Zwischen Lügenpresse und Fake News: Eine Analyse
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Dr. Andreas Unterberger
"Diese Analyse ist ein wichtiger Beitrag zur Versachlichung der aktuellen Diskussion und
sollte deshalb unter Politikern, Medienmachern und Bürgern große Verbreitung finden."
Aus dem Vorwort von Werner Reichel
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Book preview
Zwischen Lügenpresse und Fake News - Andreas Unterberger
Frank&Frei
1. VORBEMERKUNGEN
MEDIEN – in welcher technischen Form immer – gelten zu Recht als „vierte Gewalt". Sie sind zwar kaum in Verfassungen verankert. Aber es kann keine Demokratie, keinen Rechtsstaat ohne pluralistische und freie Medien geben. Sie sind in solchen Staaten absolut unverzichtbar – wenn auch für die Politik meist unangenehm. In Diktaturen, oligarchischen und autoritären Systemen sind sie hingegen Staatsfeind Nummer eins.
Die Freiheit der Medien ist der beste Indikator, um einen Staat zwischen den beiden Polen – demokratischer Rechtsstaat hier, Diktatur dort – einzuordnen.
Die Bedeutung der Medien in Demokratien ist eine vielfache. Insbesondere:
• als unabhängige Kontrolle und Kritik der ja meist miteinander verwobenen anderen Gewalten,
• als Plattform für den vielfältigen und von ganz unterschiedlichen Meinungen geprägten öffentlichen Diskurs,
• als wichtigste Informationsquelle mündiger und dann ja bei den Wahlen entscheidender Bürger über Vorgänge in der Gesellschaft,
• als Mittel der Information der Regierenden über die öffentliche Stimmung,
• als wichtige Säule für Bildung und Wissenschaft.
Sowohl Politik wie auch Medien selbst verfallen dabei freilich oft in den Fehler, die in den traditionellen Medien veröffentlichte Meinung mit der öffentlichen Meinung der Bürger zu verwechseln. Noch selten sind diese beiden jedoch so weit auseinandergeklafft wie heute.
In den letzten Jahren ist weltweit in der demokratischen Welt die Kontroverse rund um die diversen Formen der Medien immer intensiver geworden. Neben unvermeidbaren Fehlern und Irrtümern geht es dabei um einen eskalierenden Kampf zwischen traditionellen Medien (wie Print, TV, Radio, Film) und neuen Medien (Facebook, Twitter, Blogs).
In dieser Auseinandersetzung werden mit immer intensiverer Heftigkeit Kampfvokabel wie „Lügenpresse oder „Systempresse
in die eine Richtung und „postfaktisch" in die andere ausgetauscht.
Dieser Kampf geht über die übliche Rivalität zwischen Medien weit hinaus. Denn die traditionellen Medien, insbesondere Print, erkennen einerseits in den neuen Medien eine lebensbedrohliche Herausforderung. Denn die neuen Medien sind die weitaus substantiellste Änderung der Medienlandschaft seit Jahrhunderten.
Überdies fällt es sehr schwer, die Quantität und Qualität von Lüge, Unwahrheit, Manipulation, Propaganda in alten und neuen Medien zu vergleichen und zu bewerten, wo es übler zugeht. Es passiert da wie dort viel Schlimmes – was aber nichts an der fundamentalen Wichtigkeit beider Medienbereiche ändert.
In dieser Analyse geht es in der Folge nur um die politisch, rechtlich, wirtschaftlich, ideologisch relevanten Teile der Medienwelt. Man muss sich aber immer bewusst sein, dass der andere, weit größere Teil (Unterhaltung, Mode, Erotik, Hobby, …) automatisch auch von jeder Regulierung erfasst wird.
2. HISTORISCHE ANMERKUNGEN
DER GEZIELTE EINSATZ von Unwahrheit, Beschimpfungen, Propaganda und Erfindungen, die mit den jeweils aktuellen Medien verbreitet werden, ist historisch seit der Antike nachgewiesen. Es ist daher falsch, darin etwas qualitativ Neues zu sehen.
Einige demonstrative Beispiele:
A. Die der religiösen Propaganda (und Geschäftemacherei) dienende Erfindung religiöser Reliquien (siehe etwa die unzähligen, einst weltweit verkauften Partikel des Heiligen Kreuzes).
B. Das sogenannte „Privilegium Maius" (die Fälschung aus der Kanzlei des Habsburgers Rudolf IV. aus 1358 sollte Österreich den Kurfürstentümern gleichstellen).
C. Die in den „Letzten Tagen der Menschheit" von Karl Kraus aufgespießte und oft groteske österreichische Kriegspropaganda (der die anderen Kriegsparteien nicht nachstanden).
D. Der angebliche Angriff Polens auf den deutschen Sender Gleiwitz, mit dem Hitler seinen Angriffskrieg zu rechtfertigen versucht hat.
E. Die nachträglich gestellten Bilder sowjetischer (Brandenburger Tor) und amerikanischer Eroberungen (Iwo Jima) am Ende jenes Krieges.
F. Die lange nachher auf Tonträgern aufgenommene Weihnachtsansprache Leopold Figls 1945 (die letzten beiden sind gewiss harmlose Beispiele).
ERFOLG DURCH NEUE MEDIEN. Historisch hatten neue politische oder geistige Bewegungen sehr oft auch deshalb Erfolge, weil sie sich mit besonderem Geschick neuer Medien bedient – oder einen neuen Umgang mit schon vorhandenen Medien entwickelt haben.
Wieder nur in Stichworten (daher natürlich vereinfachend und oberflächlich):
A. Die Reformation: Buchdruck und Kirchenmusik.
B. Die Gegenreformation: Jesuitentheater und gezielte Übernahme von Musik und Buchdruck aus dem „Waffenarsenal" der Reformation.
C. Aufklärung: Universitäten.
D. Liberalismus: Zeitungen. „Pressfreiheit" (also Meinungs- und Medienfreiheit) war 1848 die zentrale Forderung beim Ruf nach einer Verfassung.
E. Entwicklung der Nationalstaaten: Romantische National-Literatur sowie Verschriftlichung von bis dahin zum Teil nur gesprochenen (beispielsweise slawischen) Sprachen.
F. Sozialdemokratie: Arbeiterbildungsvereine.
G. Christlichsoziale Reform: (Fast) der gesamte kirchliche Apparat.
H. Kommunismus: Propagandistischer Einsatz des Stummfilms.
I. Nationalsozialismus: Propagandistischer Einsatz des Tonfilms und Radios.
J. John F. Kennedy: Überlegene (auch physische) Vorbereitung und Performance bei den ersten TV-Duellen.
K. Bruno Kreisky: Fernsehen und komplett neuer Umgang mit Printmedien. (Während Josef Klaus sich noch hermetisch abriegelte, war Kreisky fast zu jeder Tages- und Nachtzeit auch für unbekannte Journalisten erreichbar.)
L. Islamistischer Radikalismus: Alle