Ferdinand von Schnatter der Viertelnachzweite
By Sarah König
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About this ebook
Aber Ferdinand ist jung, unbekümmert und unternehmungslustig. Er sieht überhaupt nicht ein, dass eine Freundschaft mit einem Menschen gefährlich sein könnte. Da kommt ihm der Mensch Kasper gerade recht. Ferdinand will Anschluss.
Und Kasper? Was soll der Mann mit einem Schnatter anfangen, der seine Wohnung verwüstet und sein Leben auf den Kopf stellt?
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Book preview
Ferdinand von Schnatter der Viertelnachzweite - Sarah König
978-3-95959-091-4
Kapitel 1
Der Schnee knirschte unter Kasper Marxs Arbeitsstiefeln mit dem dicken Profil. Bei jedem Schritt ein Knarren, als würde eine alte, hölzerne Tür in nicht geölten Angeln geschwenkt.
Das Knarren war so laut, dass Kasper beinahe das Wimmern überhört hätte, das sehr, sehr leise an sein Ohr drang. Ein Wimmern, nicht unähnlich einem Hundejammern, oder Katzenfiepen. Und doch anders. Ganz anders.
Kasper blieb stehen und drehte sich einmal um sich selbst, um besser hören zu können, woher dieses Geräusch kam. Er machte einen Schritt in die Richtung und lauschte erneut. Ja, er befand sich auf dem richtigen Weg.
Hinter der alten Kirche mit dem hohen Kirchturm standen einige immergrüne Büsche. Das Wimmern wurde lauter. Jetzt konnte er das Geräusch genauer lokalisieren. Es kam von unten. Kasper hielt an. Vor ihm überzogen weißbereifte Spinnweben die dunklen Zweige und glitzerten silbern im Mondlicht. Die kalte Novemberluft verwandelte Kaspers Atem vor seinem Gesicht in kleine, weiße Wölkchen. Was war das bloß, was dort vor ihm verborgen lag? Ein junges Kätzchen, das vereinsamt im Schnee lag und bitterlich fror? Oder gar viele kleine Katzenwelpen, von der Mutter nach der Geburt verlassen?
Vorsichtig schob er die Äste zurück. Tatsächlich, da unten bewegte sich etwas. Verblüfft ging er in die Hocke.
Es war kein Katzenkind, schon gar nicht mehrere. Es hatte nicht einmal Ähnlichkeit mit einem Welpen, ganz gleich ob Hund oder Katze. Als seine Augen sich an die Dunkelheit unter den Büschen gewöhnt hatten, erkannte er in dem pelzigen Etwas einen Schnabel, der sich unaufhörlich öffnete und schloss, und aus dem ohne Unterlass diese fiependen, jammernden Geräusche kamen.
Ein Schnabeltier? Hier?
Kasper wusste nicht viel – aber, dass Schnabeltiere in Deutschland nicht in freier Wildbahn lebten, sondern nur im Zoo, das wusste er. Es kam ihm seltsam vor, dass dieses Tierchen aus einem Zoo ausgebüchst sein sollte, und er konnte sich auch nicht vorstellen, dass ein Mitarbeiter eines Zoos den Kleinen hier hingelegt haben könnte. Wer würde schon so etwas tun? Das passte alles nicht zusammen. Aber das konnte er später klären. Zuerst einmal war rasche Hilfe gefragt - das kleine Tier lag hier unter den Büschen, bibberte vor Kälte und war vermutlich bereits halb erfroren. Liegen lassen konnte Kasper es natürlich nicht. Dennoch hielt ihn etwas zurück.
„Was, wenn seine Mutter kommt?, fragte er sich selbst leise. „Oder derjenige, der es hier abgelegt hat?
Kasper runzelte die Stirn. So ein Quatsch!, dachte er. Selbst wenn es jemand hier abgelegt hat - es stirbt, wenn es hier weiter liegt. Und sollte das Tier wirklich jemand zurückgelassen haben, gehört dieser einmal nackig in den Schnee gesteckt! Blaue Lippen wären dann das geringste Problem!
Kasper zog einen Handschuh aus und berührte das Wesen vorsichtig mit einem Finger. Er fühlte nur Kälte. Fell, das vor Kälte ganz hart geworden, starr war. Und das Tier bemerkte scheinbar gar nicht, dass es berührt wurde. Die kleinen Augen blieben geschlossen, die Lider zuckten nicht einmal. Die kleinen Pfoten waren vor der Brust verkrampft und bebten bei jedem zittrigen Atemzug des fremdartigen Dings. Es tat Kasper in der Seele weh, es so leiden zu sehen.
Egal was es genau war - ob zurückgelassen oder ausgebüchst - Kasper wusste, dass er dem Winzling helfen musste. Niemals hätte er es liegen gelassen.
Kasper schüttelte den Kopf. Egal was es war – dem Tier war kalt, und es würde sterben, wenn er sich nicht darum kümmerte.
Entschlossen schob er das Geäst mit der rechten Hand zur Seite und hob mit der linken vorsichtig das kleine Ding hoch.
Es war etwas größer als seine Hand und so steif, dass er es ohne dieses beständige Wimmern für erfroren gehalten hätte. Noch immer bewegte es sich keinen Millimeter. Es war leicht, nicht einmal so schwer wie eine Packung Mehl oder Zucker und doch so groß wie ein Welpe eines großen Hundes. Die Augen blieben geschlossen, es bekam wohl nicht einmal mit, dass es behutsam aus dem Gebüsch gehoben wurde.
Und wenn ihn jetzt jemand bei dieser merkwürdigen Aktion beobachtete? Was würden die Leute denken? Rasch sah Kasper sich um. Aber natürlich war niemand sonst hier unterwegs. Kunststück. Wer außer ihm würde schon im November nachts um elf noch einen Spaziergang machen wollen?
Er betrachtete das kleine Ding genauer. Der Schnabel war ihm ja bereits aufgefallen, aber nun sah er, dass das Tierchen ziemlich große Augen haben musste, auch wenn diese nun gerade geschlossen waren. Ohren sah Kasper, runde, knubbelige Ohren, so groß wie Tennisbälle. Eiskristalle hatten sich im weichen Innern der Muscheln gesammelt. Hoffentlich bekam das Tierchen keine Ohrenentzündung davon. Wenn er es denn überhaupt wieder warm bekam. Aus den Vorder- und Hinterpfoten lugten kleine, beinahe niedliche Krallen. Vorsichtig stupste er sie mit dem Finger an. Nicht sehr spitz. Und als er den kleinen Racker auf den Bauch drehte, bekam Kasper ein kleines pelziges Stummelschwänzchen zu Gesicht.
Nein, kein Schnabeltier, eindeutig.
Er öffnete seine dicke Winterjacke und schob den Schal beiseite. Dann zog er seinen linken Arm aus dem Jackenärmel und winkelte ihn so vor seiner Brust an, dass sein Findling bequem in Bauchlage auf Kaspers Unterarm zu liegen kam. Dann schloss Kasper die Jacke und ließ nur den Kopf des Wesens oben herausgucken. So bekam das Wesen Luft und Kasper konnte es fest vor der Brust eingeschlossen vor sich hertragen. Die Wärme schien es aufzutauen, es begann sachte, sich zu bewegen, und Kasper spürte, wie es sich sogar an ihn ankuschelte. Wenn er genau darauf achtete, fühlte er es schnurren. Kasper sah hinunter auf seinen Findling. Dem Wesen lief unübersehbar ein kleiner Speichelfaden den Schnabel hinab und tropfte nun auf Kaspers Arm und Pullover. Wie sollte er es nennen? Ding oder Tier ging nicht, das war nicht in Ordnung. Abwarten. Ihm würde schon noch etwas einfallen.
Er schüttelte sich die Jacke zurecht, und reckte den rechten Arm, um auf seine Armbanduhr sehen zu können. Halb zwölf Uhr nachts, und er musste morgen früh wieder raus, um zur Arbeit zu gehen. Er sollte sich besser auf den Heimweg machen.
Schon beim ersten Schritt fiel ihm ein neues Problem ein. Was ein so kleines fremdartiges Wesen wohl fressen musste? Kasper überlegte fieberhaft, ob er jemals etwas über geschnäbelte Tiere gehört hätte, und über ihre Nahrung. Und ob das, was er da vielleicht mal gelesen hatte, wirklich für dieses Wesen galt, von dem er fast den Eindruck hatte, dass es nicht von dieser Welt war.
Kasper hielt inne. Und wenn es wirklich nicht von dieser Welt war? War es dann überhaupt ein Tier? Er sah herunter auf den welpengroßen Fellball, der sich nun mit einer Pfote in den Kragen von Kaspers Pullover gekrallt hatte. Das Gesicht des Kleinen wirkte entspannt, und der Schnabel war leicht geöffnet. Aus dem kleinen, beinahe niedlichen Rinnsal Speichel war ein wahrer Strom geworden, bemerkte Kasper.
Wie konnte so ein kleines Tier so viel sabbern? Und das im Schlaf …
Als hätte das kleine Ding Kaspers Gedanken gehört, bewegte es sich. Kasper spürte, wie es die kleinen, pummeligen Beinchen an den kleinen, noch pummeligeren Körper zog. Die Pfoten krallten sich noch tiefer in die groben Maschen von Kaspers Pullover, und dann neigte es den Kopf und schloss den Schnabel. Endlich hatte das Herumgesabbere ein Ende, das langsam aber sicher den gesamten Brustbereich von Kaspers Pullover eingeweicht hatte.
Das kleine Ding genoss es sichtlich, dass es nun in Wärme und Geborgenheit durch die Gegend getragen