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U.S. Marshal Bill Logan Band 57-64 (Sammelband)
U.S. Marshal Bill Logan Band 57-64 (Sammelband)
U.S. Marshal Bill Logan Band 57-64 (Sammelband)
Ebook884 pages12 hours

U.S. Marshal Bill Logan Band 57-64 (Sammelband)

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U.S. Marshal Bill Logan – die neue Western-Romanserie von Bestseller-Autor Pete Hackett! Abgeschlossene Romane aus einer erbarmungslosen Zeit über einen einsamen Kämpfer für das Recht. INHALT Band 57 Nitro, Terror und zwei Marshals Band 58 Express in den Tod Band 59 Die Spur des Verfemten Band 60 Terror am Sweetwater Creek Band 61 Desperados Band 62 Joshua, der Revolvermann Band 63 Finnegans Höllentrail Band 64 Stampede am Dudley Creek
LanguageDeutsch
Release dateApr 12, 2014
ISBN9783956170935
U.S. Marshal Bill Logan Band 57-64 (Sammelband)

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    U.S. Marshal Bill Logan Band 57-64 (Sammelband) - Pete Hackett

    U.S. Marshal Bill Logan

    Sammelband 8 (Band 57-64)

    von Pete Hackett

    Pete Hackett Western – Deutschlands größte E-Book-Western-Reihe mit Pete Hackett's Stand-Alone-Western sowie den Pete Hackett Serien Der Kopfgeldjäger, Weg des Unheils, Chiricahua und U.S. Marshal Bill Logan.

    U.S. Marshal Bill Logan – die neue Western-Romanserie von Bestseller-Autor Pete Hackett! Abgeschlossene Romane aus einer erbarmungslosen Zeit über einen einsamen Kämpfer für das Recht.

    Ein CassiopeiaPress E-Book

    © by Author www.Haberl-Peter.de

    © der Digitalausgabe 2013 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen

    www.AlfredBekker.de

    1. digitale Auflage 2014 Zeilenwert GmbH

    ISBN 9783956170935

    Inhalt

    Cover

    Titel

    Impressum

    Über den Autor

    Band 57 Nitro, Terror und zwei Marshals

    Band 58 Express in den Tod

    Band 59 Die Spur des Verfemten

    Band 60 Terror am Sweetwater Creek

    Band 61 Desperados

    Band 62 Joshua, der Revolvermann

    Band 63 Finnegans Höllentrail

    Band 64 Stampede am Dudley Creek

    Über den Autor

    Unter dem Pseudonym Pete Hackett verbirgt sich der Schriftsteller Peter Haberl. Er schreibt Romane über die Pionierzeit des amerikanischen Westens, denen eine archaische Kraft innewohnt, wie sie sonst nur dem jungen G.F.Unger eigen war – eisenhart und bleihaltig. Seit langem ist es nicht mehr gelungen, diese Epoche in ihrer epischen Breite so mitreißend und authentisch darzustellen.

    Mit einer Gesamtauflage von über zwei Millionen Exemplaren ist Pete Hackett (alias Peter Haberl) einer der erfolgreichsten lebenden Western-Autoren. Für den Bastei-Verlag schrieb er unter dem Pseudonym William Scott die Serie Texas-Marshal und zahlreiche andere Romane. Ex-Bastei-Cheflektor Peter Thannisch: Pete Hackett ist ein Phänomen, das ich gern mit dem jungen G.F. Unger vergleiche. Seine Western sind mannhaft und von edler Gesinnung.

    Hackett ist auch Verfasser der neuen Serie Der Kopfgeldjäger. Sie erscheint exklusiv als E-book bei CassiopeiaPress.

    Band 57

    Nitro, Terror und zwei Marshals

    Obwohl wir Rankin, Atkins, Gibson und Dale McDowell aus dem Verkehr gezogen hatten, bezweifelte ich stark, dass in der Goldgräberkolonie zwischen Perico und Dalhart Ruhe einkehren würde. Wo so viele unterschiedliche Charaktere zusammentrafen, war ein Frieden einfach nicht möglich. Abenteurer, Glücksritter, Dirnen und Banditen – der gesamte Abschaum des Landes gab sich hier ein Stelldichein. Das Leben eines Menschen war gerade mal den Preis für eine Unze Blei wert. Der Dollar wechselte schnell seinen Besitzer – oft war es ein blutiger Wechsel.

    Ein Mann namens Bruce Turpin hatte geschworen, sich ein Stück von dem großen Kuchen abzuschneiden, den es im Dallam County zu verteilen gab. Ein Mann, der vor nichts zurückschreckte. Er brachte eine Revolvermannschaft mit ins Land. Und bald war er der ungekrönte König des Goldlandes …

    Es war Nacht. In der Goldgräberkolonie war Ruhe eingekehrt. Vor einigen Zelten und Zweighütten glommen noch die heruntergebrannten Lagerfeuer. In der Dunkelheit muteten die Glutpunkte an wie rote Dämonenaugen.

    Der Mond hing im Süden und versilberte die Abhänge. Das Wasser des Mustang Creek glänzte wie flüssige Bronze. In den Büschen des Ufergestrüpps raschelte das Blattwerk um lauen Nachtwind.

    Ein halbes Dutzend Reiter trieben ihre Pferde aus der Lücke zwischen zwei Hügeln. Dumpf pochten die Hufschläge. Gebissketten klirrten. Die Männer schwiegen. Auf den Nieten der Sättel und der Zaumzeuge brach sich das Mondlicht. Eines der Tiere wieherte.

    Das Rudel ritt durch den Creek. Wasser spritzte und gischte unter den stampfenden Hufen. Schwarz und scharf zeichneten sich die Konturen der Hügel rundum gegen den Sternenhimmel ab.

    Die scheinbar so friedliche Atmosphäre war nicht echt. Die Schatten der Nacht schienen Unheil zu verkünden.

    Einige der Goldgräber, die zu beiden Seiten des Flusses die Erde aufwühlten auf der Suche nach dem großen Glück, wurden wach. Sie krochen aus ihren notdürftigen Behausungen und beobachteten den Pulk. Von den Gesichtern war nichts zu sehen. Die Kerle hatten sich die Halstücher bis über die Nasen gezogen. Ein Hauch von tödlicher Entschlossenheit ging von ihnen aus.

    Dann verhielten sie bei einem Zelt. Die Pferde traten auf der Stelle und peitschten mit den Schweifen. Die Geräusche nahmen ab. Eine raue Stimme erklang: »Elwell McGibbon!«

    Die beiden Worte fielen wie Hammerschläge.

    Der Eingang des Zeltes wurde geöffnet. Ein Mann trat ins Freie. Er trug nur rote, ausgewaschene und vielfach zerrissene Unterwäsche. In den Händen hielt er ein Gewehr. »Was wollt ihr von mir?«

    »Du wirst beschuldigt, Dale Vernon ermordet und ausgeraubt zu haben. Darum wirst du mit uns kommen und dich unserem Gericht stellen. Sollten wir zu dem Ergebnis kommen, dass du schuldig bist, wirst du hängen.«

    »Diese Behauptung ist Unsinn«, erklärte McGibbon und repetierte das Gewehr. »Ich habe selbst Gold gefunden und es nicht nötig, andere Goldgräber zu ermorden und auszurauben. Verschwindet! Oder ich mache euch Beine.«

    »Du solltest freiwillig mit uns kommen, McGibbon. Wenn sich deine Unschuld heraus stellt, lassen wir dich laufen.«

    »Nein, o nein! Ich weiß, was mir blüht. Euch schickt Turpin, nicht wahr? Er will sich mein Claim unter den Nagel reißen, nachdem ich fündig geworden bin.«

    »Du bist ein Narr, McGibbon. Wenn du nicht freiwillig mit uns kommst, werden wir dich zwingen. Du bist gesehen worden, als du in der Nacht Vernons Claim verlassen hast. Als sich Vernon am Morgen nicht blicken ließ, schauten seine Claim-Nachbarn nach. Er lag tot in seinem Zelt. Man hatte ihm ein Messer zwischen die Rippen gerammt. Du warst der letzte, der auf seinem Claim gesehen wurde. Es spricht alles gegen dich, McGibbon.«

    »Lasst mich in Ruhe. Ja, ich war bei Vernon. Er und ich hatten vereinbart, dass wir gemeinsam das Goldland verlassen. Wir waren Freunde, und jeder von uns hatte genug Gold, um den Rest seines Lebens damit auszukommen. Ich weiß nicht, wer ihn ermordet hat. Ich war es jedenfalls nicht.«

    »Kommst du nun freiwillig mit oder nicht?«

    »Nein!«

    Die Reiter griffen nach ihren Waffen. McGibbon riss das Gewehr an die Hüfte. Feurige Zungen leckten durch die Nacht auf ihn zu. Die Kugeln rissen ihn herum, schüttelten ihn, sterbend sank er zu Boden.

    Die Detonationen hatten sich zu einem einzigen, lauten Knall vermischt. Jetzt verebbte er. Dann war es drückend still. Sogar die Pferde der Vigilanten standen bewegungslos.

    Eine raue Stimme sprengte die Stille. Der Sprecher des Rudels sagte: »Er hat bekommen, was er verdient hat. Holt das gestohlene Gold aus seinem Zelt, und dann verschwinden wir.«

    Zwei der Reiter sprangen von den Pferden und krochen ins Zelt. Ein Streichholz flammte auf, eine Petroleumlampe wurde angezündet. Die beiden Männer, die in das Zelt eingedrungen waren, suchten alles durch und warfen alles durcheinander. Dann stießen sie auf eine Stelle, an der das Erdreich locker und weich war. Sie gruben mit den Händen. Gleich darauf hielten sie vier Beutel voll Nuggets in den Händen. Sie waren zufrieden …

    Die anderen Goldgräber, die bei Ankunft der Reiter ihre provisorischen Unterkünfte verlassen hatten, hatten sich wieder verkrochen. Die Angst ging um in der Kolonie.

    Das Rudel ritt den Weg zurück, den es gekommen war. Es verschwand in der Nacht. Der Hufschlag versank in der Lautlosigkeit …

    *

    Ein Dutzend Digger hatten sich im Golden Nugget Saloon in Perico versammelt. Wade Callaghan stand auf einem der runden Tische. Im Hintergrund saßen einige Bürger der Stadt. Unter ihnen befand sich Bruce Turpin, der Besitzer des Saloons. Bei ihm befand sich Jack Sloane, der Anführer seiner Revolvermannschaft. Sie lauschten dem, was Wade Callaghan zu sagen hatte. Der selbst ernannte Sprecher der Digger rief: »Wir dürfen diesen Terror nicht länger hinnehmen, Leute. Wer auch immer ein paar Nuggets findet, muss um sein Leben fürchten. Der Vorwand, unter dem man sie tötet, ist fadenscheinig. Es sind keine Vigilanten, die für Gerechtigkeit im Goldland sorgen, sondern niederträchtige Banditen, die hier an den Flüssen reich werden wollen, ohne einen Finger krumm zu machen.«

    »Wie sollen wir uns schützen?« fragte einer laut. »Sobald jemand von uns fündig wird, tauchen diese verdammten Nachtreiter auf. Denen ist nichts heilig. Sie töten, rauben, und verschwinden wieder in der Nacht. Unsere Claims liegen viel zu weit auseinander, um sich gegenseitig zu schützen. Außerdem hat jeder Angst vor diesen Höllenhunden …«

    »Wir gründen ein Goldgräbergericht«, rief Callaghan. »Und Perico muss so etwas wie eine städtische Ordnung erhalten. Es geht nicht an, dass ein einziger Mann hier den Ton angibt. Wir brauchen einen Bürgermeister, einen Bürgerrat, einen Town Marshal, einen Sheriff, der für das gesamte Goldland zuständig ist, und einen Richter …«

    Callaghan brach ab, ließ seine Worte wirken und beobachtete Bruce Turpin, der sich auf seinem Stuhl zurückgelehnt und die Hände über dem Bauch gefaltet hatte, in dessen feisten Gesicht sich ein spärliches und zugleich erhabenes Grinsen Bahn gebrochen hatte.

    Die Blicke der beiden Männer kreuzten sich. Turpins Grinsen konnte nicht darüber hinweg täuschen, dass es in ihm brodelte wie in einem Vulkan. Die Rede, die Callaghan schwang, war gegen ihn gerichtet. Callaghan fürchtete sich nicht. Falls ihm etwas zustoßen sollte, konnte der Verdacht nur auf Bruce Turpin, fallen.

    Er war ein mutiger Mann, der den Stier bei den Hörnern packte. Seine wahren Beweggründe kannte niemand. Er ließ niemand hinter seine Fassade blicken.

    Die Digger, die sich eingefunden hatten, wollten ebensolchen Mut beweisen. Sie forderten Bruce Turpin heraus.

    Jemand rief: »Um uns selbst zu helfen sind wir wahrscheinlich zu schwach, Wade. Ein Bürgermeister, ein Bürgerrat, ein Marshal, ein Sheriff, ein Richter – alles gut und schön. Doch können sie uns vor den Banditen beschützen, wenn diese in der Nacht auf unsere Claims reiten und uns töten? Wir sollten uns lieber an das Bezirksgericht in Amarillo wenden, damit der Richter einige U.S. Marshals schickt. Nur sie können uns beschützen und die Banditen zur Rechenschaft ziehen …«

    Zustimmendes Gemurmel erklang. Wade Callaghan hob die Arme. »Auch sie könnten nicht verhindern, dass die Nachtreiter auf unsere Claims kommen und skrupellos töten. Nein, Leute, mit ein paar Marshals ist uns nicht geholfen. Wir müssen abschreckend tätig werden. Exempel statuieren. Wir müssen gewissen Herrschaften beweisen, dass wir nicht bereit sind, uns unterdrücken zu lassen. Wir müssen mit denselben Mitteln arbeiten wie sie. Nur so können wir erfolgreich sein in unserem Bemühen, das Goldland sicher zu machen.«

    »Das heißt also, Sie wollen ein weiteres Vigilanten-Komitee bilden, Callaghan.« Bruce Turpin hatte es hervorgestoßen und sich dabei erhoben. Groß und wuchtig stand er da. Seine Augen blickten hart wie Bachkiesel. Sein stechender Blick hatte sich an Callaghan regelrecht verkrallt.

    »Nein, Turpin. Keine Bande maskierter Reiter, die Lynchjustiz ausüben. Alles hier soll nach Recht und Gesetz zugehen. Natürlich sind auch Sie gefordert. Sie verlangen deutlich überhöhte Preise für die Ware, die Sie verkaufen. Sie nehmen in Ihren Etablissements die Digger aus wie Weihnachtsgänse. Sie kaufen Gold zum halben Preis auf. Sie vergeben Darlehen zu Wucherzinsen. Ihre Männer …« Callaghan winkte ab. »Was rede ich überhaupt. Meinen Argumenten werden Sie kaum zugänglich sein, Turpin, denn meine Forderungen würden Ihre Pfründe beschneiden.«

    »Was ist mit seinen Männern?« Jack Sloanes Worte fielen wie Peitschenhiebe. Der Revolvermann hatte sich am Tisch hochgestemmt. Mit den kalten Augen eines Reptils musterte er Callaghan. Es war ein zwingender, durchbohrender Blick. »Sag es schon, Callaghan. Was ist mit Turpins Männern?«

    Callaghan holte Luft. Sekundenlang verspürte er Beklemmung. Konnte er sich wirklich auf die anderen Digger verlassen, die sich eingefunden hatten, weil sie die herrschenden Zustände nicht mehr dulden wollten?

    »Ihr Name steht auf Turpins Lohnliste, Sloane«, sagte Callaghan gedehnt. »Sie sind der Anführer eines rauen Rudels, das Turpins Willen – egal ob er gut oder schlecht ist – hier in der Stadt und im Goldland Geltung verleiht.«

    »Warum sprichst du nicht aus, was hinter vorgehaltener Hand gemunkelt wird, Callaghan?«, rief Sloane und setzte sich in Bewegung. Langsam umrundete er den Tisch. Bei jedem Schritt streifte das Gelenk seiner rechten Hand den abstehenden Knauf des Revolvers.

    Stuhlbeine scharrten über den Boden, harte Absätze tackten auf den Fußbodendielen, sekundenlang erfüllte Flüstern und Raunen den Schankraum. Ein Fluch ertönte, ein Glas klirrte. Es bildete sich eine Gasse. Zwischen Callaghan, der auf dem Tisch stand, und Jack Sloane war niemand mehr.

    »Was wird den hinter vorgehaltener Hand gemunkelt?«, fragte Callaghan. Sein Herz schlug schneller. Im wurde schlagartig klar, dass er im Notfall ganz alleine dastehen würde. Die wenigen Digger, die seinem Aufruf gefolgt und in den Golden Nugget Saloon gekommen waren, schwiegen jetzt und der harrten der Dinge, die sich anbahnten.

    Die Furcht kam bei Callaghan kalt und stürmisch wie ein Blizzard. Sein Hals war plötzlich wie zugeschnürt. Er war zu weit gegangen, als er Turpin in dessen Saloon herausforderte. Er hatte sich viel zu sicher gefühlt. Jetzt bereute er seine Worte …

    »Dass wir hinter den Vigilanten stecken, Callaghan«, sagte Sloane eisig. »Man munkelt, dass meine Mannschaft in den Nächten maskiert durchs Goldland reitet und die Digger tötet, die fündig geworden sind.«

    »Davon weiß ich nichts«, erklärte Callaghan wider besseres Wissen. Natürlich wusste er von dem Verdacht. Er selbst war davon überzeugt, dass Bruce Turpin hinter den Morden steckte. Jetzt aber stritt er es ab. Es war die Angst vor den Konsequenzen …

    Langsam näherte sich ihm Jack Sloane.

    Die Atmosphäre im Saloon spitzte sich zu und wurde unerträglich. Die Luft schien zu knistern wie vor einem schweren Gewitter. Sloanes wasserhelle Augen zeigten eine unheimliche Drohung. Callaghan spürte den unsichtbaren Strom von Härte und Kompromisslosigkeit, der von Sloane ausging.

    Dann war Sloane vor dem Tisch angelangt. »Komm runter, Callaghan«, stieß Sloane hervor. »Ich werde dich auf deine richtige Größe zurechtstutzen. Ich habe es satt, als Anführer einer Mörderbande hingestellt zu werden. Komm vom Tisch herunter, Callaghan.«

    Zuletzt hatte er fast sanft gesprochen.

    Callaghan nagte an seiner Unterlippe. Er wollte nicht zeigen, dass er sich vor Sloane fürchtete. Er hatte zu dieser Digger-Versammlung aufgerufen und hatte den Golden Nugget Saloon dafür ausgewählt, um Turpin auf diese Weise nahezubringen, dass die Digger den Terror nicht mehr länger dulden wollten. Er hatte Turpin einschüchtern wollen. Jetzt schien es, ging der Schuss nach hinten los.

    Er überwand sich, nahm allen Mut zusammen, sein Bein zuckte ansatzlos nach vorn, er wollte Sloane einen Tritt ins Gesicht versetzen und dessen vorübergehende Not ausnützen, um ihn zusammenzuschlagen.

    Aber Sloane wich gedankenschnell aus. Callaghans Fuß schnellte ins Leere. Der Revolvermann packte die Tischkante mit beiden Händen und hob mit einem Ruck den Tisch an. Callaghan verlor das Gleichgewicht. Seine Arme ruderten haltsuchend. Aber es gab nichts, woran er sich klammern konnte. Ungebremst krachte er mit dem Rücken auf einen Stuhl, der unter seinem Gewicht zu Bruch ging. Dann lag er am Boden. Der Sturz hatte ihm die Luft aus den Lungen gepresst. Verzweifelt japste er, sein Gesicht lief dunkel an.

    Sloane stellte sich breitbeinig über ihn, packte ihn am Hemd und zog ihn in die Höhe. Der Hemdenstoff krachte. Callaghan bekam noch immer keine Luft. Sloane schlug zu. Seine Faust landete auf dem Mund Callaghans. Seine Lippen platzten auf. Blut rann über sein Kinn und tropfte auf seine Brust.

    Mit seinem Aufschrei kam bei dem Digger der erlösende Atemzug. Seine Lungen füllten sich mit frischem Sauerstoff. Aber da traf ihn Sloanes Linke schon in den Leib. Callaghan beugte sich Sloanes hochzuckendem Knie entgegen. Es klatschte grässlich. Der Goldgräber wurde aufgerichtet, sein Kopf flog in den Nacken. Sloane traf Callaghan noch einmal in den Magen und am Kinn, dann lag Callaghan am Boden und stöhnte lang gezogen.

    »Das war eine Warnung, Callaghan«, sagte Sloane mit gepresster Stimme. Er war ein wenig außer Atem. »Du solltest sie dir zu Herzen nehmen. Das nächste Mal lässt du mehr Federn als heute. Das verspreche ich dir.«

    Der Revolvermann wandte sich ab und ging zu dem Tisch zurück, an dem er zusammen mit seinem Boss gesessen hatte.

    *

    Zwei Wochen später …

    »Ich werd verrückt«, murmelte Jed Morgan und starrte auf die Goldklumpen, die der Boden freigegeben hatte. Er war auf eine so genannte Nuggettasche gestoßen. Das waren mindesten drei Kilogramm Gold.

    Jed Morgan stieg aus dem Loch, das er gebuddelt hatte. Es war um die Mittagszeit. Die Sonne brannte heiß auf ihn herunter. Er schaute sich um. 50 Meter weiter sah er seinen Claimnachbarn mit stummer Verbissenheit graben.

    Jed Morgan ging in seine Zweighütte, die er auf seinem Claim errichtet hatte. Diese Behausung schützte weder vor Regen noch vor Wind noch vor Schlangen und Eidechsen, soweit sie nicht längst das Weite gesucht hatten. Er holte einen Beutel aus Leder und kehrte zu seiner Grabungsstelle zurück. Morgan sprang hinein, ging auf die Knie nieder und begann die Tasche auszuräumen. Dann war der Beutel voll und Morgan trug ihn zu der Zweighütte, leerte ihn in einen alten Rucksack und kehrte zum Loch zurück. Er sprang wieder hinein und füllte den Beutel ein zweites Mal. Als ein Schatten über ihn fiel, blickte er nach oben. Da stand Josh Dancer, sein Claimnachbar, und starrte auf ihn hinunter.

    Jed Morgan hielt in seiner Arbeit inne. Er presste die Lippen zusammen.

    »Du bist also fündig geworden«, sagte Josh Dancer fast ergriffen. »Das ist Gold für viele tausend Dollar.«

    »Verrate es bloß niemandem, Josh«, sagte Morgan. »Ich gebe dir was ab davon, aber halt den Mund. Ich wäre meines Lebens nicht mehr sicher.«

    »Ich verrate dich nicht«, murmelte Dancer. Habgier glitzerte in seinem Blick. »Du wärst deines Lebens wohl tatsächlich nicht mehr sicher. Wie viel gibst du mir?«

    »Ein Pfund, Josh. Ich gebe dir ein Pfund. Damit kannst du das Goldland verlassen und zu deiner Familie zurückkehren. Nachdem du schon seit drei Monaten auf deinem Claim die Erde aufwühlst und noch kein Nugget gefunden hast, ist das mehr, als du erwarten kannst. Du bist doch mit einem Pfund zufrieden, Josh?«

    »Überschreibe mir deinen Claim, wenn du verschwindest.«

    »Ich werde so schnell nicht verschwinden. Vielleicht finde ich noch mehr Gold.«

    »Ein Pfund – okay. Ich bin zufrieden.« Josh Dancer sprach es mit heiserer Stimme und hatte ein hinterhältiges Glitzern in den Augen. Es entging Jed Morgan. Er war viel zu glücklich über seinen Fund, als dass er auf solche Äußerlichkeiten geachtete hätte. »Ich hole mir das Gold ab, wenn du die Tasche ausgebeutet hast. In Ordnung, Jed?«

    »In Ordnung. Verrate nur niemand etwas davon, dass ich Gold gefunden habe.«

    Josh Dancer verschwand.

    Jed Morgan barg seinen Fund.

    Am Abend begab er sich in die Stadt. Er suchte den Saloon auf, bestellte sich ein Essen und eine Flasche Whisky. Er bezahlte mit einigen Nuggets. Dann verließ er die Stadt wieder. Er besaß kein Pferd, so dass er laufen musste. Morgan spürte den genossenen Whisky. Er war angetrunken. Der Digger machte sich keine Gedanken. Ein paar Nuggets hatte fast jeder hier in der Tasche. Dass er den großen Fund gemacht hatte, wusste niemand außer Josh Dancer. Und dem hatte er ein Schweigegeld gezahlt …

    Am Wegrand wuchsen hohe Sträucher und einige Bäume. Die Kronen filterten das Mondlicht. Überall in der Runde sah Morgan Lagerfeuer. »Diese armen Schweine«, murmelte er für sich. »Sie werden sich einen krummen Rücken schaufeln …«

    Er bemerkte nicht, dass hinter ihm eine Gestalt aufgetaucht war. Sie war hinter einem Busch hervorgekommen. Schnell und lautlos folgte sie Morgan. Plötzlich vernahm er ein Geräusch. Sein Instinkt signalisierte Gefahr. Wie eine Warnung vor drohendem Unheil zuckte es durch seinen Verstand. Er wollte sich herumwerfen.

    Zu spät!

    Um seinen Hals schlang sich von hinten ein Arm und würgte ihn. Im nächsten Moment spürte er glühenden Schmerz im Rücken, und dann versank die Welt um ihn herum. Als ihn die Gestalt zu Boden gleiten ließ, was er schon tot.

    Der Mörder räumte Morgans Taschen aus, dann verschwand er zwischen den Büschen …

    *

    Der gesetzlose Zustand im Dallam County war dem Distrikt Gericht bekannt geworden. Richter Humphrey schickte mich und Joe Hawk nach Norden, um am Mustang Creek und am Carizzo Arroya nach dem Rechten zu sehen.

    Ich bin Bill Logan. Joe und ich ritten für das District Court für the Northern District of Texas. Sitz des Gerichts war Amarillo.

    Als wir in Perico ankamen, wurde von zwei Männern ein Karren an uns vorbei gezogen, auf dem die Leiche eines Mannes lag. Ich trieb den beiden Männern mein Pferd in den Weg, und als sie anhielten und mich anschauten, fragte ich: »Was ist mit dem Burschen? Woran ist er gestorben?«

    »An einem Messerstich in den Rücken«, sagte einer der beiden. »Seinen Namen wissen wir nicht. Er lag etwas außerhalb der Stadt auf dem Weg zu den Claims. Man hat ihm alles abgenommen, was er bei sich hatte. Denke ich zumindest. Denn seine Taschen waren leer.«

    »Das war nicht der erste Mord innerhalb der vergangenen sechs Wochen«, sagte Joe, der neben mir verhielt.

    »Nein. Hier sterben laufend Männer eines gewaltsamen Todes. Fast ein halbes Dutzend Kerle wurden in jüngster Zeit umgebracht. Unser Job ist es, sie unter die Erde zu bringen. Eine undankbare Aufgabe. Denn keiner der Toten hatte noch einen Cent oder ein Nugget bei sich. Aber Mr. Turpin zahlt uns für jedes Begräbnis fünf Dollar.«

    »Wer ist Mr. Turpin?«, fragte ich.

    »Das ist der Mann, der hier den Ton angibt. Er beherrscht die Stadt. Seine Männer sorgen für Recht und Ordnung. Ihm gehören drei Saloons, das Hotel, der Mietstall und das Bordell, auch die Tanzhalle, der Store …« Der Bursche hob die Schultern, ließ sie wieder sinken und endete: »Ihm gehört so ziemlich alles hier. Er verleiht auch Geld an Männer, die nicht genug haben, um einen Claim zu erwerben und sich eine Goldgräberausrüstung zuzulegen.«

    »Seine Männer sorgen für Recht und Ordnung?«, fragte Joe. Seine Brauen hatten sich zusammengeschoben.

    »Das ist notwendig«, erklärte der Mann. »Sie haben es ja selbst gesagt: Hier herrschen Mord und Totschlag. Eine Bande, die sich als Vigilanten-Komitee ausgibt, macht das Goldland unsicher. Elwell McGibbon wurde von den Kerlen erschossen, weil er angeblich Dale Vernon ermordet und ausgeraubt haben soll.«

    »Gibt es in der Stadt einen Town Mayor, einen Friedensrichter, ein Gericht?«, wollte ich wissen. Dass es weder einen Marshal noch einen Sheriff gab, wusste ich.

    »Nein. Wade Callaghan hat vor etwa zwei Wochen eine Goldgräberversammlung einberufen. Es kamen nur ein Dutzend. Die Kerle haben Angst. Callaghan sprach von einer städtischen Ordnung, die man Perico verleihen müsste, und er meinte, dass die Stadt einen Gesetzeshüter, einen Richter und so weiter und so weiter braucht. Dabei trat er Turpin zu nahe, und Turpins Revolvermann holte ihn wieder auf den Boden der Tatsachen zurück.«

    »Hat er diesen Callaghan erschossen?«

    »Nein. Nur zurechtgestutzt. Man hat Callaghan seither nicht mehr in der Stadt gesehen. Was genau treibt euch her, Marshals? Sind es die Morde in den vergangenen Wochen?«

    »Ja«, erwiderte ich. »Wo finden wir diesen Callaghan?«

    »Er hat ein Claim am Carrizo Arroya. Fragen Sie mich aber nicht nach der Claim-Nummer. Man wird Ihnen schon den Weg weisen, wenn Sie sich nach Callaghan erkundigen.«

    Wir bedankten uns, ritten weiter und brachten unsere Pferde in den Mietstall. Das war ein zugiger Bretterverschlag, der aussah, als würde ihn der erste Sturm umblasen. Der Geruch von Heu, Leder und Pferdeausdünstung empfing uns. Der Stallmann war ein Oldtimer, der einen Priem kaute und in einem viel zu großen Overall steckte. Das Bartgeflecht in seinem Gesicht klaffte auseinander, er sagte mit näselnder Stimme: »Endlich lässt sich mal das Gesetz wieder in Perico blicken. Hier geht es zu wie in Sodom und Gomorrha. Aus unserer schönen Stadt ist ein Sündenbabel geworden. Man frönt dem Laster, Männer werden wegen einiger Unzen Gold umgebracht, es herrschen Sitten wie – wie …«

    »…im alten Rom«, ergänzte Joe.

    »Genauso. Wie im alten Rom.« Der Stallmann schaute ein wenig ratlos drein. »Wie es denn dort zugegangen?«, fragte er dann.

    Joe lachte auf. »Wie in Perico. Vielleicht nicht ganz so wild.«

    Wir übergaben dem Oldtimer unsere Pferde, nahmen Satteltaschen und Gewehre und wollte uns umwenden, um zu gehen, doch der Stallmann sagte: »Seid nur vorsichtig, ihr beiden. Ich glaube nicht, dass ihr mit euren Sternen besonders willkommen seid hier. In Perico gilt das Gesetz, das ihr vertretet, nicht. Hier gilt Turpins Gesetz.«

    »Sie sind wohl kein Freund von ihm?«, kam es von Joe.

    »Er gibt mir Arbeit«, versetzte der Stallbursche ausweichend. »Ich wollte euch nur gewarnt haben. Den Kerlen, die für ihn arbeiten, sitzen die Colts verdammt locker. Der Schlimmste von allen ist Jack Sloane. An zweiter Stelle kommt Swift Laredo.«

    »Vielen Dank für die Warnung«, sagte ich, dann gingen wir.

    Wir mieteten uns im Hotel Zimmer. Dann gingen wir in den Golden Nugget Saloon. Der Schankraum war am hellen Nachmittag schon gerammelt voll. An der Theke standen die Männer in Zweierreihe. Es war ein Sammelsurium von lichtscheuem Gesindel aller Art. Das wurde mir schlagartig klar. Hier trieben sich die Gescheiterten herum, die Glücksritter und Strolche, die dachten, dass in Städten wie Perico das Gold auf der Straße herumliegt. Ja, diese Kerle waren der Meinung, man brauchte sich nur zu bücken und es aufzuheben. Von harter Arbeit auf einem Claim aber wollten sie nichts wissen …

    Ich schaute in stoppelbärtige, verwegene Gesichter.

    Da waren aber auch die seriös aussehenden, aalglatten Typen. Spieler, Geschäftemacher, Männer, die von der Arbeit anderer lebten. An drei Tischen saßen Kerle dieser Spezies. Ich vermutete, dass sich auch Bruce Turpin unter ihnen befand, der Mann, der hier die Gesetze machte und praktizierte.

    Joe und ich stellten uns ans Ende der Theke und bestellten uns über die Schultern einiger Kerle hinweg jeweils ein Bier. Man beachtete uns nicht. Die Sterne an unseren Westen nötigten hier niemand einen Blick ab. Daran konnte ich ermessen, wie groß der Respekt vor dem Gesetz war.

    Wir bekamen das Bier und tranken. Ein Mann trat an uns heran. Er trug einen dunklen Anzug und ein weißes Hemd mit einer weinroten Krawatte. Er war um die 30. Sein Gesicht war kantig, die Augen waren pulvergrau und blickten uns ohne Gemütsregung an. »Mr. Turpin bittet Sie an seinen Tisch, Marshals«, sagte der Bursche und wies in eine bestimmte Richtung.

    Ich folgte seiner Handbewegung mit dem Blick und sah einen Tisch, an dem ein paar der vorzüglich gekleideten Gentlemen saßen und uns anstarrten. »Wir nehmen die Einladung gerne an«, erklärte ich und stieß Joe an. »Komm.« Wir näherten uns dem Tisch, erreichten ihn, und ein dunkelhaariger, schwergewichtiger Mann Mitte der 40 erhob sich. Mit einem süffisanten Grinsen um die Lippen sagte er: »Willkommen in unserer Stadt, Marshals. Mein Name ist Turpin. Ich habe einige Geschäfte hier gegründet. Setzen Sie sich doch zu uns.«

    Das war also der Bursche, der sich zum Boss in dieser Stadt aufgeschwungen hatte. Es war genau die Sorte Mensch, der ich mit Vorsicht und Misstrauen begegnete. Dieser Turpin verströmte natürliche Autorität. Er wusste sich zu geben. Alles an ihm war glatt und sauber.

    Joe und ich ließen uns nieder. Auch der Bursche, der uns aufgefordert hatte, zu Turpins Tisch zu kommen, setzte sich. Er trug das Schießeisen ziemlich tief und in einer Art, die vermuten ließ, dass er damit umzugehen verstand.

    Turpin eröffnete das Gespräch. »Was führt Sie her, Marshals? Oder sind Sie rein zufällig nach Perico gekommen?«

    »Hier sind einige Morde geschehen«, erwiderte ich. »Um sie aufzuklären sind wir hier. Soeben hat man wieder einen Mann auf einem Karren in die Stadt gebracht. Tot, ermordet.« Ich schaute Turpin voll an. »Mein Partner und ich werden hier etwas für Ordnung sorgen und die größten Störenfriede zur Verantwortung ziehen.«

    Turpin zeigte ein blitzendes Lachen. Er vollführte eine Handbewegung in die Runde. »Sehen Sie sich diese Männer an, Marshal – äh, wie sind Ihre Namen? Irgendwie muss ich Sie ja schließlich ansprechen können.«

    »Mein Name ist Logan, das ist mein Kollege Joe Hawk.«

    »Vielen Dank. Also, sehen Sie sich diese Männer an, Logan. Es ist leichter, einen Sack voll Flöhe zu hüten, als diese Meute in den Griff zu bekommen. Ich ließ meine Männer wegen der Morde Ermittlungen anstellen. Ich fühle mich nämlich dazu berufen, hier im Goldland für etwas Ordnung zu sorgen, solange es kein richtiges Gesetz gibt. Das Ergebnis war gleich Null. Aber das war nicht anders zu erwarten. Einige Digger haben sogar ein Vigilanten-Komitee gegründet.« Turpins Stimme sank herab und bekam einen verächtlichen Beiklang. »Eine Bande maskierter Lyncher. Sie haben Elwell McGibbon aus den Stiefeln geputzt, weil er angeblich Dale Vernon, der fündig geworden war, umbrachte und beraubte. Die Wahrheit kennt niemand, Logan. Und kaum jemand wird sie je erfahren.«

    Turpin wandte sich einem der Männer am Tisch zu. »Bring heraus, wen die Totengräber heute in die Stadt gebracht haben.« Er schaute von mir auf Joe. »Das dürfte doch auch für Sie von Interesse sein, Marshals. Sie werden doch sicher versuchen, den Mörder des Mannes zu entlarven?«

    Diese Frage kam ziemlich spöttisch.

    Ich nickte. »Natürlich. Das ist unser Job.« Ich sprach es im Brustton der Überzeugung.

    Ein ironisches Grinsen umspielte Turpins Lippen.

    Meine Antipathie gegen diesen Burschen wuchs.

    Der Mann, den er beauftragt hatte, die Identität des Toten herauszufinden, erhob sich und verschwand.

    Turpin sagte: »John Mason, Liam Whiteman und Dale Vernon wurden innerhalb der vergangenen sechs Wochen ermordet. Heute scheint ein vierter Mann dazu gekommen zu sein. Von Mason, Whiteman und Vernon wusste man, dass sie reiche Funde gemacht hatten. Das Gold, das sie aus der Erde gebuddelt hatten, wurde geraubt. Ich denke, es steckt jemand dahinter, der sich darauf spezialisiert hat, derlei Raubmorde durchzuführen.«

    »Ich denke nicht, dass die Digger ihre Funde an die große Glocke gehängt haben«, gab Joe zu verstehen.

    »Fast jeder Mann, der Gold in ausreichender Menge findet, kommt in die Stadt, um sich ein gutes Essen und eine Flasche vom feinsten Stoff zu genehmigen. Das verrät ihn. Der Mörder arbeitet sicher nicht alleine. Wahrscheinlich hat er in der Stadt seine Spitzel sitzen, die ihn unterrichten, wenn sie einen Goldgräber im Verdacht haben, fündig geworden zu sein. Und dann schlägt er zu. Anders kann es nicht sein.«

    »Vielleicht sitzt der Mörder sogar in der Stadt«, antwortete ich. »Gibt es jemand in Perico, der das Gold aufkauft, das gefunden wird?«

    »Ich kaufe Gold auf, wenn sich jemand an mich wendet. Ich zahle natürlich nicht soviel wie eine Bank …«

    »Gibt es eine Bank?«

    »Nein.«

    »Die Digger, die Geld brauchen, sind also gezwungen, zu Ihnen zu kommen?«, fragte Joe.

    »Sie können bei mir auch mit Nuggets bezahlen.«

    »Wer hat die Claims der Männer, die ermordet wurden, übernommen?«, fragte ich.

    »Keine Ahnung. Das können Sie beim Agenten für die Landvergabe ermitteln. Er hat sein Büro gleich neben dem General Store.«

    »Uns wurde ein Name genannt«, sagte ich. »Wade Callaghan. Er soll so etwas wie ein Sprecher der Goldgräber sein. Was ist er für ein Mann? Wie stehen Sie zu seiner Idee, Perico eine städtische Ordnung zu verleihen?«

    »Es gibt hier eine städtische Ordnung«, erklärte Turpin barsch. »Ich habe sogar eine Kirche errichten lassen. Einige Leute, die in der Stadt wohnen, besuchen sonntags sogar die Messe, die Reverend Caldwell liest. Die Goldgräber jedoch sind ein wenig gottesfürchtiges Volk. Sie müsste man mit einer vorgehaltenen Kanone in die Kirche treiben.« Turpin lachte nach diesen Worten.

    »Es bedarf mehr als einer Kirche …«

    Turpin fiel Joe in die Rede. Sein Grinsen war erstarrt. Seine Augen blickten frostig, seine Stimme klirrte: »In dieser Stadt gibt es eine Ordnung, Marshal. Wer sich dieser Ordnung unterwirft, lebt hier in Ruhe und Frieden. Wer nicht, kriegt kein Bein auf die Erde. Es ist ganz einfach.«

    »Wer sorgt für Ruhe und Ordnung?«, fragte ich lauernd.

    »Ich!«, kam es schroff zurück. »Und niemand sollte sich einmischen. Das Leben in der Goldgräber-Kolonie läuft nach gewissen Regeln ab. Es ist nicht wie in normalen Städten. Darum muss man es bei der Ordnung, die ich geschaffen habe, belassen.«

    »War das eine Warnung?«, fragte ich.

    Turpin schaute mich nur an.

    »Sie haben doch sicher nichts dagegen, wenn wir wieder zur Theke gehen«, sagte ich und erhob mich. Joe folgte meinem Beispiel. Als wir an der Theke standen, sagte Joe zwischen den Zähnen: »Es war keine Warnung, Logan-Amigo. Es war eine Drohung. Er wollte uns damit sagen, dass wir die Finger aus seinen Geschäften lassen sollen, da wir sie uns sonst möglicherweise übel verbrennen.«

    *

    Wir erfuhren den Namen des Toten. Er hatte Jed Morgan geheißen, und er hatte Claim Nummer 214 am Mustang Creek besessen. Joe und ich ritten hin. Die Goldgräber wühlten sich wie Maulwürfe in die Erde. Am Fluss wurde der Sand gewaschen. Es wimmelte überall von Menschen.

    Was wir sahen, war nicht dazu angetan, unsere Stimmung zu heben. Hier war nur die Gier nach Gold vorherrschend. Diese Gier setzte sich über alle menschlichen Verhaltensmaßregeln hinweg. Die Goldgräber hier draußen hausten wie Tiere. Es war erschütternd.

    Wir fanden Claim 214. Eine Zweighütte hatte Jed Mason als Unterkunft gedient. Sie war gerade hüfthoch. Ich kroch hinein. Die Decke lag auf einem Haufen. Hier hatte jemand alles durchwühlt. In der Ecke der Hütte aus Ästen und Zweigen fand ich eine Kuhle, daneben einen kleinen Haufen Erde. Es bedurfte keiner besonderen Intelligenz, um die Zusammenhänge zu erraten. Jed Morgan hatte Gold gefunden und es im Zelt vergraben. Sein Mörder hatte es sich geholt.

    Ich verließ die Hütte. Joe war in die Grube gesprungen und wühlte mit einer Schaufel in dem losen Erdreich herum. Er fand ein Nugget von der Größe eines Streichholzkopfes. »Morgan ist fündig geworden«, sagte Joe. »Sein Mörder muss von dem Fund erfahren haben. Wie Turpin schon sagte: Die Kerle verraten sich, weil sie in der Stadt ihr Glück feiern …«

    »Der Mörder kommt aus dem unmittelbaren Dunstkreis Morgans«, sagte ich. »Er hat die Hütte durchwühlt und in einer Ecke das Gold gefunden. Er musste Morgan gekannt haben und wusste genau, wohin er sich zu wenden hatte, um an sein Gold zu kommen. Woher sollte ein x-beliebiger Killer wissen, welcher Claim Morgan gehörte?«

    »Du hast recht, Logan«, erwiderte Joe. »Es muss jemand getan haben, der von Morgans Fund wusste. Fragen wir doch mal seinen Claim-Nachbarn.«

    Wir gingen zum nächsten Claim. Er war gut und gerne 50 Yards entfernt. Dort stand ein Mann in der Grube und lockerte mit einer Hacke das Erdreich. Als er uns gewahr wurde, hielt er inne. Er richtete sich auf, wischte sich den Schweiß aus den Augenhöhlen, atmete durch, und ich glaubte in seinen Augen ein unruhiges Flackern wahrzunehmen. »Was wollt Ihr?«

    »Ihnen einige Fragen stellen«, antwortete Joe. »Ihren Claim-Nachbarn betreffend.«

    »Was ist mit ihm? Hat er etwas ausgefressen, weil sich zwei Marshals für ihn interessieren?«

    »Er wurde ermordet«, versetzte ich. »In der vergangenen Nacht, auf dem Weg von der Stadt zu seinem Claim.« Ich beobachtete die Reaktion des Goldgräbers. In seinem Gesicht zuckten die Nerven. Unruhe sprach aus jedem Zug dieses Gesichts. »Seine Behausung wurde durchsucht. Sie sind sein Nachbar, Mister. Ist Ihnen in der Nacht nichts aufgefallen?«

    Er schüttelte den Kopf. »Nein. Ich war selbst in der Stadt und bin erst sehr spät nach Hause gekommen. Und dann habe ich geschlafen wie ein Murmeltier. Hab einen über den Durst getrunken.«

    »Haben Sie eine Ahnung, ob Morgan fündig geworden ist?«, fragte Joe.

    »Nein. Kann ich mir aber nicht vorstellen. Er hätte mir sicher davon etwas gesagt.«

    »Wie ist Ihr Name?«, erkundigte ich mich.

    »Dancer – Josh Dancer.«

    »Na schön, Dancer«, sagte ich. »Sollte Ihnen noch etwas einfallen, Sie finden uns in Perico.«

    Wir ließen Dancer allein und gingen zu dem Claim, der auf der anderen Seite an Morgans Claim grenzte. Der Mann, der hier grub, als ginge es um sein Leben, stellte sich uns als Ken O'Connor vor. Auf unsere Frage sagte er: »Sicher, ich hab jemand in Morgans Hütte gehört. Er hustete. Aber ich dachte, es wäre Morgan selbst, der so spät nach Hause gekommen ist. Ich hab nicht nachgesehen.«

    »Wann war das?«

    »Keine Ahnung, ich habe keine Uhr.«

    Der Bursche grinste mich mit einem lückenhaften Gebiss an. Und ich dachte: Sie kennen weder Zukunft noch Vergangenheit. Sie leben nur in der Gegenwart. Wie die wilden Tiere. Jeden Tag findet ihr Überlebenskampf auf's Neue statt …

    Wir ritten zum Carrizo Arroya. Auf unsere Frage wurde uns erklärt, wo wir Wade Callaghan finden würden. Er stand auf einem Haufen Erde und um ihn herum waren an die 20 Digger versammelt.

    »…dürfen wir uns nicht länger bieten lassen, Leute. Er nimmt uns aus wie Weihnachtsgänse. Jedes Gramm Mehl, jedes Gramm Zucker verkauft er uns zu absolut überhöhten Preisen. Für unser Gold aber zahlt er uns nur die Hälfte von dem, was wir bei einer Bank bekommen würden. Turpin muss Konkurrenz bekommen. Und aus Perico muss eine richtige Stadt werden, die Stadt, die sie einmal war, ehe hier Gold gefunden wurde und ehe Turpin das Ruder an sich riss.«

    Einige Männer in der Runde klatschten Beifall. Einer rief: »Wir müssen Menschen ins Land holen, die bereit sind, sich als Geschäftsleute in der Stadt nieder zu lassen. Ehrbare Leute, keine Blutsauger wie Turpin. Und dann muss ein Town Mayor gewählt werden, ein Sheriff, ein Richter. Und wir müssen eine Miliz gründen, die den Auswüchsen im Goldland und dem Verbrechen im Allgemeinen entgegentritt. Nur so ist die Lage hier in den Griff zu bekommen.«

    »Dieser Miliz bedarf es nicht, wenn wir einen Sheriff oder Marshal haben und eine Bürgerwehr bilden.«

    Ein dritter mischte sich ein: »Zuerst aber muss man Turpin und seinen Anhang zum Teufel jagen. Das können wir nur, wenn wir uns zusammenschließen. Andernfalls ist unsere Sache von vornherein zum Scheitern verurteilt.«

    »Das ist richtig«, rief Callaghan. »Doch Turpin ist nur zu bremsen, wenn wir ihm eine gemeindliche Organisation präsentieren. Und dazu gehören ein Town Mayor, ein Bürgerrat, eine Sheriff, ein Richter … Alles andere würde zu einem blutigen Krieg führen.«

    Callaghan sah uns jetzt und brach ab. Sekundenlang starrte er uns an, dann stieg er von dem Haufen Erdreich herunter und kam näher. Auch die Männer, die er um sich versammelt hatte, musterten uns. Einige entfernten sich wortlos. Es waren wahrscheinlich jene, die selber nicht aktiv wurden, um etwas zu ändern, die die anderen für sich die Kastanien aus dem Feuer holen ließen und sich in deren Schatten entfalteten. Die Mutlosen, die Mitläufer …

    »Sie möchten zu mir, Marshals?« Callaghan schaute uns fragend an.

    »Wenn Sie Wade Callaghan sind – ja.«

    »Ich bin Wade Callaghan. Was kann ich für Sie tun, Marshals?«

    »Sie sind der Initiator einer Interessengemeinschaft von Diggern«, sagte ich. »Was für einen Platz haben Sie für sich in der städtischen Ordnung, von der Sie sprachen, vorgesehen?«

    »Was soll diese Frage?« Düster, unter zusammen geschobenen Brauen hervor musterte mich Callaghan.

    Ich winkte ab. »Soeben wurde davon gesprochen, eine Miliz zu gründen. Wir haben in Perico gehört, dass es eine solche Miliz bereits geben soll.«

    Callaghan schaute mich verblüfft an. »Es soll eine solche Miliz schon geben?« Er verzog den Mund. »Aaah, Sie sprechen von den Vigilanten.«

    Ich glaubte einen lauernden Ausdruck in seinem Blick wahrzunehmen. Vielleicht täuschte ich mich auch. Ich beobachtete ihn aufmerksam, als ich fort fuhr: »Ja. Ein Vigilanten-Komitee soll Elwell McGibbon erschossen haben, weil er im Verdacht stand, Dale Vernon getötet und ausgeraubt zu haben.«

    »Nun …« Callaghan zuckte mit den Achseln. »Es hat sich herumgesprochen, dass man in der Nacht McGibbon den Claim Vernons verlassen sah. Und es war bekannt geworden, dass Vernon Gold gefunden hatte. Es war weg, als man am Morgen seinen Leichnam fand. Bei McGibbon jedoch wurde eine ganze Menge Gold entdeckt.«

    »Sie halten es also für in Ordnung, dass hier jemand das Gesetz in seine Hände nimmt und sich zum Richter und Henker aufschwingt.«

    »Irgendwie müssen die Goldgräber sich und ihr Eigentum schützen, Marshals. Und solange es kein Gesetz gibt hier im Goldland …«

    Callaghan brach viel sagend ab. Um ihn herum gruppierten sich einige Männer in derber Kleidung und mit grimmigem Ausdruck in den Gesichtern.

    Callaghan sprach weiter: »Ziehen Sie aber keine falschen Schlüsse aus meiner Antwort. Ich habe mit den Vigilanten nichts zu tun. Was ich vorschlage, soll offiziell geschehen. Die Wahl eines Town Mayors, eines Sheriffs oder Marshals, eines Richters …«

    »In der vergangenen Nacht wurde ein Mann namens Jed Morgan ermordet«, sagte Joe. »Man hat ihn auf dem Weg von der Stadt zu seinem Claim niedergestochen. Kennen Sie diesen Mann?«

    »Nein. Nie gehört den Namen. War er fündig geworden?«

    »Es sieht ganz so aus«, sagte ich. »Er besaß Claim Nummer 214 am Mustang Creek. Wir haben uns dort umgesehen. In der aufgewühlten fanden wir ein Goldkorn. Es ist also davon auszugehen, dass er Gold gefunden hat.«

    »Niemand ist, falls er fündig wird, seines Lebens sicher«, erklärte Callaghan. »In Perico hat sich Bruce Turpin mit seiner Bande von Schießhunden breit gemacht. Er gibt den Ton an in der Stadt. Ich habe ihn im Verdacht, dass er sich als Claim-Hyäne betätigt.«

    »Ein schwerwiegender Verdacht«, sagte ich. »Wie kommen Sie darauf?«

    »Er ist einer der ersten, der es erfährt, wenn einer der Männer Gold gefunden hat. Sei es, weil die Kerle in der Stadt mit Nuggets bezahlen, oder weil sie zu ihm gehen, um ihm das Gold zu verkaufen.«

    »Gegen Turpin ist Ihre Initiative gerichtet, nicht wahr?«

    »Ja. Doch ich finde nicht genug Leute, die mitmachen. Sie haben Angst vor Turpin und seinen Schießern. Das halbe Dutzend, das sich hinter mich gestellt hat, ist zu schwach, um Turpin die Stirn zu bieten. Ich war bei Heather Mallory und habe ihr von meinen Plänen erzählt. Sie besitzt die größte Mine im Land. Auch sie war nicht bereit, Partei gegen Turpin einzunehmen. Ich stehe mit meiner Forderung nach einer städtischen Ordnung in Perico und einer organisierten Schutztruppe unter der Führung eines Sheriffs im Goldland ziemlich allein auf weiter Flur.«

    Heather Mallory kannte ich gut. Wir konnten vor einiger Zeit gerade noch verhindern, dass die Mallory-Mine einem skrupellosen Banditen in die Hände fiel1. Leider hatten wir damals nicht verhindern können, dass Sid Mallory, Heathers Vater, diesem Burschen zum Opfer fiel.

    »Ich kenne Heather als aufrechte, geradlinige Frau«, sagte Joe. »Mit welcher Begründung hat sie es abgelehnt, sich Ihnen anzuschließen, Callaghan?«

    Der Digger schnaubte verächtlich durch die Nase. »Dieser Blender von Turpin macht ihr den Hof. Er hat sie sogar schon gefragt, ob sie seine Frau werden will. Soviel ich weiß, hat Heather abgelehnt. Dennoch – er hat der Lady Sand in die Augen gestreut. Sie erteilte mir eine nicht gerade freundliche Abfuhr.«

    »Sie hat sicher einen Grund gehabt.«

    »Ich weiß es nicht. Ich ging mit lauteren Absichten zu ihr …«

    »Vielleicht täuschen Sie sich auch im Hinblick auf Turpins Charakter«, meinte Joe. »Möglicherweise hat er mit all den dunklen Machenschaften im Goldland nichts zu tun.«

    »Dann will ich mich gerne bei ihm entschuldigen, Marshals«, erwiderte Callaghan. »Das werde ich aber erst dann tun, wenn seine Unschuld erwiesen ist.«

    »Er muss seine Unschuld nicht beweisen.«

    »Bringen Sie mir die wahren Täter, Marshals, und ich werde Turpin um Entschuldigung bitten.« Callaghan zeigte ein grimmiges Lächeln.

    *

    Es war Nacht. Joe und ich hatten den Abend im Golden Nugget Saloon verbracht. Wir waren in unseren Ermittlungen nicht weitergekommen. Einige Goldgräber, die Claims in der Nähe von Elwell McGibbons Grabungsstelle besaßen, bestätigten uns, dass es ein halbes Dutzend maskierter Reiter waren, die McGibbon der Ermordung Dale Vernons anklagten und die ohne zu zögern feuerten, als McGibbon sich zur Wehr setzen wollte.

    Wir hatten auch noch einmal Josh Dancer wegen der Ermordung Jed Morgans vernommen. Er konnte uns keinen brauchbaren Hinweis liefern. Mir war der Bursche suspekt. Er war die Unruhe, die Nervosität in Person.

    Die Hauptdarsteller in diesem höllischen Spiel waren uns bekannt. Es waren Turpin und Wade Callaghan. Das dachten wir zumindest. Nebenrollen spielten die Männer, die getötet worden waren. Der Satan schien die Regie zu führen …

    Turpin, darüber waren Joe und ich uns einig, war ein skrupelloser Geschäftemacher, der über Leichen ging. Diese Charakterisierung jedoch war kein Beweis dafür, dass er hinter den Morden an den Goldgräbern steckte. Es reichte nicht einmal aus, um ihn zu verdächtigen. Persönliche Gefühle hatten in dieser Frage außer Acht zu bleiben. Ob Elwell McGibbon von den gleichen Tätern ermordet wurde wie die anderen Digger, bezweifelte ich. Wir konnten auch nicht ausschließen, dass McGibbon der Mörder Dale Vernons war.

    Wer steckte hinter dem Tod von McGibbon?

    War Callaghan der Anführer des Vigilanten-Komitees? Einiges sprach dafür. Im Endeffekt aber war es wie bei Bruce Turpin. Wir konnten nur Vermutungen anstellen …

    Jetzt befanden wir uns auf dem Weg ins Hotel. Auf den Gehsteigen begegneten uns viele Männer, die ebenfalls auf dem Heimweg waren oder die den Saloon wechselten. In Perico gab es zwischenzeitlich drei Etablissements dieser Art, und alle gehörten sie Turpin. Er hatte sich diese Stadt sozusagen unter den Nagel gerissen.

    Wir gingen am Rand der Main Street entlang. Viele der Häuser, die in jüngster Zeit erbaut worden waren, verfügten über keinen Gehsteig. In den Passagen zwischen den Gebäuden war es finster wie im Vorhof der Hölle. Die Straße war aufgewühlt von Pferdehufen und Wagenrädern. Als ich zum ersten Mal in Perico gewesen war, hatte es sich um eine ruhige, kleine Stadt gehandelt. Zwischenzeitlich hatte sie sich zu einem Sündenpfuhl entwickelt; alles war provisorisch, heruntergekommen, aus dem Boden gestampft …

    Perico war eine Stadt geworden, die zum Sterben verurteilt war, sobald in der Gegend kein Gold mehr gefunden wurde.

    Wir passierten eine enge Gasse zwischen zwei Gebäuden. Aus den Augenwinkeln sah ich es aufblitzen. Ich warf mich gegen Joe. Ein Gewehr peitschte, und dann spürte ich den sengenden Strahl der Kugel an meiner Nasenspitze. Der Knall wurde über uns hinweggeschleudert und verebbte. Lärm aus den Amüsierbetrieben erfüllte wieder die Straße.

    Der Remington sprang regelrecht in meine Hand. Ich lief zu dem Gebäude, das die Gasse begrenzte und schmiege mich hart an die Hauswand. Joe erreichte mit einigen kraftvollen Sätzen das Haus auf der anderen Gassenseite. In seiner Faust lag der Colt. Das Metall schimmerte matt im unwirklichen Licht.

    Ich lauschte in die Gasse hinein.

    Knirschende Schritte waren zu hören. Sie entfernten sich. Da schlich jemand davon. Ich wirbelte um die Ecke und begann zu laufen. Als es vor mir aufglühte, sprang ich zur Seite. Eine Kugel, begleitet vom Peitschen des Schusses, pfiff heran, traf mich jedoch nicht.

    Ich feuerte auf das Mündungslicht. Das dumpfe Wummern zerrann. In der Gasse war es still. Ich schlich, eng an die Haus- und Schuppenwände gepresst, tiefer in die Gasse hinein. Als ich einmal über die Schulter blickte, sah ich Joe in der Gassenmündung. Seine Gestalt wurde vom Licht, das aus den Fenstern auf die Hauptstraße fiel und sie erhellte, scharf umrissen. Joe setzte alles auf eine Karte, um den hinterhältigen Schützen aus der Reserve zu locken. Ein Spiel mit dem Feuer …

    Aber der Heckenschütze schien das Weite gesucht zu haben. Mit meiner Kugel hatte ich ihn verfehlt. Ich erreichte das Ende der Gasse. Wildnis schloss sich an. Es gab ganze Gruppen von Büschen. Weiter nördlich erhoben sich Hügel.

    Joe tauchte neben mir auf.

    »Er ist fort«, sagte ich. »Aber ich habe einen Verdacht. Holen wir unsere Pferde …«

    »Du denkst an diesen Josh Dancer, der fast vor Unruhe verging, als wir ihn verhörten?«

    »Ja. Wenn er etwas mit dem Mord an Jed Morgan zu tun hat, gehe ich davon aus, dass er uns aus dem Weg räumen wollte, um zu verhindern, dass wir noch länger in der Sache herumrühren.«

    Wir rannten zum Mietstall und sattelten unsere Pferde. Eine Viertelstunde nach den hinterhältigen Schüssen ritten wir aus Perico. Unser Ziel war Claim Nummer 215 am Mustang Creek. Er gehörte Josh Dancer. Wir ließen die Pferde laufen. Dancer besaß kein Reittier. Wenn er es also gewesen war, der auf uns geschossen hatte, musste er den Weg zu Fuß zurücklegen. Wir würden also vor ihm da sein.

    Joe und ich ritten eine halbe Stunde. Dann waren wir am Ziel. Ich saß bei dem Zelt ab, das Dancer als Unterkunft diente, und schlug die Zeltplane über dem Eingang zurück. Meine geduckte Haltung beibehaltend rief ich Dancers Namen. Im Zelt bewegte sich etwas. Dann kam es schlaftrunken: »Was ist denn? Ich bin müde. Lass mich schlafen, verdammt.«

    Ich war fest ein wenig enttäuscht. »Hier sind die Marshals Logan und Hawk«, sagte ich. »Besitzen Sie ein Gewehr, Dancer?«

    »Verdammt, was wollt ihr schon wieder?« Dancer kroch aus dem Zelt und richtete sich auf. »Warum bekomme ich keine Ruhe vor euch?«

    »Besitzen Sie ein Gewehr?«

    »Natürlich. Eine Henrygun. Was soll diese Frage?«

    »Auf uns wurde geschossen? Zeigen Sie mir Ihr Gewehr, Dancer.«

    Er verschwand wieder im Zelt. Gleich darauf kam er zurück. Er reichte mir die Waffe. Ich roch an der Mündung. Mit dieser Waffe war an diesem Abend kein Schuss abgegeben worden.

    Dancer sagte: »Ich habe mich gleich nach dem Abendessen niedergelegt. Mein Claim habe ich nicht verlassen. Ich kann also gar nicht auf euch geschossen haben.«

    »Besitzen Sie ein Pferd?«

    »Nein.«

    »Nichts für ungut, Dancer«, sagte ich. »Sie können weiter schlafen.«

    Ich schwang mich wieder in den Sattel. Etwas vor sich hinbrummelnd verschwand Dancer in seinem Zelt. Joe und ich machten uns auf den Weg zurück in die Stadt.

    »Wer kann auf uns geschossen haben?«, kam es nach einiger Zeit, in der wir in unsere Gedanken versunken geritten waren, von Joe.

    »Es gibt mehrere Möglichkeiten«, antwortete ich. »Den Heckenschützen kann uns Turpin geschickt haben, aber auch Callaghan. Vielleicht war es auch jemand, den unsere Anwesenheit in der Gegend zutiefst beunruhigt, jemand, von dem wir keine Ahnung haben, dass es ihn gibt. Irgendeiner, der sich in Perico oder im Goldland vor dem Gesetz verkrochen hat.«

    *

    Es ging auf den Morgen zu, als Josh Dancer erneut geweckt wurde. Es waren vier maskierte Reiter, die vor seinem Zelt verhielten. Sie hatten ein lediges Sattelpferd dabei.

    Auf den Nachbarclaims zeigte sich niemand. Die Herzen schlugen höher. Der Satan hatte seine Handlanger geschickt …

    »Was wollt ihr?«, presste Dancer hervor. Er hielt die Henry Rifle mit beiden Händen schräg vor seiner Brust. Die Angst würgte ihn. Ihn fröstelte es. Und es war nicht nur die Kälte der Nacht, die ihn frieren ließ. Es war eine Kälte, die tief aus seinem Innersten kam.

    »Wir untersuchen den Mord an Jed Morgan«, kam es dumpf unter dem Halstuch hervor, das sich der Sprecher vor den Mund gebunden hatte. »Vieles spricht dafür, dass er fündig geworden ist und dass er deshalb sterben musste.«

    »Ich weiß von nichts. Wir hatten kaum Kontakt zueinander.«

    »Wir möchten uns in deinem Zelt ein wenig umsehen. Du hast doch sicher nichts dagegen?«

    »Haut ab. Ich habe mit der Ermordung Morgans nichts zu tun. Ich hab selbst Gold gefunden. Eine ganze Tasche voll. Nuggets! Ich lasse mir von euch nichts am Zeug flicken.«

    »Du hast also Gold in deinem Zelt.«

    »Ja. Es gehört mir. Unterstellt mir nur nichts.«

    »Besitzt du einen Dolch?«

    »Ja. Was soll diese Frage? Fast jeder hier im Goldland verfügt über einen Dolch, einen Revolver oder ein Gewehr.«

    »Hol das Gold und den Dolch aus dem Zelt. Und dann nehmen wir dich mit. Du stehst im Verdacht, Jed Morgans Mörder zu sein. Wir werden darüber befinden. Jetzt hol das Gold und den Dolch aus deinem Zelt.«

    Dancer zitterte an Leib uns Seele. Hinter seiner Stirn wirbelten die Gedanken. Er überlegte, ob er einen Fehler gemacht hatte. Und einen Moment dachte er daran, auf die Vigilanten das Feuer zu eröffnen. Aber er brachte den Mut nicht auf. Er kroch in sein Zelt und holte den Rucksack mit dem Gold heraus. Außerdem hielt er den Dolch in der Faust. Er steckte in einer Scheide aus Leder.

    Dancer wurden der Rucksack und der Dolch weggenommen. Er musste sich auf das ledige Pferd setzen. Dann ritten die Vigilanten mit ihm fort. Als der Morgen graute, erreichten sie eine Schlucht. Hier warteten zwei Männer in derber Kleidung auf sie. Sie waren ebenfalls maskiert. Auf dem Kopf des einen saß eine zerknautschte Mütze, der andere trug einen Calgary-Hut.

    Die Reiter saßen ab. Einer reichte dem Mann mit der Mütze den Rucksack mit dem Gold und den Dolch. Bei Dancer lagen die Nerven blank. Seine Hände zuckten unkontrolliert. Aus jedem Zug seines Gesichts sprachen Angst und nervöse Unrast. In seinen Augen war ein unruhiges Flackern.

    »Du stehst im Verdacht, Jed Morgan ermordet und beraubt zu haben«, sagte der Maskierte mit der Mütze auf dem Kopf. Als er sprach, blähte sich das Halstuch vor seinem Mund ein wenig. Er hatte seine Worte emotionslos und fast monoton gesprochen. Der Blick seiner dunklen Augen ruhte auf Josh Dancer.

    »Das – das ist Unsinn«, brach es über Dancers blutleere Lippen. »Ich habe Gold gefunden. Weshalb sollte ich Morgan umgebracht haben?«

    »Auch Morgan war auf Gold gestoßen. Im losen Erdreich in seinem Claim wurde noch ein Nugget gefunden. In der Nacht darauf wurde er niedergestochen.«

    Der Maskierte öffnete den Rucksack und schaute hinein. »Das sind mindestens vier Pfund Gold«, sagte er. »Er zog den Dolch aus der Scheide und begutachtete ihn von allen Seiten. »Da ist sogar noch eingetrocknetes Blut dran«, gab er zu verstehen.

    »Ich habe einen Wildhasen geschossen und ihn gehäutet«, behauptete Dancer. »Daher das Blut …«

    »Das kann natürlich sein, Dancer. Es kann aber auch Morgans Blut sein, das an dem Messer klebt.« Der Maskierte reichte Messer und Scheide einem seiner Kumpane und griff noch einmal nach dem Rucksack, den er zu seinen Füßen abgestellt hatte. Er ging auf das linke Knie nieder und schüttete ihn aus. Im ersten Licht des Tages schimmerten die Nuggets matt. Der Maskierte drehte den Rucksack um. Das innere war jetzt nach außen gekehrt. Sekundenlang starrte er auf die Initialen, die auf die Innenseite der Rucksackklappe gestickt waren. Ein J und ein M.

    »Was sagst du dazu, Dancer?« Der Maskierte erhob sich und hielt Josh Dancer die Buchstaben vor die Augen. »J für Jed, M für Morgan. Es ist Jed Morgans Rucksack. Du hast einen gravierenden Fehler gemacht, Dancer.«

    »Bei Gott, ich …« Dancer verschluckte sich, hüstelte und seine Gestalt krümmte sich. Es war eine Finte. Im nächsten Moment warf er sich auf den Maskierten, schleuderte ihn mit beiden Händen zur Seite und rannte zu dem Pferd, auf dem er hergekommen war.

    Aber da waren schon die anderen Maskierten heran. Sie fielen über ihn her und rissen ihn zu Boden. Einer brachte eine Schnur, mit der ihm die Hände auf den Rücken gefesselt wurden.

    Dancer wurde auf die Beine gezerrt. »Du solltest ein Geständnis ablegen!«, stieß einer der Maskierten hervor. »Wir hängen dich aber auch ohne Geständnis. Die Beweise gegen dich sind erdrückend.«

    »Bitte, nehmt das Gold, lass mich aber laufen. Ich werde das Goldland verlassen und …«

    »Hast du Morgan ermordet?«

    Die Frage kam wie ein Peitschenhieb. Dancer zog den Kopf zwischen die Schultern. Seine Lippen bebten. »Nein.«

    »Hängt ihn!«, befahl der Maskierte, der den Rucksack umgedreht hatte. Es war ein großer, breitschultriger Mann. Seine Augen blickten hart. Es gab keine Gnade und kein Erbarmen …

    »Nein!«, brüllte Dancer. Seine Stimme kippte. Und dann noch einmal: »Neiiin!«

    Er wurde gepackt und zu einem Baum gezerrt. Ein Lasso wurde über einen der dicken, waagrechten Äste geworfen. Dancer wurde auf sein Pferd gehoben. Einer der Maskierten war ebenfalls aufgestiegen und ritt an ihn heran, legte ihm die Schlinge um den Hals. Einer versetzte dem Tier mit seinem Hut einen Schlag. Das Pferd setzte sich in Bewegung. Einer führte es am Kopfgeschirr. Der Mörder rutschte über die Kruppe, der Strick spannte sich mit einem Ruck. Eine Erschütterung ging durch den Baum …

    *

    Joe und ich waren zur Mallory-Mine geritten. Heather Mallory empfing uns freundlich. Sie schien sich zu freuen. Als wir uns in ihrem gemütlich eingerichteten Wohnzimmer gegenüber saßen, sagte sie: »Ich hoffe, euch führen weniger unfreundliche Umstände her als vor einigen Monaten, als hier der Goldrun ausbrach.«

    Es waren wirklich keine besonders erfreulichen Umstände, die uns damals in dieses County geführt hatten. Es ging drunter und drüber, und als wir diesen Landstrich verließen, waren zwar einige Banditen ausgeschaltet, aber Ruhe und Frieden waren nicht eingekehrt.

    »Doch«, sagte Joe, »es sind ausgesprochen unerfreuliche Umstände, die uns wieder hergeführt haben. Sicher hat es sich herumgesprochen, dass einige Digger ermordet wurden, die fündig geworden sind.«

    Heather wurde ernst. »Es ist schlimm. Ich habe davon gehört. Bruce Turpin will alles tun, um die Schuldigen zu finden. Aber aus einigen tausend Goldsuchern einige schwarze Schafe herauszupicken, dürfte ein Ding der Unmöglichkeit sein.«

    »Wobei wir beim Thema wären«, sagte ich. »Es geht um Bruce Turpin. Wade Callaghan verdächtigt ihn, hinter den Morden zu stecken. Von Callaghan wissen wir auch, dass Turpin Ihnen den Hof macht. Callaghan möchte einige Dinge einführen, die Turpin nicht besonders zu gefallen scheinen. Ich denke, hier prallen einige Gegensätze aufeinander, und die Folge kann ein blutiger Krieg sein.«

    »Callaghan hat mit mir über seine Vorstellungen gesprochen«, sagte Heather. »Es sind gewiss einige Sachen dabei, die ich gut finde. Zum Beispiel die Wahl eines Bürgermeisters in Perico, die Wahl eines Sheriffs, eines Richters, eines Bürgerrates. Dagegen gibt es nichts einzuwenden. Was mich an der ganzen Sache stört, ist, dass Wade Callaghan seine Person dabei zu wichtig nimmt. Dieser Mann ist Machtbesessen. Er will nicht, dass Ruhe und Frieden im Land einkehren. Er will sich in den Sattel schwingen, in dem Turpin bereits sitzt. Das ist der Grund, der ihn gegen Turpin agieren lässt.«

    »Wie stehen Sie zu Turpin?«, fragte ich.

    »Er hat um meine Hand angehalten«, erwiderte Heather. »Aber ich habe abgelehnt. Für ihn gilt dasselbe wie für Callaghan. Er will die erste Geige im Land spielen und schreckt vor keinem Mittel zurück, um seine Vormachtstellung zu behaupten. In der Mallory-Mine wurden reiche Goldvorkommen gefunden. Möglicherweise ist das der Grund, der Turpins Interesse an mir weckte. Ich habe jedenfalls sein Ansinnen, ihn zu heiraten, zurückgewiesen.«

    »Das macht Sie vielleicht zu seinem Gegner«, sagte Joe.

    »Ich kann es nicht ändern. Aber ich habe Männer, die treu zu mir stehen. Ich fürchte Turpin nicht.« Sie sprach es mit Entschiedenheit im Tonfall.

    »Sind von Seiten Turpins schon Drohungen gekommen?«, wollte ich wissen.

    »Nein. Er wird wissen, dass er sich an der Mallory-Mine die Zähne ausbeißen wird.«

    »Wäre es nicht Callaghan, sondern ein anderer Mann, der zwischen den beiden Flüssen für Ruhe und Ordnung sorgen wollte, würden Sie sich auf seine Seite schlagen, Heather. Habe ich Sie richtig verstanden?«

    »So ist es. Denn grundsätzlich sind seine Ideen gut. Callaghan jedoch versucht, die Digger vor seinen Karren zu spannen, sie zu seinem Werkzeug zu degradieren. Das kann nicht gut gehen. Selbst wenn es gelänge, Turpin zu entmachten: Dieser Landstrich käme vom Regen in die Traufe, wenn Callaghan das Kommando übernimmt. Wahrscheinlich ist er noch eine Idee unduldsamer als Turpin.«

    Wir sprachen noch über eine Reihe anderer Dinge mit Heather, dann verabschiedeten wir uns. Als wir auf unseren Pferden saßen und durch die Wildnis ritten, sagte Joe: »Wahrscheinlich hat Heather mit ihrer Einschätzung Callaghan betreffend den Nagel auf den Kopf getroffen. Callaghan fühlt sich dazu berufen, Leute anzuführen und sie nach seiner Pfeife tanzen zu lassen. Mir ist ein Licht aufgegangen, als er auf dem Erdhügel stand und eine Rede hielt. Er versucht auf Kosten Turpins für sich Stimmung zu machen und tarnt sich mit Vorstellungen und Zielen, die zwangsläufig auch allen anderen gefallen müssen. Ruhe und Frieden, ein gewaltfreies Nebeneinander, eine Ordnung, die bis ins letzte Glied organisiert ist.«

    »Ein Wolf im Schafpelz also«, murmelte ich.

    »So kann man es sehen. Aber auch Turpin ist ein Wolf. Ein Leitwolf, der ein ganzes Rudel Wölfe um sich vereint hat. Er wird sein Revier verteidigen – und zwar bis zum letzten Tropfen Blut. Wir stehen wahrscheinlich zwischen den Fronten, Logan-Amigo. Ich blicke einer düsteren Zukunft entgegen.«

    »Heather und ihre Leute sind eine dritte Macht im Lande«, knurrte ich. »Sowohl Turpin wie auch Callaghan versuchten sie auf ihre Seite zu ziehen. Heather hat beiden einen Korb gegeben. Wenn hier die Fetzen fliegen, wird sie jedoch nicht neutral bleiben können. Was denkst du, Joe? Auf welche Seite schlägt sie sich?«

    »Schwer zu sagen. Vielleicht auf keine. Es ist nicht auszuschließen, dass Heather eigene Absichten verfolgt. Sie hat viel Geld, sie verfügt über eine loyale Mannschaft – und sie ist verdammt ehrgeizig.«

    Unsere Unterhaltung schlief ein.

    Es ging auf den Abend zu, als wir Perico erreichten. Wir brachten unsere Pferde in den Mietstall. »Während ihr durch's Land geritten seid, haben die Vigilanten zugeschlagen», empfing uns der Stallmann. »Sie haben Josh Dancer aufgehängt. An seiner Kleidung war ein Blatt Papier befestigt auf dem stand, dass er der Mörder Jed Morgans war.«

    Ich war wie vor den Kopf gestoßen.

    Auch Joe blickte ziemlich betroffen drein.

    »Wo hat man Dancer gefunden?«, fragte ich, als ich die Hiobsbotschaft verdaut hatte.

    »In einer Schlucht, durch die der Mustang Creek fließt. Auf dem Zettel stand, dass der Nachweis für seine Täterschaft erbracht worden ist. Weshalb ist euch das nicht gelungen, Marshals?«

    Auf diese Frage – die einen unverhohlenen Vorwurf beinhaltete –, konnte ich dem Burschen auch keine Antwort geben. Wir nahmen unsere Gewehre und die Satteltaschen und verließen den Mietstall. Nachdem wir unsere Satteltaschen auf's Zimmer gebracht hatten, gingen wir in den Golden Nugget Saloon.

    Auch heute saß Bruce Turpin wieder an einem der Tische. Bei ihm waren einige Burschen vom heißen Eisen. Das war deutlich an der Art zu erkennen, wie sie die Revolver geschnallt hatten. Es waren drei, und sie bildeten wahrscheinlich Turpins Leibgarde.

    Als Turpin uns sah, erhob er sich sofort und kam näher. »Nicht besonders erfolgreich gewesen, wie?«, sagte er, als er uns erreichte und stehen blieb. »Haben Sie es schon gehört? Die Vigilanten sind schneller gewesen als Sie, Marshals.« Seine Stimme triefte vor Hohn.

    »Zumindest scheint der Mord an Morgan geklärt zu sein«, versetzte ich ruhig, wenn ich auch innerlich kochte. Die Arroganz dieses Burschen war ein richtiges Brechmittel. »Man praktiziert im Goldland eben eigene

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