Parthenon: Roman
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About this ebook
Provokant, polarisierend, faszinierend
Eine beinahe unmerkliche Explosion, eine Wolke aus Rauch, empfindliche Stille - dann das dumpfe Knacken berstenden Marmors: Der Parthenon auf der Akropolis ist Geschichte. Kaum hat sich der Qualm verzogen, wird die schmerzliche Leere entblößt: Wo noch vor kurzem das Wahrzeichen Athens gethront hatte, ist jetzt - nichts. Scharenweise pilgern die Menschen an den Ort dieser griechischen Tragödie: Wer hat ihnen ihr Sinnbild, ihren Ankerpunkt genommen?
"Ich hatte nicht die Absicht, Böses zu tun. Ich wollte nicht zerstören … Ich empfand mich selbst als jemanden, der ein Geschenk anbietet, einen Ausweg, eine Herausforderung."
Schon Mitte des 20. Jahrhunderts rief der Dichter Jorgos Makris in einer Proklamation dazu auf, sich des Parthenon zu entledigen. Jetzt, 60 Jahre später, wagt es tatsächlich jemand. Ein junger unbescholtener Mann hat das jahrtausendealte Symbol zum Einsturz gebracht. Getrieben von der Sehnsucht, sich und die Griechen von der hemmenden Bürde ihres übermächtigen antiken Erbes zu befreien.
Christos Chryssopoulos - so kraftvoll klingt zeitgenössische griechische Literatur
Christos Chryssopoulos ist ein kritischer Kenner der kulturellen, sozialen und politischen Verhältnisse in Griechenland. In seinem scharfsinnigen Roman macht er die große Ambivalenz nicht nur der Griechen, sondern darüber hinausweisend jeder nationalen Identität zum Thema. Ein mutiger, sprachlich kraftvoller Roman über die Konstruktion einer Nation und die Poesie der Zerstörung.
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Book preview
Parthenon - Christos Chryssopoulos
Vater
1. Ein möglicher Monolog des Täters Ch. K.
Es sind ausschließlich Geräusche vom Zurechtrücken von Möbelstücken zu hören. Stühle, die über den Boden geschoben werden. Schritte. Das Drücken verschiedener Knöpfe auf einem elektronischen Gerät. Schließlich hört man den schweren Atem von jemandem, der seinen Mund vor das Mikrophon hält. Pause von einigen Sekunden Länge. Absolute Stille.
Als ich begann, hatte ich keine Ahnung, wie ich vorgehen sollte. Ich hatte weder einen Plan noch ließ ich mich von irgendeinem Ideal leiten. Der Ausgangspunkt war eine Welle, die mich mitriss und zufällig in diese Richtung trieb. Genauso gut hätte sie mich auch woandershin tragen können.
Es gab keinen ersten Tag. Es gab keinen konkreten Anfang. Ich erkenne weder eine wie auch immer inspirierte Eingebung an, noch folgte ich irgendeinem vorgegebenen Ziel. Das Erste, was mir durch den Kopf ging, oder vielmehr das Erste, was ich mir überdeutlich und lebhaft vorstellen konnte, waren die Folgen. Nur die Folgen. Der Widerhall auf den Titelseiten der Zeitungen, in den ersten verstörten Worten der Nachrichtensprecher, in den ersten Fernsehbildern. Die Folgen … Die Tat, die über der Stadt schwebt. Die Tat, die sich in Druckwellen über die Stadtviertel und Boulevards ausbreitet, vom Dach der Stadt herunterhängt, in den Wolken über der Stadt feststeckt. Die Tat, die eine Nachricht wird. Die Tat, die in aller Munde ist. Die Tat, die überall und jederzeit allgegenwärtig ist. Die Tat, die nun unser Gemeingut geworden ist. Die Lust, die dem bereitet wird, der sie insgeheim als eigene wiedererkennt.
Das war der erste Schritt. Jetzt kann ich es mit Sicherheit sagen. Die erste Sache, die mich faszinierte, war, dass alle davon sprechen, alle von ihr Kenntnis nehmen, alle verblüfft sein würden, aber nur ich alleine wäre imstande, sie auch zu genießen. Nur ich würde darauf warten, dass sie sich ereignet, und jedes Mal, wenn jemand darüber spräche, jedes Mal, wenn ich selbst ihre Schilderung zu lesen bekäme, würde sich jedes noch so kleine Detail, ja alles in eine Zutat der süßesten Bestätigung verwandeln. Diese Tat würde ganz und gar mir allein gehören.
Es ist kaum möglich, dass du in unserer Stadt etwas ganz und gar dein Eigen nennen kannst. Deine Erfolge musst du mit denen teilen, die sie sich aneignen. Die Misserfolge stellen erst gar kein Eigentumsobjekt dar, denn sie werden mittlerweile nur selten akzeptiert. Also bleibt nichts mehr übrig, das uneingeschränkt dir gehört. Mit Ausnahme vielleicht einer allerletzten Selbstillusion: der Tat nach bestem Wissen und Gewissen.
Ich fürchtete mich sehr davor, missverstanden zu werden. Das ließ mich oftmals vor der Tat zurückzuschrecken und veranlasste mich immer wieder dazu, sie zu verschieben. Ich wollte nicht als ein weiterer abscheulicher Verbrecher gebrandmarkt werden. Als faszinierender Paranoiker. Als skrupelloser Irrer. Als bequemes Stereotyp.
Unsere Stadt verfügt über ein einziges Denkmal. Ein einziges Sinnbild, das gerade deswegen für die unterschiedlichsten Zwecke genutzt wird. Andere Wahrzeichen mit Wiedererkennungswert existieren schlicht und ergreifend nicht. Und wenn auch noch jener einzige Herkunftsbeweis fehlen würde, auf den wir alle einen legitimen Besitzanspruch zu erheben glauben, hätten wir das Gefühl, in einer fremden, künstlichen Welt zu leben. In einem Brettspiel vielleicht oder am Grund eines Aquariums.
Die Lichter in unserer Stadt schillern bunt. Gelb oder orange. Unsere Stadt gibt sich mal langsam und träge, mal ungeduldig wie wir selbst. Bisweilen weiß sie, wo sie hinsteuert, bisweilen torkelt sie ziellos umher. Unsere Stadt sind wir selbst. Wo wir auch hingehen, wir tragen die Stadt in unseren Taschen mit. Und wenn wir vom Tragen mal müde werden, dann legen wir sie, wo auch immer wir uns gerade befinden, auf die Erde ab und treten in sie ein. Wir decken uns gut zu und leben eingeschlossen in ihren Eingeweiden. In dieser heißen und wasserarmen Stadt singen wir uns flüsternd die immer gleichen Lieder vor. Wieder und immer wieder.
Es ist von entscheidender Bedeutung, klare Motive zu haben. Ich hatte nicht vor, Böses zu tun. Ich hatte nicht vor, Böses zu tun. Ich wollte nicht zerstören. Es war nicht meine Absicht, zu zerstören. Einleuchtende Erklärungen können hier nicht gegeben werden. Es gibt nur die Illusion der Tat aus eigenem Antrieb, einzig auf die Aktion kommt es an. Ich vertrete nichts und niemanden. Was geschah, gehört einfach nur mir. Das ist alles. Diese Tat gehört mir.
Er scheint kurz zu zögern, den Faden zu verlieren. Sodann beginnt er, laut nachzudenken. Als würde er zu sich selbst sprechen.
In unserer Stadt wandelt jeder auf seinen eigenen Pfaden – oder müsste ich eher sagen, auf seinem eigenen Pfad? Ich überquere die Straßen jedes Mal von derselben Stelle aus. Ich gehe die Stufen auf und ab. Genau dreizehn zwischen jeder Etage. Vier am Gehweg. Zwei jedes Mal,