefährlich!

    Es gibt kein psychiatrisches Problem. Ein solches konnte nur entstehen, weil das menschliche Problem, das es gibt, nicht akzeptiert und integriert, sondern abgelehnt und ausgegrenzt wurde. Dadurch findet man es in extremer Ausprägung im psychiatrischen oder in einem der andern Ghettos (Gefängnisse, Aussenseitergruppen etc.). Unser menschliches Problem ist uns allen gemeinsam. Weil wir es loswerden, statt akzeptieren wollen, geht es uns allen mehr oder weniger schlecht, haben wir ein solches Chaos in der Welt. Das menschliche Problem besteht darin, herauszufinden, wie ich mit mir selbst und den andern umgehen kann, so dass wir ganz und gar frei, glücklich und in Frieden leben können.

    Psycholytika sind bei geeigneter Anwendung äusserst potente Hilfsmittel auf diesem Weg, wie wir sehen werden. Sie machen daher Angst und sind aus diesem Grund im Moment besonders stark von diesem allgemeinen Verbot betroffen.

    1970, im Alter von 22 Jahren, kam ich zufällig – oder eben gerade nicht – zum ersten Mal mit LSD in Kontakt. Es war für mich ein überwältigendes Erlebnis, von dem mir zwar kaum eine konkrete, fassbare Erinnerung blieb, das aber in mir die tiefe Überzeugung weckte, mit etwas in Berührung gekommen zu sein, das ich noch nicht verstand, das aber von ungeheurer Bedeutung sein müsse, und ich wusste, das mich das Geschaute nie mehr loslassen würde.

    Schon damals war mir ganz klar, dass die eingenommene Droge nur ein Vermittler war, der mir zu dem Einzigartigen, das mir begegnet war und das eindeutig in mir selbst verborgen und verschüttet lag, eventuell einen Zugang verschaffen konnte.

    Damit hatte mich die Faszination für das gepackt, was mein seitheriges Leben in einem höchsten Ausmass bestimmt hat, die Faszination, mich selbst kennen zu lernen. Ich war psychisch abhängig geworden von dem, was andere das innere oder wahre Selbst genannt haben, wovon ich damals noch überhaupt nichts wusste, psychisch abhängig damit auch von der Droge, die mir den Weg dazu zu weisen schien. (Doch davon später!)

    Nach einigen weiteren erhebenden Erfahrungen kam ich schnell mit den Wächtern in Kontakt, die uns davor bewahren, dass wir vorzeitig mit unserem innersten Geheimnis bekannt werden: Ich bekam Angst und entwickelte psychosomatische Symptome. Dies führte mich bald in eine traditionelle Psychotherapie und damit in eine jahrelange, handfeste Auseinandersetzung mit mir selbst und mit andern in verschiedenen therapeutischen Beziehungen, verschiedenen Therapiesettings und vor allem auch in therapeutischen Gruppen.

    Später – wie immer zufällig oder eben gerade nicht – lernte ich mit einem Freund, der schon mehr davon verstand, den Umgang mit Psycholytika, vor allem LSD, in der Psychotherapie kennen. Von ihm wurde ich behutsam in den regelgerechten Gebrauch eingeführt und lernte, auch andere durch solche Erfahrungen zu geleiten und wirklich zu verstehen und zu sehen, was in solchen Bewusstseinszuständen vor sich geht und wie man mit den frei gesetzten Energien umgehen kann, ohne dass es zu unerwünschten Zwischenfällen kommt.

    Da ich mich zu diesem Zeitpunkt – einmal mehr ganz zufällig! – mitten in einem Medizinstudium, mit dem ich so recht nichts anzufangen wusste, wiederfand, war es nahe liegend, dieses abzuschliessen und mich der Psychiatrie und Psychotherapie zuzuwenden, um selbst das weiterzugeben, was ich empfangen hatte. Von allem Anfang an war mir klar, dass ich mit Psycholytika arbeiten würde, da ich sie, eingebaut in den therapeutischen Prozess, als die wichtigste und potenteste Hilfe erfahren hatte.

    Inzwischen hatte ich natürlich die anfängliche Ahnungslosigkeit verloren und gemerkt, dass diese Arbeit unerwünscht, ein Grossteil der brauchbaren Substanzen verboten und die Aussicht, eine Bewilligung für ihren Einsatz zu erhalten, nicht so rosig war. Trotzdem hoffte ich, dass ich nach Abschluss meiner Ausbildung zum Psychiater und Psychotherapeuten vom Schweizerischen Bundesamt für Gesundheitswesen (BAG) gemäss den gesetzlichen Grundlagen, welche vorhanden sind, für eine Ausnahmebewilligung akzeptiert würde. Da ich ahnte, dass dies eine langwierige Auseinandersetzung werden könnte, begann ich mit meinen ersten Anfragen schon Jahre, bevor ich selbst so weit war. Was ich dann aber tatsächlich erfuhr, stellte alle meine negativen Erwartungen weit in den Schatten und bestätigte mir in hohem Masse das Unerwünschte dieser Angelegenheit. Nicht nur dass ich jeweils Monate lang auf eine Antwort warten, einmal sogar nach neunmonatiger Wartezeit eine solche über eine Beschwerde bei der vorgesetzten Behörde (Eidgenössisches Departement des Innern) erzwingen, dass ich Konzepte einreichen und Zusatzbedingungen erfüllen musste, auf die dann doch nicht eingetreten wurde, nein, man weigerte sich, mit mir zu reden, liess mir Gutachten von anonymen Experten zukommen, die keinerlei medizinische Argumente für ihre Gegnerschaft auswiesen und ausserdem von Klinikdirektoren verfasst waren, die diese Arbeit nur vom Hörensagen kennen. Sie wiesen lediglich schlicht darauf hin, dass man diese Arbeit aus politischen Gründen verhindern sollte. Man versuchte, mich mit komplizierten Forderungen abzuschrecken, mit vagen Argumenten im Unklaren zu lassen, und nachdem ich einmal mehr über eine Beschwerde klare Bedingungen erzwungen hatte, wechselte man einfach wieder die Ebene der Auseinandersetzung, ohne weiter auf die bisherigen Punkte einzugehen.

    Als ich dann meine Praxis eröffnete, lag natürlich die Bewilligung nicht vor, was mich aber nicht hinderte, mit der Arbeit zu beginnen. MDMA war damals noch nicht verboten und genügte mir für den Anfang vollkommen. Später, als es auf die Liste der Betäubungsmittel gesetzt wurde, kamen andere legale Substanzen dazu. Inzwischen hatten sich auch Kontakte zu anderen Forschern im In- und Ausland ergeben, welche sich für das gleiche Anliegen einsetzten. In der Schweiz wuchs daraus die Schweizerische Aerztegesellschaft für psycholytische Therapie hervor, welche fortan unsere Basis für weitere behördliche Kämpfe bildete, welche mir aber auch einen Rückhalt gab, was kollegialen und freundschaftlichen Austausch betraf. Auch die Gesellschaft war zu Beginn nicht erfolgreicher mit dem BAG. Auch ihr wurde unter fadenscheinigen Gründen das Gespräch verweigert. Erst in den letzten Monaten (dies bezieht sich auf den Stand 1989) wird die Angelegenheit etwas hoffnungsvoller. Offenbar haben wir bald genügend Gewicht, so dass uns ein Platz gegeben werden muss; vielleicht vor allem deshalb, weil unsere Bereitschaft, Schwierigkeiten zu bekommen, ebenso gross ist, wie unser Wille, Schwierigkeiten zu machen. Während ich an diesem Manuskript arbeite, scheint sich allmählich eine Türe aufzutun. Jedenfalls wurden Ausnahmebewilligungen für einen Teil der Mitglieder unserer Gesellschaft in Aussicht gestellt, und auch eine Zusammenarbeit mit dem BAG beginnt sich anzubahnen. Dies geht aber mehr auf die Initiative einer einzelnen Persönlichkeit zurück, zu der wir schliesslich einen Zugang fanden und die unser Anliegen ernst zu nehmen begann. An dieser Stelle bedanke ich mich bei dieser Person – ich weiss nicht, ob sie namentlich erwähnt sein möchte – herzlich. An den rigiden Strukturen eines bürokratischen Amtes und an der Gegnerschaft der psychiatrischen Kollegen ändert das aber wenig. Es bestätigt eher, dass trotz solcher Strukturen einiges möglich wird, sobald sich irgendwo Beziehung ereignen kann.

    Die Freude über die in Aussicht gestellte Ausnahmebewilligung an eine kleine Gruppe von Psychiatern darf auch nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich damit nichts am grundsätzlich Unerwünschten dieser Therapieform geändert hat. Es handelt sich bei der Erteilung einer Ausnahmebewilligung wohl eher um einen Domestizierungsversuch. Das gefährliche Potenzial soll, wenn es schon nicht ganz unterdrückt werden kann, wenigstens unter die Aufsicht einer speziell ausgebildeten Elite gestellt werden, die es hütet und bewacht, so dass nach wie vor die meisten Menschen, denen es helfen könnte, keinen Zugang dazu haben. Das muss ganz klar erkannt werden: Freiheit, persönliche Freiheit – auch im Umgang mit diesen Drogen – ist immer noch in weiter Ferne.

    Aus dieser langjährigen Auseinandersetzung habe ich inzwischen vieles gelernt. Immer mehr gewann ich die Einsicht, dass eine erwachsene Zusammenarbeit mit Institutionen und anderen ähnlichen Strukturen in unserer Gesellschaft nicht möglich ist. Nur das Bestehende darf weitergeführt werden, Neues wird als potenziell gefährlich unterdrückt. Es lohnt sich nicht, Energie in solche Strukturen zu stecken. Eine Institution ist nie ein Partner. Solange man dort nicht auf Persönlichkeiten trifft, ist alle Mühe umsonst. Nie bekommt man eine ehrliche, gerade, einfache und klare Antwort. Man will dort einfach nicht, weil man Angst hat vor dem Potenzial dieser Arbeit, darf das aber nicht geradeheraus eingestehen, weil es nicht mit unseren juristischen Grundlagen zu rechtfertigen wäre. Daher wird die Argumentation immer wieder falsch, spitzfindig und politisch.

    Immer mehr setzte sich bei mir die Erkenntnis durch, dass mein Versuch, mich in einer solchen Meinungsverschiedenheit durchzusetzen und meine Bereitschaft, eine derartige Diskussion überhaupt zu führen, ein Rest von kindlichen Verhaltensmustern war, gelernt im Umgang mit Bundesämtern ähnlich strukturierten Eltern und Lehrern. Es geht um den Kampf, anerkannt zu werden, geliebt zu werden. Ich liess mich erneut verstricken, im Versuch etwas zu erpressen, was man nur geschenkt erhalten kann: ehrliche, offene, klare Zuwendung und Zuneigung, ein einfaches Ja und ein einfaches Nein. Einmal mehr war ich im Begriff, mich zu verkaufen und anzubiedern, um die schmerzliche Tatsache zu vermeiden, dass Verständnis, Anerkennung und Fürsorge in unserer Welt nicht da sind.

    Als ich dies erkannte, schwand mein Interesse an diesen Spielen schnell, vor allem wurden sie eben Spiele, die ich so nebenbei noch etwas betrieb, aber eben spielerisch und ohne grosses Engagement, ohne grosse Hoffnung auf Erfolg. Und zunehmend verleidet mir das Spielen überhaupt. Mehr und mehr erkenne ich, dass der einzig richtige Umgang mit solchen Eltern und mit mir selbst darin besteht, dass ich ihre kindlichen Reaktionen erkenne, sie als trotzende, schwierige und dahinter vor allem unsichere Kinder wahrnehme und behandle und mich selbst in eine wahre Elternposition begebe, das heisst, dem Widerstand nichts entgegensetze, einfach warte, bis der Trotz irgendeinmal vielleicht nachlässt und in der Zwischenzeit einfach meinen Weg gehe, unbeirrt. Mein Weg, das heisst, meine Arbeit einfach zu tun, ohne behördliche Absegnung, weil ich sie als wichtig erkenne, und damit ohne weitere Rechtfertigung, ohne spezielle Erlaubnis dasjenige in die Welt zu setzen, was ihr meiner Meinung nach fehlt.

    Es geht darum, Anpassung und Opposition als die beiden Seiten des gleichen unreifen Verhaltensmusters zu erkennen und aufzugeben, allein zu stehen und das Risiko zu tragen, welches darin steckt, dass man sich kindlicher Macht nicht fügt, mit einem Wort: selbst erwachsen zu sein. Dabei scheint mir wichtig, nicht zum Märtyrer zu werden, sondern jene Grauzone zu entdecken, in der man dem Kaiser geben kann, was ihm gebührt, ohne für sich selbst verlieren zu müssen, was einem zusteht. Was einem zusteht, ist die Einsicht, dass es eine persönliche Wahrheit gibt, die wahrer ist als die offizielle, ein persönliches Recht, das das öffentliche bricht. Auf diese Weise entstand in mir allmählich die Idee, dieses Buch zu schreiben, um auch damit einmal mehr in die Welt zu setzen, was für mich darin fehlt. Lange und immer wieder schien mir ein solches Unterfangen wenig sinnvoll, da das Reden und Schreiben über unsere Existenz nur sehr beschränkt Bedeutung und Tiefgang hat, und weil unser Geheimnis nur im direkten Erfassen des Seins erkannt werden kann. Mich aus Ehrgeiz oder ähnlichen Gründen hervorzutun, wäre mir zuwider. Davon gibt es schon genug in dieser Welt. Die Frage ist, ob wirklich etwas gesagt sein will und ob diese Aufgabe mir zusteht. Da ich lernen musste, wie mächtig Worte als Barrieren sein können, auch wenn sie unbedeutend sind, hoffe ich nun, dass sie auch eine mächtige Anregung sein können, ohne zu vergessen, dass das Wort nie das Ding ist.

    Das Buch ist nach folgendem Konzept aufgebaut: Im ersten, ausführlichsten Teil findest du die Beschreibung des Wegs nach innen und derjenigen Gefühle, denen du auf diesem Weg begegnen kannst. Schicht um Schicht werden wir den Aufbau unserer Persönlichkeit, wie ihn die später folgende Abb.3,a) symbolisiert, erfassen. So wie das Aufklappen der Zwiebelschalen auf dem Umschlagbild immer mehr den Kern der Zwiebel enthüllt, werden wir von der äussersten Schicht der Anpassung, in der die meisten Menschen leben, vorstossen zu den darunter liegenden, verbotenen Gefühlen, zuerst zu den abwehrenden und später zu den unterdrückten. Wiederintegration der ganzen Gefühlsräume inklusive der transpersonalen Phänomene, die sich damit ebenfalls erschliessen, wird uns schliesslich an den Kern unserer Persönlichkeit heranführen.

    Von diesem Kern handelt der kürzere zweite Teil. Er will etwas über unsere wahre, von Illusionen befreite und gereinigte Natur und über den richtigen Umgang damit in Beziehungen und in der Welt vermitteln. Er handelt von der Liebe, von der Energie, vom Fluss. Er handelt vom Wichtigsten und ist daher auch der zentrale Teil dieses Buches.

    Im dritten Teil versuche ich dann die Arbeit mit psycholytischen Substanzen, die auf dem beschriebenen Weg eine nützliche Hilfe sein können, die ich selbst und viele meiner Klienten auch als solche erfahren haben, darzustellen. Es wird die Rede sein vom praktischen Vorgehen, von der Arbeitsweise des Therapeuten, von Indikationen und Kontraindikationen. Dieser Teil wird nicht sehr ausführlich sein, da ich kein Lehrbuch schreiben möchte. Lernen kann nur in der praktischen Arbeit, im direkten Erfahren stattfinden. Der wirkliche Gehalt dieser Arbeit kann nicht mit Worten vermittelt werden, was ja für die Psychotherapie ganz allgemein gilt.

    Dieses Buch soll mehr eine Anregung sein: Für den einen vielleicht, um selbst mit dem eigenen Weg zu beginnen, für den andern als Wegweiser, Mark- oder Stolperstein auf dem bereits begonnenen Pfad; für den Klienten Hilfe bei der Suche nach der richtigen Methode, dem richtigen Therapeuten etc., für den Therapeuten ein Hinweis auf die psycholytische Möglichkeit, die er bis jetzt wohl noch übersehen hat.

    Dass ich auf Literaturhinweise verzichten werde, weil ich es unnötig finde, die Wurzel jeder Einsicht, die in mir gewachsen ist, zu belegen, habe ich am Ende des Buches erwähnt. Für mich ist ein Buch mehr ein persönliches Kunstwerk und nicht lediglich ein Informationsträger. Ähnlich empfinde ich die psychotherapeutische Tätigkeit mehr als eine Kunst und weniger als einen Brotberuf. Fussnoten belasten den Text und den Geist, darum lasse ich sie weg.

    Als Psychiater brauche ich aber gelegentlich Fachausdrücke. Sie gehören zu mir. Auch sie werde ich nicht näher erklären. Es ist für das Verständnis meines Gedankenflusses nicht nötig, sie zu begreifen. Ich empfehle dir, einfach darüber hinwegzulesen, der Text spricht für sich. Und wenn du es nicht lassen kannst, findest du bestimmt ein geeignetes Nachschlagewerk.

    Da es in diesem Buch um Psychotherapie und um die Anwendung von bewusstseinserweiternden Stoffen geht, will ich dieses Kapitel nicht abschliessen, ohne auch hier eine mögliche Lösung des beschriebenen, scheinbar unlösbaren Problems im Umgang mit Institutionen und den dabei möglichen Einsatz der unerwünschten Substanzen diskutiert zu haben.

    Die Lösung habe ich schon angedeutet: Der Klient ist das BAG, seine anonymen Pseudoexperten und alle ähnlichen Machtstrukturen in unserer Welt, hinter denen sich nicht echte Kompetenz und sachbezogene Intelligenz, sondern bürokratisches und politisches Denken verbergen. Dahinter sind natürlich unsichere, ängstliche und abhängige Kinder spürbar, die sich in ihrem trotzigen, selbstsicheren Gehabe verrannt haben, um ihre wahre Identität nicht eingestehen zu müssen. Institutionen sind so viel wert wie ihre Mitglieder. Wenn diese in der Anpassung und Abwehr leben, wird die Institution auch eine solche Funktion erfüllen in der Welt. Als Therapeut kann ich solche Klienten zu motivieren versuchen, sie verführen, einladen genauer hinzusehen, Vertrauen zu haben, in ihnen vielleicht das Gefühl wecken, es könnte ihnen wohler werden, wenn sie zu ihrer wahren Natur finden und sich darüber austauschen und mitteilen. Diese Motivationsarbeit darf aber nicht so weit gehen, die Tatsache aus den Augen zu verlieren, dass es nicht in meiner Macht steht, für den Klienten zu wollen, dass ich einem trotzenden Kind gegenüber letztlich der Ohnmächtige bin, sonst bin ich in Gefahr, an der Wirklichkeit der Situation vorbeizusehen, weil ich selbst meine Wirklichkeit, die Wirklichkeit der Hilflosigkeit nicht ertrage. Letztlich kann ich nichts tun, wenn der Klient nicht will. Freiheit steht immer am Anfang, nicht am Ende der Behandlung.

    Bei dieser Motivationsarbeit könnte MDMA (Genaueres später) unterstützend wirken. Wenn der Klient das möchte – seine Bereitschaft ist natürlich wieder unabdingbare Voraussetzung –, könnte ihm eine einmalige Gabe von 100–125 mg MDMA, welches wie gesagt inzwischen verboten wurde, helfen, seine wahren Motivationen, seine gefühlsmässigen Hintergründe in der verfahrenen Situation zu erkennen und damit eventuell eine andere, vor allem auch für ihn beglückendere Einstellung zu gewinnen.

    Dazu gleich auch ein Fallbeispiel aus meiner Praxis:

    Karl, ein 62-jähriger, verbitterter, vom Leben und den Menschen enttäuschter, aber intelligenter Mensch, arbeitslos, depressiv, völlig vereinsamt und isoliert, der seit Jahren zu Psychotherapeuten geht wie andere zu Dirnen, nur weil er sonst niemanden mehr hat, mit dem er reden könnte, der diese Therapeuten aber nie als Helfer akzeptieren konnte, sondern sie im Gegenteil ebenfalls als Teil des ihm feindlichen Universums bekämpfen musste, entschliesst sich, an einer psycholytischen Sitzung teilzunehmen (mit 125 mg MDMA). Dabei erlebt er ein langvermisstes, fast vergessenes Gefühl in sich: die Liebe. Natürlich hat sich damit noch nicht viel geändert. Im Gegenteil mobilisiert er nach der Sitzung alle seine Abwehrkräfte, um sich und dem Therapeuten den Beweis zu erbringen, dass die Liebe zumindest eine Illusion, wenn nicht sogar ein gefährlicher, zerstörerischer Wahn sei, und schwört, sich nie mehr auf diese Weise einfangen zu lassen. Trotzdem ist die Saat gesät, es lässt ihn nicht mehr los. Immer wieder kommt er darauf zurück, muss die eigenen Einsichten bekämpfen und kann sie doch nicht vergessen. Die Sehnsucht danach und die Angst davor martern ihn. Es wird weitere Jahre dauern, bis er wirklich versteht, wirklich gehen lassen kann. Vielleicht reicht sein Leben nicht mehr aus dazu. Vielleicht entfernt er sich auch wieder ganz von seinem Erlebnis. Aber ein Anfang ist gemacht, ein Bann ist gebrochen, und jedenfalls erkundigt er sich schon bald nach der nächsten Sitzung. Auch er ist psychisch abhängig geworden von seiner innersten Natur, mit der ihn die Droge kurz in Berührung gebracht hat, psychisch abhängig im positiven Sinne damit auch von der Droge. Doch davon später mehr.

    Die Berge haben eine ganz besondere Stille hier, wo ich gerade arbeite. Wenn man ankommt aus den Niederungen, spürt man sie besonders gut. Majestätisch drängt sie sich in die vom Alltag gestresste Seele, beruhigt und setzt einen Gegensatz. Man meint die Menschen müssten hier durch und durch gesund und geläutert sein; aber sie sind es nicht, nehmen wohl das ausserordentlich Wohltuende, Tiefbeständige und doch Weite und Unermessliche dieser Ruhe kaum wahr. Natur erreignet sich in dieser Stille; Materie ist Stille, aber sie lebt, hat Anteil am Bewusstsein, das alles durchdringt. Ewigkeit ist fühlbar, tropft in die dichte Stimmung, die die Nacht zusätzlich schafft. Ich liege still, aber in mir arbeitet es. Alles, was sich in den letzten Monaten in mir vorbereitet hat, drängt zum Ausdruck. Ich kann kaum warten, bis der Morgen kommt und ich zu schreiben anfangen kann. Nur die Tatsache, dass ich meine Frau und meinen Sohn nicht aufwecken will, hält mich zurück, aufzustehen und gleich damit zu beginnen.

    Wir verbringen unsere Winterferien hier. Draussen schneit es endlich, der frühlingshafte Winter scheint nun doch zur Ruhe zu kommen. Auch das Fallen des Schnees aus dem dunkeln Himmel heraus vor dem Fenster enthält diese Ruhe, Weite und Unendlichkeit. Ein enormes Gefühl! Allmählich werde auch ich wieder ruhig. Die Gedanken verlassen mich. Die Stille beginnt mich auszufüllen, nimmt mich mit. –

    2. KAPITEL

    DIE ERSTE UND DIE LETZTE FRAGE

    Eine weitere Grenzgeschichte:

    Ein ander Mal, hörte ich, seien drei verschiedene Menschen an die uns bekannte Grenze gekommen und hätten Einlass in das unbekannte Land verlangt. Alle drei wurden von den Grenzwächtern befragt, woher sie kämen und wohin sie gehen wollten.

    Der Erste, ein Mann, konnte da ganz genau und bestimmt Auskunft geben. Er war aus geschäftlichen Gründen aus einer nahen Stadt hergereist und hatte die Absicht, im Nachbarland eine ebenfalls bekannte Stadt aufzusuchen. Ohne Probleme wurde er von den Zöllnern eingelassen; sein Anliegen war klar und ihnen verständlich.

    Der zweite Mensch – man sagt, es sei eine Frau gewesen – gab zur Antwort, sie komme aus der Nacht und sei auf der Suche nach dem Land der Träume. Die Wächter an der Grenze waren irritiert, berieten sich lange und zogen schliesslich einen Psychiater bei. So weit ich gehört habe, soll die Frau einer psychiatrischen Klinik zugewiesen worden sein.

    Und dann war da noch der dritte Mensch. Niemand weiss, ob es ein Mann oder eine Frau gewesen ist. Man sagt, man habe es auch nicht richtig beurteilen können. Gefragt, woher er komme und wohin er gehen wolle, überlegte er lange und antwortete schliesslich, woher er komme, wisse er eigentlich nicht; es scheine ihm, als ob er es vergessen hätte. Wohin er wolle, könne er auch nicht genau sagen; es scheine ihm, er suche nach seiner Herkunft.

    Diesmal waren die Grenzbeamten sich sehr schnell einig. Die Person kam ihnen genügend verdächtig vor. Sie übergaben sie vorsichtshalber der Polizei. Was dort mit ihr geschehen ist, wurde nicht genauer überliefert.

    WAS WILLST DU WIRKLICH?

    Mit Pius Köppel, einem Freund und Mitarbeiter, habe ich einige Gespräche vor allem über den Titel dieses Buches geführt. Er hat mich darauf hingewiesen, dass der Untertitel, den ich zuerst verwenden wollte: Ein Buch für reife Laien, etwas zynisch-ironisch sei. Ich habe ihn deshalb weggelassen. Zynismus ist eine abwehrende Haltung. In ihrem Kern finden wir den Humor, der sich aber mit etwas Boshaftigkeit gepaart hat.

    Trotzdem, dieser Untertitel könnte da stehen: Ein Buch für reife Laien. Laien sind Menschen, die keine Autoritäten sind, das heisst, dass sie Lernende und nicht Wissende sind. Auf dem hier zu besprechenden Gebiet geht es um die Frage: Wer bin ich eigentlich? Wer sind wir wirklich? Es geht um die Selbstfindung oder eben um die Psychotherapie im Gegensatz zur Anpassungstherapie, der das Funktionieren in einem bestimmten gesellschaftlichen Kontext über alles geht. Es geht also um dich und mich. In diesen Fragen kann es keine Autoritäten geben, weil wir für immer alle Lernende und nie Wissende sein werden.

    Darum: Reife Laien, reif in dem Sinn, dass sie zu erkennen vermögen, dass es keine Autorität geben kann, die eigene Erfahrung miteingeschlossen. Laien könnten also auch die Experten der Betäubungsmittelkommission oder die Beamten des BAG sein, die alle wohl kaum je eine psycholytische Erfahrung gemacht oder geleitet haben; oder, um den Zynismus gleich wieder zu verlassen: Es ist ein Buch für jedermann und jede Frau.

    Wir wollen uns also klar werden, was Selbstfindung und damit was Psychotherapie, vor allem was verbotene Psychotherapie

    Enjoying the preview?
    Page 1 of 1